ausbrotSelbst der Neoliberalismus könnte nicht funktionieren, wenn er im Kern nicht auf Zustimmung für einige seiner Dogmen stieße. Dazu gehören nicht nur die eingeübten Mechanismen und die Wiederholung der Parolen, sondern auch sehr reale Sorgen um die Frage nach einer Alternative. In meinen Gedanken zum Komplex von Selbstsorge und Fürsorge mache ich selbst keinen Hehl daraus, dass die individuellen Motive, sich an produktiver Arbeit zu beteiligen, im Kapitalismus hervorragend besorgt sind: Durch den Zwang zur Arbeit aus Angst vor der Not und das Streben, sich als Einzelner ‘unabhängig’ zu machen, indem man so viel hortet, dass die Not nicht mehr droht zum Beispiel.

Die Gesellschaften sind noch Lichtjahre entfernt von dem Zustand, in dem Einsicht das Handeln der Menschen bestimmt. Die Entsolidarisierung ist nicht nur weit vorangeschritten, es ist auch gefährlich, auf Solidarität zu bauen, weil sie schwer zu organisieren ist und ihr Scheitern wiederum individuelle Not hervorruft.

Soll also eine Alternative zur unsozialen Mentalität der Selbstsorger eine Chance haben, muss ein Modell, das auf Fürsorge bzw. Solidarität beruht, entsprechend attraktiv sein. Den Phantasien vom Lottogewinn und der Herrenmoral von der Gerechtigkeit der ungerechten Verteilung muss also etwas entgegen gehalten werden, das nicht nur plausibel ist, sondern im täglichen Tun und Lassen Ziele setzt.

Die Coaches der Drückerkolonnen sogenannter “Finanzoptimierer” ködern ihre Wasserträger damit, sich selbst materielle Ziele zu setzen. Ein Auto, ein Pferd, eine Jahreskarte für den Puff, was auch immer. Der Antrieb ist unmittelbar zu wecken und sein Ziel plastisch darstellbar. Die von Einsicht geprägten Gedanken, dass man diese Ziele ggf. nie erreicht und sie auf dem Ausnutzen der Mitmenschen beruht, beeinflussen den Prozess kaum.

An dem Punkt komme ich nicht recht weiter. Ich habe keine Idee, die auch nur annähernd an die Effizienz der organisierten Gier herankommt. Selbst wenn man Staat und Wirtschaft mal eben umkrempeln könnte, bleiben die Fragen offen: Wofür tun, was zu tun ist? Wie daran glauben, dass das funktioniert? Wie davon die Menschen überzeugen? Wer zwei dieser Fragen befriedigend beantworten kann, bekommt ein lebenslanges Gratisabo von Feynsinn.