Hasnain Kazim darf für SpOn vom Guten des Joe Ackermann plaudern: Er sei doch so erfolgreich und “der erste Manager, der auf einen Großteil seines Gehalts verzichtet“. Das dies nicht stimmt und seine Großzügigkeit so bemerkenswert gar nicht ist, stellt Karl-Heinz Büschemann für die Sueddeutsche fest. Kazims Eloge auf den Bankengott stellt diesen dar, als hätte er nichts mit der Bankenkrise zu tun. Die Argumente sind Lacher vom Band, “Mister 25%” kommt darin nicht vor. [update: Kommt er sehr wohl-siehe Kommentare]
Daß ein neuer Ausschuß eingesetzt wird, um das Geldkonfetti zur Rettung maroder Banken auszuwerfen, läßt nichts Gutes ahnen. Die Zusammensetzung und die Geheimhaltungspflicht sprechen nicht für eine Sternstunde des Parlamentarismus. Allein, daß die FDP dieses Vorgehen verlangte, spricht Bände. Selbstverständlich macht es Sinn, nicht sofort auf die Straße zu gehen und herauszuposaunen, wer da eventuell der Hilfe bedarf. Allerdings ist zu fürchten, daß vor allem Gemauschel und Filz derart gefördert werden. Zum Haareraufen ist die Argumentation von Carsten Schneider, wie SpOn sie zitiert:
“Für [den FDP-MdB und Haushaltsausschuß-Vorsitzenden] Fricke ist Geheimhaltung für die Arbeit in dem neu beschlossenen Ausschuss absolut notwendig, denn den Banken müsse Vertraulichkeit für zugesichert werden. Dem stimmt auch Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu: “Nur dann kann die Regierung diese Daten offenlegen und das Parlament eine effektive Kontrolle ausüben.” [das herrenlose “für” ist kein Zitierfehler, sondern aus dem Text bei SpOn. Man füge ein, was dort paßt.]
Aha, nur durch Geheimhaltung können Daten offengelegt werden. Manchmal frage ich mich, ob es noch einen Unterschied macht, ob Politiker so dummes Zeug quatschen oder sie nur so dumm zitiert werden. Der Effekt ist jedenfalls derselbe: Desinformation.
Wie man es richtig macht, zeigt einmal mehr der Duce: Mit Nicola Cosentino hat er einen Wirtschaftsstaatssekretär, der sich offenbar gar keine große Mühe gegeben hat, seine guten Beziehungen zur Mafia zu kaschieren. Ist dem Volk wurscht. Ob es daran liegt, daß Berlusconis Medien noch effektiver “berichten” als die deutsche Journaille?
2008
Kurz reingewaschen – Das Geld und seine Herrschaft
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
18. Okt 2008 0:40
Rettet den Michel – Kauft einen Kühlschrank!
Posted by flatter under HintergrundKommentare deaktiviert
17. Okt 2008 1:15
Beck ist weg, fehlt bloß der Glos. Gut, dieser Reim von der Brechstange ist niveaulos, wörtlich genommen Unsinn und grammatikalisch gestanzt, aber er liegt damit voll im Trend. Der zwei Maß volle Minister aus der Wirtschaft ist ein Totalausfall, das hatten wir gestern schon. Aber haben wir nicht alle unseren kleinen Fehler? Und ist es nicht besser, jemand läßt die Krise Krise sein, anstatt sie durch planloses Herumfuhrwerken noch zu verschlimmern?
Die “Welt” findet Glos zwar nicht so groß wie seine Vorgänger, den Gottvater des Neoliberalismus Lambsdorff etwa oder die weiterverkauften Optionsheinis Müller und Clement, aber immerhin hätte er doch tolle Ideen – die keiner wahrnimmt. “Dabei würde dies die Bürger um etliche Milliarden Euro entlasten.” Ich habe ähnlich großartige Ideen, die keiner wahrnimmt und von daher vollstes Verständnis dafür, wenn der Michel sich in der Öffentlichkeit zurückhält. Nix gegen drogenerweitertes Bewußtsein, aber die Welt ist einfach nicht reif dafür.
Eine ganz große Rettungstat ist der subventionierte Kühlschrank für “Arme”. Dem muß die rhetorische Blendgranate Sigmar Gabriel natürlich feste zustimmen. Mit der Einschränkung, daß nur HartzIV-Empfänger davon profitieren sollen. Verzichtet auf die Schulbücher, hört auf zu rauchen und unterstützt die Wirtschaft, liebe hochverehrte Sozialschmarotzer! Macht es besser als die Mittelschicht und solvente Altersvorsorger und macht euch nicht mitschuldig an der Finanzkrise!
Da soll noch einer sagen, es gebe keine gute Ideen in schweren Zeiten. Der Michel muß bleiben, denn es könnte verflucht schlimmer werden. Das Magazin für geistigen Kahlschlag stellt nämlich fest: “Einen anderen Wirtschaftsfachmann hat die Union nicht aufzuweisen, nachdem Friedrich Merz vor Merkel aus der Politik flüchtet” und rät “zu einem mächtigen Gespann [...] wie einst Karl Schiller und Franz Josef Strauß“. Gemeint sind damit diese beiden: Der eine sah nichts kommen, wollte eine Bank retten, indem er von ihrer “Abwicklung” sprach, stellte sodann fest, daß es eine Krise nur in Amerika gibt, um hernach mit Augenmaß und ohne die Krise herbeizureden seinen ausgeglichenen Haushalt ins Jahr 2525 zu verschieben – um nur einige aktuelle Details seiner Inkompetenz zu nennen. Der andere mächtige Hengst im Gespann des Ludwig Greven wäre dann Roland Koch, der Chruschtschow von Wiesbaden. Deutschland rückt zusammen. Die freie Presse Hand in Hand mit den politischen Führern, damit die Leistungsträger nie wieder verfolgt werden wie die Juden.
So viele gute Ideen, und keiner will sie hören. Ein Ruck sollte durch Deutschland gehen, und ich rucke und rucke, aber niemand will mir folgen. Vereinsamt und enttäuscht hole ich mir noch ein Bier, nur der Kühlschrank hört mein Seufzen. Und ich seines.
Sie tun, was sie immer tun, nur fällt es inzwischen auf, weil Sachverstand und kluge Entscheidungen gefragt sind – und gefragt werden. Die größte aller Koalitionen eiert sich durch, und es ist beruhigend, daß es Sachzwänge gibt, denen sich auch die Berliner Kungelkönige nicht entziehen können. Die Krise regiert, und das allemal besser als die Merkel. Ernsthaft wollte sie Tietmeyer zum Chefexperten machen. Diese Komödie wurde nicht einmal zum Einakter, aber sie hämmert uns ins Bewußtsein, wer da noch immer wie “Regierung” spielt. Das zieht sich in einer Linie durch wie Koks in die Nüstern der Investmentbanker:
Daß für Haushaltsfragen der Bundestag zuständig zuständig ist – haben wir doch beinahe vergessen. Daß ausgerechnet – zu recht! – Guido Westerwelle daran erinnern mußte, offenbart die dramatische Unfähigkeit der “Krisenmanager”.
“Wo ist Behle?” Der tauchte immerhin irgendwann auf. Auf Michel Glos muß wohl niemand mehr warten. Der Wirtschaftsminister, eigentlich der Zuständige schlechthin, träumt den Traum der Vollbeschäftigung, womit die Beschäftigung der anderen gemeint ist. Ein schlimmeres Versagen als das, was er durch sein Schweigen offenbart, ist nicht mehr denkbar.
Der ausgeglichene Haushaltsexperte Steinbrück, der innerhalb weniger Tage zum Amerikaner wurde, nachdem ihm jemand mitgeteilt hatte, daß es auch eine deutsche Finanzkrise gibt, schlägt denselben Schaum wie immer und orakelt, die “Brandstifter” müßten “danach” “zur Rechenschaft gezogen werden”. Wer sie sind, wann “danach” ist und welche Art der Rechenschaft gemeint ist, sagt er erwartungsgemäß nicht.
Als Bonmot am Rande nennt Karl Doemens in der FR dieses Lavieren “detailiert(e)” Erklärung “der geplanten Maßnahmen” und vergißt nicht zu erwähnen, daß Lafontaine ein Populist ist. Achso.
Und auch in einer nicht minder entscheidenden Frage kriegen die eisernen Durchregierer die Tür nicht zu. Haben sie es doch verabsäumt, Schäubles Krieg gegen die Bürger strategisch abzusichern. Als sei es schon soweit, daß ein paar Holzköpfe mit dem Rechtsstaat nach Belieben Schlitten fahren könnten, fragen sie inzwischen nicht einmal mehr die Fraktionen nach ihrer Meinung. Sie haben sich schon so sehr an das schöne Abnicken der Führerbefehle druch das Gewissen der Parlamentarier gewöhnt, daß sie einen Kabinettsbeschluß nicht mehr von einer Grundgesetzänderung unterscheiden können. Die CDU “zürnt”. Ausgerechnet “die neue Parteiführung” der SPD – die alte wurde nie gefragt – soll neuerdings auf Zuruf gegen die Basis und die Fraktion alles durchsetzen, was ein paar Steine und die zuständigen Paranoiker der Union sich unter einem Staatswesen vorstellen.
Ausnahmsweise zeigt sich, daß die normative Kraft des Faktischen stärker ist als die Sturmmtruppen der tumben Ideologie, der zuletzt jedes Fünkchen Politik geopfert wurde. Wer wagt vorauszusagen, was aus den Ruinen dieses Irrenhauses aufersteht?
Noch ist es nicht vorbei – Schlußworte neoliberaler Ignoranz
Posted by flatter under Journalismus[13] Comments
14. Okt 2008 1:12
Auch wenn die Medien allmählich wieder schreiben lassen, was sich nicht einmal hinter dem Everest verbergen ließe, kämpfen sie noch immer dieselbe Schlacht. Der jedem Talent erfolgreich entkommene Mohr etwa sieht bei SpOn den “populistischen” Lafontaine als wichtigstes Detail in der Debatte zur Finanzkrise. Schade, Reinhard, ich habe leider keinen Link für dich.
Als Symptom des halbgaren Rückzugs der Journaille aus ihrem neoliberalen Niveautief werden heute einige Artikelchen geboten, die den Depp partout nicht “Depp” nennen wollen, weil er halt aufrecht in einem gut sitzenden Anzug stehen kann und über der Krawatte souverän raushaut, was das Rhetorikseminar für Fortgeschrittene hergibt.
Friedrich Merz tankt sich als Vollhorst durch die ungeliebte Wirklichkeit, die so gar nicht ins Konzept eines debiliberalen Besserwissers passen will. Hätte er einen Funken von Charakter, hätte er sein Büchlein selbst zum Container gebracht oder wäre damit als bester Realsatiriker aller Zeiten auf Tour gegangen – erklärtermaßen. So hat er hat recht, wie er schon immer recht hatte und steigert die Peinlichkeit in Dimensionen, gegen die mittelalterliche Folterinstrumente wirken wie ein Klaps auf den Hinterkopf.
Das ist freilich sein Bier(deckel). Nehmen wir an, sein dummer Aufguß alter neoliberaler Fehlleistungen hätte inhaltlich irgendetwas zu bieten. Dann müßte man dennoch ein Sekündchen innehalten und sich deutlich machen, daß der Titel “Mehr Kapitalismus wagen” einfach nicht geht in diesen Tagen. Selbst er hätte das bemerkt. Da er aber außer borniertem Gefasel über Konzepte, die noch nie aufgingen und schon immer verlogen waren, nichts zu bieten hat, ficht ihn das alles nicht an. Man macht es ihm allzu leicht. Niemand geht hin, faßt ihn bei der Schulter, nimmt ihn beiseite und sagt ihm: “Friedrich, das ist scheiße, was du da erzählst.” Nein, höflich-devot und bar jeder Meinung “berichten” die üblichen Verdächtigen, daß er eben sein Büchlein veröffentlicht.
“Rebell wider den Zeitgeist” nennt Katharina Schuler ihn in der geistlosen “Zeit”. Ihr inhaltloses Gewäsch endet mit den Zeilen:
“Hoffen werden sie aber auch, dass er nicht eines Tages wirklich zurückkehrt in die Politik, mit einer eigenen Partei, ein Lafontaine von rechts. Dann könnte er wirklich gefährlich werden.”
Aua!
R. Meinhof beglückt uns bei Sueddeutsche.de mit Krawattenmetaphorik, die mich literarisch überfordert. Der Artikel endet mit den tief bewegenden Worten:
“Er wirkt wie einer, der mit Leidenschaft dabei ist. Mit seinem Buch diesmal, aber ganz sicher auch anders. Dazu allerdings muss mehr passieren. Solange Angela Merkel in der Partei die Fäden in der Hand hält, wird er nicht zurückkehren in die große Politik. Aber er wird auf seine Weise wirken. Wie ein Herrenkonfektionsverkäufer eben, dem die Mode egal ist.”
Vom Merzen mit Schmerzen.
Ansgar Graw salbadert für Welt.de schlußwörtlich:
“So beschwört Merz die Verantwortung des Einzelnen und rehabilitiert den Begriff des Neoliberalismus, der einst als freiheitlicher Gegenentwurf zu den schlimmen Ideologien des 20.Jahrhunderts entstand. Es gehe ihm nicht um eine „parteipolitische Auseinandersetzung oder gar um eine Auseinandersetzung innerhalb meiner Partei“, versichert er im Vorwort seines Buches. Vielleicht werden seine Gedanken ja doch nicht als Kampfansage begriffen, sondern als ein notwendiges Korrektiv in regulierungswütigen Zeiten.”
Neoliberalismus ist also “freiheitlich”, das Gegenteil “schlimm”, und wir leben “in regulierungswütigen Zeiten“. Das notwendige Korrektiv für solchen Schwachsinn müßte wohl sehr stark sein. Selbst eine göttliche Macht stünde hier wohl auf verlorenem Posten.
Was mich wirklich beschäftigt, ist die Frage, ob es solchen Bremsbirnen gelingen kann, das Eintreten des eigenen Todes zu ignorieren und sich derart unsterblich zu machen.
Heidenreich: Ich und der Marcel
Posted by flatter under KulturKommentare deaktiviert
13. Okt 2008 1:27
“Fernsehpreise” und Kultur, darüber kann man stundenlang räsonieren. Überhaupt ist der Zusammenhang zwischen der Glotze und dem Bildungsniveau der Glotzer alles und nichts. Es gibt ihn, er ist fast unmittelbar, aber Fernsehen ist eben kein Bildungsgut, sondern ein Komplex, der als wichtigster Verwertungsraum des Unterhaltungsmarktes auf Affekte zielt. Verblödung ist ein unvermeidlicher Kollateralschaden.
Eine Preisverleihung als Einzelveranstaltung kann in diesem Zusammenhang nicht herhalten für eine fundierte Kritik am Betrieb. Allein die Kritik an der Durchführung des Events von der Kritik an den Produkten der Branche zu trennen, ist eine fast unlösbare Aufgabe. Elke Heidenreich hat sich damit gar nicht lange aufgehalten, sie bietet einen bunten Mix an Unbehagen über einen langweiligen Abend, über doofe Sendungen und darüber, daß die Clowns im großen Zirkus die Stirn haben, ihre einzig ernsthaften Künstlerkollegen mit ihren Albernheiten zu beleidigen.
Als Sahnehäubchen auf diese ungenießbare Melange setzt Heidenreich ihre heuchlerische Grandiosität mit sicherem Instinkt für die Affekte des Publikums. Sie war nur dabei, um nicht dazu zu gehören. Sie, die Nachfolgerin des einzig wahren Hüters der Kultur in der Unkultur, will sich “schämen” und dabei doch nur alle anderen beschämen, im Kielwasser des Großen Marcel Reich-Ranicki.
Sie verdankt dem Fernsehen alles, worauf ihr Ruhm und ihr Kontostand beruhen. Das ist nicht “ein klein bisschen heuchlerisch“, das ist die aggressive Heuchelei einer Medienperson, die sich nie Gedanken darüber gemacht hat, daß sie selbt gemacht ist. Wenn “Sozialgeschnatter” feststellt:
“Das Niveau der Fernsehpreis-Verleihung und von Grabscher Gottschalk dürfte ihr schon seit Jahren bekannt sein“, ist das nur ein Detail. Sie selbst ist Teil des Betriebs und hat herzlich wenig zu einer fundamentalen Kritik dieses Betriebs beigetragen. Im Gegenteil: Sie will nichts davon davon wissen, daß sie Macht ausübt – im Rahmen eines Mediums, das eben nicht aufklärt, sondern verkauft:
“DIE WELT: Macht Ihnen diese Macht keine Angst?
Heidenreich: Ich mag das Wort nicht. Dann hat jede Konditorei auch Macht. Ich kann an keiner vorbeigehen, ohne mir ein Törtchen zu kaufen.
DIE WELT: Aber die hat nur Macht über fünf Passanten. Auf Ihre Tipps verlassen sich Millionen Menschen, und so manch kleiner Verlag ist von der plötzlichen Nachfrage schon überfordert worden.
Heidenreich: Daran darf ich nicht denken. Und manchmal machen mich die Ansprüche auch wütend.”
Wütend, aber eben nicht (selbst)-kritisch. Ihre Argumente sind nicht weniger albern als Gottschalks Moderationen.
Jürgen Kaube hat in der FAZ festgestellt:
“Überhaupt steht alles „in einem Zusammenhang vom Mittelalter bis heute“ (Heidenreich), wer wird sich da bei Einzelheiten, gar bei Fragen der Verständlichkeit aufhalten. Doch darum geht es ja auch gar nicht, sondern um die Beschwörung des Lesens als solchem, ganz unabhängig vom Denken.”
Elke Heidenreich besorgt ein Geschäft, das sich nur dank ihrer Herkunft von dem unterscheidet, was Unterschichtenfernsehen preiswürdig macht. Sie macht Bildungfernsehen zu einer Geschmacksfrage und zu einer ihres Selbstwertgefühls. Was sie anfrißt, ist nicht der Betrieb als solcher, sondern die Tatsache, daß andere mehr Aufmerksamkeit einheimsen, als sie selbt. Daß Fernsehen in seiner dümmsten und ödesten Machart noch mehr Erfolg hat als die Restkultur, deren einträgliche Gralshüterin sie sein möchte. Sie und der Marcel, das sind die Leute, deren Lebenswerk nicht beschmutzt werden soll durch den hohlen Alltag eines Geschäfts, das ihr die Plattform für ihre Überlegenheit bietet. Denken liegt ihr nur so weit am Herzen, wie ihr eigenes Talent das zuläßt. Sich selbst zu hinterfragen, kommt ihr dabei nicht in den Sinn.
Börsencrash: Dramatischer Wertverlust der Politik
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
11. Okt 2008 1:42
Die Rückzugsgefechte des Neoliberalismus lassen an Unverschämtheit ebensowenig vermissen wie die Renditeversprechen der Finanzmarkt-Gurus. Während niemand, der noch bei Trost ist, bezweifelt, daß ein auf Gier und soziale Schieflage basierendes System kollabiert, suchen die Poppnieten des politisch-publizistischen Komplexes Halt an dem faulen Holz, das ihr Schiff zum Sinken brachte. Jochen Hoff hat bereits auf den dümmlichen Artikel in der “Zeit” hingewiesen, in dem Olaf Wittrock den Kunden die Schuld an der Krise zuschiebt, jetzt legt die “Welt” nach und zitiert Soziologen, “Wissenschaftler”, die angeblich “die Mittelschicht” für den Zusammenbruch verantwortlich machen. Halbgar werden dort Kleinanleger zwar als Getriebene beschrieben, die nur ihren Lebensstandard sichern wollten, aber es werden letztlich Behauptungen in die Welt gesetzt, die an jeder Realität vorbei “Verantwortung” allen zuschieben, nur nicht den Verantwortlichen.
“Verschwörungstheorien” und “narzisstische Kränkungen” sehen sie als Reaktion auf ein System, dem sich der Mittelstand “lustvoll” hingegeben hätte. Abenteuerliche Assoziationsketten ersetzen Argumente:
“Was hat der Ausbau von Kinderkrippen mit der Verstaatlichung von Banken gemein? Beide Male trägt der Staat Kosten, die eine verunsicherte Mittelschicht notgedrungen verursachte, aber nicht tragen kann“;
“Andererseits wollten Teile der westlichen Mittelschicht ihren Lebensstandard behaupten, indem sie hohe Renditen auf den Finanzmärkten suchten, bis die kollabierten – worauf auch hier die Staaten die Folgekosten schultern müssen.”
Was erlaube Mittelschicht? Wollen ihren Lebensstandard behaupten! Für die Folgen kommt der Staat dann auf. Der Staat kann den Lebensstandard der Mittelschicht nämlich auch dann nicht halten, wenn sich diese mit eigenen finanziellen Mitteln absichern wollen, nachdem sie vom Staat genau dies auferlegt bekommen haben und von den Banken in Angebote gelockt wurden, die als “sicher” verkauft wurden. Aber die Mittelschicht hat es besser zu wissen als die Ratingagenturen. Wenn nicht- selber schuld!?
Diese Argumente sind so hirnlos, daß ich mich nicht lange damit aufhalten will. Sie sollen schließlich auch nur von den Ursachen ablenken. Im Zentrum des Problems steht sowohl beim Verhalten der Mittelschicht als auch bei dem der Banker das verkehrte Verhältnis von Politik und Wirtschaft. Die Krise, die längst ein Untergang ist, ist das Symptom der Krankheit, die im Glauben an die Märkte besteht. Diese können nicht einmal die wirtschaftliche Basis einer Gesellschaft sichern. Umso weniger sorgen sie für Wohlstand oder auch nur ein Mindesmaß an Gerechtigkeit, ohne die eine demokratische Gesellschaft nicht existieren kann. Die Staaten haben sich die Regeln des Handelns und der Verteilung von Kapitalisten vorgeben lassen. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten nichts dafür geleistet, Gesellschaft zu organisieren und sich darauf beschränkt, denen alles recht zu machen, die das angeblich besser besorgen könnten. Wenn man nach Verantwortung sucht, ist man tatsächlich bei Managern, Kapitaleignern und ihren Organisationen an der falschen Adresse. Sie haben ihr Geschäft im besten Glauben, d.h. Profitinteresse besorgt. Das war ihr Job und ihr Ziel. Womöglich haben sie auch wirklich gedacht, sie könnten ganz nebenbei für allgemeinen Wohlstand sorgen, das ist aber irrelevant. Der Staat, die Politik, hatte die Kontrollfunktion und die Verantwortung für das Wohl ihrer Bürger. Sie haben völlig versagt.
Politiker haben ihren Wählern eingetrichtert, so wenig Staat wie möglich sei gut für alle. Daß sie selbst “Staat” waren, focht sie nicht an. Sowohl staatliches Eigentum als auch staatliche Souveränität haben sie ausgelagert und sich redlich bemüht, diese Kapitulation vor der eigenen Charakterlosigkeit und ihrem Mangel an Ideen als alternativlos zu verkaufen. Kritik war nicht gefragt. Genauso kläglich haben die Medien versagt, die den fleißigen Heizer auf demselben Zug gegeben haben. Für ihre Unfähigkeit, etwas anderes zu tun, als blind auf den Abgrund zuzurasen, erfanden sie die “Globalisierung”, was bedeutet, daß alle klug sind, wenn sie nur denselben Blödsinn machen. Inzwischen profitieren Länder wie Italien von ihrer Unbeweglichkeit und Ignoranz und stehen als die Klügeren da, weil sie ganz versehentlich anders gehandelt haben als die ach so klug Globalisierten.
Die Köpfe sind noch immer dieselben, es finden sich halt auf die Schnelle keine, die anders denken. Gleichgeschaltet und gedankentaub sind ihre Helden und Feinde immer noch dieselben. Lafontaine böse, Steinbrück gut. Wenn die FTD schreibt:
“ “Ich bin überzeugt, dass wir mit Von-Fall-zu-Fall-Lösungen nicht mehr weiterkommen. Das ist ausgereizt”, sagte Steinbrück vor einem Treffen der G7-Finanzminister und -Notenbankchefs. Die Finanzbranche erwarte eine sektorübergreifende Lösung. Nötig seien umfassende Maßnahmen, die für den Finanzsektor insgesamt einen stabilisierenden Charakter haben. Details zu einer solchen “systemübergreifenden Lösung” wollte Steinbrück nicht nennen. Er betonte, Lösungspakete müssten sich – bei internationaler Abstimmung – weiter von Land zu Land unterscheiden.” “, und diese haarsträubenden Binsenweisheiten unter dem Titel “Steinbrück arbeitet an Mega-Plan” postet, ist das ein Offenbarungseid. Seit Monaten weiß jeder, der es wissen will, daß eine Katastrophe im Gange ist. Jetzt kommt der Superexperte Peer daher und stellt fest, daß gegen einen Waldbrand kein Autofeuerlöscher hilft. “Details” seines Mega-Plans kennt er nicht. Daß “mega” “millionen” heißt und es um billionen geht, ist ein Bonmot am Rande, aber es paßt. Btw: Was macht eigentlich der ausgeglichene Haushalt?
Der Knaller: Die Finanzbranche erwartet also eine sektorübergreifende Lösung. “Die Finanzbranche” hat keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Höre ich Bescheidenheit, gar Demut? Nein, es ist ein Befehl: Macht hinne, wir wollen wieder abkassieren!
Wir werden von einer derart unfähigen “Elite” regiert, monetär betreut und desinformiert, daß man sich schon freuen darf, wenn einer einfach seufzt, sich ins Treppenhaus setzt und zugibt, daß er nicht weiter weiß. Es ist ganz wunderbar, wenn Menschen, die das Desater haben kommen sehen und erfolglos Alternativen angeboten haben, nicht als triumphierende Dämonen dargestellt werden. Wirklich schön wäre es, wenn sich die Erkenntnis durchsetzte, daß beinahe alles schiefgelaufen ist und wir es einmal völlig anders versuchen müßten. Zum Beispiel damit, daß in Zukunft das organisierte Wohl der Bürger in den Händen des von ihnen kontrollierten Staates zu liegen hat. Aber das wäre sicher Stalinismus.
Der Weg von der Demokratie in die Diktatur war schon immer von Notstands-und Sicherheitsgesetzen gepflastert. Diese historische Erfahrung, die sich nicht auf Deutschland beschränkt, zwingt Demokraten zu äußerster Vorsicht in ihren Entscheidungen und Argumenten, wenn es um die Innere Sicherheit geht. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren wäre eine Zäsur, die absolut stichhaltiger Argumente bedürfte. Man müßte konkrete Sachverhalte nennen können, in denen ein solcher Einsatz alternativlos und sinnvoll wäre. Man müßte auch dann noch abwägen, welchen Schaden ein dem entsprechendes Gesetz anrichten kann und welchen Nutzen es mit welcher Wahrscheinlichkeit hat. All dies geschieht nicht.
Was geschieht, ist ein argumentativer Amoklauf ohne jede Rücksicht auf die Gefahren für die Demokratie und den Rechtsstaat. Brigitte Zypries zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, welche antidemokratische Gesinnung sie treibt. Ihre Argumente und ihre Wortwahl sind von entlarvender Dummheit.
“[FR:]Was verstehen Sie unter einem “besonders schweren Unglücksfall”, wie er jetzt im Gesetzentwurf angeführt ist?
Generell geht es dabei um ein “Schadensereignis von sehr großem Ausmaß”, so definiert es die Rechtsprechung.”
“Unglücksfall” und “Schadensereignis” sind Beschönigungen und Ablenkungsmanöver. Es geht um eine militärische Operation in Inneren, eine Kriegshandlung im eigenen Land, die den Verpflichtungen der polizeilichen Exekutive entzogen werden sollen. “Sehr großes Ausmaß” ist keine Definition, sondern die Aufforderung, ein “Ereignis”, das ggf. noch gar keines ist, sondern dessen Eintreten nur vermutet werden kann, nach Gusto als gegeben zu betrachten. Es geht in letzter Konsequenz um Schießen und Töten, Zypries sagt es selbst:
“Vereinfacht kann man sagen, militärisches Mittel ist alles, was schießt, also Waffen und Waffensysteme, über die nur die Streitkräfte verfügen.”
Darüber kann man meterweise Argumente aneinander reihen. Über ein dicht besiedeltes Land etwa, in dem ein militärischer Eingriff sinnvoll kaum möglich ist. Über Mittel, die der Polizei zur Verfügung gestellt werden sollen, wenn diese denn wirklich nötig sind. Über Vorwarnzeiten, die einen Armee-Einsatz nicht zulassen. Über ein zu erwartendes Kompetenzgerangel, das die angebliche Absicht zur Gefahrenabwehr ad absurdum führt.
Solche Argumente ziehen aber nicht, weil sie keine Geltung erlangen können. Stichhaltiger ist an diesem Punkt der Hinweis auf die Lüge, die der Frau Ministerin nicht dumm genug ist: Es geht nicht bloß ums Töten, was schlimm genug wäre, sondern auch und gerade um Überwachung. Die Bundeswehr verfügt nämlich über “Aufklärungsmöglichkeiten”, die nicht schießen, es sei denn Bilder. Dies wurde bereits in Heiligendamm praktiziert. Es geht um Gegenbedrohung, militärische Einschüchterung und die mögliche Eskalation einer Lage, in der Waffenmacht polizeiliches Fingerspitzengefühl ersetzt. Dieses versucht die Schäuble-Truppe parallel durch technische Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten auszuhöhlen. Es geht um die Abwehr eines Bürgerkriegs, der nicht stattfindet. Die Konsequenz dessen ist die Macht zur Unterdrückung auf Abruf.
Diese Gefahr wird ignoriert oder bewußt gefördert, sie soll nicht einmal genannt werden dürfen. Mehr noch: Zypries bedient sich der untersten Schublade eines Freund-Feind-Schemas, das alle, die nicht mitmarschieren, zu Komplizen der unheimlich heimlichen Dunkelmänner macht. Es ist dieselbe Argumentation, die Vernichtung einfordert, um Gefahren einzudämmen. Die Argumentation, die die Todesstrafe für Kinderschänder fordert und Gegner solcher Maßnahmen zu Kindesmördern erklärt:
“Und ich frage mich schon, ob die FDP dafür verantwortlich sein will, dass die Bundeswehr im schweren Unglücksfall nicht helfen darf.”
Wer auch nur in den schwachen Verdacht gerät, anders abzuwägen, wird für alle Zukunft verantwortlich gemacht für jeden möglichen Fall, in dem vielleicht irgendwie die Bundeswehr den finalen Rettungsschuß setzen könnte. Die Verantwortung für den weitaus wahrscheinlicheren Fall, daß ein Mißbrauch der Armee im Einsatz gegen das eigene Volk oder auch nur eine fatale Fehleinschätzung des Nutzens militärischer Macht stattfindet, ist ihr keine Frage wert. Das ist das Holz, aus dem furchtbare Juristen geschnitzt sind. Wir dürfen fasziniert zuschauen, wie ein Rechtsstaat von bornierten Dilettanten hingerichtet wird und hoffen, daß wir den Absprung schaffen, ehe sie uns abholen.
Oliver Gehrs beschreibt in der TAZ das traurige Geschäft mit der RAF durch den Groschenromancier Stefan Aust und seine Komparsen aus der deutschen Filmbranche. Was er nicht beschreibt ist die letzte Szene der für Aust persönlich geschnittenen Fassung. Hier reitet er selbst auf seinem Pferd in den Sonnenuntergang, in enger Umschlingung mit der halbnackten Ulrike M., die ihn leidenschaftlich küßt.
Der “Baader-Meinhof-Komplex” ist also ein Märchen, das jetzt verfilmt wird. Das ist völlig in Orndung. Warum ist er aber je als “Sachbuch” erschienen? Die Karikaturen, die Aust in seinem Buch zeichnet, haben mit realen Personen wenig zu tun. Dazu muß man die Protagonisten nicht einmal kennen. Die Konstruktion ist zu glatt, allein, daß alle eine feste Rolle haben, ist schon unglaubwürdig, zumal, wenn sie von jemandem beschrieben werden, der nicht dabei war.
Viel mehr ins Gewicht fällt aber der Mangel an Aufklärung vor dem Hintergrund scheinbarer Fakten. Der Titel weist schon darauf hin: Als sei es je um Baader und Meinhof gegangen. Im Selbstverständnis der Gruppe war das Gegenteil der Fall. Hier war niemand eine Führungsfigur, sondern ein “Kader”, die Funktion fürs Kollektiv war relevant, keine persönlichen Motive. Daß dieses Selbstverständnis brüchig ist und an der Realität scheitern muß, hätte Aust herausarbeiten können. Er hätte sich mit dem Weg der Theorie (und ihrer kryptischen Verschriftung) zur Praxis durch die RAF auseinandersetzen können. Die “Texte der RAF” (seinerzeit als Buch erschienen und in der BRD verboten) sind zun geringen Teil marxistisch fundiert, terminologisch grotesk, von einer oft simplen und binären Analytik geprägt und eine Strapaze selbst für linksradikale Marxanbeter. Befaßt man sich vor allem mit Texten, die nicht ob ihres parolenhaften Rumpelmarxismus eingängig wirken wie ein Che-T-Shirt auf einer Modelbrust, sondern gerade mit solchen, bei denen man sich fragen muß, worum es eigentlich geht, kommt man der RAF schon deutlich näher als mit einer Baader-Homestory. Sie zeugen von einem verwirrten Geist, der irgendwo um Theorie bemüht ist, aus zum großen Teil lächerlichen Versatzstücken besteht und vor allem das gelebte Konzept “Stadtguerilla” widerspiegelt: Die Paranoia von isolierten Mördern, die das Gute wollten und sich ihre Heillosigkeit ohne Punkt und Komma zurechtlabern.
Wer soll so etwas verfilmen? Dies scheint eine der wichtigsten Fragen zu sein, die Aust schon beim Verfassen des Buches bewegt haben. Perfide werden seine Vereinfachungen, wo sie Verständnis für die Handelnden aus der RAF wecken. Die unfaßbaren Blößen, die sich ein “Rechtsstaat” gegeben hat, um die Borniertheit der RAF in den Schatten zu stellen. Das Erschrecken darüber, daß der Staat, der da bekämpft wurde, tatsächlich die “faschistische Fratze” zeigte, die ihm “aus dem Gesicht gemeißelt” werden sollte. Ohne je ins Detail zu gehen, kocht Aust daraus ein Süppchen, aus dem sich jeder seine Lieblingswurst fingern kann. Linksextreme Romantiker ebenso wie erschreckte Demokraten und entsetzte Feinde der Staatsfeinde. So viel Gewese ohne den Hauch einer Antwort auf die Frage: “Wie kam es dazu?” Diese wird in Schlüsselszenen abgehandelt, wie in jeder unterhaltsamen Geschichtsklitterung, die sonst Guido Knopp so gern besorgt. Der Tod von Benno Ohnesorg, die Kaufhausbrandstiftung, die Eskalation auf beiden Seiten, Medienhetze und Fahndungswahn hie, Brutalisierung dort – was erklärt das? Am Ende nichts. Warum sind Millionen anderer, die ebenso entsetzt waren und verhetzt wurden, nicht in den Untergrund gegangen? In welchem Zusammenhang steht eine militante Radikalisierung zu einer Ideologie? Ein Detail dazu: Aust läßt den Terrokasper Bommi Baumman von der “Bewegung 2. Juni” erzählen:
“Erstmal waren wir Haschisch-Raucher, die haben nur Speed-Tabletten gefressen, was ja eigentlich Paranoia ja nur noch fördert, das genau wurde uns auch immer vorgehalten, dass wir in dem Sinne Lust betont sind, wir sollten ganz rigide Berufsrevolutionäre sein, wie ein Fabrikarbeiter, der frühmorgens zu Siemens geht und damit basta.”
Baumann ist eine Rampensau wie Aust, die auch gern mal was erklärt. Im Zitat ist alles drin, was der Boulevard zur Erklärung braucht: Berufsrevolutionäre, der gemeine Arbeiter, Drogen und Paranoia. Haschisch macht harmlos, deshalb also war der “2. Juni” vergleichsweise ungefährlich. Benno sieht das so und Stefan offenbar auch.
Wer sich nun der Kärrnerarbeit einer soziologischen Untersuchung nicht stellen mag, kann bei den Handelnden ansetzen – warum nicht? Dies bedürfte freilich einer gewissen Mindestmühe mit der biographischen Arbeit. Es dürfte in jedem einzelnen Lebenslauf der RAF-Prominenz Punkte geben, an denen wegweisende Entscheidendungen so und nicht anders getroffen wurden. Es wäre sogar spannend, denn es würde sich zeigen, daß da jeder für sich aus sehr unterschiedlichen Motiven und Situationen heraus gehandelt hat. Diese Diskrepanz zwischen individuellen Geschichten und kollektiven Fehlentscheidungen hätte sehr viel zur Aufklärung beitragen können. Die Lebenslüge der RAF, eins zu sein und aus rein politischen Motiven im Kollektiv aufzugehen, könnte so entlarvt werden. Daß die RAF marschiert ist und die Individualität ihrer Mitglieder ebenso zerstört hat wie das System von Befehl und Gehorsam, das sie bekämpft hat, davon hätte ich gern etwas gehört und gelesen. Stattdessen präsentiert der unsägliche filmische Aufguß uns endgültig Cowboys und Indianer, Helden und Antihelden.
Sei’s drum, der journalistische Leichenfledderer Aust hat Schlimmeres zu verantworten als diesen Schießfilm. Lesen Sie dies und mehr am Montag im “Spiegel”.
Alles wird gut. Man kann es nicht oft genug sagen, und zur Pflicht des Bundesoptimisten gehört es ganz selbstverständlich, unseren Führern Vertrauen entgegenzubringen. Der gute Christoph Seils sorgt dafür in der “Zeit”, indem er den Finanzheroen Peer Steinbrück belobigt, den “Macher am Rande des Abgrunds“. Daß es Steinbrücks persönlicher Abgrund sein könnte, weiß Seils nicht. Immerhin weiß er, daß der Herr Minister auch dunkle Seiten hat, aber im Ganzen sei er der richtige Mann an der richtigen Stelle. Weil?
Noch besser macht es Stephan Haselberger im “Tagesspiegel”. Die Art, in der er sich vor Steinbrück in den Staub schmeißt, sorgt für Riefenstahlsche Dimensionen. Ein Gigant im Gegenlicht, Pauken, Trompeten und Pomp. Und sonst?
Völlig anders sieht der publizistische Bombenleger “Spiegelfechter” den GröFinaZ, weist auf diverse Fehler im Hause Steinbrück hin und läßt ihn recht dilettantisch aussehen.
Ich hätte da noch eine Frage: Was hat Herr Steinbrück denn so geleistet als Krisenmanager? Ankündigungen, substanzlose Versprechen und eine äußerst windige Haltung. War das nicht alles eine Krise der USA? Ist das seine großartige Leistung, daß er erst einmal gar nicht reagiert hat? Und vor allem: Wo ist die Analyse? Dieser Komiker tritt in die Öffentlichkeit und lamentiert etwas von “Plan B”. Dolle Sache. Wie sieht der denn aus? Hat Steinbrück irgendeine Idee, was zu tun ist? Und welche jetzt genau?
Heribert Prantl räsonniert über das Versagen des Strafrechts in der Finanzkrise. Eher resignierend stellt er fest, daß die Verbrechen des Kapitals wohl nicht geahndet werden, so kapital sie auch sein mögen. Unter anderem weist er darauf hin, daß sich Merkel lächerlich macht, wenn sie behauptet:
“Wir sagen, dass diejenigen, die unverantwortliche Geschäfte gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden. Dafür wird die Bundesregierung sorgen.” Es paßt zwar zum Selbstverständnis dieser Regierung, die sich für die Grundfeste der Verfassung nur insofern interessiert, als daß sie die Lunte daran legt. “Zur Verantwortung ziehen” kann sie freilich niemandem, das ist immer noch Aufgabe der Justiz.
Was so noch nicht gemeldet wurde: Nachdem Hasardeure das internationale Finanzsystem sturmreif spekuliert haben, ereignen sich erste Amokläufe. Schäuble hat sofort reagiert und fordert ein Verbot von Excel und Monopoly für Minderjährige.
[update:] Der blanke Irrsinn ist auch in der FDP ausgebrochen. Ein Alarmschrei und Lesebefehl.
Dank SPD nur ein bißchen Ermächtigung
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
06. Okt 2008 12:47
Das Demokratieverständnis der großkoalitionären Weimaraner ist berauschend. Im Schatten der Finanzkrise (oder soll man sagen: als Konsequenz derselben) wird die Republik einmal mehr beschädigt. Man wischt sich mit dem Grundgesetz den Hintern, um dabei einen neuen Passus einzufügen. Es geht um den Einsatz der Bundeswehr im Innern, worin die größte Bedrohung der Demokratie seit Gründung der Bundesrepublik besteht. Ernsthaft halten die völlig überflüssigen Tölpel der SPD es für einen Erfolg, daß die Bundeswehr nicht “zum Objektschutz” eingesetzt werden soll, sie wollen dafür aber dem bewaffneten Einsatz der Armee gegen das eigene Volk zustimmen. Eine rasante Karriere von der Verteidigungsarmee unter Parlamentsvorbehalt zur Bereitschaftspolizei mit Tötungsauftrag.
Für die spezifischen Fälle, in denen der Polizei technisches Gerät fehlt, hätte man sie damit ausrüsten können. Es gab seit Bestehen der BRD keinen einzigen Fall, in dem die Bundeswehr hätte eingesetzt werden müssen. Es ist hingegen eine massive Bedrohung des inneren Friedens und der Bürgerfreiheit, wenn befürchtet werden muß, daß Armee gegen Demonstranten aufmarschiert. Vor allem aber ist es ein kreischendes Signal der Politeska ans Volk: Ihr seid uns unheimlich, und wir werden euch mit Waffengewalt im Zaum halten, wenn ihr aufbegehrt. Daß diese alarmierende Erklärung des Willens zur Zerstörung der Demokratie das Bundesverfassungsgericht nicht passieren wird, darf erwartet werden. Auch ein Bundespräsident mit Rückgrat kann es nicht unterzeichnen. Diesbezüglich darf man allerdings nicht allzuviel erwarten.
Daß es eine ehemalige Sozialdemokratie fertig bringt, nach der Erfahrung von 1933 diesen Schritt in Richtung Diktatur mitzugehen, ist erschreckend und demprimierend – nicht nur für Sozialdemokraten.
