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Angela Merkel, die Miss Austeritas, Peitsche der neoliberalen Herrschaft über Europa und Chefdomina im Studio Bizarr des Spätkapitalismus, ist auf dem Wege etwas zu schaffen, von dem ihre Nationale Front, für die sie FdJ-Sekretärin war, nur träumen konnte: Die sozialistische Revolution in Westeuropa. Als Jugendliche mag sie sich vorgestellt haben, wie die Bewegung den Klassenfeind überrollt und sie, Angela Dorothea Kasner, den Wimpel der Partei über eine Küstenstraße Iberiens trägt zum 60. Jahrestag der Gründung der SED.

Es kam dann anders. Angela Merkel hat sich zur Bundeskanzlerin hochlaviert, eine geölte Karriere zwischen Dutzenden Männern, denen man mehr zugetraut hätte. Wofür sie steht, das weiß man nicht, nur dass sie keine Gnade kennt und kein Zurück. Aber ist das nicht die alte Losung: “Vorwärts immer, rückwärts nimmer!”? Hat sie sich wirklich gewendet und ist dem Kapitalismus verfallen wie einst dem Sozialismus? Ist sie von jenem Schlage, der immer tut, was ‘man’ erwartet und diese Erwartungen stets übererfüllt? Was würde das bedeuten?

Gegen den Feind des Feindes

Auf der anderen Seite: Wie kittet man die Widersprüche, erst Funktionärin des Feindes gewesen zu sein und dann beim Feind des Feindes nach ganz oben aufzusteigen? Geht Angela Merkel gerade den Königsweg? Ist die Beschleunigung der Krise, ihr strenges Beharren auf die Einhaltung der fatalen kapitalistischen Dogmen, der Vollzug einer marxistischen Strategie? Dies ist keineswegs ironisch zu verstehen. Wer die Marxsche Krisentheorie in positive Aktion umsetzen will und die Ressourcen dazu hat, muss genau so handeln: Die Krise verschärfen, ohne reale Not die Menschen ins Elend stürzen und dabei völlig offensichtlich ein Maximum an Ungerechtigkeit walten lassen.

Insofern hat Gregor Gysi recht (Video), wenn er sagt: “Jetzt müssen Sie die Vermögensabgabe und auch die Vermögenssteuer einführen, wenn sie den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährden wollen.“. Man beachte, wer hier welche Rolle einnimmt. Der Sozialist, dem grenzdebile politische Gegner ernsthaft mit “der Mauer” kommen, wenn er das amerikanische Modell der Vermögenssteuer fordert, setzt sich für den Erhalt der bürgerlichen Demokratie ein – und damit für den Fortbestand der Marktwirtschaft. Währenddessen rollt die Apologetin des Profits mit dem Bulldozer durch die Fundamente seiner Ordnung. Verkehrte Welt.

Dass das Spiel bei weitem nicht so gemütlich ist wie es hierzulande schöngefärbt wird, zeigt ein Blick nach Südwesten. Dort ist die Revolution inzwischen eine reale Option. Das haben hiesige Massenmedien natürlich noch nicht auf der Agenda. Man sollte allerdings aus der Geschichte lernen: Wenn auf großen Schiffen, die als besonders sicher gelten, die Kapelle laut fröhliche Lieder anstimmt, ist das eventuell kein Grund zu feiern.