Heldenhaft wirft sich der gestandene Antikapitalist und Gegner der Großbanken, Sigmar Gabriel, der Kanzlerin entgegen. Er droht offen mit einer Kündigung der Mehrheitsbeschaffung zur nächsten Legislaturperiode.
Wtf? Nachdem er der Ermächtigung des Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Zweidrittelmehrheit verholfen hat, will er jetzt verhindern, dass der auch in Kraft tritt? Selten hatte die “Sozialdemokratie” einen würdigeren Vorsitzenden.
Parallel zu den Putschversuchen neoliberaler ‘Wirtschaftsexperten’, hinter denen sich eine Gilde erzkorrupter Banker versteckt, ist der herausragende Aspekt der aktuellen politischen Entwicklung die Militarisierung der Außenpolitik, wiederum einhergehend mit einer Hochkonjunktur der Rüstungsindustrie. Deren Einfluss auf die Politik war nie gering, aber so groß wie heute eben auch noch nicht. Wohin die Kanzlerin auch fliegt, stetes beweist sie ein Herz für Mörder und ihre Instrumente. An der Spitze der Bundesregierung steht eine Waffenlobbyistin.
Das deutsche Außenhandelsgesetz steht eigentlich zumindest einer Lieferung von Waffen, respektive Kriegswaffen, in Krisengebiete im Wege. Das hält das Wirtschaftsministerium aber keineswegs davon ab, zum Beispiel an Israel zu liefern, den explosivsten Krisenherd der Welt oder auch an die islamistische Diktatur Saudi-Arabien, das kürzlich noch ins Nachbarland einmarschiert ist. Heute wird über (mir leider nicht zugängliche) Referentenentwürfe berichtet, die das diesbezügliche Recht “lockern” sollen. Dieses Symptom ist sicher erwähnenswert, soll doch einmal mehr das Recht der gängigen illegalen Praxis angepasst werden. Immerhin wäre das diesmal nicht grundgesetzwidrig. Der Skandal ist aber ein ganz anderer.
Das letzte Gefecht
Die verfassungswidrige Neudefinition von Aufgaben der Bundeswehr – Sicherung der Handelswege – betrifft unmittelbar auch das Geschäft des Tötens. Deutsche Waffen sind ein Exportschlager, von Schusswaffen über Panzer bis hin zu U-Booten. Diese Geschäfte haben allerhöchste Priorität, so dass es sogenannten “Pleitestaaten” wie Griechenland oder Portugal auch nicht gestattet wird, an Deals mit deutschen Waffen zu sparen. Der Tod ist ein Exportweltmeister aus Deutschland, und er kennt keine Gnade oder Ausnahme.
Deutschland hält sich in keiner Weise an die eigenen Gesetze. So werden Panzer in und für Saudi-Arabien von Bundeswehrsoldaten getestet, die bei einem solchen Deal nun wirklich absolut nichts verloren haben. Dass die Kosten für den Einsatz eines Stabsoffiziers und “Experten” von Krauss-Maffei Wegmann selbst übernommen werden, macht die Sache keineswegs appetitlicher. Im Gegenteil könnte das durchaus den Tatbestand der Bestechung erfüllen. Eine merkwürdige Vorstellung, dass ich mir einen Polizisten einkaufe, um auf einer Auslandsreise mein neues Auto zu testen.
Auch das ist nur ein Schritt, der zwangsläufig erfolgt, wo es um die letzten gewinnträchtigen Absatzmärkte geht. Das Kapital kann nur so lange Rücksicht auf geltendes Recht nehmen, wie es dem Profit nicht effektiv im Wege steht. Spätestens wenn die legalen Möglichkeiten erschöpft sind, sucht es sich eben die anderen. In der entscheidenden Phase des Niedergangs kommt es dabei darauf an, auf welcher Seite die verfassten Organe des Staates stehen. Auf welcher Seite Frau Merkel und das Gros der politischen Funktionäre dabei stehen, bedarf keiner langwierigen Untersuchung.
Gehen mir eigentlich sonstwo vorbei, interessieren mich nicht, können meinetwegen gern ausfallen. Über Korruption in Organisationen wie FIFA und IOC wird ausreichend berichtet, wobei es eher selten vorkommt, dass einer von denen, die ihre schrägen Milliardengeschäfte zum eigenen Vorteil machen, vor einem Gericht landen. Der Chef selbst lässt sich in der Öffentlichkeit immerhin zu der Aussage hinreißen, dass er da ein Problem erkannt habe.
Eine Lösung ist derweil nicht in Sicht, was nicht wunder nimmt, denn wo solche Summen bewegt werden, müsste die organisierte Kriminalität schon arg verschnarcht sein, ließe sie lange auf sich warten. Nachdem die Heuchelei des sogenannten “Amateursports” in den 90ern endgültig ad acta gelegt worden war, ist der Damm gebrochen, und was da inzwischen an Schacher stattfindet, ist so ekelhaft, wie das eben ist im Kapitalismus, insbesondere da, wo es nicht mehr um Peanuts geht. Olympia ist ein Multimilliardengeschäft, das sagt eigentlich alles. Wer da an etwas Gutes glaubt, hat das Zeug zum Wirtschaftsredakteur bei SZ oder FAZ.
Braucht kein Mensch
Auch das reicht nicht wirklich aus für einen Beitrag hier, aber die Organisatoren versuchen ganz en passant, ihre eigenen Regeln bezüglich Internetnutzung und Meinungsfreiheit zu etablieren. Die opalkatze hat das in der Übersetzung gepostet: Die Nutzungsbedingungen sehen vor, dass das Setzen eines Links u.a. nur unter Verzicht auf abwertende oder anstößige Darstellung (“derogatory/objectionable”), siehe Punkt 5, “Linking Policy”, erlaubt sei.
Ich persönlich lasse mir allerdings weder von diesen noch anderen Freunden diktatorischer Marktmacht vorschreiben, unter welchen Bedingungen ich auf ihre Machenschaften hinweise, ob nun per Link oder sonstwie. Ich glaube, es blitzt!
Hatte ich eh schon geringe Ambitionen, mir dieses Brot-und-Spiele Fest anzutun, werde ich nach dieser Attacke auf die Freiheit im Netz alles meiden und ignorieren, was darüber gesendet, berichtet oder getrommelt wird. Man macht sich ja nicht mit Zensoren gemein.
Ich erlaube mir aus aktuellem Anlass einen fluffigen Wohlfühlartikel, weil das Unerträgliche zu so weitreichender Taubheit geführt hat, dass man es schon wieder ungespitzt in Amüsement überführen kann. Man stellt routiniert fest, dass die Demokratie in herzlicher Umarmung mit ihrer sozialen Marktwirtschaft® am Ziel ist. Die korrupten Banker zum Beispiel machen sich gleich ihre Parameter selbst, das ist ungefähr so, als brächte bei den Olympischen Spielen jeder seine eigene 100-Meter-Strecke mit und bei einigen wäre sie halt kürzer.
Ein Mappus
Die neue Berechnungseinheit “Mappus” misst die Dreistigkeit, mit der regionale Tyrannen sich Vorstands- und Aufsichtsratsposten verdienen, derweil sie den Schaden des Staates mehren und den Nutzen “outsourcen”. Der Staat kann halt nicht mit Geld umgehen, da schenken wir es besser gleich den Banken. Das geht auch ganz ohne Rettungsschirm. Nur erwischen lassen sollte man sich nicht dabei. Nicht einmal das wissen sie mehr, unsere “Vertreter”. Wir müssen dringend mehr in Bildung investieren.
Nuhr Nullen
Der Konservativismus hat sich einen kondebilen Ablenker und Wertschöpfer zugelegt, der sich bei schlechtem Wetter für einen Kabarettisten hält. Nicht nuhr, dass der Dieter Menschen, die gegen politischen Irrsinn demonstrieren, gern beleidigt oder ACTA-Gegner für Diebesgesindel erklärt, nein. Er moderiert jetzt eine Spielshow, in denen die anderen Nullen sprichwörtlich mitgewinnen und macht dafür Werbung. In der Hörfunkversion streiten sich dafür zwei Frauen darüber, was ihre Männer im Leben erreicht hätten. Die Haus-Auto-Pferd Nummer halt, aber weil es eben doofe Weiber sind, müssen ihre Kerle das alles “verdienen”. In Dieters Welt ist das so in Ordnung. Die guten alten Zeiten kommen wieder, da gehört er zur Avantgarde.
Bei der Gelegenheit ein Satz, den ich schon lange mal loswerden wollte: Hätten Frauen in diesem Land etwas zu sagen, wäre uns Merkel erspart geblieben.
Rettungsrettung durch Zinseszins
Auch sonst ändert sich nix. Ein Wirtschaftsministernchen verliert “die Geduld mit Griechenland”. Und jetzt? Besetzen? Aushungern? Brandschatzen? Läuft doch längst. Auch die Ideen zur Rettung der Rettung sind geistiger Zinseszins bei totaler Insolvenz: Eine “Reichenabgabe” wird vorgeschlagen. Das geht so: Um die Zinsen auf die Schulden der Staaten bei ihren reichen “Bürgern” noch abzahlen zu können, leihen sich die Staaten bei den Reichen Geld, das diese später verzinst zurückbekommen. Genialer Plan! Ich hätte dabei gern einen variablen Zins, bzw. eine Anleihe, die an den Börsen gehandelt wird und nicht von den Zentralbanken gekauft werden darf.
Karrierealos
Aus dem Mappusland hört man heute von einem grünen “Realo”. “Realo”, Kurzform von “Realpolitiker”, das ist einer, der in Parteien, die als “links” gelten, die reine Lehre des Neoliberalismus vertritt. Das ist einer, der als “Pazifist” im Verein Atlantikbrücke Kriegspläne ausbrütet und im Bundestag für die nötigen Mehrheiten sorgt. Das ist einer, der als Demokrat dafür sorgt, dass die Interessen einer Minderheit mit Zweidrittelmehrheit durchgepaukt werden. Das ist einer, der als Innenminister einer “Bürgerrechtspartei” dafür sorgt, dass es ordentlich auf die Fresse gibt, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Verfassungsschutzstaffel
Womit wir beim Stichwort der Woche sind und bei des Pudels Kern: Was sogenannte “Sicherheitsbehörden” in Deutschland treiben, dass der braune Abschaum innen nicht mehr von dem außen zu trennen ist und neben einem traditionsorientierten Wertekonzept (Blut, Boden, Vaterland) der blanke Irrsinn herrscht, daran hat man sich schnell gewöhnt. Wer soll sich noch darüber aufregen, dass der angebliche Topterrorist ein harmloser Student ist? Niemand weiß, wie sein Bild in die Fahndungsakten kam. Man darf sich aber darauf verlassen, dass es nie mehr hinaus kommt. Spätestens beim nächsten Besuch in den USA gibt es einen Kubaurlaub gratis, wetten dass? So ist das halt in der großen Spielshow mit den vielen Nullen. Besser man arrangiert sich damit, denn so ist sie, die Realpolitik.
Es ist wieder soweit: Ich bitte wie in jedem Jahr um Vorschläge zum “Feynsinn Underdog”, dem Blog-Award der objektivsten Jury dieser Welt. Nachdem ich im letzten Jahr einmal mehr auf einen alten Bekannten zurückgreifen musste, ist das Kontingent der Inzucht so gut wie erschöpft. Ich suche Blogs, gute Blogs, herausragende Blogs. Aber eben nicht die, die eh schon jeder liest, sondern solche, die eher unbekannt sind oder zumindest noch nicht die Resonanz haben, die sie verdienen. Wer einen kennt oder einen kennt, der einen kennt … immer her damit.
Dies ist übrigens noch immer keine Wahl oder so ein demokratischer Schickschnack. Ihr könnt mir gern sagen, was ihr gut oder schlecht findet, eine öffentliche Abstimmung abhalten oder euch verschwören. Für die Jury ist das unerheblich. Die setzt sich ebenfalls wie immer zusammen aus mir, mich und ich. Und jetzt her mit den Vorschlägen!
Wer an den Fleischtöpfen der Macht neuen Wein aus alten Schläuchen serviert, dem sage ich: Das ist mit mir nicht zu machen. Es kann nicht sein, dass Deutschland der Zahlmeister Europas ist, und wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, braucht gar nicht erst in Brüssel an die Tür zu klopfen. Wer in Lohn und Brot ist, muss jetzt die Ärmel hochkrempeln. Es werden händeringend Fachkräfte gesucht, das ist eine Binsenweisheit. Butter bei die Fische!
Wer heute auf Kosten zukünftiger Generationen schmerzhafte notwendige Einschnitte verweigert, hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Eine Reformpolitik mit Augenmaß schaut über den Tellerrand. Die vorgenommenen Sparmaßnahmen sind die einzige Alternative zum Anziehen der Steuerschraube. Wir wollen aber die Konjunktur nicht abwürgen, darum werden wir die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum schaffen.
Wir wollen Eigeninitiative und Verantwortung fördern, nur so kann der Konjunkturmotor wieder anspringen. Dabei sollen sich die Leistungsträger getrost einen großen Schluck aus der Pulle gönnen, sofern es bei der entsprechenden Lohnzurückhaltung bleibt. Ich sage dies im vollen Bewusstsein der Gefahren, die in einem Zögern lauern.
Es geht um Europa. Es geht um Deutschland. Wir haben in einen tiefen Abgrund geschaut und sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig, dass wir den Sozialstaat nicht durch immer mehr ausufernde Wohltaten ruinieren. Die fetten Jahre sind vorbei. Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen. Es geht um unsere Wettbewerbsfähigkeit.
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg halt zum Propheten, meine Damen und Herren. Wo kämen wir hin, wenn nicht jeder sein Scherflein beiträgt. Freiheit in Verantwortung, das ist mehr als ein Ziel, wie wir alle wissen. Wer für Frieden und Freiheit einsteht, darf bei Wachstum und Wohlstand nicht nein sagen. Die Welt wartet nicht auf Deutschland. Wir stehen im globalen Wettbewerb, da beißt die Maus keinen Faden ab. Denkverbote bringen uns da nicht weiter.
Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter.
Sie solle uns genauer erklären, wie der neoliberale Putsch gegen das Grundgesetz konstruiert ist, hat der als Kritiker der Kritiker bekannte Bundespräsident leider nicht gesagt. Er meint, die Kanzlerin müsse irgend etwas besser erläutern, “sehr detailliert” nämlich, und zwar im Zusammenhang mit der “Eurorettung”. Was sollen das wohl für Details sein?
Dass das Grundgesetz außer Kraft gesetzt wird? Dass kein Euro nicht gerettet wird, sondern immer und immer wieder Banken und ihre Großkunden? Soll die Kanzlerin ihrem Wahlvolk diejenigen volkswirtschaftlichen Hintergründe erläutern, die sie selbst nicht verstanden hat oder ignoriert und die ihre Berater seit Jahren zum Vorteil der Spekulanten in Dunkelheit tauchen?
Kalkül der Macht
Oder soll sie vielleicht das Kalkül ihres Machtgebrauchs offenlegen? Wer mit wem wo was abgesprochen hat zum Beispiel, von ACTA über Rüstungsexporte bis hin zum ESM? Soll sie uns vielleicht erklären, wieso Griechenland so kurz und klein gespart wird, dass es in den Familien nicht mehr für den täglichen Bauernsalat reicht – während die Milliarden für deutsche U-Boote uneingeschränkt fließen?
Wie soll einem schmackhaft gemacht werden, dass künftig ohne jede parlamentarische Kontrolle, ohne jede Klagemöglichkeit und zeitlich unbegrenzt ein Gremium aus “Experten” nach Belieben Steuergelder aus ganz Europa anfordern darf, die damit ihre Kollegen in den Casinos mit neuem Geld versorgen, wenn sie wieder zu viel davon verbrannt haben? Jene Experten, die von dem ganzen Schlamassel schon immer profitiert haben und derart verfilzt sind, dass die Mafia neidisch wird?
Oder die völlige Untätigkeit, diesem Irrsinn etwas entgegenzusetzen, geschweige denn ihn zu beenden? Jahre einer Krise, in denen nichts geschehen ist, um die Ursachen auch nur annähernd zu beseitigen. Keine der finanziellen Massenvernichtungswaffen wurde seitdem eingesackt, im Gegenteil: Anstatt das weiterhin fröhliche Gezocke mit Verbriefungen, Hochfrequenzhandel und anderem tödlichen Schwachsinn aka “Finanzprodukten” oder “Trade” einzudämmen, wird nicht einmal effizient gegen die Spekulation mit Staatsanleihen, formerly known as “sicherste Anlage” eingeschritten.
Nichts mehr zu sagen
Oder anders gefragt: Ist die einzig wahre Erklärung nicht längst in die Gebetsmühle gewandert? Wissen wir nicht längst, welcher Dämon da am Werk ist – nämlich die schiere “Alternativlosigkeit”?
Wird schwierig, das. Zumal wir inzwischen selbst dort, wo die Parlamente immerhin noch “tagen”, auf eine Weise vereimert werden, die nach Faustschlägen schreit. Beispiel gefällig? Wenn die Daten aller Bundesbürger verhökert werden an jeden, der daraus Kapital schlagen will, werden keine Gefangenen gemacht. Zwei “Lesungen” des deutschen Bundestages in 20 Sekunden. Es wird nicht mehr gesprochen, sondern nur noch in die Alten geschmissen. “Reden zu Protokoll genommen” heißt das im Jargon. Eimer bereithalten!
Die Zeichen mehren sich, dass dieses System am Ende ist. Damit ist natürlich zu meinem Bedauern keineswegs gesagt, dass das Leiden nicht noch lange anhält. Es ist nur nicht mehr zu erwarten, dass in der bürgerlichen Demokratie, die sich entschlossen hat, eine “Marktwirtschaft” i.e. ein Kapitalismus zu sein oder gar nicht, keine weitere Entwicklung mehr stattfinden wird. Es wird bloß noch wiederholt, alles und jedes so zurechtgebogen, dass es keine Opposition mehr gibt, keinen Widerstand, keine andere Meinung. Wir leben in einem Unisono-Pluralismus; jeder darf sagen, was er will, aber es wird nur gesagt, was alle sagen.
Die unsägliche Zustimmung der sogenannten “Opposition” im Parlament sorgt inzwischen dafür, dass die Regierung keine klassische Mehrheit mehr braucht, weil die politische Kaste sich gleichgeschaltet hat. In einer historischen Entscheidung wie der zum ESM, gegen die sich selbst die Aposteln der neoliberalen Religion, vulgo “Ökonomen” wenden, wird eine Zweidrittelmehrheit hergestellt. Obwohl die Regierungsfraktionen nicht einmal eine einfache Mehrheit zustande bringen. Pikant übrigens, dass die Begründung der Rotgrünen von vorn bis hinten unwahr ist. Nein, lassen wir diesen Verlautbarungsjargon: Sie ist eine Lüge.
Lügenstakkato
Eine entscheidende Figur in diesem Spiel, Jürgen “was-sollen-die-Märkte-sagen” Trittin, hatte pathetisch beschworen, endlich sei es ihm und anderen tapferen Recken gelungen, Merkel eine Finanzmarktsteuer abzuringen. Deren Zusage, dass sie sich “dafür einsetzen” wolle, hatte sie aber längst ohne Not, Druck oder Zutun von Rotgrün gemacht, in ihrer Rede am 15.09.2010:
“Wir werden auch weiter für die Besteuerung der Finanzmärkte arbeiten. Der Bundesfinanzminister tut dies in vielen, vielen Gesprächen, und wir werden versuchen, möglichst viele Länder davon zu überzeugen.”
So viel zur Durchsetzung “rotgrüner Forderungen”. Anscheinend liest aber niemand nach, wenn Entscheidungen getroffen werden, niemand kann sich an irgend etwas erinnern, und keine zwei Jahre nach einem Zugeständnis vor dem Deutschen Bundestag, in der Rede der Kanzlerin zu ihrem Haushalt, wird so getan, als hätte man sie quasi über Nacht von dem überzeugen müssen, was sie dort bereits zu Protokoll gegeben hatte. Es ist erbärmlich.
Intellektuelle Endzeit
Diese Kanzlerin wird uns dem entsprechend garniert; sie ist ja so beliebt! 58% derjenigen, die noch an solchen Umfragen teilnehmen, sich nicht längst angewidert abgewendet haben, zeigen sich da mit ihr zufrieden in der “Krise”. Was immer das heißen mag, es wird zu einem Fanal der Zustimmung von 66%, unter diversen Fragen, mit denen die meisten überfordert gewesen sein dürfen. Vor allem diejenigen, deren Meinungs”bildung” da eingeholt wurde.
Bei 95% Zustimmung in den Medien und 90% bei den hohen politischen Funktionären ist das schon fast eine Klatsche. Das ist der Unterschied zur DDR: Da hätte man die Zahlen höher gejazzt. Übrigens ist das die “höchste Zustimmung seit 3 Jahren”. Ein völlig irrelevanter Wert, selbst wenn man glaubt, die Zahlen seien wirklich vergleichbar. Auf die Message kommt es an: Die Kanzlerin ist beliebt! Sie muss es sein, sie soll es sein, also besorgt man das so.
Bei wem eigentlich? Kennt irgendwer irgendwen, der die Bleierne auch nur akzeptabel findet? Ich muss in einer Parallelwelt leben. Wie dem auch sei: Die Qualität der Propaganda ist auf einem Niveau angekommen, das sich kaum mehr senken lässt und ist damit umgekehrt proportional zum Aufwand. Dazu passt auch, dass der bitterste Verräter all dessen, was die “Sozialdemokratie” einmal für ihre Werte ausgab, zum Cheflobbyisten des deutschen Neoliberalismus aufgestiegen ist. Es ist intellektuelle Endzeit. Da schmeckt das Bier nochmal so gut – solange man es sich noch leisten kann.
Klaus Baum zitiert heute Götz Aly, den gewendeten sogenannten “Historiker”, der uns das neoliberale Mantra wortwörtlich vorbetet:
“Es sind die sozialen Wohltaten, aus denen die Schulden der europäischen Staaten hauptsächlich rühren.”
Zur ‘Begründung’ dieser Lüge muss wieder und wieder das ‘Argument’ der Globalisierung herhalten:
“um Millionen einfachen Leuten das Leben zu versüßen, um ihnen die Härten der Anpassung zu ersparen, die ein global gewordener Wettbewerb erfordern würde.“.
Wie uns seit den 1980er Jahren weisgemacht wird, habe eine “Globalisierung” uns die Möglichkeit genommen, auf die Bedürfnisse der arbeitsabhängigen Mehrheit noch Rücksicht zu nehmen. Das verklärt uns genau so der Herr Aly mit bemerkenswerter Inkompetenz. Nicht nur, dass ja niemand erklären könnte. welche Probleme der gebuchte Exportweltmeister wohl mit einer “Globalisierung” haben könnte. Es gibt auch einen nicht mehr ganz frischen Text, der diese Lüge in die rechten Zusammenhänge setzt. Ich zitiere daraus:
“Sie [Die Bourgoisie] hat die persönliche Würde in den Tauschwerth aufgelöst, und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die Eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt.
…
Das Bedürfniß nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Ueberall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.
…
Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet.
…
Die uralten nationalen Industrieen sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrieen, deren Einführung eine Lebensfrage für alle civilisirte Nationen wird, durch Industrieen, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten, und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Welttheilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen von einander.
…
Es genügt die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohenden die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Theil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern sogar der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In der Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Ueberproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnoth, ein allgemeiner Verwüstungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zu viel Civilisation, zu viel Lebensmittel, zu viel Industrie, zu viel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Civilisation und der bürgerlichen Eigenthums-Verhältnisse; im Gegentheil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt, und so bald sie dies Hemmniß überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigenthums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden um den von ihnen erzeugten Reichthum zu fassen. – Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte, und die gründlichere Ausbeutung der alten Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.”