Ich hole einmal zwei – leicht bearbeitete – Kommentare hier hoch, weil ich es wichtig finde, deren Hintergrund zu klären und einigermaßen überrascht bin, wie wenig das bislang angekommen ist.

allewegeDas Vertrackte am Kapital ist der Zwang zur Expansion, Kapitalismus ist ohne diese Dynamik (von Verschuldung und Profit) nicht zu haben. Ich kann also keine Marktwirtschaft haben, die sich nicht auswirkt wie Kapitalismus. Warum ist das so? Was immer gern übersehen wird, ist dass der New Deal der Ansatz zu einem ‘humanen’ Kapitalismus war und ebenso Erhards “Soziale Marktwirtschaft”. Der Knackpunkt liegt in der Analyse von deren Scheitern und dem Aufkommen des Neoliberalismus. Das war, so sehen es die Marxianer, kein Unfall, sondern die logische Folge sinkender Profitraten bzw. eines Überschusses an Kapital, was aufs Gleiche hinausläuft. Wenn Kapital durch sinnvolle Arbeit nicht mehr vermehrt werden kann bzw. nur um einen immer geringeren Anteil, dann setzen Mechanismen ein, die auf jede erdenkliche Weise ‘künstlich’ Profit erzeugen.

Put the Pin back in

Dazu gehören nicht nur (volkswirtschaftlich schädliche) Lohnsenkungen, dazu gehört auch eine gnadenlose Konkurrenz, weil der Gewinn nur noch für wenige lukrativ sein kann; dazu gehören dann eben auch Praktiken und Geschäfte, die in anderen Zeiten zu Recht als kriminell gelten. Dazu gehört ebenso, dass durch Propaganda und Korruption Grenzen durchbrochen werden, die vor allem von staatlicher Seite das Geschäft beeinträchtigen. Das ist keine Frage eines Willens oder einer Mentalität, das ist in dieser Entwicklungsphase die letzte Möglichkeit, Profit zu machen, was ja richtig ist, denn Kapitalismus beruht einzig auf Profit. Jeder will am Ende mehr Geld haben und auf keinen Fall weniger. Jede ‘Marktwirtschaft’ ist bislang in eine solche Phase gekommen. Weil sie nicht anders kann. Steht alles schon beim Zottelbart.

Das ist der Punkt, an dem wir uns mit den Keynesisten und anderen Vertretern einer ‘marktwirtschaftlichen’ Ausrichtung nicht einigen können. Das ist auch der Punkt, an dem ich an Jens Berger nicht herankomme. Aus meiner Sicht versuchen die Jungs, kochendes Wasser auf angenehme 35° abzukühlen, lassen aber den Pott auf dem heißen Herd stehen. Nun gibt es ganz sicher Möglichkeiten, die Brühe auch unter diesen Umständen runterzukühlen, aber dabei gibt es halt zwei Probleme: Erstens wird man für solche Versuche bei vielen kein Verständnis erzielen. Den einen ist schon der Zusammenhang zwischen Herd und Hitze zu kompliziert und die anderen finden das blöde. Zweitens gibt es da die noch anderen, die wollen, dass es kocht. Das sind dann obendrein diejenigen, die mit der Knarre hinter den Köchen stehen.

Westlicher Wohlstand zwischen Staublunge und Leiharbeit

Es wird dann so getan, als sei Kapitalismus ein Segen. Er habe Wohlstand gebracht und müsse darum erhalten werden. Solche Argumente tun mir physisch weh. Kapitalismus hat nie für Wohlstand gesorgt, das ist pure Propaganda. Er hat für asymmetrische Verteilung gesorgt, die auf der einen Seite als Wohlstand empfunden wird und auf der anderen “Sklaverei” heißt. Nicht nur dass außerhalb von Europa und den USA wenig davon angekommen ist; noch die Nachkriegsgeneration ist hier an Staublunge krepiert. Die Laube und das abendliche Bier waren der “Wohlstand”, den es im Gegenzug gab. Wenn man es historisch und geographisch bemisst, gab es verdammt wenig “Wohlstand” in den Zeiten der “Marktwirtschaft”. Kriege, Faschismus und die “Dritte Welt” werden dabei ohnehin schon vollständig verdrängt.

Was davon übrig bleibt: Die Dynamik der technischen Entwicklung wurde durch die des Kapitals enorm beschleunigt. Das hat solchen Fortschritt gezeitigt. Der ist aber mehr als genug fortgeschritten; sollen wir jetzt quasi aus Dankbarkeit die letzten Ressourcen noch schneller plündern und das Kapital uns weiter in die Katastrophe führen lassen? Die Technik steht längst im Dienste der Sollbruchstelle, um höhere Umsätze zu erzeugen, mehr Material zu verpulvern und die Produktqualität immer weiter abzusenken. Der Zenit technischer Produktivität ist überschritten, wir brauchen nicht mehr und schnelleren Fortschritt, wir brauchen einen sinnvollen Einsatz der Ressourcen. Den wird es niemals geben, so lange das Spiel “Geld-Produkt-mehr Geld” heißt. Denn darin ist für Vernunft ebensowenig Platz wie für ‘Humanität’.