honniDie Zeichen mehren sich, dass dieses System am Ende ist. Damit ist natürlich zu meinem Bedauern keineswegs gesagt, dass das Leiden nicht noch lange anhält. Es ist nur nicht mehr zu erwarten, dass in der bürgerlichen Demokratie, die sich entschlossen hat, eine “Marktwirtschaft” i.e. ein Kapitalismus zu sein oder gar nicht, keine weitere Entwicklung mehr stattfinden wird. Es wird bloß noch wiederholt, alles und jedes so zurechtgebogen, dass es keine Opposition mehr gibt, keinen Widerstand, keine andere Meinung. Wir leben in einem Unisono-Pluralismus; jeder darf sagen, was er will, aber es wird nur gesagt, was alle sagen.

Die unsägliche Zustimmung der sogenannten “Opposition” im Parlament sorgt inzwischen dafür, dass die Regierung keine klassische Mehrheit mehr braucht, weil die politische Kaste sich gleichgeschaltet hat. In einer historischen Entscheidung wie der zum ESM, gegen die sich selbst die Aposteln der neoliberalen Religion, vulgo “Ökonomen” wenden, wird eine Zweidrittelmehrheit hergestellt. Obwohl die Regierungsfraktionen nicht einmal eine einfache Mehrheit zustande bringen. Pikant übrigens, dass die Begründung der Rotgrünen von vorn bis hinten unwahr ist. Nein, lassen wir diesen Verlautbarungsjargon: Sie ist eine Lüge.

Lügenstakkato

Eine entscheidende Figur in diesem Spiel, Jürgen “was-sollen-die-Märkte-sagen” Trittin, hatte pathetisch beschworen, endlich sei es ihm und anderen tapferen Recken gelungen, Merkel eine Finanzmarktsteuer abzuringen. Deren Zusage, dass sie sich “dafür einsetzen” wolle, hatte sie aber längst ohne Not, Druck oder Zutun von Rotgrün gemacht, in ihrer Rede am 15.09.2010:

Wir werden auch weiter für die Besteuerung der Finanzmärkte arbeiten. Der Bundesfinanzminister tut dies in vielen, vielen Gesprächen, und wir werden versuchen, möglichst viele Länder davon zu überzeugen.

So viel zur Durchsetzung “rotgrüner Forderungen”. Anscheinend liest aber niemand nach, wenn Entscheidungen getroffen werden, niemand kann sich an irgend etwas erinnern, und keine zwei Jahre nach einem Zugeständnis vor dem Deutschen Bundestag, in der Rede der Kanzlerin zu ihrem Haushalt, wird so getan, als hätte man sie quasi über Nacht von dem überzeugen müssen, was sie dort bereits zu Protokoll gegeben hatte. Es ist erbärmlich.

Intellektuelle Endzeit

Diese Kanzlerin wird uns dem entsprechend garniert; sie ist ja so beliebt! 58% derjenigen, die noch an solchen Umfragen teilnehmen, sich nicht längst angewidert abgewendet haben, zeigen sich da mit ihr zufrieden in der “Krise”. Was immer das heißen mag, es wird zu einem Fanal der Zustimmung von 66%, unter diversen Fragen, mit denen die meisten überfordert gewesen sein dürfen. Vor allem diejenigen, deren Meinungs”bildung” da eingeholt wurde.

Bei 95% Zustimmung in den Medien und 90% bei den hohen politischen Funktionären ist das schon fast eine Klatsche. Das ist der Unterschied zur DDR: Da hätte man die Zahlen höher gejazzt. Übrigens ist das die “höchste Zustimmung seit 3 Jahren”. Ein völlig irrelevanter Wert, selbst wenn man glaubt, die Zahlen seien wirklich vergleichbar. Auf die Message kommt es an: Die Kanzlerin ist beliebt! Sie muss es sein, sie soll es sein, also besorgt man das so.

Bei wem eigentlich? Kennt irgendwer irgendwen, der die Bleierne auch nur akzeptabel findet? Ich muss in einer Parallelwelt leben. Wie dem auch sei: Die Qualität der Propaganda ist auf einem Niveau angekommen, das sich kaum mehr senken lässt und ist damit umgekehrt proportional zum Aufwand. Dazu passt auch, dass der bitterste Verräter all dessen, was die “Sozialdemokratie” einmal für ihre Werte ausgab, zum Cheflobbyisten des deutschen Neoliberalismus aufgestiegen ist. Es ist intellektuelle Endzeit. Da schmeckt das Bier nochmal so gut – solange man es sich noch leisten kann.

Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-19204-2916 / CC-BY-SA