Kultur


Ein 13-Jähriger will den Mount Everest besteigen. Das Kind, vermutlich eines von Leistungsträgern, will nicht weniger als die Welt erobern. Ähnlich wie die Teenie-Göre aus dem Gutverdienerhaushalt, die zwar noch keinen Jungen geknutscht hat, aber die Welt umsegeln mußte.

Diese von stolzen Eltern unterstützten kleinen Wichtigtuer sind keine Hasardeure, schon gar nicht wäre ihnen daran gelegen, die Welt zu entdecken. Dazu ist das Brimborium schon viel zu aufwendig, und selbstverständlich bedarf allein schon die Entourage, die zur Vorbereitung dieser “Unternehmungen” nötig ist, eines Maßes an Ressourcen und einer Menge von Wasserträgern, die schon immer nur dem feudalen Stande gegeben sind.

Es ist ein Auswuchs der Aneignungsreligion, die schon Kinderpsychen völlig vereinnahmt und zerstört. Das Phänomen ist die größenwahnsinnige Vision von der Weltherrschaft. Machbar ist sowieso alles, jeder Zweifel wird beiseite geräumt, wenn es gilt, vom Dach der Welt auf die Erde zu spucken oder sie zum umrunden, um ein für allemal das Revier zu markieren: Alles meins!

Der Mensch setzt sich in Bezug zur Welt, in dem er diese zum Teil seiner selbst macht, zum vollendeten Eigentum. Die Umkehrung des natürlichen Weltverhältnisses – ein Teil derselben zu sein – gerät im furchtbarsten Sinne zum Selbstverständnis. “Ich” ist das, was alles haben kann, will und muß.

Der Bezug zur menschlichen Umwelt ist dementsprechend beschränkt. Andere sind Konkurrenten, die man hinter sich und unter sich läßt. Erster sein, Schnellster sein, Jüngster sein, der inkarnierte Superlativ, besser als alle, unschlagbar. Der Zwang, diesen Zustand erreichen zu müssen, ist das letzte Symptom totaler Entsolidarisierung. Wo Gemeinschaft, gegenseitige Fürsorge, darauf angelegt ist, ein Leben in sozialen Bindungen zu organisieren, erträgt es der manische Leistungsträger nicht mehr, sich noch in irgend ein soziales Gefüge zu integrieren. Es sind die anderen, die dem “Ich” gefügig gemacht werden, um diesem allein den totalen Erfolg zuzuschreiben. Jegliches Gefühl für menschliche Bedürfnisse geht verloren und wird dem einen unterworfen: Dem Bedürfnis nach alleiniger Führung, Allmacht.

Die Basis aller sozialen Beziehung, Rücksicht, ist da völlig fehl am Platze. Nach dem Abstieg vom Gipfel, dem Erreichen des letzten Hafens, ist schließlich der Blick zurück auf die eigene Reise nur noch schale Selbstverherrlichung. Allein der nächste Kick, vom Einzigen zum Einzigsten aufzusteigen, hält das längst ziellose Wesen in Bewegung. Nur nicht verweilen oder zweifeln, die Erkenntnis ist zu brutal, daß der ganze Sport zu sprichtwörtlich nichts geführt hat. Davongekommen wie Odysseus, bloß wesentlich besser ausgestattet, wartet daheim bestenfalls die öde Bewunderung der Claqeure. Die Leute sind noch dieselben wie vor der Abreise. Was soll man bloß mit denen, sind Sie doch nur Schwächlinge oder Konkurrenten. Mit beidem mag man sich nicht betun.

Die Kälte solcher Einsamkeit tauscht man an einem weiteren Ende der Welt gegen den Gipfel der Antarktis, wo es wenigstens sichtbare Frostbeulen gibt, totes Fleisch als Zeichen des Triumphs.
Wenn all dies nicht mehr hilft, um sich selbst zu erleben, wäre Umkehr die Lösung. Ein Blick auf die Zurückgelassenen, die Verlierer, denen es obendrein viel besser zu gehen scheint. Die Ahnung, daß es Wichtigeres im Leben gibt als die Einsamkeit des Siegers.

Doch meist kommt es anders. Man kann sie nicht zu Siegern machen und will nicht zu den Verlierern gehören. Allenfalls kann man sie spüren lassen, was eine menschenfeindliche Umgebung ist und was es bedeutet, in Einsamkeit und Furcht zu leben. Diese Erfahrung weiterzugeben, ist die letzte Solidarität der Leistungsträger.

Als ich neulich einen schmierig-pathetischen Evangelikalen schwärmen hörte, Jesus habe “am Kreuz alles gewonnen”, dachte ich, “So jemanden möchte man nicht verlieren sehen” und mußte lachen, weil es mich an die Szene mit dem Schwarzen Ritter einnerte. In “Monthy Python’s Flying Circus” liegt dieser blutüberströmt ohne Arme und Beine am Boden und brüllt “Unentschieden!”

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Ähnlich ist es derzeit um die Katholiken bestellt, die mit allen Mitteln versuchen, den Sicherungspin wieder in die schon gezündete Granate zu fummeln. Wie auch immer sie sich zu verstecken versuchen, was sie auch an Vorwärtsverteidigung aufbieten, es endet im Desaster. Die Kettensäge der Kurie, der Mixa von Moral und Anstand, steht inzwischen selbst unter Verdacht der Kindesmißhandlung. Sicher haben die linken 68er ihn mit ihren Straßenkämpfen zur Gewalt verführt.

Der Papst selbst, der etwas gewußt haben wird, was andere nicht wissen sollten, muß sich auf seine Immunität berufen, wie das im Rom dieser Tage ganz üblich ist. Unfehlbarkeit auf Berlusconi-Niveau, wen soll das noch beeindrucken?

Und auch die hilflose Unterstützung aus deutschen Medien macht das alles nicht besser, es führt vielmehr zu “Argumenten”, die weitere Schmerzen verursachen, vor allem bei nicht-Katholiken, die gar nicht drauf stehen.
Magnus Klaue glaubt, “das Ende des Zölibats” würde nicht die Kirche erlösen, es sei vielmehr mit einschlägigen Forderungen die Reduzierung der Frau auf ein Sexobjekt verbunden.
Ich fürchte, man muß schon schwer rosenkranzgeschädigt katholisch denken, um auf einen solchen Unfug zu kommen.

Keine Ahnung, keine Kekse. Zunächst wollen die wenigsten, die ein Ende des Zölibats fordern, die Kirche retten. Zweitens las ich nirgends von Triebabfuhr durch Sex mit Frauen, die gegen Pädophilie hilft. Und schließlich sind Zölibat und Kindesmißbrauch verschiedene Paar Schuhe – gerade, wenn man einen Zusammenhang zwischen beidem herstellt.

Das beginnt damit, daß die Diskussion um dem Zölibat ein paar Lenze älter ist als die um Kindesmißbrauch in der Kirche. Sie ist auch unabhängig davon geführt worden.
Sollte der Zölibat Mißbrauch strukturell fördern – was ich für gegeben halte – geht es nicht um “Triebabfuhr”, sondern eben um einen Umgang mit Sexualität, der schlicht unmenschlich ist. Das Weitere ermöglicht die bekannten Umstände.

Es ist beinahe müßig, diese Hintergründe zu erläutern, denn jemandem, der weder erfolgreich katholisch sozialisiert wurde noch meint, Rücksicht auf diese Gruselreligion nehmen zu müssen, sieht zuallererst die denkbar übelsten Handlungen im Rahmen einer autoritären Moral, die all dies eigentlich der ewigen Verdammnis überantwortet. Die Moral ist so pervers wie die Schändungen, die sie zuläßt und mitverursacht. Der Zölibat ist ein Symptom dieser Perversion. Niemand will den Pfaffen Frauen zuführen, um die Not zu lindern. Wir haben einfach die Schnauze voll von Bigotterie und Vergewaltigung. Beides gehört geächtet.

Niemals zuvor hat ein Mitglied der Bundesregierung eine ähnlich schwerwiegende Attacke gegen die katholische Kirche geführt” wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, meint der deutsche Oberbischof unter dem Papsttum, Robert Zollitsch. Innerhalb von 24 Stunden hätte sie das zurückzunehmen, erkühnt sich ein Pfaffe gegenüber einer Bundesministerin.
Und wenn nicht? Wird dann zurückgeschossen? Woran erinnert mich das?

Kein Volk dieser Erde ist jemals in seiner eigenen Sprache so geschmäht worden wie das deutsche durch Tucholsky.

Es gibt Zeiten für “niemals zuvor”-Sätze von beleidigten Funktionären, und dies sind Zeiten, in denen Verbrechen vertuscht werden sollen – am Ende sogar legitmiert, weil die anderen Schuld sind und die Beleidigung der Obrigkeit schwerer wiegt als das Leben, der Körper und die Seele des Menschen. Erbärmlich.
Der Inhalt und die Beschuldigten sind Austauschbar, die Rhetorik des letzten Aufgebots bleibt dieselbe.
Der katholischen Kirche und ihren Trägern heimtückischer Entwürdigung ist mangels auch nur rudimentärer Einsicht anzuraten, sich an die eigenen Regeln zu halten und zur Hölle zu fahren.

Der Mißbrauch von Kindern durch katholische Priester ist aufgeklärt. Es war der Antichrist. Er hat die sexuelle Revolution über die Erde gebracht, in deren Zug auch Geistliche kontaminiert wurden. Satan ist mächtig. Nicht nur, daß seine Ideen bei denen auf besonders fruchtbaren Boden fielen, die sie rundherum ablehnen – sie wurden gerade von diesen in besonders abartiger Weise und rückwirkend in Schandtaten umgemünzt. Waren womöglich gar die Klosterschulen und Stifte die Brutstätten der 68er? Hier, wo die Perversion schon immer zuhause war, heimlich und still?

Was Mixa deliriert, zeugt von einem derart zerstörten Intellekt, daß man sich nicht lange mit dem Inhalt seines Lamentos befassen muß oder dem ernsthaft entgegentreten. Interessanter ist schon die Frage, wie halbdebile Zwangsopfer in ein höheres Management, hier das der katholischen Kirche aufsteigen können. Was muß jemand leisten, um an einen solchen Posten zu kommen? Und wenn man sich die Frage ehrlich beantwortet hat, bleibt noch die, wer die Träger solcher “Würde” noch öffentlich zitiert. Wenn das die Vertreter Gottes auf Erden sind, dann ist eines schon mal geklärt: Er muß hirntot sein.

Ein wenig kann man dennoch darüber spekulieren, wie die bunte Tante Mixa auf seine Idee kommt. Ganz offensichtlich ist natürlich die Sündenbockfunktion: “Ganz sicher nicht unschuldig” sei die “sexuelle Revolution”. Irgendwer ist immer schuld, und man sieht sie schon brennen, die linken Ketzer und Lüstlinge. Politisch paßt’s auch, schließlich sind sie, das ist auch Konsens der Neoliberalen und Konservativen, für alles Schlechte verantwortlich, die “Linken und 68er”, expressis verbis.

Tief hinein in den Schlund der katholischen Hölle zeigen aber die drei Finger des Vorwärtsverteidigers, die nicht auf andere weisen. Wenn in Sachen Sex sich rund um ’68 eines geändert hat, dann ist es Öffentlichkeit. Selbst die Kinderschänder, die sich ermutigt fühlten, ihre Opfer auch noch zu Tätern zu machen, indem sie von “kindlicher Lust” schwadronierten, haben dazu beigetragen, daß über Mißbrauch gesprochen wird. Das ist es, was dem Moralzombie so gar nicht in den Kram paßt: Er kriegt den Deckel nicht mehr drauf.

Wenn das kleine Fräulein Hegemann von Kotze und Fotze schwadroniert und es sich dann herausstellt, daß es nicht ihre Kotze war und auch nicht ihre Fotze, die sie literarisch, in Buchstaben also, verkaufte, sondern sie mietnomadenhaft weiter vermietete, dann nennt das Fäuleton sie “talentiert”. Wenn sie weiterhin sich selbst als nicht gegeben, nicht einmal übergeben betrachtet, ist sie in der Tat auf der geistigen Höhe des Betriebs. Was Helene nicht in der Birne hat, ist das Zeug zum Bestseller.
Die Verwertungskette ist es, so lernen wir, die das Qualitätsprodukt ausmacht, ganz unabhängig von Inhalt und Urheber. Oder soll man vielleicht Blogtexte kaufen, von einem Verbrecher womöglich, um literarische Wohlstandskinder zu enterben? Wollen wir, daß die deutsche Literatur in die Schweiz auswandert? Kann die Schweiz das wollen?

Sie ist erst siebzehn. Der Markt braucht Siebzehnjährige, die nicht nur selbst breitbeinig die Phantasien anderer plakatieren, sondern jede Form brutaler Vergewaltigung, Vernichtung und Selbstzerstörung anpreisen. Wie gut, wenn es eine erledigt, der es dabei gut geht. Es würde mir Schwierigkeiten bereiten, dabei zuzusehen, wie einer Sechsjährigen bei vollem Bewusstsein gleichzeitig mit kochendem Schwefel die Netzhaut ausgebrannt und irgendein Schwanz in den Arsch gerammt wird, und danach verblutet sie halt mit weit geöffneten Augen auf einem Parkplatz. Aber ich bin keine siebzehnjährige Prinzessin, die nicht einmal liest, was unter ihren Namen verhökert wird.

Die Diskussion über Urheberrechte ist soweit überflüssig, wie die Autorin keine ist. Ihr für den zusammen geklauten Dreck ein Salär zukommen zu lassen, ist zwar unerhört illegitim, aber damit ganz normale Leistungsträgerschaft. Ihr Kniff, mit “ihrem Buch” nichts zu tun haben zu wollen, ist äußerst konsequent und eine Ironie, deren Feinheit in ihrer naiv-extremistischen Brutalität besteht. Auch diese Ironie hat mit ihr nichts tun. Sie ist eine Hure vom literarischen Babystrich. Davon weiß sie natürlich nichts.

Was sie nicht einkalkulieren konnte, sind die Konsequenzen, die sie selbst als Mensch betreffen werden. So sehr sie sich auch als Autorin negieren mag, Unperson sein will, so wenig wird sich das Fleisch abschütteln lassen, das sie zu Markte trägt. Es wird ihr Schwierigkeiten bereiten, daß ihr der Betrieb bei ausgeschaltetem Bewußtsein einen Schwanz in den Arsch gerammt hat. Dem Betrieb übrigens nicht. Der schreibt solche Verluste ab, wenn es zum Ärgsten kommt.
Bis dahin kann er sich auf Konsumenten verlassen, die kaufen, was angesagt ist. Und da die Qualitätsliteratur in einem Wettbewerb steht mit visueller Pornographie und anderen Special Effects der Filmbranche, muß halt die jungfräulich babyfickende Junkiedarstellerin her. Vorläufig noch ohne Ausschlag und Geschlechtskrankheiten, gut riechen soll sie ja und lächeln am Verkaufsstand. Die Kunden haben nämlich einen ästhetischen Anspruch.

SpOn glaubt, es sei “erschütternd”, wenn es seit 1995 neunzig Verdachtsfälle auf Kindesmißbrauch in der katholischen Kirche gegeben habe. Selten so gelacht. Spätestens seit den aufgedeckten Fällen in den USA sollte deutlich geworden sein, daß es sich auch empirisch nachweisbar um ein strukturelles Problem handelt. Sprechen wir vorläufig also über hunderte Fälle – in Deutschland. Überall auf der Welt werden Kinder von Geistlichen mißbraucht, vom Pfarrer bis zum Bischof vergreifen sich “Würdenträger” an jungen Menschen und zerstören sie.

Im Falle der katholischen Kirche haben wir es mit einem Konglomerat aus Perversion, Heuchelei und diktatorischer Gesinnung zu tun, die ihresgleichen vergeblich sucht. Lächerlich schon, daß im 21. Jahrhundert eine religiöse Sekte noch immer glaubt, nur der Geschlechtsverkehr zum Zwecke der Vermehrung sei “gesund” und sittlich unbedenklich. Verbrecherisch schon, daß abweichende Orientierungen als “krank” und verdammenswert verurteilt und mit der Macht einer weltweit operierenden Organisation bekämpft werden.
Ein Verbrechen ungeheuren Ausmaßes ist es aber, wenn wissentlich durch solche Bedingungen Kindesmißbrauch gefördert wird.

Psychologische Theorien qualifizieren unterschiedliche Triebziele, einige der Theorien nennen es “pervers”, wenn sexuelle Befriedigung von quasi unnatürlichen Handlungen abhängt. Zu nennen ist hier etwa der Fetischismus, vereinfacht Sex mit Gegenständen. Das Ding ersetzt quasi den Partner. Wie man solche Spielarten auch definiert oder beurteilen mag, sie finden statt, und es macht die Menschen nicht schlechter, die eine Sexualität jenseits des Mainstreams pflegen.
Das Abartigste, was der Mensch sich einfallen lassen kann, ist allerdings kein Triebziel, Asexualität bei vollständig ausgebildeter Lust. Was in früheren Zeiten ein Indikator für die Beherrschung der Menschen gewesen sein mag – wer sich zur Triebunterdückung nötigen läßt, darf als guter Untertan gelten – hat in modernen Gesellschaften längst jegliche Funktion verloren.

Der Katholizismus hat die nötigen Reformen seit Jahrhunderten verschlafen. Er bezieht vielleicht seine Identität daraus, ein Bollwerk gegen jeden Fortschritt zu sein. Der gemeine Katholik schafft den Anschluß an die Moderne dennoch – durch Bigotterie und Beichte. Ihm ist egal, was der Papst sagt, er geht in den Puff und nachher zur Beichte. Diese Heuchelei ist harmlos, so lange sie funktioniert.
Was hingegen nicht funktionieren kann, ist die Besetzung des Managements mit Leuten, die ohne berufliche Alternative auf der Straße stehen, wenn sie sich von der Perversion “Zölibat” offen abwenden. Auch sie werden dazu genötigt, ihren Trieb heimlich auszuleben, was ihnen als Personen der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht so leicht gelingen kann. An eine normale Partnerschaft ist erst gar nicht zu denken.

So leben wir also mit einer steuerlich geförderten Sekte von Zwangsabartigen, die im besten Fall Kinder machen, welche ihre Väter nicht kennen dürfen und regelmäßig, der ungünstige Fall, eben Kinder ficken. Das sind dieselben Herren, die ihre aggressive “Sexualmoral” weiterhin laut predigen. Wer für diesen Laden noch Kirchensteuer zahlt, muß wissen, was er da fördert.

Weissgarnix räsoniert kompakt über den Wachstumszwang. Eine akademische Betrachtung, wie es so schön heißt, denn die Welt ist anders. Die Sprache wirft hier ein helles Licht auf die Hochgeschulten: Sie spielen mit Gedanken, als seien diese relevant. Sind sie aber meist nicht. Was hilft es, einen Wachstumszwang schon unterhalb der Zinswirtschaft zu verorten, so lange diese das Wachstum halt beschleunigt – und sei es das ins Bodenlose. Thomas Strobl sieht das Problem schon in der Geldwirtschaft, womit er nicht ganz unrecht hat. Was er nicht erwähnt, ist, daß er eben von den gegebenen Zuständen ausgeht. Könnte es ein Wirtschaften geben, das nicht von (möglichst uneingeschränkter) Aneignung geprägt ist? Das wäre dann etwas Anderes. Und so es das nicht gibt, ist Geldwirtschaft ohne Zins und Zinseszins ohnehin undenkbar.

Am anderen Ende steht der Apologet des falschen Zustands, ein gewisser Sloterdijk, der sich ungeniert “Philosoph” nennt, obwohl er nicht einmal mehr versucht etwas Anderes zu sein als eben Propagandist des Herrschenden. “Freiwillig” sollen die Reichen etwas abgeben, anstatt enteignet und bestraft zu werden – für ihre Leistungsträgerschaft. Dabei gelingt ihm nicht einmal eine vorwissenschaftliche Vorstellung vom Problem der Aneignung oder dem der Verteilung. Geschweige denn machte er sich klar, was es für die Abhängigen und Abgehängten im mörderischen Verteilungskampf bedeutet, auf die Almosen der Erfolgreichen angewiesen zu sein. Er ignoriert das einfach und fabuliert entschieden ahnungslos übers Ökonomische.

Sein Ansatz ist sogar utopisch, nur eines mag er gar nicht denken: Daß es Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit geben könnte, daß die Zustände längst unerträglich und von unerhört illegitimen Eigentumsverhältnissen geprägt sind. Daß eine politisch-ökonomische Philosophie diese Verhältnisse hinterfragen und deren radikale Veränderung einfordern müßte.
“Freiwilligkeit” fordert er für die Abgaben der Reichen und fragt nicht lange nach der Freiwilligkeit von Arbeitsverhältnissen – vor allem der Zwangsabgabe des Mehrwertes. Geld gehört den Besitzenden, und wem das Geld gehört, dem gehört auch die Produktivität der Arbeitskraft. Das fällt derart beschämend banal hinter Marx zurück, daß dieser “Philosoph” unverzüglich entlassen gehört. Ein vom Steuerzahler alimentierter Halbwissenschaftler bläst ins Horn der Privatiers. Soll er sich gefälligst von denen aushalten lassen.

Nähme man das Gedankenspiel solcher “Freiwilligkeit” ernst und wendete es ins Demokratische, dann könnte ja der Kunde, der immerhin seine Freizeit, seine Kreativität und seine Lebenskraft der Produktion übereignet, frei darüber entscheiden, wieviel des von ihm erwirtschafteten Mammons wem zukommt. Er bekommt das von ihm gewünschte Produkt, weil er halt ein Recht darauf hat und entscheidet ganz vernünftig, daß die Produzenten ja ein bißchen was bekommen müssen, um weiter zu produzieren. Das wird er sicher einsehen, und das fördert die Vernunft in der Konsumgesellschaft ganz ungemein.

Das kann nicht funktionieren? Wäre kein Argument, denn die Sloterdijks und ihre Enteigneten ließen überzählige Arbeiter ja auch verhungern und riskierten Aufstände. Das ist übrigens empirisch belegt. Hatten wir nämlich schon.
Was funktioniert, und das macht dieser vorkritische Zynismus ohne jede Vernunft allzu deutlich, ist die Festigung von Machstrukturen. Seit Jahrhunderten sieht das so aus, daß es oben wenige Reiche gibt und unten viele Arme. Dazwischen gibt es die Nützlichen, die der Majestät den Pöbel vom Hals halten. Mit Waffengewalt oder wohlfeilen Worten.

Was deshalb auch nicht funktioniert, ist eine Theorie als Vorstufe der Veränderung. Eine, die die Aneignung ablehnt und nach einer machbaren Ökonomie strebt, die sich an Gerechtigkeit, Solidarität und Würde orientiert. Was sind das für himmelschreiende Dystopien, die uns von solchen Akademikern als Heilsversprechen untergejubelt werden? Da könnte man glatt zum Islam konvertieren.

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Gehet hin und sauget davon, es ist der Irrsinn, er hat es nicht besser verdient. Ich rede von diesem Film der Schlümpfe, den lächerlich geschminkten Kitschfiguren aus einem Ego-Shooter, die mir in sämtlichen Medien als Neuerfindung des Kinos untergejubelt wird.
Im Grunde interessiert mich dieser Streifen nicht. Und wäre nur die Gelegenheit geblieben, diesen überflüssigen Schmarrn zu ignorieren, ich hätte nicht einmal an der Obszönität Anstoß genommen, daß da jemand einen verzichtbaren Streifen für satte dreihundert millionen Dollar gedreht hat. Übrigens zum aktuellen Wert an den Devisenbörsen, nicht zu dessen realem Wert, das ginge ja noch.

Aber nein, TV, Print, Internet – überall leuchten einem diese putzigen Knopfaugen entgegen, die auf jedem zweitklassigen Kostümfest echt was hermachen würden. Und leck mich fett, das Ganze gibt’s sogar in Drei De! Diese Weisheit ist so ungemein wichtig, daß sie jedem Bürger der nördlichen Hemisphäre mindestens zwölf mal am Tag mitgeteilt werden muß. Allmählich beschleicht mich das Gefühl, daß mehr als die Hälfte des Budgets in die PR geflossen ist.

Nein, nein und auf gar keinen Fall! Ich werde mir diesen Film nicht anschauen. Jedenfalls keine auch nur halbwegs legale Kopie davon. Ich wünsche den Irren, die jetzt glauben, sie hätten ein Recht auf Amortisation, ein kleines Fünkchen Verstand. Ich wünsche ihnen das schon an dritter Stelle, gleich hinter dem Flop und der Pleite des Jahrhunderts. Vermutlich haben Cosa Nostra und Russen-Inkasso schon sämtliche Kritiker der Welt heimgesucht und auf Linie getrimmt. Wahrscheinlich predigen die Pfarrer von der Kanzel, daß es gottfällig sei, dafür ins Kino zu gehen. Vielleicht werde ich nach diesem Posting unauffällig von der Bildfläche verschwinden. Aber das alles wird nicht helfen.

Ganz nebenbei sei bemerkt, daß eine Story, deren Autoren so bescheuert sind, ein Land namens “Pandora” zum Ort des Geschehens zu machen, die Intelligenz selbst notdürftig Halbgebildeter beleidigt. Die Chefin von dem Laden heißt dann wohl “Colonia Agrippina” – oder was?
Sei’s drum. Es geht um höhere Werte. Das Geld muß wieder eingespielt werden. Überteuerte Kinos können das allein nicht schaffen. Mit Plastikfigürchen, Avatar-Limo, Avatar-Kaugummi und Avatar-Deo ist es auch nicht getan. Die Umbenennung des Reichtags in Avatar-Theater wird am Widerstand der CSU scheitern, und der DVD-Verleih reißt es erst recht nicht raus.

Da müssen dann wohl die Raubkopierer ran. Eine schwarz gebrannte Scheibe erzeugt einen Schadensersatz-Anspruch von ungefähr zehntausend Dollar, eine ins Netz gestellte Kopie kommt schon tief in den sechsstelligen Bereich. Die Filmindustrie braucht euch, Piraten. Wollt ihr, daß die Wirtschaftskrise das Kino ruiniert? Eine Säule der Kultur, zerstört und zertrümmert, Millionen von Arbeitsplätzen vernichtet, weil es keine Solidarität mehr gibt mit Künstlern und Kreativen?
Das könnt ihr nicht zulassen, ihr Kriminellen und Gratiskultur-Junkies. Burn, Motherfuckers, burn!

Ich lese häufig, daß Leser dieses Blogs nicht fernsehen, und ich kann gut verstehen, warum. Wie bei solchen Gelegenheiten bereits gesagt, halte ich es allerdings für wichtig, nicht den Anschluß an die Lebenswelt der TV-User zu verlieren, die noch immer die breitformatige Mehrheit bilden. Man mag sich dabei auch Gedanken darüber machen, welcher Qualität wohl die Online-Medien wären, wenn sich dieses Bildungspräkariat das Netz zur Domäne machte.

Heute gab es wieder zwei Beispiele, wie sich “Meinung” bildet. Vor der Tagesschau wurde wieder die hier schon oft belächelte Veranstaltung “Dax im Käfig” bzw “Börse im Ersten” gegeben. Darin wurden die Rankings verschiedener europäischer Nationalbanken und die Verzinsung der dort erhältlichen Staatsanleihen plakatiert. Lehrreich wäre es gewesen, den Unterschied zwischen BBB+ und AA etwa zu erläutern. Noch lehrreicher wäre es gewesen, das Zustandekommen dieser Ratings zu erklären. Und wirklich lehrreich wäre es gewesen, den Leuten zu erklären, welche Rolle die Ratingagenturen bei der Verpackung der Schrottpapiere gespielt haben, die zur Bankenkrise geführt haben.

All das fand natürlich nicht statt, stattdessen haben wir gelernt: Deutschland gut. Alles gut.
Ginge es um die Interessen der Bürger oder zumindest großer Gruppen der Bevölkerung, wäre der tägliche Hartz-IV-Bericht vor der “Zwanzig Uhr” wohl eher angebracht. Neueste Skandale, Tips zum Recht und Hinweise auf Möglichkeiten, doch wieder an einen Job zu kommen – das wäre noch am lehrreichsten.
Aber auch hier gähnt ein Schlund, ein Abgrund von Verdummung und Propaganda, die freilich im Gewande der “Unterhaltung” durch die Wohnzimmer wabert.

Was Alexander Kissler sich für seinen Artikel in der Sueddeutschen anschauen mußte, ist wahrlich sauer verdientes Geld. “Scripted Reality” nennt er treffend die Flimmerfarce um Sozialschmarotzer, wie ihn die Medien der Leistungsträger gern sehen wollen.
Und wer goutiert das? Die Zuschauer des Nachmittagsprogramms, jene unendlich bildungsferne Schicht, die zuallerletzt merkt, daß ihr dort die Stereotypen eingeprügelt werden, mit denen sie sich selbst ans Kreuz auf ihrem Stimmzettel nagelt. Wo dunnemals Fernsehen einen “Bildungsauftrag” zu erfüllen hatte, herrscht heute der organisierte Sadomasochismus als lärmende Verblödung. Guten Abend, das Wetter!

Dietmar Hopp, Besitzer einer Fußballfirma aus der Bundesliga, ist ein echtes Opfer. Die Jugendlichen, mit denen ich täglich zu tun habe, würden das genau so sehen. Und ihm vermutlich noch auf den Kopf zusagen, seine Mutter gehe einer Beschäftigung im ältesten Gewerbe der Welt nach.
Das kann er auch von Kölnern haben, die ebenfalls den “Hurensohn” in ihm erkannt haben wollen. Die Dortmunder wiederum würden ihn gern abschießen. Auch das ist rustikal.

Nun, wenn das also eine Morddrohung war, dann schicke ich doch gleich eine hinterher. “Verbrennt den Hopp”, so fordere ich, und zwar rituell und als Vergnügen fürs ganze Volk. Aber eins nach dem anderen!
Traditionell, das wissen nicht nur die Erzfeinde aus Mönchengladbach, kennt der Fußballfan den FC Köln etwa als die “Scheiße vom Dom”. Ist das nicht schrecklich diskriminierend? Wie solche sollen die Kölner also behandelt werden? In ein finsteres Loch gespült werden? Kollektiv ersäuft? Ist das nicht Volksverhetzung, ein Aufruf zum Genozid gar?
Andere haben schon zu Walzermelodien vom Blut der Bayern gesungen: “wenn es spritzt, wenn es schwappt, dann ist es gut”. Das ist ja Bürgerkrieg. Oder nicht?

Ich bin zwar kein Fußballfan, aber sogar ich weiß, daß diese Gesänge und Gebärden nicht wirklich wörtlich zu nehmen sind. Es ist ein Ritual, wenn Fans sich singend beschimpfen, verhöhnen und böse Plakate malen. Viel böser als das Androhen mittelalterlicher Strafen und die Bezeugung tiefen Hasses sind übrigens als “kultiviert” geltende Aussprüche. Je näher sie der Wahrheit kommen, umso verletzender. “Ihr werdet nie deutscher Meister”, dem aktuellen Tabellenführer trocken ins Gästebuch geschrieben, oder eine Salatschüssel mit der Aufschrift “Nur gucken, nicht anfassen” für gewisse Blauweiße – das sind die eigentlichen Brutalitäten von den Rängen herab.

Dieses einträgliche Treiben des Pöbels war bislang keiner Erwähnung wert, und Hunderttausende geben sich dem hin, ohne daß sich die “Beleidigten” je weinerlich darüber beschwert hätten. Nein, da muß schon ein Milliardär daher kommen, sich einen Klub ohne Fans kaufen und zur Boulevardpresse marschieren, um seine ganze fundierte Kenntnis des Betriebs in die Waagschale zu werfen. “Morddrohungen” will er gesehen haben und fühlt sich in seiner Menschenwürde verletzt. Hätte er “Majestätsbeleidigung” angezeigt, man hätte ihn verstanden.
Der Herr hat doch seine schwer erbeuteten Millionen nicht auf den Tisch gehauen, um jetzt als Arsch der Woche dazustehen. Er hat ein Recht auf Liebe! Der Mob soll seinen Klub anfeuern und nicht dessen Besitzer mobben. Bei anderen Klubs geht das doch auch.

Nun hat sich selbst ein Sympath wie Uli Hoeneß über Jahrzehnte die Verachtung des Gegners redlich verdient und zudem seinen Weg von Spieler zum Funktionär im meist gehaßten deutschen Traditionsverein gemacht. Ist es wohl möglich, daß einer, der nichts geleistet hat und trotzdem als “Leistungsträger” Huldigung einfordert, genau das provoziert, was ihm da entgegenschlägt?

Dietmar Hopp ist eine steinreiche Witzfigur, nicht mehr und nicht weniger. Er sollte einfach mit seinen Golf spielenden Zigarrenrauchern Kaviar mampfen und sich von seinen PR-Beratern erklären lassen, wie man Fuball kauft und sich am Gewinn(en) erfreut, obwohl man nie dazugehören wird. Oder seinen Psychiater aufsuchen und sich bei dem ausheulen.

Besser wird das sicher nicht werden für ihn. Im Gegenteil sehe ich schon eine Fusion aus Fußballfieber und rheinischem Karneval, mit ihm in einer köstlichen Hauptrolle. Der Narr, der Griesgram, der Hoppeditz und der doofe kapitalistische Funktionär zu einer Figur verschmolzen. Der Depp vom Dorf, der es nicht rafft und den anderen den Spaß verdirbt, wird einmal im Jahr feierlich verbrannt, am 11.11., am Aschermittwoch oder auch am Karfreitag. Man heißt ihn den “Hopp”, er ist nicht nur im Kopf ganz aus Stroh, und er trägt ein Fußballtrikot.

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