I killed a Köhler – letzter Nachschlag
Posted by flatter under Journalismus[14] Comments
03. Jun 2010 12:34
Einige der Großmedien haben den Anstand darauf aufmerksam zu machen, daß Blogger eine wichtige Rolle spielten in der Causa Köhler. Das ist nicht immer sauber recherchiert, aber das sind wir so gewöhnt. Besonders interessant ist ja, daß es nicht gereicht hat, Köhlers Äußerungen zu bergen und zu dokumentieren, sondern dann noch einer hingehen und die Verlage anrufen mußte, damit dort jemand wach wurde.
Recht peinlich für alle, zumal die FR zunächst mein Blog erwähnte, um dann den Artikel zu ‘korrigieren’ und sich darüber auszuschweigen, woher sie die Informationen hatte.
Das Ärgerlichiste an der Nachbereitung ist aber die kampagnenhafte Behauptung sogenannter “Journalisten”, es seien “Verschwörungstheoretiker” gewesen, die da einen bewußten Eingriff vermuteten, womöglich auf Veranlassung des Bundespräsidialamtes. Die mitgelieferte Erklärung für das Gegenteil ist einfach nur dummdreist: Was der DLF da ins Netz gestellt hatte, sei eben die Abschrift der gesendeten Version. So einfach ist das.
Keiner dieser Aufdecker einer Verschwörungstheorie hat auch nur nachgefragt, warum und von wem ausgerechnet die Passage entfernt wurde, die den ganzen Zündstoff enthielt. Senden die auch Reportagen über Fußballspiele, in denen die Tore nicht erwähnt werden? Und wer dann nach Erklärungen sucht, ist VT?
Nein, die Antwort steht noch aus. Ich werde mir jetzt aber nicht die Mühe machen, dort anzurufen und nachzufragen. Der Fall ist erledigt, und man ahnt ja auch, womit man da abgespeist würde.
Juni 3rd, 2010 at 12:59
flatter, du solltest dich damit abfinden, dass unter den heutigen deutschen(!) Verhältnissen gute und vor allem objektive Informationen von den Mainstream-Medien immer seltener zu haben sind.
Hier und da gibt es noch ein paar “Maulwürfe”, “schlüpfen” mal hier oder da noch ein paar Wahrheiten durch, im Allgemeinen bekommen wir aber eine ziemlich gleichgeschaltete (Pseudo)Informationsbrühe serviert, Beruhigung, Propaganda, nicht mal aus unseren direkten Nachbarländern bekommt man ausreichende Informationen.
Da können mehr als 1 Million Arbeitnehmer an einem Streik teilnehmen, auf allen deutschen Medien absolutes Stillschweigen.
Hin und und wieder erfährt man in österreichischen, schweizerischen Medien ein wenig mehr, auch bei ria novosti…., auch AL Jazeera im Gegensatz zu ARD oder ZDF und, und… oftmals geradezu ein Leuchtturm an Information.
Man sollte sich als Blogger über unsere Medien wirklich nicht mehr dauernd beklagen, es lohnt einfach nicht!
Eine winzige Hoffnung bleibt: Vielleicht gelingt es der deutschen als auch der übrigen internationalen Bloggerszene ein ganz klein wenig, als Korrektiv zu wirken?
Kein falscher Hochmut: Weder “feynsinn” noch die anderen haben Köhler “gestürzt”, aber zumindest ein kleines Scherflein dazu beigetragen. Besser wie nichts!
In diesem Sinne…, go on…..
Juni 3rd, 2010 at 13:25
eingriffe sind eingriffe. man könnte es auch redaktionelle bearbeitung nennen. aber eines können die antiverschwöhrer auch nicht beantworten: warum die passage erst vorhanden, dann verschwunden und erst nach tagen woüberall zitiert wurde.
Juni 3rd, 2010 at 13:44
@Bakunin: Danke für den hilfreichen Rat. Wie aber soll ich etwas “korrigieren”, das ich nicht zur Kenntnis nehme? Es scheint dich ein wenig zu überfordern, daß ich nach wie vor Verhältnisse einfordere – auch und gerade in den Medien – von denen ich sehr genau weiß, daß sie wohl nicht eintreten werden. Das ist m.E. der Weg, auf dem in einer Demokratie die öffentliche Sache vorankommt.
Juni 3rd, 2010 at 14:26
Habe mich heute morgen nach dem Aufstehen selbst von Claus Kleber (Claas Clever?) auf der ZDF-Homepage belehren lassen duerfen, dass nach dieser “Skandaliesierung” der causa durch Blogger und “das Internet” “nichts mehr sein wird wie vorher”…
Haette wirklich nur noch gefehlt, dass irgendein Experte sich ueber die “Gefahr fuer unsere Demokratie” dadurch auslaesst (kleine, radikale Minderheit beeinflusst die oeffentliche Meinung).
Ich habe gespannt darauf gewartet, aber es kommt sicher noch frueher oder spaeter.
Juni 3rd, 2010 at 15:28
“don’t hate the media – become the media”.
claus kleber? is guter junge.
die deutsche welle ist besser als der spiegel. *tadaa*
Juni 3rd, 2010 at 16:09
flatter meint: “Wie aber soll ich etwas “korrigieren”, das ich nicht zur Kenntnis nehme?”
Zur Kenntnis nehmen müssen wir gewollt oder ungewollt doch immer diese Medien, und wenn sie uns nur von einem Kiosk her anschreien.
Was ich meinte ist, darauf zu verzichten, an diese System-Medien noch irgendwelche moralische Maßstäbe anzulegen, man sollte sie einfach kalten Blutes abhandeln.
Wirtschaft, Politik und Medien bilden nun mal ein recht mafiöses Kartell zweck Meinungsmache, Meinungsbeeinflusung, schlichter Desinformation.
Die Medien sind gekauft und werden auf vielfache Weise gesteuert und beeinflusst.
Wenn man das weiss und es auch anderen verklickern kann, was braucht es dann noch mehr?
Juni 3rd, 2010 at 16:11
Habe es schon woanders in ähnlicher Form geschrieben:
Wenn die Blogger den etablierten Medien auf die Finger schauen, sollten sie nicht mit deren Wohlwollen rechnen – es geht den Medien auch darum, die Leser nicht zu verlieren.
Warum nicht also weiter kritisch analysieren und kommentieren – und dabei Strategien überlegen, sich Gehör zu verschaffen: durch Stellungnahmen in den diversen Foren der etablierten Medien, durch Mails,…
Um zu zeigen, dass man sich nicht mehr länger den Kopf vernebeln lassen möchte und eine vernünftig recherchierte, sachorientierte Berichterstattung erwartet.
Juni 3rd, 2010 at 16:42
@Bakunin: Du machst es dir viel zu einfach. Es ist kein Subjekt, das die Medien lenkt, nicht einmal eine Gruppe von Subjekten. Es ist ein System, und das hat zwangsläufig Schwachstellen. Meine Lieblings-Schwachstelle ist dabei die, daß Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Indem ich den Anspruch ernst nehme, finde ich einen Zugang.
Juni 3rd, 2010 at 17:47
Wulff wirds! Damit schlaegt Merkel vermeindlich zwei Fliegen mit einer Klappe!
Wies aussieht habt ihr schon wieder erfolgreich gekegelt! Graz! :-) Zensursula wurde wohl auf Grund der oeffendlichen Kritik nicht nominiert! Nice. Mit Wulff kann ich leben.
Juni 3rd, 2010 at 19:30
Der ist doch auch nicht satisfaktionsfähig. Wenn er überhaupt schon volljährig ist. Und wer wird dann hier MP? Schünemann…?
Juni 3rd, 2010 at 20:02
https://www.sueddeutsche.de/digital/ruecktritt-des-bundespraesidenten-koehler-der-schubs-des-blogosphaere-1.952716
Hier wird angedeutet, warum die Passage gefehlt hat. Vielleicht doch keine Verschwörungstheorie, sondern eine — im nachhinein — unglückliche Kürzung. Möglicherweise weil man den Schwerpunkt der Nachricht auf eine andere Passage des Interviews gelegt hatte.
Ohnehin find ich es immer etwas grotesk, den Medien grundsätzlich und allumfassend Kampagnenjournalismus zu unterstellen. Das gibt es mit Sicherheit, keine Frage, aber genau denjenigen, die sihc bemühen ehrlichen Journalismus zu betreiben, tut man damit unrecht. Auch wenn der Frust zum Teil berechtigt ziemlich groß ist, würde ich mir dennoch eine bissl differenziertere Betrachtung der Medien wünschen :)
Hattest das ganze hier (https://archiv.feynsinn.org/?paged=2) ja bereits treffend beschrieben.
Juni 3rd, 2010 at 21:49
@ Nora
nicht grundsätzlich und allumfassend, aber zur Zeit läuft viel schief und Medien sind ein gewichtiger politischer Machtfaktor
die Idee von den Medien als vierte Gewalt klingt verlockend, wenn sie die Rolle einer Instanz der Aufklärung, Kritik und demokratischen Meinungsbildung innehaben – und diese Erwartung schwingt mit, wenn über “die Medien” gewettert wird – aber für viele Menschen bleibt es bei der täglichen Lektüre der Bild oder von Talkshows wie Anne Will – oder unsere Regionalzeitung, wo es viel Hetze gegen die Linkspartei gibt…
die gute, differenzierte Medienberichterstattung, die es gibt, bleibt dann außen vor
Juni 4th, 2010 at 03:44
Es gibt ja eigentlich nur eine geringe Auswahl von Möglichkeiten – genau genommen 3, warum die Passage verschwand:
1.) Man (egal ob selbst oder auf Druck) war sich der Brisanz sehr wohl bewusst und wollte diese Passage heraus haben – gefährlicher Eingriff in die objektive Meinungsbildung,
2.) Man war nicht in der Lage diese Brisanz zu erkennen – Unfähigkeit,
3.) … nö, da waren es doch nur zwei Möglichkeiten, denn ein guter, nicht gestreamter und noch dazu kritischer Journalist hätte die Brisanz in der Thematik erkennen müssen.
Was jetzt davon besser ist …
Auch finde ich in dem Zusammenhang die weitere Behandlung der Thematik der öffentlichen Medien vor eben diesem Hintergrund problematisch.
Die Konstrukte, die da aufgefahren wurden, um das Ding doch noch hinzubiegen waren ja zum Teil schon schauerlich: “hat sich verplappert”, “ist ihm heraus gerutscht” — Nein! Er hat das genau so und in voller Absicht gesagt und auch genau auf den Punkt Afghanistan bezogen. Das erschließt sich doch aus dem Kontext des gesamten Interviews.
Was aber dann passierte, als der Vollhorst sein Mäntelchen nehmen musste, war wieder die gleiche alte Leier:
“der allseits beliebte”, “obwohl er seine Aussage präzisierte”, “trotzdem er klar stellte” usw.usf.
Was davon hat denn den Anspruch der Wahrheit inne?
Er war nicht mal ansatzweise und erst recht nicht allseits beliebt – außer vielleicht bei von den Mainstream-Medien bereits verblödeten Bundesrepublikanern.
Er hat nie etwas präzisiert. Er hat nie etwas zurück genommen und er hat sich vor allem nie für irgendetwas, seine Aussage Betreffendes, entschuldigt.
Richtig ist, dass sein Sprecher (Beamter des Bundespräsidialamtes und damit diesem Amt und seiner Unversehrtheit verpflichtet) zusammen mit dem Beamten-Apparat des Bundespräsidialamtes (auf den die vorhergehende Klammersetzung ebenso zutrifft), dafür gesorgt haben, dass von dem Amt des Präsidenten so viel wie möglich Schaden abgewendet wird, indem die Formulierung im Nachhinein abgeschwächt wird. Dies wurde dann als Köhlers Konsequenz dargestellt.
Ich bin mir jedoch sicher, dass dieser bis heute noch nicht mal ansatzweise begriffen hat, dass er(!) seinem Amt ungenügend Respekt gezollt und es beschädigt hat.
Er hat doch nur gesagt was eh Usus der deutschen Außenpolitik seit Mitte der 90´er des vorigen Jahrhunderts ist. Er hat doch einfach nur die Wahrheit gesagt.
Das ist ja aber gerade das Problem. Die tatsächlich herrschenden Zustände (nämlich das die Begründungen für das gesamte Engagement der Bundeswehr im Ausland, unabhängig von der jeweiligen Mission samt und sonders vorgeschoben sind und neoimperialistischen, geostrategischen Zielen folgen) sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar – und nur diesem ist der Köhler und die ganze Mischpoke eigentlich verpflichtet. Wären sie also wirklich und wahrhaftig ehrlich, müsste die gesamte Regierung entweder zurücktreten oder endlich offen eine Grundgesetzänderung versuchen durchzusetzen, die die o.a. Maßnahmen legalisiert. Können sie aber nicht, weil sie dafür 1. keine Mehrheiten haben, 2. spätestens vor dem BVerfG wieder Schluss wäre und 3. dies in einem Umsturz der politischen Lage enden würde.
Es sind immer noch ganz offen 2/3 der Bevölkerung gegen den Krieg, diese Zahl wächst noch mehr, wenn man den Leuten von Seiten der öffentl. Medien nicht ständig die Augen vor der Realität verkleistern würde.
Das(!) ist mein eigentlicher Kritikpunkt. Man muss endlich aufhören, diese Missionen als humanitäre Hilfsmissionen darzustellen, was sie nämlich ganz und gar nicht sind. Es sind Handelskriege im Wortlaut der Definition(https://de.wikipedia.org/wiki/Handelskrieg).
Juni 4th, 2010 at 14:10
[...] Der fehlende Respekt, dem Herrn Köhler und seinen kritischen Äußerungen entgegen gebracht wurde, vertrieb ihn und die Würde des Amtes des Bundespräsidenten. Die Antwort, wie diese leidvolle Lücke gefüllt werden kann, ohne dass das merkel`sche Machtmobile aus den Fugen gerät, wurde zur zügig und zur Zufriedenheit der Politikelite gelöst. Alle anderen Fragen haben sich aus der Sicht der Strippenzieher somit erledigt. Nur ein paar kritische Blogger bleiben ratlos zurück. Einiges bleibt unklar, vieles unverständlich. Warum wurde zum Beispiel die kritische Passage, die letztlich zu seinem Rücktritt führte, im Interview von den Qualitäts?medien zensiert? Wie Feynsinn richtig anmerkt, zeugt ein solches Vorgehen nicht gerade von einer journalistischen Glanzleistung: Senden die auch Reportagen über Fußballspiele, in denen die Tore nicht erwähnt werden? Und wer da… [...]