Versprochen, gebrochen, wieder eingefordert II
Posted by flatter under Politik[20] Comments
06. Jun 2010 23:12
Ausgehend vom gestrigen Artikel stellt sich die Frage, wie es aussieht, das Versprechen der Demokratie im Jahr 2010. Vordergründig gar nicht schlecht. Artikel 1 GG hat nach wie vor ‘ewige’ Gültigkeit, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20), das nach demselben Paragraphen gar ein Recht auf Widerstand hat. Man glaubt es kaum, auch Art. 14 ist noch in Kraft und besagt: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“.
Diese Rahmenbedingungen und weitere gute und richtige Festlegungen im Grundgesetz umgrenzen ein Gemeinwesen, dem ich mich jederzeit verschreiben kann. Die Demokratie, die hier skizziert ist, ist der Staat, in dem ich gern leben will. Einen besseren brauche ich nicht.
Wie kommt es nur zu dem Mißverständnis, daß das tatsächlich die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist und ich in der wirklich echten Wirklichkeit kaum etwas davon wiederfinde?
Grundgesetz? Was ist das denn?
Die ‘Sozialbindung des Eigentums’ muß ich nicht lange kommentieren. Aus dem Wort “soll” wird traditionell “kann”, also “muß nicht”, ergo “bloß nicht” interpretiert. Spätestens seit der sogenannten “Bankenrettung” wissen wir, daß die Allgemeinheit dem Eigentum dient. Es ist, als existiere Art. 14 (2) GG überhaupt nicht.
Aus Artikel 1 leiten sich vor allem die Rechte auf körperliche Unversehrtheit, Leben und Freiheit der Person ab. Immerhin gibt es keine Todesstrafe, rechtliche Regelungen zum Umgang mit Gefangenen, die Folter u.ä. verbieten und grundsätzliche Freizügigkeit. Der Lack blättert allerdings gewaltig, wenn man den Kreis etwas weiter zieht. Aus dem Verbot von Angriffskriegen in Kombination mit der Beschränkung des Einsatzes der Bundeswehr auf den Verteidigungsfall etwa wird die Legitimation zu einem Krieg im Afghanistan abgeleitet – unter quasi rotierenden Begründungen.
Ursprung der Aktion war dabei die Zusage der “uneingeschränkten Solidarität” mit einem Land, das aus demselben Anlaß gefoltert und gemordet sowie Angriffskriege geführt hat. Hier purzeln die grundgesetzlichen Vorgaben wie die Dominosteine.
Was interessiert mich unser Programm?
Man kann das beinahe beliebig fortsetzen. Das Brechen der Versprechungen, die in Form verbindlicher Verfassungsgrundsätze noch viel mehr sind als solche, wird flankiert von einer Erosion programmatischer Grundsatztreue bei den Parteien, insbesondere derjenigen, von denen einmal Widerspruch zu erwarten war. Die CDU ist noch ganz in ihrem Element, wenn sie Oberschichtspolitik macht. Die guten Christen kriegen als protestantische ohnehin, was sie verdienen und richten als katholische ihren Blick ganz konsequent auf ein Leben nach der letzten Wahl. Die FDP ist Klientelpartei und macht alles richtig – bis der Ast halt durchgesägt ist.
Genug wurde hier bereits über Grüne und “Sozialdemokraten” gesagt. Die basisdemokratischen Pazifisten folgen stets den Kriegsaufrufen der Fraktionsvorsitzenden. Einmütig mit der SPD haben sie für den komplettesten Sozialabbau in der Geschichte der BRD gesorgt und sind nach wie vor der Ansicht, dieser Weg sei der richtige. Ein Irrenhaus.
Die eizige Partei, die keine marktradikal-konservative Politik macht, heißt “Linke”. Obwohl sie seit der “Wiedervereinigung” dem Dauerfeuer der bürgerlich-antikommunistischen Propaganda ausgesetzt ist (ohne auch nur im zartesten Ansatz kommunistisch zu sein) und sich in weiten Bereichen dilettantisch bis desaströs verhält, wächst der Zuspruch bei den Wählern immens.
Wieso, weshalb, warum?
Was ist hier los? Dazu möchte ich nur einen winzigen Ausschnitt besprechen, der sich eben mit den Versprechungen der ‘Politik’ befaßt. Denen, die gemacht werden und denen, die sich die Menschen machen. Ganz offenbar ist der Umgang mit den Glaubensfragen in einer Phase stiller, aber verheerender Desorientierung. Rapide sinkende Wahlbeteilungen, Wählerwanderung im Überschallgeschwindigkeit (siehe FDP) und ein beinahe totaler Vertrauensverlust in die Eliten sind die Symptome. Davon ausgenommen sind nur Bataillone von Rentern, deren Unflexibilität noch Stabilität suggeriert.
Das Verhältnis der Bevölkerung zu den Eliten ist nicht mehr nur schlecht. Es existiert beiderseits nicht mehr. Ein Bezug politischer Entscheidungen zu den Lebenswelten der Bürger und umgekehrt findet nicht statt.
Die Abgehobenheit der Entscheider und deren Motive sind in diesem Blog regelmäßig Thema. Da ist vorläufig keine Änderung zu erwarten, bevor der Laden nicht für jedermann sichtbar zusammenbricht. Was aber ist mit der Unzufriedenheit, der Angst und dem Druck, den die große Mehrheit der Bevölkerung empfindet? Warum ist Depression die einzige spürbare Reaktion? Warum verweigern sich die Massen diesem Unfug nicht und fordern nicht einmal die Erfüllung der zentralen Versprechen in Form der Einhaltung grundgesetzlich festgeschriebener Rechte und Pflichten ein?
Warum wird nicht einmal öffentlich diskutiert und hinterfragt, wie es dazu kommen konnte? Welche Möglichkeiten gibt es, diese Diskussion endlich zu führen und damit Politik überhaupt wieder möglich zu machen? Vor allem: Wo ist die Hoffnung auf eine Änderung in dem Sinne, daß die konstitutiven Versprechungen dieses ursprünglich als Demokratie angelegten Staatswesens sich erfüllen? Dies werde ich im abschließenden dritten Artikel anreißen.
Juni 7th, 2010 at 02:37
Man darf sich davon nicht fertig machen lassen, auch den Blick nicht immer starr auf das vergangene Jahrhundert heften. Was mich immer fasziniert hat, sind die Umbrüche in der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen. Banalstes Beispiel: das Aussterben der Dinosaurier, während im Unterholz schon die ersten Warmblüter herumwieselten. Oder der Punkt, an dem die Wirbeltiere entstanden, ausgehend von den Manteltieren – das sind kleine Fleischgnubbeln, die am Fels festhaften und den ganzen Tag Wasser ein- und ausatmen – deren Larven sich aber fischartig fortbewegen können und die sich schließlich in einem Akt kollektiven Ungehorsams weigerten, erwachsen zu werden. So ähnlich könnten auch in Zukunft unreife, quirlige, freche Wesen die fetten Quallen hinter sich lassen (mit dem Unterschied, dass man ein Herz für Quallen wird haben müssen, aus humanitären Gründen).
Ganz allgemein scheinen sich Formen durchzusetzen, die eher klein, schwach und indifferent sind. Um jetzt doch noch die Kurve zur Politik zu kriegen, würde ich diese Eigenschaften am ehesten bei Teilen der Linken und der Piraten verorten. Wobei mir das fast schon wieder zu abgestanden ist, schließlich sind die ja auch Teil des geschrotteten Systems. Ich würde nicht ausschließen wollen, dass sich die nächste große Änderung ganz außerhalb der gewohnten Strukturen vollzieht (z.B. so was wie virtuelle Staatsbürgerschaften). Den Mut, das zu hoffen, habe ich aber nicht, wegen der zu erwartenden Unwägbarkeiten.
Juni 7th, 2010 at 03:09
Die Fragen am Schluss Deines Textes sind nur allzu berechtigt – und wurden dennoch schon so oft gestellt, ohne dass zumindest ich je ein befriedigende Antwort gelesen hätte.
Die naheliegendste ist sicherlich der Hinweis auf die allgegenwärtige Propaganda, die ständigen Manipulationsversuche, der von Seiten der Massenmedien unters Volk gebracht werden. Aber das allein kann es ja nicht sein, denn nicht alle Menschen in diesem Land (und in anderen Ländern läuft ja dasselbe Programm ab), sind erkenntnisbefreit, narkotisiert und/oder dumm.
Eine einfache Antwort auf diese Fragen nach dem Warum gibt es gewiss nicht. Da dürften viele, sehr verschiedene Gründe, die alle ineinandergreifen, eine Rolle spielen. Was ich aber für die viel drängendere Frage halte, ist die, die sich aus Deiner Feststellung im vorherigen Text ergibt, die da lautet:
“Grundsätzlich ist menschliches Zusammenleben ohne Unterdrückung, Unfreiheit und Ungerechtigkeit nicht zu bewerkstelligen.”
Das ist ein Hammer, den man auf sich wirken lassen muss. Da steht nicht: “Nach meiner Ansicht”, oder “Es scheint so, als …” – nein, Du schreibst da eine scheinbar unumstößliche Feststellung auf, ohne sie jedoch zu begründen. Hinweise auf die Vergangenheit reichen da sicherlich nicht aus, denn dann könnte man genauso feststellen: “Jede menschliche Zivilisation endet irgendwann zweifelsohne im brutalen Krieg und Untergang.” – Aber muss das wirklich so sein?
Ich gebe gerne zu, dass die Vergangenheit der Menschheit da wenig Anlass zu Optimismus bietet. Aber dennoch: Weshalb muss man Ideen wie den Sozialismus verwerfen, weil er einmal in der Geschichte gescheitert ist – nicht wegen des “falschen Konzepts”, sondern wegen der abstrusen Umsetzung? – Der Kapitalismus hat sich selbst schon viele Male ad absurdum geführt – dennoch wurde er immer wieder neu belebt. Dahinter standen und stehen stets nur die Interessen der selbsternannten “Elite”.
Wenn wir also Alternativen diskutieren, experimentieren, Neues ausprobieren wollen – dann steht an allererster Stelle die Entmachtung dieser “Eliten”. Dass es anders nicht geht, zeigt die Geschichte der Menschheit nun so deutlich wie es deutlicher nicht sein könnte.
Daraus folgt die Frage: Wie lässt sich diese “Elite” entmachten? Die Antwort dürfte naheliegend sein. Man muss sie nicht aus irgendwelchen “Ämtern und Würden” jagen, denn da sitzen ohnehin nur ihre Marionetten. Nein, man muss ihnen die Instrumente abnehmen, mit denen sie all dies immer und immer wieder bewerkstelligt haben. Die Rede ist vom Geld – bzw. vom Geldsystem.
Genau da schließt sich der Kreis: Solange es noch immer so unsäglich viele Menschen da draußen gibt, die das alles, was passiert, zwar regelmäßig zum Kotzen finden, zwei Sekunden später aber insgeheim denken: “Ach, wenn ich doch bloß ein bisschen mehr Geld im Monat zur Verfügung hätte, könnte ich doch ein richtig erfülltes und einigermaßen schönes Leben führen …” – solange wird sich auch nichts ändern. Das ist das Perfide an diesem System: Dass den Menschen stets suggeriert wird: “Ihr könnt es doch alle leicht schaffen, zu den Gewinnern zu gehören und auf der Sonnenseite zu sitzen!”
Dass es in einem solchen inhumanen System der vermeintlichen “Gewinner” auch immer Verlierer gibt, wird einfach nicht zur Kenntnis genommen oder billigend in Kauf genommen. Und da setzt dann wieder die Propaganda der Medien an, die genau das immer ausblendet.
Wie man es auch dreht oder wendet: Ohne ein anderes Geldsystem wird es keine Veränderungen geben können. Geld in der heutigen Form ist humanistischer Terrorismus.
Juni 7th, 2010 at 09:24
Beim Lesen der Zeilen (auch die der bisherigen Zuschriften) gehen mir die folgenden Gedanken durch den Kopf:
…“Die Demokratie, die hier skizziert ist, ist der Staat, in dem ich gern leben will. Einen besseren brauche ich nicht“…
Demokratie mag wohl die beste Voraussetzung für ein gerechtes miteinander sein, aber sie steht nicht zwangsläufig dafür. Wenn „Volkes Wille“ es will, dann verbringen die „Überflüssigen“ am Standrand in Containern und an den „Tafeln“ ihr Dasein. Diesen Weg beschreiten wir derzeit. Eben weil diese Gerechtigkeit nur „skizziert“ ist, ist sie nicht einforderbar. Denn diese Forderungen sind mit Kapitalismus nicht vereinbar.
…“Die einzige Partei, die keine marktradikal-konservative Politik macht, heißt “Linke”. … wächst der Zuspruch bei den Wählern immens.“…
Das wünschte ich mir auch. Aber das Wort „immens“ scheint mir leider gewaltig übertrieben angesichts der Situation des Kapitalismus und der gewaltigen sozialen Verwerfungen.
…“Da ist vorläufig keine Änderung zu erwarten, bevor der Laden nicht für jedermann sichtbar zusammenbricht.“…
Es ist scheinbar der einzige Weg und Punkt an dem die Menschen bereit waren und sind nachzudenken und zu handeln. Leider hat daran auch eine Schulbildung für alle nichts geändert. Noch nie gab es so viele selbstverliebte Tagträumer und Egomanen, unfähig mit anderen auch nur den geringsten Kompromiss zu finden. Die Zahl von kleinen Parteien und Gruppen sprechen Bände. Was kommt dabei heraus? NICHTS.
Unfähig Zusammenhänge und Ursachen zu erkennen ist ihnen Bestenfalls eines gemein, Resignation vor den Verhältnissen und eine Flucht in den kindlichen Traum eines BGE für alle, das alles lösen soll.
…“ Wie man es auch dreht oder wendet: Ohne ein anderes Geldsystem wird es keine Veränderungen geben können. Geld in der heutigen Form ist humanistischer Terrorismus.“…
Das Geldsystem ist nur ein Symptom dieser Kapitalistischen Gesellschaft. Dieses kapitalistische System, die Besitzverhältnisse an Produktionsmitteln und Kapital sind in Frage zu stellen und zu ändern. Bei allen Fehlern die auch die Partei die Linke hat, aber es ist ausschließlich die Partei die Linke, die diese Forderungen stellt.
… „würde ich diese Eigenschaften am ehesten bei Teilen der Linken und der Piraten verorten.“…
Die Partei die Piraten in Zusammenhang mit einer Idee, Wille oder Fähigkeit die soziale Verhältnisse überhaupt ändern zu wollen halte ich für sehr gewagt.
MfG Lutz
Juni 7th, 2010 at 09:44
@ Charlie
Was du da zum Thema machst (machen willst), wird überall ausgeblendet. Leider auch hier, und zwar ziemlich konsequent. Dass es die Hunderte Milliarden Systemstützung gar nicht gibt, sondern dass sie erst aus der Zukunft herausgepresst werden sollen (systembedingt: müssen), bleibt außerhalb der Diskussion. Regen wir uns also weiter auf, dass die Wochenration Aufregung die von voriger Woche in den Schatten stellt. Ausblick: was muss morgen gerettet werden? Ja, wir alle müssen es retten…
Juni 7th, 2010 at 10:13
“Was du da zum Thema machst (machen willst), wird überall ausgeblendet. Leider auch hier, und zwar ziemlich konsequent. Dass es die Hunderte Milliarden Systemstützung gar nicht gibt, sondern dass sie erst aus der Zukunft herausgepresst werden sollen (systembedingt: müssen), bleibt außerhalb der Diskussion.”
Mitnichten. Nur formuliert nicht das ‘Geldsystem’ diese Anforderungen, sondern schon die Produktionsweise selbst. Und ihnen nachzukommen ist eine politische Entscheidung – nämlich die zwischen (höchst zweifelhafter) ‘Rettung’ und ‘systemisch’ eigentlich gebotener Marktbereinigung. Oder noch etwas pointierter hier. Die Forderung, sich (ausschließlich) des Geldsystems anzunehmen, verwechselt Roß und Reiter…
Juni 7th, 2010 at 10:19
snozin meint:
Juni 7th, 2010 at 09:44
@ Charlie
“Dass es die Hunderte Milliarden Systemstützung gar nicht gibt, sondern dass sie erst aus der Zukunft herausgepresst werden sollen (systembedingt: müssen), bleibt außerhalb der Diskussion.”
Man kann immer wieder was lernen! So deutlich (und so präzise auf den Punkt gebracht) wie oben habe ich die ganze Ungeheuerlichkeit dieser “Rettungen” und “Schirme” noch nirgends beschrieben gesehen.
“erst aus der Zukunft herausgepresst” – ja, was für ein ökonomischer Kanibalismus, dem wir bzw. die meisten von uns schier hoffnungslos ausgeliefert sind/wurden….
Juni 7th, 2010 at 10:55
@Charlie: Mit “Unterdrückung”, das ist ganz umdramatisch, meine ich faktische und strukturelle Unterdrückung, die per Gesetz nicht zu verhindern ist. Es wird immer jemanden geben, der seinen Einfluß rücksichtlos einsetzt. Das Maß ist allerdings begrenzbar.
Ich habe auch nichts gegen Sozialismus, da mißverstehst du mich. (Dann müßte ich ja auch FDP Wählen ;-) Ich finde nur die Idee einer soz. Revolution dumm, weil der Sozialismus genau so korrumpierbar ist. Demokratie ist ohnehin ‘sozialistisch’, das hat ja sogar Westerwelle erkannt, und Sozialismus nur demokratisch seines Begriffs würdig.
Was die Geldwirtschaft anbetrifft, da zäumst du das Pferd von hinten auf. Selbst eine Abschaffung des Geldes ginge nicht ohne einen Übergang vom Kapitalismus zu anderen Formen des Wirtschaftens. Laß uns also über den ersten Schritt reden.
Juni 7th, 2010 at 11:00
Wie oft schon habe ich meinem Abgeordneten das Grundgesetz unter die Nase gehalten, mit Hinweis auf seinen Verstoß gegen Artikel 38 (1).
Wie oft schon habe ich dem erklärt, die Abgeordneten sind dem GANZEN Deutschen Volk verpflichtet, nicht einem Teil, den Kapitalisten.
Seine Ausrede – er habe auch ein Gewissen seinem Kanzler gegenüber – später dann – er wolle nicht den Koalitionsfrieden brechen. Und das konnte er ohne Folgen offen in einer Wahlveranstalltung sagen, er habe gegen einen Mindestlohn abgestimmt, obwohl er dafür ist.
Er sitzt über die Landesliste dann doch wieder im Bundestag, obwohl er sein Direktmandat mit Pauken und Trompeten verloren hat, wegen seiner Haltung. Ein Wahlkreis, der bis zur letzten Wahl immer ein SPD-Kreis war.
Als damals der “Krieg” in Jugoslawien begann, war ich auf seine Einladung hin mit anderen in Bonn. Was haben wir versucht ihn gegen den Krieg einzustimmen. Vergebens.
Da bleibt nur ein Zitat – Denk ich an Deutschland in der Nacht …
Juni 7th, 2010 at 11:02
Auf dieses Beispiel werde ich zurückkommen. Wir sprechen uns noch!
Juni 7th, 2010 at 13:24
@ Peinhard
Ich bin seit langem Leser von Robert Kurz, allerdings ohne ihn “studiert” zu haben. Vielleicht sollte man das tun. Der von dir verlinkte Text unter dem Hinweisstichwort “hier” ist von beeindruckender Klarheit.
Die Regularien unserer Wirtschaftsverfassung werden indes immer abenteuerlicher. Die Schuldenbremse, inzwischen eine gesetzlich geschützte Monstranz, bremst auch noch die letzten beweglichen Teile der Fehlkonstruktion. Die Vorführer des Perpetuums können eigentlich nur noch schwarze Tücher drüber hängen und sich vor dem Gelächter ihrer Zuschauer flüchten. Denen man andererseits sagen muß: die wollen dafür horrende Preise kassieren.
Dieses rituelle Puls- und Fiebermessen an Gebilden wie FDP, SPD und wie sie da alle in Reih und Glied auf der Prozentschaukel sitzen, das kann man zwar immer wieder bebildern, aber irgendwann sollte es damit gut sein, fand snozin.
Juni 7th, 2010 at 13:29
Was aber ist mit der Unzufriedenheit, der Angst und dem Druck, den die große Mehrheit der Bevölkerung empfindet? Warum ist Depression die einzige spürbare Reaktion? Warum verweigern sich die Massen diesem Unfug nicht und fordern nicht einmal die Erfüllung der zentralen Versprechen in Form der Einhaltung grundgesetzlich festgeschriebener Rechte und Pflichten ein? Angst, Fatalismus (“Da kammer nix mache, gell?”), Desintresse, Verantwortungslosigkeit usw. Ruf’ Dir doch bitte beispielhaft das hier in’s Gedächtnis zurück (kennst Du bestimmt) und folge weiteren Links aus dem Artikel.
Zitat daraus: [...] eine sozialtheoretisch anregende Arbeit mit Blick auf die vier Haltungstypen der auch innerlich Ungebrochenen, der Resignierten, der Verzweifelten und der verwahrlost Apathischen – wobei lediglich der erste Typus noch „Pläne und Hoffnungen für die Zukunft“ kannte, während die Resignation, Verzweiflung und Apathie der drei anderen Typen „zum Verzicht auf eine Zukunft führte, die nicht einmal mehr in der Phantasie als Plan eine Rolle spielt“. Als entscheidende Dimension erwies sich die Fähigkeit, „für die Zukunft Pläne und Hoffnungen“ bewahren und entwickeln zu können, also eine grundlegende Dimension humanen Gestaltungsvermögens nicht zu verlieren: die Antizipation möglicher Entwicklungen.
Wie soll sich in der Breite der uninformierten, unintressierten und manipulierten Bevölkerung angesichts der Großaggregate Europa, Globalisierung, Finanzkrise, Hunderte-Millarden und -Billionen, Demographie, Klimakatastrophe, Resourcenschwund, Überfischung, Überbevölkerung usw. genügend Interesse, Selbstbewusstsein und Kraft – die Fähigkeit, „für die Zukunft Pläne und Hoffnungen“ zu bewahren und zu entwickeln – für die Auseinandersetzung pro funktionierender Demokratie à la GG bilden? Und so zieht sich halt jeder in “seine persönliche Komfortzone” zurück – und wenn diese nur aus Kühlschrank, Flatscreen, Bier und Chips bestehen sollte.
Und außerdem: Die nackte Gewalt früherer Herrscher und Beherrschungssysteme ist durch die scheinbar sanfte Gewalt des Kapitals und der Überkomplexizität des “modernen Lebens” abgelöst worden. Kapital, Geschwindigkeit und Komplexizität: Die neuen Herrschaftsinstrumente.
Juni 7th, 2010 at 13:56
@Vogel: Arbeitslose stellen nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Bevölkering. Andere sind aber im bezug auf Politik genauso apathisch. Und nenne sie “uninformiert” – was sie ja gemeinhin auch sind -, aber die meisten beschleicht doch längst der penetrante Verdacht, wo nicht die Gewissheit, ständig belogen zu werden. Drauaf beziehe ich mich und frage: Warum lassen sie das zu?
Juni 7th, 2010 at 14:57
@flatter: Ich hebe ja nich allein auf die Arbeitslosen ab. Verkürzen wir: Das Problem der Perspektive- und Würdelosigkeit, das v. a. bei Arbeitslosen die Lethargie “befeuert” iss heute allgemein. Für perspektivlos zu werden brauchste heute nich mehr ohne Quali sein, arbeitslos sein, da genügt die nackte Existenz. Beispiel: Meine Schwiegertochter in spe: Studiert bis zum geht nich mehr (Psychologie), alles mit 1,0 oder summa cum laude, fast alles an Zusatzausbildungen ‘was geht, engagiert bis zum Abwinken … keine Chance auf ‘n halbwegs vernünftigen Job (z. Z. Halbjahresverträge, Viertelstelle aber für Halbestelle arbeiten bei Viertelstelle-Bezahlung …)
[...] der penetrante Verdacht, wo nicht die Gewissheit, ständig belogen zu werden. Dat iss doch auch ‘ne schöne Ausrede: “Weil ich belogen werde brauch’ ich (kann ich) nix machen” – das denken sicher viele, aber wird es dadurch richtig?
Ich bleib’ dabei: Die Menschen in entwickelten Ländern sind in der Mehrzahl deshalb … ja was denn? … sind deshalb nich in der Lage aus den Möglichkeiten, die sie theoretisch für sich und die Mitmenschen eine “gesunde”, soziale, demokratische, gerechte, gute … Welt und Gesellschaft zu formen weil sie das monströse Ausmaß an allgemeiner Verwüstung seelisch, moralisch, ökonomisch im wahrsten Sinn des Wortes platt macht. Solche Zustände hervorzubringen, zu pflegen und als gut und schön (Tina lässt grüßen) zu verkaufen – das ist Herrschaft heute. Der Gute Niccolò M. würde sein “Der Fürst” heute mit den selben zielen aber anderen Mitteln und Wegen schreiben. Er hätte seine helle Freude an den Zuständen heute!
PS.: Noch e bissi Schleim gefellisch: Du machst dess abber rischtisch guud hier!
Juni 7th, 2010 at 16:02
Charlie meint:
Juni 7th, 2010 at 03:09
“dann steht an allererster Stelle die Entmachtung dieser “Eliten”. Dass es anders nicht geht, zeigt die Geschichte der Menschheit nun so deutlich wie es deutlicher nicht sein könnte. ” und: “Nein, man muss ihnen die Instrumente abnehmen, mit denen sie all dies immer und immer wieder bewerkstelligt haben. Die Rede ist vom Geld – bzw. vom Geldsystem.”
Das ist sonderbar! Du willst den “Eliten” das Geld bzw. das Geldsystem “wegnehmen”, ihnen aber ansonsten ihre gesamte ungeheuere ökonomische Macht, ihren ungeheuren Besitz belassen?
Ist das nicht ein wenig unlogisch? Wäre es nicht logischer, diesen ungeheuren Besitz zu enteignen und in gesellschaftliches Eigentum zu überführen? Wie dies anschließend zu organisieren wäre, um effektiv weiter zu wirtschaften, darüber müsste sicherlich noch eine Menge diskutiert werden.
Wie auch immer: So lange die “Eliten” über die fast unumschränkte ökonomische Macht in dieser Gesellschaft verfügen, so lange werden irgend welche “Fummeleien” am Geld bzw. Geldsystem nix bringen.
Juni 7th, 2010 at 16:52
scheint mir eine gute Diskussionsgrundlage zu sein, Dein “Versprochen, gebrochen, wieder eingefordert II”. Bin gespannt, was sich noch aus “III” noch ergibt.
Juni 7th, 2010 at 22:40
Auf den dritten Artikel und die Antworten auf die hier schon präsentierten Fragen bin ich gespannt.
Juni 8th, 2010 at 04:52
Ein symptomatischer Kommentar angesichts der ganzen Situation: Ich finde die Diskussion hier extrem spannend, erkenntnisfördernd und wichtig, muss mich aber aufgrund der heutigen schnöden Notwendigkeit des Geldverdienens auf ein Minimum bei der Teilnahme beschränken. Trotzdem ein paar Anmerkungen:
@ Lutz, Daniel, flatter, Bakunin u.a.:
“Das Geldsystem ist nur ein Symptom dieser Kapitalistischen Gesellschaft. Dieses kapitalistische System, die Besitzverhältnisse an Produktionsmitteln und Kapital sind in Frage zu stellen und zu ändern.”
Genau anders herum ist es richtig. Das heutige Geldsystem zwingt die “Eliten” dazu, leistungslos immer reicher zu werden (auf Kosten der übrigen Menschen) – es sei denn, sie würden ihr virtuelles Vermögen von der Bank abziehen und es wie Dagobert Duck in einem Geldspeicher bunkern. Das System würde zusammenbrechen, wenn das auch nur einige wenige dieser Leute täten.
Und mit diesem Geldsystem geht es einher, dass diese “Elite” überhaupt in die Lage gebracht worden ist, so viel Reichtum anzuhäufen und damit auch die Produktionsmittel zu “besitzen”. Dasselbe gilt für die Macht – die ergibt sich aus genau diesen Besitzverhältnissen. – Eine Neuordnung des Geldsystems (oder gerne auch eine Abschaffung des Geldes an sich – über solche Dinge muss man sich auseinandersetzen) müsste selbstverständlich eine grundlegende Neuverteilung aller heutigen Besitztümer zur Grundlage haben, um sinnvoll zu sein. Diejenigen, die sich auf der Grundlage dieses Unrechtssystemes in den vergangen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten an der Allgemeinheit schamlos bereichert haben, dürfen diesen Reichtum natürlich nicht behalten. Ich dachte, diese Grundvoraussetzung für eine neue Ordnung sei allen klar gewesen.
@ Peinhard:
Vielleicht hat sich damit auch für dich geklärt, dass ich nicht eine “ausschließliche” Veränderung des Geldsystems einfordere, sondern dass dies nach meinem Dafürhalten nur die Basis für alle anderen ebenso notwendigen Veränderungen auf dem Weg zu einer endlich gerechten Gesellschaft ist. Solange es dieses Geldsystem gibt, ist eine wirkliche Veränderung doch gar nicht machbar. Wie sollte das denn auch gehen? Soll in deiner Vorstellung dann der Staat die Rolle übernehmen, die jetzt die Banken innehaben – ohne dass an diesem Zins- und Zinseszinssystem etwas verändert wird? Was würde sich da für die Menschen ändern?
Und ins selbe Horn @ flatter:
Wie soll man eine andere Form des Wirtschaftens denn auf den Weg bringen, ohne zuvor diese Geißel der Menschheit namens Zins abgeschafft zu haben? Stellen wir uns doch einfach mal ganz naiv vor, was geschehen würde, wenn es keinen Zins mehr gäbe. Herr Schmidt hat ein dauerhaftes Guthaben von 5.000 Euro auf seinem Konto und bekommt keine (lächerlich geringen) Guthabenzinsen mehr dafür. Herr Meier überzieht sein Konto um 2.000 Euro und muss dafür auch keine Zinsen mehr zahlen. Die Banken (und somit die Milliardäre unseres Landes) verdienen kein leitungsloses zusätzliches Geld mehr. Schulden gäbe es aber immer noch – und alle damit verbundenen negativen Auswirkungen. Aber der ständigen, unaufhaltsamen, automatischen Vermehrung der riesigen Vermögen wäre ein Riegel vorgeschoben.
Wohlgemerkt: Das ist nicht eine Skizze meiner Utopie (die sieht vollkommen anders aus), sondern nur ein kleines Gedankenspiel, um zu verdeutlichen, wie ein erster Schritt vielleicht aussehen könnte.
Das Ziel des Ganzen sollte nach meiner Meinung eine Welt sein, in der einjeder freiwillig seinen Beitrag zum Gemeinwohl leistet – und alle dafür alles bekommen, was sie für ein erfülltes Leben benötigen. Und damit meine ich Nahrung, Wohnraum, Kunst, Kultur, Freizeit, Verantwortung und all die anderen Dinge, die das Leben erfüllen – das ist für jeden etwas anderes. Solange es aber diese materiellen Unterschiede, diese Gier nach immer mehr Besitz gibt, ist die Menschheit so weit vom Paradies (das heute bereits möglich wäre) entfernt wie der Pluto von der Sonne.
Um einmal meine beste Freundin zu zitieren: “Würden uns außerirdische Besucher heute in den Tiefen des Alls finden – sie würden sich angeekelt abwenden und schnellstens wieder verschwinden, denn ein solches katastrophales globales Gesellschaftssystem ist die pure Barbarei.”
Genauso ist es.
Juni 8th, 2010 at 09:59
“Genau anders herum ist es richtig. Das heutige Geldsystem zwingt die “Eliten” dazu, leistungslos immer reicher zu werden…”
Sorry, Charlie, nein. Die ‘Primärquelle’ ist immer noch der Besitz von Produktionsmitteln und die private Aneignung der Arbeitsergebnisse Lohnabhängiger. Das Geldsystem bildet diese Verhältnisse nur noch einmal ab. Mit den Zinsen auf einen Investitionskredit sichert sich der Geldgeber lediglich einen Anteil aus dieser Quelle. Und der Kreditnehmer würde ihn nicht nehmen, wenn er diese Quelle nicht hätte.
Juni 9th, 2010 at 04:30
Peinhard, da denkst Du zu kurz. Schließlich war es genau dieses Geldsystem, dass die heutigen “Besitzer” der Produktionsmittel erst in die Lage gebracht hat, genau das zu werden. Ohne dieses System gäbe es diese Besitzverhältnisse in dieser Form nicht. Und es wird sie immer wieder geben, wenn das System nicht endlich geändert wird.
Es wundert mich sehr, dass das offenbar so schwer zu verstehen ist.
Juli 2nd, 2010 at 18:28
[...] Abschluß also die Frage nach der Hoffnung auf Besserung der geschilderten Zustände. In den Kommentaren wurden einige Ursachen für Depression und Apathie genannt. Auch diese Liste [...]