Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat [...] den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen von einander.

Manifest der Kommunistischen Partei, 1848
 
Die Universalität der Menschenrechte wurde von bürgerlichen Revolutionären zunächst behauptet, ihre Durchsetzung aber nicht wirklich angestrebt. Die Bürger fochten für die Bürger; Rassismus, Klassengegensätze, Sklaverei, jede Form von Diskriminierung war damit vereinbar. Die bürgerlichen Staaten mit ihren Genfer Konventionen und nationalen Menschenrechten führten Krieg gegeneinander und schlachteten andere ab wie Ungeziefer. Stets wichtiger als die Menschen war immer die Nation, “das Vaterland”. Über diesen Hebel wurde auch eine domestizierte sogenannte “Linke” eingebunden, die in Form der Sozialdemokratie lieber ihre Klasse verriet als das Vaterland. Der Feind stand immer links.

Dort fand sich einmal die sozialistisch-kommunistische Internationale, die sprichwörtlich das Menschenrecht zu erkämpfen anstrebte, womit sie zumindest zeigte, dass sie diese Notwendigkeit erkannt hatte. Der Staatssozialismus nahm davon ebenso Abstand wie die Sozialdemokraten, die sich eben lieber staatstragend gaben. Es setzen sich wieder diejenigen durch, die entschieden, wer dazugehörte, wer nicht, was dafür zu tun war, wer die Befehle gab und wer den Stiefel ins Genick bekam. Ausgerechnet die vorgeblich klassenlose Gesellschaft organisierte sich brutal hierarchisch und autoritär. Menschenrechte waren wieder eine Option, ebenso wie in den bürgerlichen Gesellschaften. Die späte “sozialistische Internationale” ist schließlich der Sieg der Organisation über das Programm, ein Klub zahnloser Funktionäre und eifriger Diener des Kapitals.

Das “Wir” entscheidet

Die offizielle organisierte ‘Linke’ verkam zur Vereinsmeierei, der Status “Arbeiter” – inzwischen abgelöst durch strebsame Angestellte mit Oberschichtsallüren – war das entscheidende Kriterium für die Mitgliedschaft. Um die Menschen, denen dieser Status nicht zukam, kümmerte sich niemand, und in den Gefilden, in denen die Sozialdemokraten den Anspruch erhoben, das legitime (weil legale) linke Spektrum abzudecken, waren es obendrein nur die Landsleute, deren Wohl relevant war. Ob irgendwo in der Welt Menschen dem heimischen Wohlstand zum Opfer fielen, blieb irrelevant. “Wohlstand”, “Wachstum”, “Marktwirtschaft” zählten. Im Gegensatz zum ursprünglichen Bezug auf die ganze Menschheit besorgte diese ehemalige ‘Linke’ sogar unter dem Banner einer angeblichen “Globalisierung” das gnadenlose Niederkonkurrieren anderer Nationen.

Zurück blieb eine zersplitterte irrelevante emanzipatorische Linke, welche die Ideale keiner Zugehörigkeit, keinem Amt oder Mandat und keiner angeblichen Beteiligung an sogenannter “Macht” geopfert hat. Sie ist diejenige, die “links” zu nennen noch Sinn hätte, sie vertritt aber niemanden und erscheint geradezu notwendiger Weise ohnmächtig. Der Zugang zu Ressourcen scheint zwangsläufig nach rechts zu führen, wo ohnehin die lukrativen Wege der Korruption warten. Dort empfindet man ein allzu strenges Beharren auf universale Menschenrechte längst als Radikalismus. Es geht auch mit ein bisschen Menschenrechten, die man sich ohnehin erst mal verdienen muss.

Das Beharren der – nennen wir sie ruhig so – radikalen Linken auf universale Menschenrechte wird von ihr nicht in der ganzen Tragweite erkannt. Ich kann mich an keine Diskussion erinnern, in der jemand diesen Zusammenhang hergestellt hätte: Dass aus der Perspektive der angeblich gültigen Menschenrechte sich zwangsläufig die Entscheidung ergibt zwischen deren Universalität hie und Kapitalismus dort. Dieser Grundwiderspruch der bürgerlichen Gesellschaft muss benannt werden. Es wird sich allerdings zeigen, dass er weder so einfach durchdringen wird, noch allzu wirksam ist. Während die einen für die Menschenrechte kämpfen, nutzen die anderen Diskriminierung als Waffe. Sie erhalten dafür obendrein mehr Zuspruch.

Wird fortgesetzt.