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2012


 
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Der sogenannte “Friedensnobelpreis” entwickelt sich zu einer neuen Kunstform des Abgesangs. Den Preisträgern wird eine Art “Hätte schön werden können” hinterhergeworfen, die Auszeichnung sollte als Kranz abgelegt werden am Grab der ungenutzten Möglichkeiten und gebrochenen Versprechen. Als Maxime der Veranstaltung schlage ich vor: “Friede ist unsere Waffe. Krieg ist alternativlos. Wir sind die Guten.”.

Spätestens seit 1973 braucht man zwei paar Handschuhe, um diesen Preis anzunehmen. Damals wurde der Protagonist des Vietnamkriegs Henry Kissinger für das Massenschlachten in Vietnam geehrt, nachdem es beendet worden war. Die Kommission kam zu der Entscheidung möglicherweise während der erfolgreichen Vorbereitung des Pinochet-Putsches in Chile, an der Kissinger mutmaßlich beteiligt war. Seitdem muss man sich fragen, ob das ein Witz sein soll, ein zynischer Kommentar zum Weltgeschehen.

Mit der vorzeitig herausgespritzten Ehrung des ersten “Commander in Chief” Barak Obama mauserte sich die Veranstaltung zu einem Fanal der Hoffnungslosigkeit. Vielleicht sitzen dort Visionäre, die wissen, wann es am schönsten ist und nur noch schlimmer wird. Obama wurde für Versprechen belohnt, die er nicht einhielt. Immerhin hat er sich nicht geschämt, den Preis anzunehmen, den auch ein unter Druck zurückgetretener Rassist wie Frederik Willem de Klerk bekommen hatte. Als erster schwarzer Präsident muss man sich mit den Herrenmenschen auf Augenhöhe bewegen, ja sicher.

Es war so schön …

Nun also die EU, in einer Phase des rasanten Abbaus von demokratischen Rechten, der Verarmung ganzer Völker inmitten obszönen Reichtums und dem Aufflammen bürgerkriegsähnlicher Zustände. Europa war ein recht friedlicher Kontinent, lasst uns das feiern, ehe die Ausgangssperren verhängt werden oder die Innenstädte gesperrt werden, sobald ein namhafter Politiker unterwegs ist. Noch ist es schlimmer in vielen Ländern Afrikas oder zum Beispiel in Mexiko. Doch, es war schön hier. Preiswürdig schön.

Selbstverständlich ist diese Äußerung wieder so eine Meinung von einer Kreatur aus der Gosse bzw. einer “schrägen Figur vom rechten oder linken Rand“, wie der Lohnschreiber Christian Rickens für das Stürmergeschütz der Demokratie schreibt. Es ist längst keine Begleiterscheinung mehr, sondern eine tragende Säule der Verrohung, dass Artikel aus den politischen Redaktionen zum publizistischen Mobbing verkommen sind.

Mit der Macht eines großen Verlags wird den Lesern ganz deutlich gesagt, was sie nicht denken dürfen, wenn sie noch dazugehören wollen. Es ergeht ein Verbot der Kritik bei Androhung des Ausschlusses aus der Gesellschaft. Der letzte Akt der Toleranz besteht in der Formulierung “schräge Figur vom Rand”. Das ist doch allemal demokratischer als “Ratten und Schmeißfliegen”. Danke dafür!

Deutschland ist kinderlos, übergewichtig
und dem Alkohol zugeneigt.

Kinder habe ich, Übergewicht keins. Prost!

brdgrausb
In der Diskussion um alternative Gesellschaftsformen lässt sich ein Dilemma erkennen, das die ohnehin gespaltene Linke um eine weitere Variante der scheinbaren Unversöhnlichkeit bereichert. Die traditionell internationalistische politische Haltung sieht sich nämlich einer starken Tendenz zur Regionalisierung in jüngeren Strömungen gegenüber. Das muss nicht unbedingt ein Widerspruch sein, es zeigt aber, dass die Linke flexibel sein muss. Diese Flexibilität nenne ich “liberal”, weil sie auf ein Maximum an Freiheit setzt statt auf eine Zentrale, die stets die ideologische Korrektheit überprüft.

Letzteres ist einigen Linken ein Anliegen, in deren Köpfen noch immer die Vorstelllug spukt, man müsse eine mögliche “Konterrevolution” in Schach halten. Dieser reaktionäre Ansatz gegen eine oft nur vermeintliche Reaktion mündet zwangsläufig in Paranoia und Stalinismus. Daran ist der “real Existierende” gescheitert und alle Verteufelungen des Sozialismus oder Kommunismus beruhen letztlich auf dieser historischen Idiotie. Ein selbstbewusster Sozialismus müsste sich nicht gegen böse äußere Einflüsse wehren, schon gar nicht präventiv. Er wäre einfach das bessere Angebot und setzte sich sogar in ‘marktwirtschaftlichen’ Kategorien gegen den Kapitalismus durch. Das gilt umso mehr in einer Entwicklungsstufe, die bereits eine hohe Produktivität erreicht hat. Das mag 1917-1989 noch gravierend anders gewesen sein, inzwischen muss man das nicht mehr diskutieren.

Homo Homini

Aber zum Kern der Sache: Die “internationale Solidarität” prägt die Geschichte der Linken, eine frühe Globalisierung, die im Kopf passiert. Ein universelles Menschenbild nämlich ist notwendige Grundlage für Menschenrechte, die mehr sind als ein Lippenbekenntnis. Alle Menschen sollen gleiche Rechte haben. Das unterscheidet die Linke fundamental von der Rechten und sonstigen Spielarten von Rassismus und Diskriminierung. Dieser Respekt der Menschen vor den Menschen ist nicht verhandelbar, insofern bleibt die Linke internationalistisch.

Die Gestaltung einer verfassten Gesellschaft, eines Staates, betrifft das zunächst nur am Rande. Wenn man etwas als richtig erkannt hat, ist das auch für die Linke richtig. Steht dem die Vorstellung dessen, was “links” sei, im Wege, muss die Vorstellung korrigiert werden. Oder man hört eben auf, “links” sein zu wollen. Man kann aber die Erkenntnis nicht der Idee opfern, sonst endet man in Dogmatismus, und dann ist es egal, ob das noch ein rechter, ein linker, ein sozialistischer oder ein kapitalistischer ist.

Die Erkenntnis, um die es hier geht, ist die, dass die Beteiligung der Menschen an den Entscheidungsprozessen sowohl für Demokratie als auch für eine alternative Arbeitsorganisation unerlässlich ist. Diese Beteiligung wiederum lässt sich nicht zentralistisch und durch abstrakte Stellvertretung wie in der aktuellen parlamentarischen Demokratie herstellen. Dieses Defizit ist und war überall zu erkennen, sowohl im autoritären und zentralistischen Sowjetimperium als auch in den kapitalistischen Staaten, die inzwischen zur neoliberalen Einheitsfront verschweißt sind. Dagegen kann eine Regionalisierung der Entscheidungen durchaus helfen. Wenn aber die Regionen und Kommunen selbst darüber entscheiden, was und wie sie produzieren, muss überregional eine Solidarität mit den Regionen organisiert werden, die dabei zu kurz kommen.

Das Imperium zerbricht

Das ist das Gegenteil dessen, was derzeit in Europa geschieht. Global operierende Konzerne und ihre Eigentümer zwingen die Politik zur zentralen Monokultur, die auf kurzem Wege dem Kapital dienbar ist. Dabei gehen ganze Regionen zugrunde, denen man nur so viel ‘Solidarität’ zukommen lässt, dass sie noch beherrschbar bleiben. Als Sicherheitsrisiko werden die dort lebenden Menschen ohnehin wahrgenommen, darauf wird mit innerer Aufrüstung reagiert. Das Regime ist global totalitär, die ‘Freiheit’ darin besteht in der “Verantwortung”, nicht aus dem System auszuscheren. Die mitmachen, werden belohnt. Wohlgemerkt: Einzelne und Gruppen, die sich wiederum gegen jede echte Opposition wenden. Wo das Volk sich gegen das System wendet, weil es kein Auskommen mehr hat, müssen entsprechend jene ‘Eliten’ gestärkt werden, die dennoch für Ordnung sorgen. Scheitert auch das, hilft nur noch militärische Intervention.

Das Bild ähnelt immer stärker dem Niedergang des Sowjetimperiums, und es ist höchste Zeit, dass wenigstens die Linke endlich daraus lernt. Die alte Maxime “global denken, lokal Handeln” bedeutet, den Menschen auch dann als Mitmenschen zu erkennen, wenn er sprichwörtlich am anderen Ende der Welt unterwegs ist, ihn nicht zu vergessen und ihn in der Not nicht allein zu lassen. Es bedeutet darüber hinaus aber, die Menschen zu ermutigen, für sich selbst zu entscheiden und sich da zusammen zu tun, wo sie gemeinsam handeln müssen: Im Betrieb, im Dorf, in der Stadt. Da darf dann auch kein Kommissar reinreden, der am besten weiß, was ein guter Sozialist ist. Und schon gar kein Manager, der weiß, wie die Shareholder am besten ihre beanspruchte Rendite einfahren.

Und wenn da draußen welche meinen, sie müssten weiterhin ihre kapitalistischen Experimente in immer schnelleren Rhythmen vor die Wand fahren, muss man sie wohl oder übel auch machen lassen. Man kann andere nichts lernen. Selbst das Lehren hat ja kaum funktioniert.

Die Kanzlerin der europäischen Einheit kommt nach Athen. Zur Sicherheit der Usurpatorin wird in der Hauptstadt ganz selbstverständlich ein Versammlungsverbot erlassen. Immer mehr Herrscher der freien® demokratischen® Welt lassen das Volk aussperren, ihm befehlen, sich von den Fenstern fernzuhalten und die Gullydeckel festschweißen. Von überall könnte das Volk, Urbrut alles Undemokratischen, Zelle des Terrors, über die gewählten Hüter von Wachstum und Wohlstand® kommen. Angepeitscht vom Neid und aufgestachelt von Extremisten wollen sie unser schönes geeintes Europa zerstören. Wir aber sind wachsam. Ein herzlicher Dank an unsere treuen Freunde im eurasischen Hinterland, die das politische Genie mit Freuden und in Demut empfangen!

 
Die Meldung des Tages, die emsig per copy & paste verbreitet wird, um als “Leistung” geschützt zu werden, ist Schäubles angekündigte Singapurreise. Knapp dahinter folgt die atemberaubend dämliche Meldung, “Europa” plane eine “dritte industrielle Revolution.”

dogma

Dass Schäuble jemanden “verfolgen” will, kann man ja mit einem gewissen Zynismus durchgehen lassen. Was einen inzwischen nur mehr dumpfen Kopfschmerz verursacht, ist die routinierte Wortwahl. Kleiden wir die semantische Tretmine ins Gewand einer Umfrage, die wir uns durchaus wörtlich so vorstellen dürfen:
Was finden Sie schlimmer?
- Steuersünder, die vor der Enteignung fliehen
oder
- Sozialschmarotzer, die sich als Hartz IV-Betrüger leistungslosen Wohlstand erschleichen?

Schäuble, so heißt es nämlich. wolle “Steuersünder bis Singapur verfolgen“. Wo ist bitte der Punkt, an der Steuerhinterzieher, die sich einer schweren Form des Betrugs schuldig machen, auch so genannt werden? Wenn schon ein Finanzminister, der sich intensiv um die Amnestierung von Steuerbetrügern bemüht hat und die Mittel der Fahnder gern beschränken möchte, von denen spricht, die er dann noch dingfest machen will, dann sind das sicher keine armen Sünderlein, sondern die kriminellsten Steuerbetrüger, die frei herumlaufen. Ich weiß, das ist hoffnungslos, aber ich mag den Lohnschreibern ihren Neusprech immer noch nicht unwidersprochen durchgehen lassen.

Vergangenheit ist Zukunft

Eine Intelligenzleistung der besonderen Art ist aber die Meldung des Wirtschaftsboulevards von “Welt” bis “Spiegel”. Chat Atkins merkt bereits an, dass “geplante Revolutionen” ein merkwürdig Dingen sind, dem ich hinzufüge, dass eine solche, die zentralistisch und von oben geplant ist, sicher die besten Aussichten hat. Der Geistesblitz der Planer: Es sollen wieder “mehr Fabriken” gebaut werden. Wie nennt man diese Form der Marktwirtschaft dann? Sozialkapitalistische Planmehrwertmarktwirtschaft vielleicht?

Dumm genug, aber das ist ja erst der Anfang. Wie kriegt man so viel Gaga in einen Schädel: Gegen eine veritable Produktivitätskrise bauen wir also “Fabriken”? Wohlgemerkt: Gegen eine zu hohe Produktivität! Wir könnten mit den bestehenden Kapazitäten jedem Eichhörnchen zwei PKWs vor den Baum stellen. Weil die aber nicht genug Nüsse haben, von denen die Angestellten leben könnten, werden massenhaft “Stellen abgebaut”. Absatzeinbruch bis zu 40% dieses Jahr, und es kann noch schlimmer kommen. So. Und jetzt bauen wir Fabriken? Was produzieren die denn so Revolutionäres? Solvente Kunden sicher. Argh!

So viel Marx haben diese Genies also inzwischen verstanden, dass “Dienstleistungen” die Produktion nur sehr bedingt ersetzen können. Sie haben gar erkannt, dass das überhaupt nicht funktioniert hat. Mit den Ursachen mögen sie sich aber nicht befassen, das wäre dann sicher Sozialismus. Wenn das Kapital sich künstliche Badeparadiese schafft, weil es keine natürlichen Räume mehr findet, in denen es sich ausbreiten kann, dann ist es nicht die Lösung, das ganze Wasser wieder auf die überschwemmten Felder umzuleiten.

Neoliberaler Vulgärmarxismus

Die “Revolution” ist obendrein die schiere Reaktion, die zerebral entkernten Propagandisten preisen ernsthaft den Marsch in die Vergangenheit als glorreiche Zukunft an. Eine Industriegesellschaft kann nur – und nur für eine kurze Zeit – durch Arbeitssklaven restauriert werden. Das geht eine Weile auch ohne höheren Absatz, bis die Herren dann merken, dass überhaupt niemand mehr den ganzen Schund kauft, der doch so kostengünstig hergestellt wird.

Immerhin dürften solche Glanzleistungen den Absatz von Schmerzmitteln ankurbeln. Das dürfte aber bereits eingepreist sein, denn der Berufsstand scheint sich das inzwischen zur vornehmsten Aufgabe zu machen.

Die Bundeskanzlerin fährt nach Athen mit einem Koffer voller Hilfen und Geschenke. Um mehrere Millionen Euro sollen die Leistungen aus dem Rettungsschirm erhöht werden. Im Vorfeld hat Ministerpräsident Samaras Reformpakete auf den Weg gebracht, unter anderem die Privatisierung von Kreta und der Akropolis. Wie es heißt, wird die deutsche Regierungschefin, jüngst zum größten politischen Genie aller Zeiten gekürt, den Griechen im Gegenzug eine Ausreisegenehmigung verkünden.

 
korrupt… ist es in Deutschland, wenn ein Minister von einer Kanzlei, der er Aufträge zugeschustert hat, Geld für angebliche Vorträge nimmt. Schon der Auftrag war übrigens überflüssig, das hätten auch Juristen erledigen können, die ohnehin vom Bund bezahlt werden. Die Höhe des mutmaßlichen Dankeschöns ist übrigens nicht bekannt. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen und ähnlichen zwielichtigen Zuwendungen keineswegs um jeweils 7000 Euro handelt.

Dergleichen lügt etwa ein Detlef Esslinger in der “Sueddeutschen”. Es handelt sich vielmehr um mindestens 7000 Euro, mithin kann sich dahinter auch eine Million verbergen. Der Unsinn mit den 7000 Euro stimmt übrigens vorn und hinten nicht. Wer 7000 bekäme, ließe sich 6999 auszahlen und würde damit nicht in der höchsten Kategorie auffallen. Ich gehe also davon aus, dass hinter jeder einzelnen Zahlung deutlich mehr als 7000 Euro stecken.

Wir kaufen Leute, keine Stimmen

Das muss der saubere Herr aber nicht aufdecken, denn in Deutschland wird dafür gesorgt, dass Abgeordnetenbestechung und andere Formen der Korruption nicht stattfinden. Dabei kommen zwei Strategien zur Anwendung: Intransparenz und eine nur noch absurd zu nennende gesetzliche Regelung der Abgeordnetenbestechung. Strafbar ist demnach nämlich nur, “eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen“. Im Strafrecht gilt selbstverständlich auch für diesen Tatbestand die Unschuldsvermutung, das heißt, dass im Einzelfall der konkrete Kauf einer Stimme bei einer bestimmten Abstimmung bewiesen werden müsste. Das ist schlicht unmöglich, es sei denn, jemand wollte unbedingt verurteilt werden und schließt einen diesbezüglichen Vertrag ab. Man kann diesen Paragraphen im Grunde streichen.

Was von Seiten der nicht minder korrupten Schmierfinken aufgeboten wird, um den Dauerskandal im allgemeinen und die Verstrickungen eines gewissen Möchtegernkanzlers im besonderen zu vertuschen, so sind die Mittel von demselben Niveau wie die Geisteshaltung derer, die sie anwenden. Ernsthaft ist da von “Neid” die Rede, wenn man es Ministern und Abgeordneten nicht ‘gönnt’, von Lobbyisten geschmiert zu werden. Wenn man faktische Bestechung wenigstens moniert und bedauert, dass sie nicht justiziabel ist, dann sei man “neidisch”! Wieder einmal wendet sich der beleidigte Verstand ab und hinterlässt angeekelt die Frage, wer das eigentlich noch lesen soll.

 
Wenn ich dieser Tage lese, Steinbrück wolle die Banken zerschlagen, möchte ich den billigen Mietmäulern, die so einen Stuss zu schreiben sich nicht in Grund und Boden schämen, gern persönlich die Prügel verabreichen, um die sie da bitten. Der Liikanen-Plan ist nicht auf Steinbrücks Mist gewachsen. Der hängt sich jetzt nur hinten dran, um ihn kräftig zu verwässern und nachher die Reste als seine grandiose Leistung zu verkaufen. Das hat bislang ja auch prima funktioniert.

   linksruck

In der Causa zeigt sich aufs Erbärmlichste, wie eine öffentliche Meinung produziert wird, wenn es keine unabhängige Presse gibt. Qualität und Quantität der Informationen sind äußerst mager, dafür wird aus allen Rohren der PR gefeuert. Nicht nur dass eben Fehlinformationen gestreut werden, es wird auch ungehemmt geworben. Von “bester Mann” und “beste Wahl” ist da die Rede, von “Wunder” gar, das nur der bislang als desaströser Verlierer in Erscheinung Getretene bewirken könne. Man kann lügen oder lügen, aber die Verkehrung der Wahrheit ist inzwischen Standard in den Meinungsschmieden. Am Ende haben sie dann noch die Stirn, sich da eine “Trennung von Bericht und Kommentar” zu bescheinigen, wo längst jedes einzelne Wort tendenziös ist.

Nur passende ‘Informationen’

Die TAZ lässt Jens Berger wenigstens ein wenig dagegen halten. Wenn es sonstwo ‘Kritik’ gibt, dann eine à la Augstein, ein wirrer Bürgersohn mit Linksblinkerattitüde. Er hat bei SpOn zwar den Scheinriesen Steinbrück auf sein Bürokratenmaß zurechtgestutzt, kann sich aber auch den Unsinn nicht verkneifen, der habe selbst einen Plan vorgelegt, anstatt auf die Urheber desselben zu verweisen. Ackermann habe den Plan gelobt, was “nicht sehr beruhigend” sei. Holla, da traut sich wer was!

Wie wir wissen, gibt es aber beim Rohrkrepierer des Elitenfunks Ausgleich von Broder bis Fleischhauer, damit solch gelegentliches Eiern über sozialdemokratische Nebenstraßen nicht zum gefährlichen Linksruck® führt. Das hält der Q-Journalismus derzeit für politische Berichterstattung, Hintergrundinformation womöglich, die glorreiche Gatekeeperfunktion der unbestechlichen vierten Gewalt. Wer jetzt noch lacht, ist herzlich in den Garten eingeladen.

Rien ne vas plus

Tröstlich nur, dass das ganze Spiel völlig irrelevant ist. Von den inkompetenten Lohnschreibern der anzeigenfinanzierten und profitorientierten Verlage erwarte ich ja gar keine Kenntnisse über den Gegenstand ihrer Arbeit. Sie wissen stets, was sie schreiben sollen, da kommt es eben nicht mehr drauf an, worüber. Die Meinung muss passen, das geht halt auf Kosten des Inhalts. Traurig aber, dass nicht wenigstens von außen irgendwer noch hineinruft und wenigstens Bescheid sagt, wenn der Baum brennt.

Denn ganz ohne Wirtschaft kann auch das tollste Finanzinstitut nicht überleben, und jene geht gerade saftig vor die Hunde. Mal sehen, was vom Exportweltmeister bald noch übrig bleibt angesichts solcher Konsumdaten. Oder gilt Spanien der deutschen Heuschrecke schon als abgegrast? Jetzt muss ganz fix der Steinbrück ran, damit niemand die “Krise herbeiredet”?

Es ist egal. Vergesst Steinbrück, vergesst Griechenland, vergesst Bankenkrisen und Rettungsfonds. Macht es euch gemütlich, kauft reichlich Popcorn und freut euch auf den Thriller “Endzeit in Europa”. Von hier aus hat man eine sehr gute Aussicht. Nur die Aussichten könnten miserabler kaum sein.

 
gysi

Angela Merkel, die Miss Austeritas, Peitsche der neoliberalen Herrschaft über Europa und Chefdomina im Studio Bizarr des Spätkapitalismus, ist auf dem Wege etwas zu schaffen, von dem ihre Nationale Front, für die sie FdJ-Sekretärin war, nur träumen konnte: Die sozialistische Revolution in Westeuropa. Als Jugendliche mag sie sich vorgestellt haben, wie die Bewegung den Klassenfeind überrollt und sie, Angela Dorothea Kasner, den Wimpel der Partei über eine Küstenstraße Iberiens trägt zum 60. Jahrestag der Gründung der SED.

Es kam dann anders. Angela Merkel hat sich zur Bundeskanzlerin hochlaviert, eine geölte Karriere zwischen Dutzenden Männern, denen man mehr zugetraut hätte. Wofür sie steht, das weiß man nicht, nur dass sie keine Gnade kennt und kein Zurück. Aber ist das nicht die alte Losung: “Vorwärts immer, rückwärts nimmer!”? Hat sie sich wirklich gewendet und ist dem Kapitalismus verfallen wie einst dem Sozialismus? Ist sie von jenem Schlage, der immer tut, was ‘man’ erwartet und diese Erwartungen stets übererfüllt? Was würde das bedeuten?

Gegen den Feind des Feindes

Auf der anderen Seite: Wie kittet man die Widersprüche, erst Funktionärin des Feindes gewesen zu sein und dann beim Feind des Feindes nach ganz oben aufzusteigen? Geht Angela Merkel gerade den Königsweg? Ist die Beschleunigung der Krise, ihr strenges Beharren auf die Einhaltung der fatalen kapitalistischen Dogmen, der Vollzug einer marxistischen Strategie? Dies ist keineswegs ironisch zu verstehen. Wer die Marxsche Krisentheorie in positive Aktion umsetzen will und die Ressourcen dazu hat, muss genau so handeln: Die Krise verschärfen, ohne reale Not die Menschen ins Elend stürzen und dabei völlig offensichtlich ein Maximum an Ungerechtigkeit walten lassen.

Insofern hat Gregor Gysi recht (Video), wenn er sagt: “Jetzt müssen Sie die Vermögensabgabe und auch die Vermögenssteuer einführen, wenn sie den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährden wollen.“. Man beachte, wer hier welche Rolle einnimmt. Der Sozialist, dem grenzdebile politische Gegner ernsthaft mit “der Mauer” kommen, wenn er das amerikanische Modell der Vermögenssteuer fordert, setzt sich für den Erhalt der bürgerlichen Demokratie ein – und damit für den Fortbestand der Marktwirtschaft. Währenddessen rollt die Apologetin des Profits mit dem Bulldozer durch die Fundamente seiner Ordnung. Verkehrte Welt.

Dass das Spiel bei weitem nicht so gemütlich ist wie es hierzulande schöngefärbt wird, zeigt ein Blick nach Südwesten. Dort ist die Revolution inzwischen eine reale Option. Das haben hiesige Massenmedien natürlich noch nicht auf der Agenda. Man sollte allerdings aus der Geschichte lernen: Wenn auf großen Schiffen, die als besonders sicher gelten, die Kapelle laut fröhliche Lieder anstimmt, ist das eventuell kein Grund zu feiern.

Heute lese ich zum ersten Mal auf breiter Front von Protesten in Europa. Manche erwähnen dabei nur Frankreich, andere auch Spanien und Portugal, in Österreich wissen sie gar von Belgien. Die Headlines sprechen dabei gern von “Gewalt”, in bezug auf Frankreich ist von der “Linksfront” die Rede. “Gewalttätige Linksextremisten”, denkt sich der deutsche Tagesschauer und Presseleser also, “das ist nichts für mich”. Die Deutschen regeln das anders und murren, sie hätten ja schon “so viel getan” für die faulen Südländer und warten vergeblich auf “Dankbarkeit”. Fragt man sie, was sie denn getan hätten, wissen sie von Schulden, die “wir machen”. Fragt man sie, wer das Geld denn bekomme, wissen sie es nicht. Fragt man sie, wenn sie das denn nicht gut fänden, warum sie dann nicht gegen die Politik protestierten, die das so eingerichtet hat, winken sie ab. Man muss sie nicht fragen, wen sie bei nächster Gelegenheit wiederwählen werden.

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