Auch wenn die Medien allmählich wieder schreiben lassen, was sich nicht einmal hinter dem Everest verbergen ließe, kämpfen sie noch immer dieselbe Schlacht. Der jedem Talent erfolgreich entkommene Mohr etwa sieht bei SpOn den “populistischen” Lafontaine als wichtigstes Detail in der Debatte zur Finanzkrise. Schade, Reinhard, ich habe leider keinen Link für dich.
Als Symptom des halbgaren Rückzugs der Journaille aus ihrem neoliberalen Niveautief werden heute einige Artikelchen geboten, die den Depp partout nicht “Depp” nennen wollen, weil er halt aufrecht in einem gut sitzenden Anzug stehen kann und über der Krawatte souverän raushaut, was das Rhetorikseminar für Fortgeschrittene hergibt.
Friedrich Merz tankt sich als Vollhorst durch die ungeliebte Wirklichkeit, die so gar nicht ins Konzept eines debiliberalen Besserwissers passen will. Hätte er einen Funken von Charakter, hätte er sein Büchlein selbst zum Container gebracht oder wäre damit als bester Realsatiriker aller Zeiten auf Tour gegangen – erklärtermaßen. So hat er hat recht, wie er schon immer recht hatte und steigert die Peinlichkeit in Dimensionen, gegen die mittelalterliche Folterinstrumente wirken wie ein Klaps auf den Hinterkopf.
Das ist freilich sein Bier(deckel). Nehmen wir an, sein dummer Aufguß alter neoliberaler Fehlleistungen hätte inhaltlich irgendetwas zu bieten. Dann müßte man dennoch ein Sekündchen innehalten und sich deutlich machen, daß der Titel “Mehr Kapitalismus wagen” einfach nicht geht in diesen Tagen. Selbst er hätte das bemerkt. Da er aber außer borniertem Gefasel über Konzepte, die noch nie aufgingen und schon immer verlogen waren, nichts zu bieten hat, ficht ihn das alles nicht an. Man macht es ihm allzu leicht. Niemand geht hin, faßt ihn bei der Schulter, nimmt ihn beiseite und sagt ihm: “Friedrich, das ist scheiße, was du da erzählst.” Nein, höflich-devot und bar jeder Meinung “berichten” die üblichen Verdächtigen, daß er eben sein Büchlein veröffentlicht.
Rebell wider den Zeitgeist” nennt Katharina Schuler ihn in der geistlosen “Zeit”. Ihr inhaltloses Gewäsch endet mit den Zeilen:
Hoffen werden sie aber auch, dass er nicht eines Tages wirklich zurückkehrt in die Politik, mit einer eigenen Partei, ein Lafontaine von rechts. Dann könnte er wirklich gefährlich werden.
Aua!
R. Meinhof beglückt uns bei Sueddeutsche.de mit Krawattenmetaphorik, die mich literarisch überfordert. Der Artikel endet mit den tief bewegenden Worten:
Er wirkt wie einer, der mit Leidenschaft dabei ist. Mit seinem Buch diesmal, aber ganz sicher auch anders. Dazu allerdings muss mehr passieren. Solange Angela Merkel in der Partei die Fäden in der Hand hält, wird er nicht zurückkehren in die große Politik. Aber er wird auf seine Weise wirken. Wie ein Herrenkonfektionsverkäufer eben, dem die Mode egal ist.
Vom Merzen mit Schmerzen.
Ansgar Graw salbadert für Welt.de schlußwörtlich:
So beschwört Merz die Verantwortung des Einzelnen und rehabilitiert den Begriff des Neoliberalismus, der einst als freiheitlicher Gegenentwurf zu den schlimmen Ideologien des 20.Jahrhunderts entstand. Es gehe ihm nicht um eine „parteipolitische Auseinandersetzung oder gar um eine Auseinandersetzung innerhalb meiner Partei“, versichert er im Vorwort seines Buches. Vielleicht werden seine Gedanken ja doch nicht als Kampfansage begriffen, sondern als ein notwendiges Korrektiv in regulierungswütigen Zeiten.
Neoliberalismus ist also “freiheitlich”, das Gegenteil “schlimm”, und wir leben “in regulierungswütigen Zeiten“. Das notwendige Korrektiv für solchen Schwachsinn müßte wohl sehr stark sein. Selbst eine göttliche Macht stünde hier wohl auf verlorenem Posten.
Was mich wirklich beschäftigt, ist die Frage, ob es solchen Bremsbirnen gelingen kann, das Eintreten des eigenen Todes zu ignorieren und sich derart unsterblich zu machen.