Ich lese häufig, daß Leser dieses Blogs nicht fernsehen, und ich kann gut verstehen, warum. Wie bei solchen Gelegenheiten bereits gesagt, halte ich es allerdings für wichtig, nicht den Anschluß an die Lebenswelt der TV-User zu verlieren, die noch immer die breitformatige Mehrheit bilden. Man mag sich dabei auch Gedanken darüber machen, welcher Qualität wohl die Online-Medien wären, wenn sich dieses Bildungspräkariat das Netz zur Domäne machte.

Heute gab es wieder zwei Beispiele, wie sich “Meinung” bildet. Vor der Tagesschau wurde wieder die hier schon oft belächelte Veranstaltung “Dax im Käfig” bzw “Börse im Ersten” gegeben. Darin wurden die Rankings verschiedener europäischer Nationalbanken und die Verzinsung der dort erhältlichen Staatsanleihen plakatiert. Lehrreich wäre es gewesen, den Unterschied zwischen BBB+ und AA etwa zu erläutern. Noch lehrreicher wäre es gewesen, das Zustandekommen dieser Ratings zu erklären. Und wirklich lehrreich wäre es gewesen, den Leuten zu erklären, welche Rolle die Ratingagenturen bei der Verpackung der Schrottpapiere gespielt haben, die zur Bankenkrise geführt haben.

All das fand natürlich nicht statt, stattdessen haben wir gelernt: Deutschland gut. Alles gut.
Ginge es um die Interessen der Bürger oder zumindest großer Gruppen der Bevölkerung, wäre der tägliche Hartz-IV-Bericht vor der “Zwanzig Uhr” wohl eher angebracht. Neueste Skandale, Tips zum Recht und Hinweise auf Möglichkeiten, doch wieder an einen Job zu kommen – das wäre noch am lehrreichsten.
Aber auch hier gähnt ein Schlund, ein Abgrund von Verdummung und Propaganda, die freilich im Gewande der “Unterhaltung” durch die Wohnzimmer wabert.

Was Alexander Kissler sich für seinen Artikel in der Sueddeutschen anschauen mußte, ist wahrlich sauer verdientes Geld. “Scripted Reality” nennt er treffend die Flimmerfarce um Sozialschmarotzer, wie ihn die Medien der Leistungsträger gern sehen wollen.
Und wer goutiert das? Die Zuschauer des Nachmittagsprogramms, jene unendlich bildungsferne Schicht, die zuallerletzt merkt, daß ihr dort die Stereotypen eingeprügelt werden, mit denen sie sich selbst ans Kreuz auf ihrem Stimmzettel nagelt. Wo dunnemals Fernsehen einen “Bildungsauftrag” zu erfüllen hatte, herrscht heute der organisierte Sadomasochismus als lärmende Verblödung. Guten Abend, das Wetter!