Ohne jede Rechtsgrundlage vierzig Jahre bespitzelt zu werden, das passiert einem nicht in jedem Land, dessen Regierungen sich “demokratisch” nennen. Die deutschen Republiken, die sich “demokratisch” nennen, liefern diesen Service freilich ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Den einen haben wir nicht zuletzt deshalb abgewickelt, dem anderen sind die Gepflogenheiten eines Rechtsstaats offenbar zunehmend fremd. Die Geschichte von Rolf Gössner kann nicht wirklich als Unfall oder Zufall betrachtet werden. Wirft man einen Blick auf die Praktiken, die derzeit bekannt werden – obwohl das eigentlich niemand wissen soll -, ist man eher geneigt, den Regelfall zu postulieren.
Was die oben erwähnte “Rechtsgrundlage” ist, das fragen sich scheinbar immer seltener diejenigen, die Spitzel auf vermeintlich gefährliche Bürger loslassen. Gössner galt noch als potentieller Umstürzler, als er längst Verfassungsrichter war. Wer so handelt, dem ist jeder verdächtig. Wer derart Spitzel einsetzt, ist vom Überwachungsstaat besessen. Was macht es da für einen Unterschied, ob die Spitzel von der “Stasi” sind, von BKA, LKA oder dem „Verfassungsschutz”?
Die Linken, das sind eh alle gefährliche Staatsfeinde. Egal ob Antifaschisten oder sonstige linke Studentengruppen, das wird hier infiltriert und observiert, denn es könnten ja “Straftaten” begangen werden. Hatte die Stasi je eine andere Befürchtung? So wie für deren Schergen jeder Regimegegner ein Krimineller war, so ist es hier und heute jeder, der sich etwas Demokratischeres vorstellen kann als die Republik der Ackermanns und Westerwelles. Was derart links ist, kann nur kriminell sein.
Dass das für die Rechten in noch höherem Maße gilt, ist bekannt. Die NPD ist völlig durchtränkt von Spitzeln. Das ist ja ihre Bestandsgarantie, darum durfte sie nicht verboten werden. Es mutet an wie ein Staat im Staate. Er hat nicht das Ausmaß der Stasi, aber er bedient sich derselben Methoden. Er ist selektiver und effektiver. Und während in der DDR jeder wusste, dass Horch und Späh überall sitzt, wird die Mehrheit in der Wiedervereinigten vermutlich vehement anzweifeln, dass hier unbescholtene Bürger bespitzelt werden. Die werden doch sicher etwas verbrochen haben. Chapeau!
Aufgearbeitet wird derweil gar nichts, weder die Gegenwart noch die Vergangenheit. Eine Behörde, die darüber aufklärt, wer wann warum bespitzelt wurde? Nicht bei uns. Das wäre wohl auch zu peinlich. Denn wer verschweigt, das er selbst Nazi-Schlächter wie Klaus Barbie im Namen der Demokratie auf andere Menschen angesetzt hat, der hat reichlich zu verbergen – vor seinen Bürgern. Wie nennt man also einen Staat, der seine Bürger schutzlos rechtswidrigen Geheimdienstoperationen aussetzt, die Spitzel aber uneingeschränkt vor ihren Opfern schützt?
… nennt man das, was die Deutsche Bank da veranstaltet. Nicht nur, dass die Banken längst die Regierungen in Haft genommen haben für ihre hemmungslosen Roulettespielchen, jetzt drohen Ackermanns “Rechtsvertreter” sprichwörtlich mit der nächsten Runde “Domino Day”. Auch die Gerichte sollen künftig dazu verpflichtet werden, den Banken jeden schmierigen Trick und jede Fahrlässigleit durchgehen zu lassen. Der Grund: Würden die Finanzhasardeure für ihr Handeln haften, wäre wieder das System in Gefahr.
Das ist natürlich weder Erpressung noch hat es irgend etwas mit Korruption zu tun. Das is nämlich Deutschland hier. Hier braucht es keinen Berlusconi, der sich pausenlos selbst amnestiert. Hier werden Gesetze vorab an die Bedürfnisse der Shareholder angepasst. Hier schreitet die Macht ein, bevor es zum Urteilsspruch kommt. Neuerdings mit erfreulicher Offenheit.
Okay, wir haben Heiner Flassbeck und viellicht noch Rudolf Hickel. In Frankreich rotten sich aber gleich Scharenweise Ökonomen zusammen und nehmen den Neoliberalismus nach Strich und Faden auseinander. Interessant: Wie radikal der Umbau der BRD vonstatten ging, sieht man anhand ähnlicher Strategien in Frankreich, die aber nicht ganz so erfolgreich waren. Vor allem wohl deshalb, weil die Löhne dort nicht adäquat abgewürgt wurden.
Eine Analyse einschließlich entsprechender Maßnahmenvorschläge ist dieses Manifest. Besonders gut gefällt mir der deutliche Hinweis darauf, dass ein Staatshaushalt etwas völlig anderes ist als die Kasse der Schwäbischen Hausfrau. Die Argumentationen unserer “Elite” taumeln ins Lächerliche.
Was ist eigentlich los mit dir? Alles gut auf eurer verbrannten Erde? Ihr habt keine Chance, das Geld fließt immer schneller in die ganz großen Taschen, jeder Grund und Boden ist längst verscherbelt. Wer nicht reich ist – und das sind ja nun mal die wenigsten von euch -, hat nur eine Perspektive: Arm werden oder bleiben. Was euch dann erwartet, ist nicht mehr das Schwarze unter dem Nagel. Nach Bankenrettung zwo und drei erwartet euch nämlich nicht einmal mehr kein Existenzminimum, sondern nicht mal keins mehr. Na und? geht ihr halt zu Mäckes oder was?
Die Generation meiner Eltern hat gegen die Nazis in den Chefetagen demonstriert, gegen Faschismus, Kapitalismus und für den Sozialismus. Es gab noch Streiks, echte Lohnerhöhungen und das Wort “Solidarität”, das auf sozial Schwächere angewendet wurde.
No Future not
Meine Generation war schon ziemlich desillusioniert, aber wir sind immerhin noch auf die Straße gegangen, um gegen die Studienbedingungen zu protestieren, die ihr jetzt normal findet. Auch wir hatten noch eine klare Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit. Selbst im Parlament saßen damals zwei Parteien, die solche forderten und der herrschenden Kohl-Regierung entgegentraten, wenn der Sozialabbau zu weit gehen sollte.
Dann kamen nacheinander die “Vereinigung”, eine neoliberale Regierung in rotgrün, eine neoliberale Regierung in schwarzrot und eine neoliberale Regierung in schwarzgelb. Seitdem gibt es für die Unterschicht und einen guten Teil der Mittelschicht fast nichts oder gar nichts mehr. Alles muss man sich kaufen: Schulbildung, Studium, Rente, Krankenversicherung, etcetera etcetera. Da sich die meisten das nicht leisten können, wird das, was früher selbstverständlich war, inzwischen zum Luxusgut.
Da sprechen wir dann noch nicht einmal wirklich von Politik. Zu unserer Zeit und der unserer Eltern wussten wir zwar schon, was der Kapitalismus anrichten kann, er war aber noch nicht wieder so weit und präsentierte sich eine Zeitlang recht gnädig. Wir wollten trotzdem etwas anderes.
Das war vor Jahren. Inzwischen kommen Sozialhilfeempfänger für den Luxus inkompetenter krimineller Banker auf, wofür man sie dann auch noch beschimpft. Schon bemerkt?
SDS vs. DSDS
Eure Eltern gehen heute schon “hartzen” oder haben noch Angst davor, dass sie auch bald dabei sind. Oder sie gehören zu denen, die noch verdrängen, dass es auch sie treffen kann. Oder sie sind auf der sicheren Seite und kloppen asoziale Sprüche über “Sozialschmarotzer”. Das Leben ist schön, oder?
An Rente braucht ihr gar nicht zu denken. Egal, ob ihr euch von den Merkels verkaspern lasst und den Rürups, Maschmeyers und Riesters die Taschen füllt, egal ob ihr brav malochen geht und einzahlt, das wird euch am anderen Ende eh verzockt, so oder so. Dafür sorgen treu die Freunde unserer demokratisch ausgewählten Freunde dieser Freunde.
Alles paletti? Kinder, ich bin aus der Generation “No Future”. Was wir an ‘keine Zukunft’ hatten, war glänzend, gut und gülden gegen die Ruinenlandschaft, in die ihr hinein marschiert. Und? Erst mal chillen, wird schon nicht so übelst krass oder wie? Nee, das ist nämlich nicht einmal das Rudiment eines Ausdrucks dafür, was euch erwartet.
Wenn ihr nicht langsam mal den Arsch hochkriegt und kaputt macht, was euch kaputt macht. Aber wen frage ich? Ihr tauscht euch ja sicher schon bei facebook aus. Über das Dschungelcamp und die tollen neuen Angebote beim Gammelfleischbräter. Nicht über FZS oder SDS, dafür aber über GZSZ und DSDS. Man muss halt Prioritäten setzen.
Es ist schon deprimierend, wie die deutsche Hofjournaille von Springerbis SpOn ihre Leser verdummt und nachgerade untertänig der Kanzlerin huldigt. Ohne jede erkennbare Ironie wird die stets bestens geölte Opportunistin post festum zur “Revolutionärin” verklärt.
Einst war sie FDJ-Funktionärin und mutmaßlich als IM Erika in die jahrelange Observation von Robert Havemann verstrickt, mit besten Kontakten zu denen, die ihr Fähnchen in Windeseile von Hammer und Zirkel befreit haben, um von den sozialistischen Ost- in die marktwirtschaftlichen Westparteien zu wechseln. Dazu war für die Blockflöten ja nicht einmal eine Unterschrift nötig. Die glühenden CDU-Kommunisten der DDR wurden ohne Umweg zu Antikommunisten der BRD-CDU. Überhaupt ist die Geschichte der DDR-Blockparteien das traurigste Kapitel der sogenannten “Wende”.
Während die einen also Haftstrafen und andere Schikanen riskiert haben, marschierte Fräulein Kasner/Merkel stramm in Reih und Glied. Zwanzig Jahre später nennt sie dies und ihre durch bekannte Funktionäre protegierte Karriere “Revolution”. Allein das wäre Grund genug, sie daran zu erinnern, wer auf welcher Seite steht und stand, und zwar lautstark und handgreiflich. Zumal die unverfrorene Lüge auch noch medial verstärkt wird.
Aktive Geschichtsschreibung
Wes Geistes Kind sie ist und wie sie sich an ‘ihre Revolution’ erinnert, spricht freilich wieder Bände. Die D-Mark hätte sie haben wollen, und es hätte ihr und ihren Korevolutionären gar nicht schnell genug gehen können. Nicht die verkrusteten Strukturen der DDR, die Ignoranz der Geronten im Politbüro, Meinungs- oder Reisefreiheit waren also das Motiv für die Montagsdemonstrationen, sondern die Ost-Mark. Das nenne ich “Aktive Geschichtsschreibung”.
Montagsdemonstrationen gegen die Arroganz der Macht und die Entrechtung des einfachen Volkes gab es übrigens auch noch 15 Jahre Später in der BRD. Auch diese wurden z.T. brutal niedergeknüppelt. Vielleicht hätten die Organisationen der Demonstrationen auch die D-Mark fordern sollen.
Wusste, wie man revoluzzt …
Nun gibt die gestandene Währungsrevolutionärin also den Ägyptern Tips, wie man revoluzzt: Indem man sich nicht auflehnt, geduldig wartet und die nötigen Reformen denen überlässt, die sich damit auskennen. Wir holen uns derweil den von der Kanzlerin persönlich schon geküssten Staatschef ins Land und begrüßen ihn zu seinem Aufenthalt in einer Luxusklinik. Dabei lassen wir ihn ehrerbietigst bitten, bei Gelegenheit zu überprüfen, ob die Anwendung von Gewalt gegen das Volk auch unter Einhaltung der Menschenrechte möglich wäre. Wir machen das ja auch so, und schließlich sind es unsere Waffen, mit denen sein Militär schießt. Das wäre doch nur fair.
Auf der einen Seite also Mubarak, auf der anderen die Aufständischen. Wer würde Angela Merkel nicht spontan zu den letzteren stellen? Die Journaille hat sich jedenfalls so entschieden. Das ist es, was ihre visionäre Qualität ausmacht. Deshalb laufen ihnen die Leser ja auch in Scharen zu.
Jörg Bergstedt und seine Aktivisten der “kreativen Antirepression” sind in die Mühlen von Justiz, Polizei und Hessens versammelter Staatsmacht geraten. Nur das Bundesverfassungsgericht und das LKA, das sich nicht in den Korpsgeis der Behördenmacht hat einbinden lassen, konnten einen Skandal eindämmen, der ebenso tragikomische wie erschreckende Züge trägt. Hier entblößt sich die dikatorische Gesinnung einer an Dummheit und Willkür nicht zu überbietenden Kaste von Strafverfolgern.
Herr Bergstedt ist offenbar persona non grata nicht nur bei den Betroffenen der Aktionen, für die er mit gewisser Prominenz steht, sondern ebenso bei den deutschen Massenmedien, die es nicht für nötig halten, die Geschichte öffentlich zu machen. Dabei ist sie eine Realsatire, zum Brüllen komisch und doch beängstigend, ein Boulevardthema gleichermaßen wie die Aufforderung an die ehemals vierte Gewalt, sich Behörden vorzuknöpfen, die jede Rücksicht auf rechtsstaatliche Prinzipien vermissen lassen.
Dass sich dergleichen wirklich in jeder anderen Stadt und jedem anderen Bundesland zutragen könnte, mag nicht ganz falsch sein. Dass es sich in Hessen, rund um Kanzlei und Wohnsitz von Volker Bouffier zugetragen hat, mag ich freilich auch nicht glauben.
Der Vortrag der Geschichte ist großes Kino in einfachster Inszenierung und zweiffellos die Zeit wert, sich ihn anzuschauen.
Ich habe erst heute erfahren, dass Rudolf Elmer gleich wieder in U-Haft genommen wurde, nachdem er für die Veröffentlichung der Daten von Steuerbetrügern in der Schweiz zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Bankdaten aus einer Niederlassung auf den Cayman Islands, übergeben an einen Australier in London, führen also dazu, dass ein Mann in der Schweiz verhaftet wird. Der Grund: Weil die Angeschmierten Schweizer Banker und die von ihnen betreuten Steuerbetrüger sind. Und obwohl Elmer quasi einen Freispruch zweiter Klasse wegen desselben Delikts erfahren hat, ist er jetzt so gefährlich, dass man ihn einsperren muss?
Das ist dann wohl die juristische Variante der ‘Globalisierung’. Während den Menschen weisgemacht wird, man müsse Löhne drücken und an den Sozialetats sparen, weil das Kapital und seine Eigentümer sonst abwanderten, werden Leute weltweit verfolgt, wenn sie Verbrechen öffentlich machen. Großbesitzer, die ihr Vermögen ins Ausland schaffen, seien dort unerreichbar, alle anderen aber können jederzeit aus fadenscheinigen Gründen festgenommen werden – weltweit.
Der Kapitalismus sperrt seine Bürger nicht im eigenen Land ein, indem er eine Mauer um halb Europa baut. Hier gibt es ganz normale Knäste mit ganz normalen Gefängnismauern, in die man selektiv Menschen sperrt, die sich mit den Großen und Mächtigen anlegen. Das Gesetz schützt diese ohne jede Scham und unter Missachtung seiner eigenen Grundlagen.
Methoden “demokratischer Rechtsstaaten”
Wo das zu auffällig erscheint, gibt es andere Mauern, die man hochziehen kann. Da werden Steuerfahnder wie Rudolf Schmenger und seine Kollegen psychiatrisiert, das wirkt noch besser als eine Haftstrafe. Diese Methoden sind die sogenannter “demokratischer Rechtsstaaten”, und nicht einmal die Presse interessiert sich dafür. Im Gegenteil muss man deren Schweigen angesichts der Ausmaße dieser Skandale und deren Relevanz für die gesellschaftliche Wirklichkeit schon als Vertuschung betrachten.
Es wird nicht helfen, das werden die Schergen der Investoren und Leistungsträger noch zu lernen haben. Selbst wenn man die Maßnahmen der Unterdrückung so weit ausdehnt, dass sich eine offene Diktatur entblößt, ist da nichts zu gewinnen. Die Geheimniskrämerei der Mauschelclubs ist durch das Internet passé, und es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man marschiert in die technologische Steinzeit zurück und kappt den Zugang zum Netz endgültig oder es wird immer welche geben, die für Öffentlichkeit sorgen. Da nützt es gar nichts, einzelne zu verhaften. Wenn die drangsaliert werden, ist es nämlich längst zu spät, und hinter jedem von ihnen stehen Zehntausend, die ihre Arbeit fortführen.
Interessant in diesem Zusammenhang sind zwei aktuelle Meldungen. Die erste betrifft Wikileaks, das offenbar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen werden soll. Die zweite betrifft einen anstehenden Einmarsch im Katar. Die haben nämlich Terroristen beherbergt und obendrein eine Menge Öl. Lecker.
p.s.: Ich schätze, Rudolf Elmer wird nicht am Kongress teilnehmen können, wir werden versuchen, ihn würdig zu vertreten. Rudolf Schmenger wird anwesend sein.
jetzt mobben sie wieder, die Brutalaufklärer, Wahrheitssager und Moraljuroren der Hessen-CDU. Nachdem sie die jüdischen Vermächtnisse verprasst, die Steuerfahndung psychiatrisiert und ihren Chef den Kumpanen von Bilfinger Berger überantwortet haben, fehlt es wohl an Ideen für den Wahlkampf. Man will ja nicht schon wieder ‘Ausländer raus’-Propaganda machen, das wird allmählich langweilig. Also nimmt man sich mal wieder die Ypsilanti Andrea vor, auf die ist immer gut Einprügeln. Da hat sie doch tatsächlich das Wort vom “demokratischen Sozialismus” in den Schandmund genommen, Mauer, Stacheldraht und Lötzschsinn!
„Kann, will oder traut sich Schäfer-Gümbel nicht, Ypsilanti in ihre Schranken zu weisen?“ fragt der CDU-Fraktionschef Wagner und droht mit der Linksfront-Keule.
„Kann bei denen eigentlich keiner mehr lesen?“, frage ich mir derweil.
“Den Menschen verpflichtet, in der stolzen Tradition des demokratischen Sozialismus, mit Sinn für Realität und mit Tatkraft stellt [sie] sich in der Welt des 21. Jahrhunderts [...] ihren Aufgaben“, steht schon in der Einleitung.
“Seit das Ziel der gleichen Freiheit in der Moderne zum Inbegriff der Gerechtigkeit wurde, waren und sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundwerte des freiheitlichen, demokratischen Sozialismus. Sie bleiben unser Kriterium für die Beurteilung der politischen Wirklichkeit, Maßstab für eine bessere Ordnung der Gesellschaft, Orientierung für das Handeln” heißt es im Kapitel “Grundwerte”
und, im eigens dafür erstellten Kapitel “Demokratischer Sozialismus“:
“Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist“.
Das ist aus dem aktuellen Parteiprogramm der SPD, das kann der Schäfer-Gümbel der Ypsilanti nicht einfach verbieten. Okay, der gebildete Funktionär weiß: Die verfasste Sozialdemokratie meint das gar nicht so. Dass sie es dennoch so aufgeschrieben haben, gehört freilich zum sozialdemokratischen Wesen. Das kann man wissen als Funktionär einer ‘Volkspartei’.
Und wenn dann jemand wirklich ausspricht, was im Programm steht, ist das ein Fauxpas, der vorkommen kann. Das muss man schon aushalten können.
Nicht ganz zufällig ist wohl die Assoziation mit dem ersten Gang aufs Töpfchen, wenn von “Stolz” die Rede ist. Wer sich partout nicht aus der analen Phase lösen kann, ist vermutlich dauernd stolz auf irgendetwas, und vermutlich um so stolzer, je strenger das riecht.
Einen solchen Dung verehren darum auch offensiv die Rechten und ganz Rechten sowie die Kämpfer für die Innere Sicherheit, jene Expertenkaste, die stetig Angstpolitik und Ausländerfeindlichkeit mit Leidenschaft zu einer braunen Melange anrührt.
Als Innenminister muss man so gestrickt sein, und De Maizière steht da seinen Vorgängen Schäuble und Schily in nichts nach. Ernsthaft hat die politisch-mediale Begleitlyrik die letzte Panikattacke der Berliner Terrorsirene unisono als “besonnen” besungen. Es wurde zwar schon der nächste Reichstagsbrand beschworen und man war sich nahezu sicher, dass im November der islamistische Terror endlich auch in Deutschland Station machen würde. Es war auch Konsens, dass alles zu melden sei, was nicht bekannt, normal und unauffällig war. Aber das war noch besonnen – wir können nämlich auch ganz anders?
“Die Bürger hätten ihre freiheitliche Lebensführung beibehalten und der Bedrohung damit die Spitze genommen. “Hierauf können wir gemeinsam stolz sein.” Die Sicherheitsbehörden gingen auch künftig allen Hinweisen nach. Eine Garantie gebe es aber nicht, die Bedrohung abzuwenden“,
zitiert die “Zeit” und hält es nicht für nötig, ein Wort der Distanzierung von dieser Lächerlichkeit anzufügen. Dass also die meisten schon gar nicht mehr zuhören, wenn der eh falsche Alarm gegeben wird und nur wenige sich zu Denunziationen haben hinreißen lassen, darauf möchte der Herr jetzt “gemeinsam stolz” sein. Gemeinsam mit wem eigentlich? Macht da irgendwer mit?
Eine Garantie, nicht bedroht zu werden, gibt es nicht, das stimmt. Es gibt auch immer wieder Terror mit Todesopfern in Deutschland. Diese sind aber vermutlich selbst schuld. Man muss ja nicht komisch aussehen und sich dann auch noch in No-Go-Areas herumtreiben.
Selbst der Neoliberalismus könnte nicht funktionieren, wenn er im Kern nicht auf Zustimmung für einige seiner Dogmen stieße. Dazu gehören nicht nur die eingeübten Mechanismen und die Wiederholung der Parolen, sondern auch sehr reale Sorgen um die Frage nach einer Alternative. In meinen Gedanken zum Komplex von Selbstsorge und Fürsorge mache ich selbst keinen Hehl daraus, dass die individuellen Motive, sich an produktiver Arbeit zu beteiligen, im Kapitalismus hervorragend besorgt sind: Durch den Zwang zur Arbeit aus Angst vor der Not und das Streben, sich als Einzelner ‘unabhängig’ zu machen, indem man so viel hortet, dass die Not nicht mehr droht zum Beispiel.
Die Gesellschaften sind noch Lichtjahre entfernt von dem Zustand, in dem Einsicht das Handeln der Menschen bestimmt. Die Entsolidarisierung ist nicht nur weit vorangeschritten, es ist auch gefährlich, auf Solidarität zu bauen, weil sie schwer zu organisieren ist und ihr Scheitern wiederum individuelle Not hervorruft.
Soll also eine Alternative zur unsozialen Mentalität der Selbstsorger eine Chance haben, muss ein Modell, das auf Fürsorge bzw. Solidarität beruht, entsprechend attraktiv sein. Den Phantasien vom Lottogewinn und der Herrenmoral von der Gerechtigkeit der ungerechten Verteilung muss also etwas entgegen gehalten werden, das nicht nur plausibel ist, sondern im täglichen Tun und Lassen Ziele setzt.
Die Coaches der Drückerkolonnen sogenannter “Finanzoptimierer” ködern ihre Wasserträger damit, sich selbst materielle Ziele zu setzen. Ein Auto, ein Pferd, eine Jahreskarte für den Puff, was auch immer. Der Antrieb ist unmittelbar zu wecken und sein Ziel plastisch darstellbar. Die von Einsicht geprägten Gedanken, dass man diese Ziele ggf. nie erreicht und sie auf dem Ausnutzen der Mitmenschen beruht, beeinflussen den Prozess kaum.
An dem Punkt komme ich nicht recht weiter. Ich habe keine Idee, die auch nur annähernd an die Effizienz der organisierten Gier herankommt. Selbst wenn man Staat und Wirtschaft mal eben umkrempeln könnte, bleiben die Fragen offen: Wofür tun, was zu tun ist? Wie daran glauben, dass das funktioniert? Wie davon die Menschen überzeugen? Wer zwei dieser Fragen befriedigend beantworten kann, bekommt ein lebenslanges Gratisabo von Feynsinn.