Politik


 
Eine der abstrusesten Konstruktionen aus dem Wahnarsenal der Nazis war die “jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung”. Ausgerechnet die als boshafte Kapitalisten verteufelten Juden sollten mit den erbitterten Feinden des Kapitalismus unter einer Decke stecken. Das ist so irre, dass man es daher schon nicht widerlegen kann. Es beinhaltet dabei die Elemente jener projektiven Verschwörungstheorien, wie sie zumeist in der paranoiden Welt der Geheimdienste ausgeheckt und von autoritären Regimes genutzt werden. Meist ist nicht so explizit von “Verschwörung” die Rede, heute wäre das auch zu entlarvend. Dass man dem Feind alles Böse unterstellt, ist natürlich Programm, und dafür kann es – jenseits aller Vernunft – auch nicht schaden, wenn man sich aller Extreme gleichzeitig bedient.

“Jüdisch” steht hier implizit natürlich auch für die “Hochfinanz”, aber eben erstrangig für die ‘Rasse’. Diese hat den Vorteil, dass man sich nicht lange mit Strategien zur Umerziehung oder Einflussnahme befassen muss. Wenn es ihnen im Blut liegt, muss das eben fließen. Die müssen weg, ob per Ausweisung, Ausgrenzung oder Vernichtung. Der “Bolschewismus”, auch als “Kommunismus” tauglich, bietet wiederum den Vorteil, dass man den auch jenen vorwerfen kann, die nicht qua Geburt und Rasse Schädlinge sind. Man könnte sich sonst der anderen Feinde ja nicht entledigen.

Zwischen Rasse und verwerflicher politischer Überzeugung kann man dann herrlich Pingpong spielen, dem Kommunisten nachweisen, dass er obendrein ein Jude ist, dem Juden, er sei Kommunist. Grundsätzlich geht das auch mit schwul, pervers, asozial, aber im handlichen Gebrauch durch die autoritäre Staatsmacht hat sich vor allem die Kombination Rasse/Kommunismus als erfolgreich erwiesen. Vor allem deshalb, ist anzunehmen, weil sie eben alle Ressourcen für ein paranoides Weltbild vorhält und gleichzeitig die Angst vor dem Fremden zu nutzen weiß.

Jüdisch-bolschewistische Verschwörung

Burks hat heute ein gutes Beispiel dafür ausgegraben: Die Versuche, Martin Luther King zum Kommunisten zu stempeln:
Wir müssen ihn jetzt, soweit wir es noch nicht getan haben, als den für die Zukunft in diesem Lande gefährlichsten Neger betrachten in bezug auf Kommunismus, den Neger und die nationale Sicherheit.
(We must mark him now, if we have not done so before, as the most dangerous Negro of the future in this Nation from the standpoint of communism, the Negro and national security.).

Hoovers FBI, das ich hier als Geheimdienst betrachte, hat jahrelang versucht, King oder den “Negern” allgemein eine Nähe zu den teuflischen Kommunisten anzudichten. Wo das nicht gelang, musste halt intensiver gesucht werden, noch wachsamer beobachtet und neueste Entwicklungen darauf überprüft werden. Das zeugt davon, dass man dort ernst meinte, was man mit einem halben Schritt Abstand schon als zwanghaft erkennt. Aber es ging ja, wie immer, um das hehre Ziel der “nationalen Sicherheit”, da kann man nicht wachsam genug sein.

Die Nähe deutscher Geheimdienste zu den Nazis, die rassistische Einstellung der ‘Sicherheitsdienste’ versteht sich, wenn man das absurde Bild eines geheim operierenden Terrors mit der Notwendigkeit zur wahnhaften Konstruktion erklärt. Terror ist das Öffentlichste, das man sich nur vorstellen kann, er soll einschüchtern, ängstigen, dafür sorgen, dass man sich ständig unsicher fühlt. Das wird man wohl kaum bewerkstelligen, wenn man jahrzehntelang nur Videobotschaften an die eigenen Getreuen schickt. Das aber ist schon mehr als die ‘Dienste’ in der Regel haben, wenn sie warnen, Alarmstufen ausrufen und damit ihrerseits den Terror ausüben, der ansonsten ein Hirngespinst ist.

Dieses Hirngespinst bedarf der fremden Macht, Betonung auf “fremd”. Fremde Sprache, fremde Rasse, fremde Religion, fremdartiges Aussehen. Am besten man versteht absolut nichts von dem ganzen Spuk, dann ist der Grusel am größten. Wenn die ‘Sicherheit’ dann ausgerechnet vom Bekanntesten und Nationalsten – dem “NSU” und seinen V-Leuten – gefährdet wird, und zwar die Sicherheit der Fremden, steht diese Welt Kopf. Das kann dort kein Mensch brauchen, dass man selbst die Gefahr ist und das Fremde das Opfer. Die Tat kann einem noch so sympathisch sein, sie muss mit allen Mitteln vertuscht werden.

Islamistisch-sozialistischer Terror

Am Ende steht das Absurde selbst: Die totale Überwachung der Bevölkerung. Dies hat selbstverständlich völlig andere Ziele, wird aber ernsthaft mit einem “Terrornetzwerk al Qaida” begründet, das in der Realität überhaupt nicht existiert. Wenn das, was sich bis heute so nannte, ein “Netzwerk ist”, dann ist alles und nichts ein Netzwerk. Ein “Netzwerk” mit einem Chef und “Managern” ist indes die Märchenstunde für den entmündigten Plebs.

Was aber wäre das “Fremde”, wenn es keine bösen Gesichter hätte und die Macht einer weltumspannenden Organisation? Jüdisch-bolschewistisch, islamistisch-sozialistisch – man wird noch erleben, dass letztere Kombination heraufbeschworen wird. Es wäre genau das, was der autoritäre Kapitalismus braucht, und ich bin eher überrascht, dass diese Option noch nicht gezogen wurde.

Schließlich sei noch hingewiesen auf das, was man vielleicht zu verbergen hat: Hoovers FBI hat versucht, Martin Luther King zum Selbstmord zu drängen, der sei sein letzter Ausweg, weil sie ihm eine Affäre nachweisen könnten und seine Frau unterrichtet hätten. Die Lehre daraus ist eben, dass es genau darum geht: Die Geheimnispolizei kann jederzeit jeden erpressen. Dazu kann und wird sie aus dem riesigen Fundus an Informationen schöpfen, diese nach Belieben auslegen und selbst welche hinzufügen. Aber wir sind ja keine Negerführer, was können sie uns schon wollen?

Ich habe heute seit einer kleinen Ewigkeit mal wieder die Tagesschau geguckt. Es war nicht ganz so schlimm wie beim letzten Mal, immerhin scheinen sich da ein paar Leute große Sorgen zu machen über den kommenden Überwachungsstaat bzw. die weltweite Überwachungsgesellschaft. Das Thema nahm erstaunlich viel Raum ein und es wurde auf “weitere Informationen” hingewiesen auf tagesschau.de. Die müsste ich mir jetzt zu Gemüte führen, um das letztendlich zu beurteilen, leider fehlt mir die Zeit dazu und die Muße sowieso.

Es wurde wie schon traditionell eigentlich kein Zusammenhang geboten, zwar – beinahe löblich – eine Zusammenfassung der Abfolge von Snowdens Enthüllungen, aber keinerlei nachvollziehbare Erklärung, was das alles bedeutet. Wie gehabt: Nach dem Wetter alles vergessen. Nun kann man einwenden, das sei eine Nachrichtensendung, die eben Nachrichten verbreitet, aber das haben sie ja auch nicht wirklich gemacht. Nun, wenn das denn relevant ist, dann wäre vielleicht der eine oder andere Hinweis auf die Auswirkungen in der Praxis und vor allem die Rechtsstaatlichkeit angebracht gewesen. Man weiß nachher nicht mehr als vorher, weder inhaltlich noch die Hintergründe betreffend.

Was weiß ich …

Es gab durchaus Informationshäppchen, die man verwerten könnte, hätte man sonst noch nichts Neues gehört, zum Beispiel dass Mailservices wie GMX, Web.de und “Telekom” “Mails sicherer machen” wollen. Das aber ist eine reine Beruhigungspille. Wie sie das machen wollen und inwiefern was da sicherer wird – dazu gar nichts. Fazit: Es gibt da so ein Problem, und das wird gerade gelöst. Wo ist der Unterschied zwischen solchem ‘Journalismus’ und einem staatlichen Dienst zur Gegenaufklärung? Sie behaupten stets von sich, sie ordneten Nachrichten ein, bewerteten sie und klärten auf. Sie haben keine Probleme damit, den albernsten Alarmismus zu pflegen, wenn es um angebliche Terrorgefahr geht. Wenn aber dem Konstrukt des Rechtsstaats der Boden unter den Füßen weggezogen wird, dann sorgen sie dafür, dass einem die Füße dabei einschlafen.

Das interessiert mich inzwischen derart nicht mehr, dass ich doch noch überrascht wurde. In irgend einem Zusammenhang, den ich brav vergessen habe, kam der Ministerpräsident von Niedersachsen zu Wort. Doch, ich erinnere mich, es ging um die Verlegung eines Stromkabels zu einem Offshore-Windpark. Der Mann ist von der SPD, ich kenne ihn nicht. Muss gleich noch mal nachsehen, wie er heißt. Man will ja nicht als uninformiert gelten.

 
oguttwapp
Er hat doch so viel für unser Land geleistet. Ja genau! Eines muss man dem Mann lassen: Er war Maximaß Popcorntüte, erstklassiger Fassadenglamour, ein gleißendes Strassjuwel am Wühltisch des politischen Modeschmucks. Der kann auch Kanzler, wartet’s nur ab!

Okay, ihr Ungläubigen, Zweckzweifler und Profipessimisten: Wenn ihr das nicht glaubt, achtet auf die geschickt besetzte Nebenrolle im Recyclingartikel, den fulminant aufgetoasteten Hamburger Olaf Scholz, die kommende Hoffnung der S-P-D! Auch schon vergessen? Der war für die Absolute Mehrheit im Senat gut und gilt als alternativlose Alternative zum Berufswahlversager Peer Steinbrück (Noch nie gewählt, doch stets berufen). Glaubt ihr auch nicht? Wir sprechen uns in vier Jahren.


Bald wählen wir wieder unseren Bundestag. Der Bundestag wählt dann eine Kanzlerin, und die bildet eine Regierung. Der Bundestag verabschiedet Gesetze, die die Regierung eingekauft hat.
Nicht nur die Bertelsmann-Stiftung schreibt ganze Gesetze, die ein willfähriger Minister dann enem ebensolchen Parlament zum Abnicken vorlegt. Immer öfter sind es Anwaltskanzleien, die die Texte ausarbeiten, auf deren Basis wir dann regiert und behördlich verwaltet werden.

Die Supernova am Regierungshimmel, der allseits feinentstaubte und glatt gewienerte Bundesallerleiminister zu Guttenberg, hat in dieser Tradition einen Gesetzentwurf abschreiben lassen, der zwar denkwürdig überflüssig ist, immerhin aber die Jura-Wirtschaft ankurbelt. Hätte der Mann ein bisschen mehr drauf als wirre Reden und sein Talent für virtuoses Fettnäpchen-Twister, würde er vielleicht eine Abwrackprämie für Staatssekretäre und sonstige Ministerialbürokraten einrichten. Würde ihn auch nur der Hauch einer Ahnung sanft umwehen, wofür er zuständig ist und wofür nicht, er könnte endlich seine Arbeit aufnehmen.

Der “KaTe” setzt aber andere Prioritäten, meist an der Frage orientiert, was ihm die meisten Sendeminuten in der Tagesschau einbringt. Mal sehen, ob er noch rechtzeitig als Verschwender von Steuergeldern von sich reden macht oder gar als Vetternwirtschaftsminister. Schlimm genug, dass Gesetze von Jura-Firmen und Interessensverbänden gemacht werden. Guttenberg kann es aber noch dümmer: Er ist gar nicht zuständig für solche Gesetzentwürfe, und der Inhalt seines großen Wurfs ist nicht nur alt, sondern auch bereits als unerwünscht abgelehnt worden. Von der eigenen Fraktion.

p.s.: Der ursprüngliche Artikel ist aus August 2009. Der Hinweis, dass er den Gesetzentwurf hat “abschreiben lassen“, war noch nicht beeinflusst von seiner entscheidenden Plagiatsarbeit, die erst im Februar 2011 als solche bekannt wurde.

 
Wie ein Wackeldackel habe ich heute den bemerkenswerten Artikel von Claudius Seidl in der FAZ gelesen. Es macht keinen Spaß mehr. Es ist unerträglich, und die Konservativen oder die sich in ihrem medialen Umfeld tummeln, dürfen das auch so feststellen. Warum das so ist, dass eher die Konservativen die ganze Veranstaltung abledern, die sich “Politik” schimpft und schon lange das Niveau von Provinztheater nicht mehr erreicht, darüber kann man spekulieren. Vielleicht, weil sie noch ins Theater gehen. Vielleicht auch, weil sie mit zweckfreier Bildung befleckt sind und aus der Ruhe eines Elternhauses sprechen, das noch den Unterschied kennt zwischen Lernen und Streben. Die wissen, dass Ehrgeiz die letzte Zuflucht der Versager ist.

Nicht zufällig steht mit Gerhard Schröder symbolhaft einer für den Niedergang der politischen Klasse, der als Emporkömmling abhob und als Büttel der Reichen und Mächtigen landete. Mit ihm kam passend zur Endphase des Kapitalismus eine Horde niveaufreier Lügner ans Ruder, die sprichwörtlich verkaufte, wofür sie einst stand, und zwar alles. Die Grünen Pazifisten und Ökos wurden zu Kumpanen der Stromwirtschaft und Bellizisten im Club der Atlantiker. Die “Sozen” wurden zu Genossen der Bosse, Finanzmarktschreiern und Feinden der Unterschicht, die sich für ihre Karrieren krummgebuckelt hatte. Nicht nötig zu bemerken, dass ihre Wahlversprechen sich allesamt als groteske Lügen entpuppten.

Das schwarze Loch

Dann kam Merkel, das schwarze Loch. In ihr verschwanden alle Konkurrenten, durch Nichtstun, Nichtssagen und das AAL-Prinzip: Andere arbeiten lassen, wobei die “Arbeit” in erfolgreichen Intrigen bestand. Was da noch steht, kann gar nichts mehr, nicht einmal reden, lügen oder verwalten. “Meinungsfreiheit” besteht darin, dass sie keine mehr haben. Doof lächeln und “gemeinsame Lösungen” finden lassen muss reichen. Die “Lösungen” geben die mystischen Märkte vor, zum Ausdruck kommen sie bei Springers und in den Vorständen von (Medien-)Konzernen. Es herrscht Einigkeit, dass alles kommen muss, wie es kommt. Niemand erwartet inzwischen noch, dass von diesen Dilettanten auch nur die Gefahr einer Idee ausgeht.

Prototypisch für dieses Fiasko stehen die wichtigsten Minister, nehmen wir mal die für Verteidigung und Inneres. Was da zuletzt von der Resterampe gekullert ist, lässt bestenfalls noch Worthülsen ab, verfällt aber gerade dann in beredtes Schweigen, wenn man gefälligst etwas zu hören wünscht. Ein Thomas de Maizière verbockt alles, was er anfasst, flieht vor seinen Skandalen stets nach oben und hat noch nie in seiner Karriere irgendeine Entscheidung getroffen, die man bei Anwendung selbst des bescheidensten Verstandes noch nachvollziehen könnte.

Was soll das?

Hans-Peter Friedrich war mir jahrelang durch seine intellektuell und rhetorisch anorektischen Vorträge aufgefallen, ehe er als Quotenbazi den Einheizer geben sollte. Man erinnere sich an echte Scharfmacher im Ressort, von Kanther über Schily bis Schäuble. Die waren zwar widerlich, aber in dieser Kompetenz wenigstens überzeugend. Über Friedrich dürfen inzwischen sogar die Praktikanten befreundeter Verlagshäuser ihre Possen reißen.

Von der Etappe möchte ich ebenso schweigen wie von der Nützlingstruppe FDP, der es nicht einmal gelingt, einen brauchbaren Karnevalspräsidenten in ihren Vorstand zu wählen, der wenigstens seine Zoten noch glaubhaft, verständlich oder unfallfrei in ein Mikrophon aufsagen kann. Wie soll so eine Gurkentruppe noch von den unendlichen Weiten ihrer Korruptionsbereitschaft ablenken? Was soll das? Man muss ja befürchten, dass am Ausgang des Wahllokals eine feixende Menge noch nicht final Verblödeter mit Fingern auf einen zeigt, weil man so bescheuert ist, am Urnengrab des Respekts vor den Bürgern seine Zustimmung zu diesem Meuchelmord zu dokumentieren.

Ich stelle fest, dass ich diesem Treiben längst selbst völlig entrückt bin. Dazu habe ich nichts mehr zu sagen, meinen die für Politik zuständigen Synapsen meines geschundenen Hirns. Vielleicht sollte ich von den Konservativen lernen, dass ab und an der Zorn über die organisierte Geringschätzung der Menschen nach Ausdruck verlangt. Bitteschön!

 
Im real existierenden Nichtkapitalismus, aka den Staaten des Warschauer Vertrages, gab es mit der Bezeichnung “Konterrevolutionär” ein klares Feindbild für den braven staatssozialistischen Genossen. Das war nicht immer praktisch, denn das Spektrum dessen, was darunter gefasst werden konnte, war beinahe beliebig erweiterbar. Immerhin hatte man für den offiziellen Sozialismus zu sein, und wer dagegen war oder so erschien, hatte es schwer.

Mit der Zeit verblasste der Vorwurf auch, denn man hatte sich eben daran gewöhnt, dass das ziemlicher Quatsch war. Es gab keine Säuberungen mehr, in Polen war es ausgerechnet die Arbeiterschaft, die sich konterrevolutionär gebärdete, in der Sowjetunion gab es ein großes Experiment, das andere Sorgen machte und in Ungarn sind sie gar fröhlich durch den Vorhang geschlüpft.

Ruhig bleiben

Der Freie Westen® hatte dergleichen nicht nötig, war doch hier alles gut und freiwillig®. Das Feindbild waren die Bösen von drüben, bei denen eben alle gezwungen wurden. Kaum aber hatte sich der Eiserne Vorhang ganz gehoben, kaum war das abstrakte Feindbild des ‘Kommunismus’ ein Gespenst der Vergangenheit, kaum war die militärische Bedrohung perdu, da wurde hier aufgerüstet. Der Feind war nicht mehr der Kommunist im Osten, es drohte nicht mehr der Weltkrieg. Der Feind ist der Terrorist® überall, und wir traten in einen zeitlich und räumlich unbegrenzten Krieg ein.

Derweil wurde uns gesagt, dass wir uns ruhig zu verhalten haben. Den Autoritären vertrauen. Außerdem haben wir uns so zu verhalten, dass sie uns vertrauen® können. Die Autoritäten. Und ganz nebenbei natürlich die Märkte®. Ruhig bleiben, bloß kein Geld abheben. In die Zukunft vertrauen, investieren. Riesterrente, Lebensversicherung private Altersvorsorge®. Wir müssen den Märkten® vertrauen, damit die Märkte® uns vertrauen®.

Sicherheit geht vor

Wir müssen fleißig sein und bescheiden, die Märkte® brauchen das. Wer faul ist, den können wir nicht mehr tragen. Das geben die Märkte® nicht her. Sie geben auch nicht her, dass die Faulen noch hierher kommen. Sie müssen gehen. Die Ausländer, die wir nicht brauchen können, müssen gehen, sonst müssen wir sie verhaften. Wir sagen das ganz offen.

Derweil ist die neue Bedrohung® allgegenwärtig. Ein Verräter hilft den Terroristen, aber weil wir der Freie Westen sind, droht ihm keine Todesstrafe. Ein wenig werden wir die Freiheit® trotzdem den Gegebenheiten anpassen müssen. Sicherheit® ist das Supergrundrecht®, dem sich alles andere unterordnen muss. Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit®.

Sicherheit und Vertrauen®, das brauchen auch die Märkte®, für die wir fit sein müssen. Daher gibt es jetzt Wohnanlagen® für das Training von Langzeitarbeitslosen und anderen Behinderten. Hier werden diejenigen auf nützliche Tätigkeiten vorbereitet, die sonst unnütz® wären. Die Lage ist kompliziert, wir brauchen eine Vielzahl ganz unterschiedlicher vertrauensbildender Maßnahmen®. Wir sind der Freie Westen®, bei uns gibt es keine Konterrevolutionäre. Alles, was wir tun, tun wir für das große Ganze®. Für unsere Freiheit®.

 
snow

Im Schmierentheater Demokratie und Marktwirtschaft® gibt es nichts, was man für Geld nicht kaufen kann, wenn man über genug davon verfügt. Was Snowden da enthüllt hat, ist kein Skandal mehr, es ist schlicht die Offenbarung einer lupenreinen Oligarchie. Die Staatsapparate dienen dem Kapital und sind ihrerseits durch die Zuteilung von Geldern völlig abhängig von den Interessen derer, die sie mit den entsprechenden Mitteln ausstatten oder eben nicht.

Ein weiterer Schlag Sahne auf den üppigen Becher ist die Enthüllung, dass die US-Regierung den britischen Geheimdienst finanziert. Was hat das noch mit Unabhängigkeit zu tun? Was hat das mit Rechtsstaatlichkeit zu tun, mit Demokratie, mit irgendeiner Form nennenswerter Kontrolle der ohnehin antidemokratischen Einrichtung von “Geheimdiensten”? Richtig: Gar nichts. Es ist wie bereits kürzlich in einem anderen Kontext dargelegt, noch die Abschaffung des Parlamentarismus, der seinerseits schon nur eine Ersatzdemokratie war.

Da wählt sich ein Wahlvolk ein Parlament, das sich eine Regierung wählt, die wiederum um ein Budget streiten, den Staatshaushalt, was die wichtigste parlamentarische Tätigkeit darstellt neben der allgemeinen Gesetzgebung. Wir kennen das aus den hiesigen Haushaltsdebatten, dem Höhepunkt des Jahres im Bundestag. Dann geht einfach eine Behörde hin und lässt sich mit hunderten Millionen Euro von einem anderen Staat finanzieren. Nicht irgendeine Behörde, sondern ein wildgewordener (Staats-)Sicherheitsdienst, der sich derart kaufen lässt und liefert, was bestellt wurde.

Feind im eigenen Haus

Im Hintergrund wurden Milliarden für internationale Banken und reiche Anleger aus den Staatshaushalten abgezogen, hernach Europa regulär totgespart, alles bis hin zur Wasserversorgung verkauft, um die Schulden nie mehr tilgen zu können, die Haushalte ruiniert, und dann gibt es endlos Geld für endlose Überwachung. Die Betreiber sind längst keine einzelnen Staaten mehr, sondern eine international operierende Mafia, die glaubt, das einmal eingerichtete Gewaltmonopol könne sie nach belieben für ihre Zwecke einsetzen.

Was den Kern selbst der Ersatzdemokratie hat verrotten lassen, ist dabei das, was die “Dienste” als “geheime” Rechte für sich beanspruchen. Natürlich ist es ihnen nicht recht, dass sie aufflogen, aber damit ist nur die Oberfläche angekratzt. Natürlich müssen sie Whistleblower verfolgen, einknasten, foltern und ermorden. Damit aber erreichen sie nichts, was sie nicht längst erreicht haben: Sie sind nicht geheim, aber sie sind unkontrollierbar.

Das ist ihr Sinn und Zweck: nicht dass sie geheim sind, sondern dass sie geheim sein dürfen. Dass sie effektiv niemandem Rechenschaft ablegen. Diese Zellen der Machtübernahme müssen zerstört werden, und jeder Staat, den sie angegriffen haben, hat das Recht dazu. Eine Demokratie, und sei es nur die aus parlamentarischem Ersatzstoff, muss diese feindliche Macht ersatzlos abschaffen. “Geheimdienste” leisten sich nämlich nur Diktaturen und ähnliche Unrechtsregime. Diese Experten, zumal hierzulande, waren schon immer dieser Gesinnung und 100% inkompatibel mit allem, was sich noch mühsam als Demokratie oder Rechtsstaat verkaufen lässt.

 
Nicht erst das scheinbare Desinteresse bezüglich der Totalberwachung oder die absurden Umfragewerte für Merkel (angeblich 2/3 Zustimmung) und ihre Regierung (angeblich 2/3 Ablehnung) machen deutlich, dass der wichtigste Teil der Demokratisierung in Deutschland nie stattgefunden hat. Das Volk, die Bürger, interessieren sich eigentlich nicht für Politik. Sie ordnen sich lieber Führern unter. Nie hätten sie den Anspruch, dass die Politik, der Staat, die Regierung, die Abgeordneten sich vor ihnen rechtfertigen. Ganz im Gegenteil ist eine mindestens latente Untertanenmentalität nach wie vor weit verbreitet. Demnach hätte sich jederzeit der Bürger vor der Obrigkeit zu verantworten, diese aber nicht vor dem Bürger. Das ist die elementare Verkehrung der demokratischen Gesellschaft zum autoritären Staat.

Die Deutschen haben nie auch nur ansatzweise die Fähigkeit entwickelt, sich um ihre eigene Gesellschaft zu kümmern, sie sind nie Demokraten geworden, egal ob im staatssozialistischen Osten oder im kapitalistischen Westen. In letzterem haben sie sich mit einer vorläufigen monetären Beteiligung abspeisen lassen. Vom Wirtschaftswachstum floss ein wenig in die Haushaltskassen, das genügte soweit. Dafür durfte man zwischen zwei bis drei Parteien auswählen, die das Ganze organisierten. Im Osten gingen sie 1989 auf die Straße, um ihr verkalktes Regime gegen D-Mark und Konsumanschluss einzutauschen. Die große Mehrheit der Ossis hat sich mit demselben doofen Trick einlullen lassen wie zuvor die Wessis.

Teilhabe ist Konsum

In anderen Staaten sah und sieht es nicht viel besser aus. Fast überall, wo bis in die 80er Jahre vielleicht noch eine rege Streit- und Streikkultur herrschte (z.B. Großbritannien), hat sich der ‘Konsens’ durchgesetzt, was nichts anderes ist als das zumeist von korrumpierten Sozialdemokraten durchgesetzte Interesse des Kapitals. Dieses kann spätestens in der ‘Krise’ sowieso am besten mit Diktatoren, was es inzwischen auch freimütig sagt:

Jedoch wurde mit zunehmender Entfaltung der Krise offensichtlich, dass es in der Peripherie (i.e. den europäischen Krisenländern) tief verwurzelte Probleme gibt, die aus unserer Sicht abgeschafft gehören [...] Die politischen System der Peripherie wurden in einer Zeit beendigter Diktaturen etabliert und waren von dieser Erfahrung (der diktatorischen Regimes) definiert. [...] Politische Systeme in der Peripherie tragen typischerweise die folgenden Merkmale: schwache Führungskräfte; schwache Zentralregierungen im Verhältnis zu den Regionen; verfassungsmäßig geschützte Arbeitsrechte; auf Konsens gestützte Systeme, die politischen Klientilismus begünstigen; sowie das Recht auf Protest, falls am politischen Status quo unwillkommene Veränderungen vorgenommen werden.” (J.P. Morgan)
Es wird aber auch noch deutlicher, ganz anschaulich und am Beispiel:

Die Ägypter hätten Glück, wenn ihre neuen herrschenden Generäle sich als aus demselben Holz geschnitzte Führungsfiguren erweisen würden wie Chiles Augusto Pinochet, der seinerzeit inmitten von Chaos die Macht übernahm und Reformkräfte anheuerte, die dem freien Markt verpflichtet waren, und so zum Geburtshelfer eines Überganges zur Demokratie wurde“.
(Wall Street Journal)

Kapital und Diktatur

Das ist zwar immer noch dämlichster Zwiesprech der Sorte “Diktatur ist Demokratie”, aber es beinhaltet immerhin ein deutliches Bekenntnis zum Faschismus. Woher soll also der Widerstand gegen die notwendigen autoritären Maßnahmen des kapitalistischen Staates kommen? Die depperte Behauptung, “Marktwirtschaft” sei quasi an sich “demokratisch”, wird gerade ersichtlich nach Strich und Faden widerlegt, ist aber nach wie vor gängige Erzählung. Die Massen sind darauf trainiert, statt jeglicher Beteiligung an Politik lieber Geld zu fordern und lassen sich obendrein noch mit immer weniger abspeisen. Der Zugang zu politischer Macht ist derweil für jegliche Alternativen versperrt, weil alle Ressourcen in der Hand von Anhängern der sog. “Marktwirtschaft” liegen.

Es stellt sich daher die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf Emanzipation zu hoffen, zu setzen, hinzuarbeiten oder ob es nicht besser wäre, den Pöbel zu führen. Man muss in diesen Tagen schon gesotten linksradikal sein, um dieser Versuchung nicht zu erliegen.

Es ist aber auch Licht am Ende des Tunnels: Wo die großen Themen, sobald es ein wenig abstrakter oder gar global wird, auf Lethargie treffen, ist das Handfeste, Regionale durchaus zu Besserem tauglich, das zeigt mustergültig etwa der Rumble um “Stuttgart21″. Deshalb sind den Freunden des Kapitaldiktats auch ausdrücklich “schwache Zentralregierungen im Verhältnis zu den Regionen” ein Dorn im Auge. Wenn die Demokratie eine Chance haben soll, ist diese Baustelle vermutlich die wichtigste: Wie schaffen wir es, überregional vernetzt Konzepte und Theorien zu entwickeln, die dann regional umgesetzt werden? Das kann der Schlüssel sein.

 
deaddog

Ich halte mein Wort. Eure nächste Chance: Anfang September in Berlin bei “Freiheit statt Angst”. Wenn eine “Demo” zwanzig Minuten vor Beginn so aussieht und wenn es dann regnet, sieht sie so aus; wenn zu Beginn dann ein paar Männekes (und dann auch noch welche mit den Fahnen von den “Grünen” Verrätern) aus dem Busch krabbeln und das hier der komplette Demo-Zug ist, dann habt ihr nicht verstanden, was ich meinte, als ich “hingehen” sagte. Was ich als nächstes erschießen werde, weiß ich noch nicht, aber es wird noch süßer sein, und ihr seid schuld!

Großartig übrigens die Argumentation eines Polizisten: Als der Marsch sich verzögerte, weil ein Generator nicht ansprang, drängte er zur Eile, weil die Straßen freigehalten werden mussten. Er habe die Interessen vieler Tausend (Verkehrsteilnehmer) ebenso zu berücksichtigen wie die der vielleicht zweihundert Demonstranten.

Man kommt nicht mehr nach

Update: Mir ist übrigens noch aufgefallen, dass einige zentrale Begrifflichkeiten und Abkürzungen des ganzen Überwachungsterrors bei weitem nicht allen bekannt sind – wohlgemerkt denen, die immerhin wissen, dass sie überwacht werden und das gar nicht komisch finden. Selbst ich hatte nicht auf Anhieb parat, was “BDA” bedeutet, nämlich “Bestandsdatenauskunft“; früher bekannt als “Vorratsdatenspeicherung”. Das ist zwar nicht ganz dasselbe, läuft aber eben darauf hinaus, dass verdachtsunabhängig Daten gesammelt werden, die dann abgegriffen werden können.

Selbst “Prism” und vor allem “Tempora” sind oft nicht bekannt. Dass Prism das US-Programm zur Totalüberwachung ist, wissen noch die meisten. Die Betreiberin ist die NSA (National Security Agency), der fleißigste Geheimdienst neben der CIA. “Tempora” ist das britische Programm, das auf dasselbe hinausläuft, unter der Kontrolle des GCHQ (Government Communications Headquarters). Ein echter Neusprech: “Regierungshauptquartier für Kommunikation” ist kurz vor “Minilieb”.

Manischer Neusprech

Ein ähnlicher Wortmüll ist “Indect“, ein Programm zur Überwachung draußen auf der Straße, mindestens so übel, allerdings eher zu bemerken. Verkauft wird dieser Marsch in den Faschismus als “smart” und “effizent”.

Aus allen Rohren werden also ständig neue Gruselmaßnahmen entworfen, vorgeschlagen, umgesetzt und durchgeführt. So viele, dass man sie sich kaum mehr merken kann. Wir sollten uns also entweder wirklich einprägen, was die Programme im einzelnen bedeuten oder zumindest das Gesamtpaket als Szenario parat haben, wenn jemand fragt. Wenn einer dann noch wissen will, was genauer dahintersteckt, verweist ihn auf diesen Artikel oder bessere, die sich sicher auch noch finden lassen. Hinweise dazu gern in den Kommentaren.

 
Soso. Sie haben also noch nie ihren Partner betrogen, der Mutter etwas anderes erzählt als dem Vater, überhaupt je gelogen, geheime sexuelle Vorlieben, in der Vergangenheit peinlichen Unfug getrieben, etwas gestohlen, Fahrerflucht begangen, bei einer Prüfung geschummelt, die Versicherung betrogen, die Steuererklärung frisiert, schwarz gearbeitet, blau gemacht, jemanden angeschwärzt, einen dummen Streich gespielt, jemanden verleumdet, über Ihren Chef getratscht, die Zeche geprellt, etwas kaputtgemacht ohne sich zu melden …

Es ist Ihnen egal, was man von Ihnen weiß: Mit wem sie Kontakt haben, wie lange, wie oft, Ihre Schuh- und Kleidergröße, Aufenthaltsorte, Kontostand, Einkommen, Einkäufe, Vorlieben und Abneigungen jedweder Art, politische Einstellungen, Empfindlichkeiten, Ängste, Stärken und Schwächen, wem Sie sich anvertrauen und was, wen sie mögen und wen nicht, wie Sie zu wem stehen und was sie dazu öffentlich behaupten, Ihre gesundheitlichen Probleme, Medikamente, Alkohol- und Drogenkonsum, religiöse Einstellung, Ihr Gewaltpotential, Ihre Meinung, Ihr Sportverein, Freizeitinteressen, Lieblingsbücher- und Filme, Hobbys …

Das Ende der Unschuld

Sie lügen nie? Und wenn Sie es wollten, weil Ihnen jemand Fragen stellt, könnten Sie dann noch, zumal der mehr von Ihnen weiß als Sie selbst? Sind Sie sicher, dass die Menschen, mit denen Sie Kontakt haben – Freunde, Kollegen, Bekannte, Begegnungen – dass Sie die alle nicht verbergen wollen, wenn jemand danach fragt? Haben die auch alle nichts zu verbergen? Sind Sie wirklich sicher?

Das ist der entscheidende Punkt, liebe Schläfer: Sie haben reichlich zu verbergen, machen sich und anderen aber vor, Sie hätten nichts zu verbergen. So kann man das machen in einem Rechtsstaat, und das ist gut für Sie. Sie werden aber schon bald bemerken, dass sie anfangen, sich sehr wohl zu verbergen. Weil sie wissen, dass das nötig ist. Weil Sie die sehr berechtigte Angst haben, dass man Informationen über Sie sammelt und Ihnen nichts glauben wird,was nicht ins Bild dieser Informationen passt. So ist das nämlich nämlich in einem Überwachungsstaat.

Mehr Stoff zum Thema und ein 5-Minuten-Video, das manchen die Augen öffnen kann, gibt es hier.

 
Samstag, bei Euch um die Ecke. Hingehen, sonst erschieße ich diesen Hund.

bmhnd

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