“Fernsehpreise” und Kultur, darüber kann man stundenlang räsonieren. Überhaupt ist der Zusammenhang zwischen der Glotze und dem Bildungsniveau der Glotzer alles und nichts. Es gibt ihn, er ist fast unmittelbar, aber Fernsehen ist eben kein Bildungsgut, sondern ein Komplex, der als wichtigster Verwertungsraum des Unterhaltungsmarktes auf Affekte zielt. Verblödung ist ein unvermeidlicher Kollateralschaden.
Eine Preisverleihung als Einzelveranstaltung kann in diesem Zusammenhang nicht herhalten für eine fundierte Kritik am Betrieb. Allein die Kritik an der Durchführung des Events von der Kritik an den Produkten der Branche zu trennen, ist eine fast unlösbare Aufgabe. Elke Heidenreich hat sich damit gar nicht lange aufgehalten, sie bietet einen bunten Mix an Unbehagen über einen langweiligen Abend, über doofe Sendungen und darüber, daß die Clowns im großen Zirkus die Stirn haben, ihre einzig ernsthaften Künstlerkollegen mit ihren Albernheiten zu beleidigen.
Als Sahnehäubchen auf diese ungenießbare Melange setzt Heidenreich ihre heuchlerische Grandiosität mit sicherem Instinkt für die Affekte des Publikums. Sie war nur dabei, um nicht dazu zu gehören. Sie, die Nachfolgerin des einzig wahren Hüters der Kultur in der Unkultur, will sich “schämen” und dabei doch nur alle anderen beschämen, im Kielwasser des Großen Marcel Reich-Ranicki.
Sie verdankt dem Fernsehen alles, worauf ihr Ruhm und ihr Kontostand beruhen. Das ist nicht “ein klein bisschen heuchlerisch“, das ist die aggressive Heuchelei einer Medienperson, die sich nie Gedanken darüber gemacht hat, daß sie selbt gemacht ist. Wenn “Sozialgeschnatter” feststellt:
Das Niveau der Fernsehpreis-Verleihung und von Grabscher Gottschalk dürfte ihr schon seit Jahren bekannt sein“, ist das nur ein Detail. Sie selbst ist Teil des Betriebs und hat herzlich wenig zu einer fundamentalen Kritik dieses Betriebs beigetragen. Im Gegenteil: Sie will nichts davon davon wissen, daß sie Macht ausübt – im Rahmen eines Mediums, das eben nicht aufklärt, sondern verkauft:
“DIE WELT: Macht Ihnen diese Macht keine Angst?
Heidenreich: Ich mag das Wort nicht. Dann hat jede Konditorei auch Macht. Ich kann an keiner vorbeigehen, ohne mir ein Törtchen zu kaufen.
DIE WELT: Aber die hat nur Macht über fünf Passanten. Auf Ihre Tipps verlassen sich Millionen Menschen, und so manch kleiner Verlag ist von der plötzlichen Nachfrage schon überfordert worden.
Heidenreich: Daran darf ich nicht denken. Und manchmal machen mich die Ansprüche auch wütend.”

Wütend, aber eben nicht (selbst)-kritisch. Ihre Argumente sind nicht weniger albern als Gottschalks Moderationen.
Jürgen Kaube hat in der FAZ festgestellt:
Überhaupt steht alles „in einem Zusammenhang vom Mittelalter bis heute“ (Heidenreich), wer wird sich da bei Einzelheiten, gar bei Fragen der Verständlichkeit aufhalten. Doch darum geht es ja auch gar nicht, sondern um die Beschwörung des Lesens als solchem, ganz unabhängig vom Denken.
Elke Heidenreich besorgt ein Geschäft, das sich nur dank ihrer Herkunft von dem unterscheidet, was Unterschichtenfernsehen preiswürdig macht. Sie macht Bildungfernsehen zu einer Geschmacksfrage und zu einer ihres Selbstwertgefühls. Was sie anfrißt, ist nicht der Betrieb als solcher, sondern die Tatsache, daß andere mehr Aufmerksamkeit einheimsen, als sie selbt. Daß Fernsehen in seiner dümmsten und ödesten Machart noch mehr Erfolg hat als die Restkultur, deren einträgliche Gralshüterin sie sein möchte. Sie und der Marcel, das sind die Leute, deren Lebenswerk nicht beschmutzt werden soll durch den hohlen Alltag eines Geschäfts, das ihr die Plattform für ihre Überlegenheit bietet. Denken liegt ihr nur so weit am Herzen, wie ihr eigenes Talent das zuläßt. Sich selbst zu hinterfragen, kommt ihr dabei nicht in den Sinn.