Zum Abschluß also die Frage nach der Hoffnung auf Besserung der geschilderten Zustände. In den Kommentaren wurden einige Ursachen für Depression und Apathie genannt. Auch diese Liste ist nicht vollständig, aber wenn man genau genug hinschaut, wird man irgendwann begreifen, warum die Dinge sind wie sie sind. Weil ich aber der Überzeugung bin, daß es immer Alternativen gibt, gilt es zu beleuchten, worin solche bestehen.

Zunächst noch einmal kurz zur ultima ratio, die keine ist: Revolution. Ein Volk, das nicht einmal die Zähne auseinander kriegt, wird nicht auf die Barrikaden gehen. Menschen, die “links” noch immer mit “Kommunismus”, “Mauer und Stacheldraht” verbinden, schon gar nicht. Allein der Gedanke ist albern. Ein Beispiel, das nachgerade das total Falsche repräsentiert, ist der Glaube, “die richtigen Parolen” führten zum Sieg des Guten. Macht euch auch bitte klar, wovon ihr sprecht: Revolution ist die Stunde der Bluthunde, der brutalen Geradeaus-Marschierer und Nihilisten, denen Leichen nichts ausmachen, weil sie halt “Feinde” waren. Solche Leute können die Verhältnisse ändern. Ich bin dann mal weg.

Revolution? Hier?

Wer mir die Proteste der DDR-Bürger als “Revolution” verkaufen will, hat sich hingegen nicht mit den Hintergründen beschäftigt. Das Politbüro war ein Haufen inkompetenter Greise, die sich anmaßten, ein Land zu beherrschen. Gegen einen solchen Gegner kann man gewinnen, zumal wenn man von Freunden umzingelt ist. Ich will die Beharrlichkeit und den Mut der Montagsdemonstrierer nicht herabsetzen, aber die Geschichte der DDR hat mit der heutigen Lage im Kapitalismus nichts gemein.

Hinzu kommt ja, daß es widersinnig ist, hier derart zu revoltieren. Gingen auch nur annähernd so viele Menschen in der BRD auf die Straße, weil sie die korrupten Eliten loswerden wollten, könnten sie eine Durchsetzung der grundgesetzlich versprochenen Demokratie innerhalb des Rechtssystems erwirken. Das Problem ist aber wie gesagt, daß sie nicht einmal ihren Unmut artikulieren, geschweige denn ihr Recht durchsetzen. Sollte es je zu Massenprotesten kommen, bin ich gern bereit, mich zu revidieren.

Wege des Unmuts

Wenn daher der erste Schritt getan werden soll, stellt sich mir die Frage, wie der Unmut sich Bahn brechen kann. Dieses Blog und viele andere sind eine Möglichkeit. Eine, von der noch viel mehr Menschen Gebrauch machen sollten. Dies wird freilich ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.
Eine Möglichkeit, die auch in den Kommentaren aufgezeigt wurde, ist der Kontakt zum Abgeordneten des Wahlkreises. Das Ergebnis dieser Anfrage muß dann aktuell veröffentlicht werden. Das kann man ggf. an Zeitungen oder Blogs weiter leiten. Wie der Fall Köhler gezeigt hat, muß man die Herren nur zum Sprechen bringen, wenn man die Wahrheit hören will. Das darf nicht in den Hinterzimmern bleiben, weil Journalisten glauben, sie seien Geheimnisträger.

Es muß neue Organisationsformen geben. der Vorschlag, Arbeitslosen entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung Stimmen im Rundfunkrat zu reservieren, ist nicht nur witzig. Arbeitslosen-Inititativen müssen sich mehr Gehör verschaffen und etwa dafür sorgen, daß sie in den Gewerkschaften entsprechend vertreten sind. Die werden sich dagegen wehren, aber auch das wäre wieder Bewegung, hier muß sich jemand rechtfertigen oder weichen. Überhaupt sollten Gewerkschaftsfunktionäre, die dafür in Frage kommen, schnellst möglich ins gegnerische Lager wechseln. Man sollte ihnen Angebote machen und sehen, wie sie darauf reagieren.

Tropfen auf dem Stein

Die immer betroffenen und übergangenen Bevölkerungsgruppen müssen sich mehr wehren: Rentner, Arbeitslose, Alleinerziehende, Studierende etc.. In dieser Hinsicht tut sich einiges, das wird häufig übersehen: Es wird fleißig geklagt und oft gewonnen. Das kann gar nicht oft genug versucht werden. Neben der unmittelbaren Wirkung der Urteile ist da ein gewaltiger Image-Schaden für die Verlierer. Mit jeder weiteren Klage wird deutlich, wer hier die Demokraten sind.

Dies sind nur kleine Beispiele für Möglichkeiten, die Minderheiten nutzen könnten, um Diskussionen in Gang zu bringen. Sogar Einzelne können damit Steine ins Rollen bringen. Man muß dafür nicht in eine Partei eintreten, deren Führung eh wurscht ist, was die Basis will. Man muß auch keine gründen, um dann festzustellen, daß man Einigkeit immer nur auf wenigen Feldern herstellen kann.
Die Ziele müssen nicht einmal formuliert werden, sie sind hundertfach aufgeschrieben und ausgesprochen. Warum werden sie nicht verfolgt? Offenbar muß täglich laut an die Versprechungen erinnert werden, die uns längst gegeben wurden. Erfüllt sie endlich!

Die Diskussion ist also eröffnet: Wie kommt der Unmut auf die Agenda? Was kann man tun, um die Apathie zu überwinden? Ist die Sache ohnehin hoffnungslos? Oder rottet ihr euch schon massenhaft zusammen, zum letzten Kampf gegen die Bourgeoisie?