2011
Yearly Archive
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Politik[35] Comments 12. Nov 2011 15:46

Wenn man den Begriff “Verräter” in eine Überschrift stellt, muss man sich vorsehen, denn nicht wenige Leser werden diesen spontan mit der SPD verknüpfen. In diesem Fall ist das auch in Ordnung, denn es geht um Claus Schmiedel. Den kennt zwar keiner, aber er wird dafür sorgen, dass das bundesweit bekannte Projekt Stuttgart21 durchgezogen wird. Mehr noch: Die Schlichtung wird im Nachhinein verhöhnt, weil geradezu demonstrativ Argumente ignoriert und stattdessen parteiinterne Machtspielchen entscheiden werden.
Dabei ist die SPD Juniorpartner einer von Grün geführten Landesregierung, und die Partei ist sich alles andere als einig. Das alles erinnert schwer an den Fall Ypsilanti, wo das Verrätergewissen der vier SPD-Rechten dafür sorgte, dass die Demokratie von der Koch-Bouffier-Bande vor dem Einfluss der Linken gerettet wurde. Es ist so dankbar, mit der SPD zu arbeiten. Es müssen nur ein zwei Leute von denen korrumpiert oder Abweichler gefördert werden, dann hat man den Laden im Griff.
Wer oder was ist die SPD?
Wenn die TAZ also schreibt: “SPD kontert Studie der Grünen“, dann ist das nicht richtig. Beziehungsweise ist es nur dann richtig, wenn man die “Sozialdemokraten” als Gefäß betrachtet und das mit ihnen identifiziert, was gerade oben heraus schwappt. Mit Claus Schmiedel ist es gar der Fraktionschef, der sich die Opposition gegen seinen Ministerpräsidenten zu eigen gemacht hat. Damit steht er aber noch lange nicht im Einklang mit seiner Partei, die zumindest zerrissen ist.
Schmiedel nimmt auf all das keine Rücksicht und erfüllt einsam seine Mission. Er war sich nicht einmal zu schade zu erklären: “Über dem Bahnprojekt Stuttgart 21 liegt Gottes Segen“. Zwar sei dies eine Replik auf die Erklärung der “Pfarrer gegen Stuttgart 21“, aber Schmiedel hat offenbar nicht verstanden, dass es für Pfarrer zum Geschäft gehört, mit Gott zu argumentieren. Darauf politisch zu antworten, fällt ihm offenbar ebenso schwer wie auf detaillierte Anfragen bei “Abgeordnetenwatch”. Dort geht er nur mit Schlagworten auf ihm genehme Anfragen ein.
Jene Details, in denen der Teufel liegt (ein Beispiel hier als pdf) speist Schmiedel mit erfundenen Zahlen à la Mappus ab und überbietet noch die worst case-Szenarios der Bahn, Diagnose: alternativlos. Es gibt nichts Wichtigeres für Schmiedel, so ist auf seiner Homepage S21 derzeit mit fünf Beiträgen dazu das einzige Thema auf der Frontseite.
Ich, die CDU und die Industrie
Man fragt sich, wie ein Ministerpräsident mit einer Fraktion koalieren kann, deren Chef sich derart vehement gegen die politische Linie der Partei seines Chefs richtet. Man fragt sich, wieso die SPD-Fraktion einen in diese Funktion wählt, der offenbar vor allem sich selbst und dann zuerst seine Freunde aus CDU und Industrie vertritt. Man fragt sich, wieso noch irgendwer die SPD wählt, wenn man nie weiß, wer für wessen Interessen von ihren U-Booten verraten wird. Denn eines ist gewiss: Die Richtlinien dort bestimmen stets von außen ‘geförderte’ Abweichler.
Politisch hat Schmiedel erreicht, was CDU und FDP nie und nimmer mehr gelungen wäre: Dass die blanke Propaganda den Prozess der Information, der durch die Schlichtung zustande gekommen war, wieder überlagert. Schwarzgelb hätte das niemand mehr geglaubt, man hätte ihnen auch nicht mehr gestattet, so aufzutreten. Anstatt also auf dem Hintergrund wohl diskutierter Fakten entscheiden zu können, wird das Wahlvolk jetzt doch noch in einen tumben Glaubenskrieg geschickt.
Von vornherein ist klar, dass das keinen Frieden bringt und eher die Koalition spaltet. Bei der nächsten Wahl wird die SPD dann vielleicht einstellig abschneiden, aber was ficht’s den Funktionär an, der dann halt mit der CDU regiert?
Am Ende fragt man sich also, worauf das für Schmiedel hinausläuft. Er wird ja nicht ewig nur Aufsichtsrat (der Landesbank Baden-Württemberg) bleiben wollen. Als gelernter Parteifunktionär und Berufsschullehrer ist er sicher zu Höherem berufen. Wir werden das beobachten.

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Wirtschaft[147] Comments 11. Nov 2011 13:40
Banker mal anders: Sparda-Chef Lind über die Krise als Chance
Merkels Ruine Europa, Luebberding über das Unsinkbare mit einem interessanten Beitrag des Chefvolkswirtes der Deutschen Bank.
Robert Misik fasst zusammen, warum es kommt wie es kommen musste.
Rainer Hank demonstriert in der FAZ, was von neoliberalen Argumentationen zu halten ist: Ernsthaft verklickert er, die Märkte stünden für “Rechtsstaatlichkeit” gegenüber einer “hemmungslosen Mehrheitsdemokratie“, die er unter der Hand zur “Diktatur der zufälligen Mehrheit” erklärt. Rechtsstaatlichkeit bedeutet ihm nichts anderes als Schutz des Eigentums. Dass es einen Konflikt geben kann zwischen diesen beiden Prinzipien, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Bring’ Se ma nen Eimer!
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Politik[14] Comments 10. Nov 2011 21:09
Lobbykratiekritik
Das Prinzip des Lobbyismus nicht ganz verstanden haben einige bei Lobbycontrol. Der Versuch einer Auszeichnung mit der “Lobbykratie-Medaille 2011″ zeichnet ein verharmlosendes Bild von denen, die da ausgezeichnet werden könnten. Die durchsichtige Aktion einer Spielhöllen-Kette mit den Machenschaften der Deutschen Bank zu vergleichen, geht einfach gar nicht. Genauso wenig geht ein Einzelfall aus dem Leben des Josef Ackermann. Geht doch mal hin und malt ein schönes großes Schaubild, wen die Ackermänner wann wie ‘gefördert’ haben und wo deren Bedienstete gleich direkt politisch mitgemischt haben. Oder noch besser: Den kompletten Filz der Finanzwirtschaft mit der Politik auf einen Blick. Das wäre Lobbykratiekritik nach meinem Geschmack.
Ein Exportweltmeister aus Deutschland
Kann nicht sein: Heckler und Koch zahlt Schmiergelder? Heißt das am Ende noch, dass die bewusst Waffen nach Libyen geliefert haben? Und nach
Ägypten, Äquatorialguinea, Äthiopien, Afghanistan, Albanien, Algerien,Andorra, Angola, Antigua und Barbuda, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Australien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Barbados, Belgien, Belize … ?
Chinas Säcke fallen nicht um
In China fällt kein Sack Reis um. Das Zeug wird dort wie überall sonst auch liegend gelagert. In Berlin trauern Piraten mit ohne Helm ab. Im Tiergarten ist ein Eichhörnchen eingeschlafen. Die CDU ist empört. Die Bundesmarine wurde informiert.
Niemand hat die Absicht …
Die Russen stellen fest, dass dementiert wurde, was niemand gesagt haben kann. Es ist ja auch gar nicht denkbar, was nicht machbar ist, weil es nicht sein kann, dass das sein darf. Nur noch Frankreich mit gleicher Münze zeigen, was eine Handelsbilanz ist, macht keinen Spaß. Wir wollen weiter “Weltmeister und Defizitsünder” spielen, bis der letzte Europäer durchgeklatscht ist und seinen Platz für einen ehemaligen Goldman Sachs-Jünger räumt. Da geht noch was, bis wir die Demark wieder einführen und all das kaufen, wo wir vierundvierzig nicht mehr hingekommen sind.
Alle Hesse sind Väbräschä
Beziehungsweise paranoid-querulatorisch:
Polizist: Herr Richter, wir möchten gern eine unbegründete Hausdurchsuchung genehmigt haben.
Richter: Nein!
Polizist: Herr Richter, wir möchten gern eine unbegründete Hausdurchsuchung gegen sehr böse Menschen genehmigt haben.
Richter: Nein!
Polizist: Herr Richter, das sind Whistleblower, die müssen abgestraft werden!!1!
Richter: Nein! Ihr habt sie wohl nicht alle?!
Der letzte Satz ist die große Überraschung in dem kleinen Drama. Kriegt die Hessenmafia jetzt gar nichts mehr auf die Kette? Müssen wir uns Sorgen um Bouffier machen? Oder Rhein? Oder Koch oder Weimar? Oder wenigstens Blum? Ja sicher, denn:
“Die Opposition im Landtag [...] forderte Aufklärung von Innenminister Boris Rhein“. Brutalst möglich! Muuhahahahaaaaa

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Politik[161] Comments 09. Nov 2011 18:24
Lucas Zeise weist heute sehr nüchtern und in aller Kürze darauf hin, dass zwei Bedingungen mindestens erfüllt sein müssen, wenn die aktuelle Krise nicht sehr bald die letzte des Kapitalismus sein soll: Die Wiederherstellung der Souveränität von Notenbanken über die Währung – ohne dass privaten Banken ihre Gewinne bei der Geldschöpfung auf ewig garantiert werden -, und die Rückführung des Kapitals von den Halden, auf denen es sich ansammelt, also eine Umkehrung der Verteilung wie sie heute vonstatten geht: von Arm zu Reich.

Am Rande seiner Ausführungen weist Zeise auf die Karrieren der Zentralbänker, Issing und Weise, hin und mutmaßt, dass deren Motto lautet:
“Der Gewinn dabei muss wie bisher bei den Privaten anfallen.”
Weise ist nach getaner Arbeit bei Goldman Sachs untergekommen, die nicht nur eine der größten, sondern vor allem die einflussreichste Investmentbank der Welt sein dürfte. Ihre Mitarbeiter durchseuchen die Administrationen der Welt, vor allem die der USA, wie kein zweites Unternehmen. Wer nicht vorher schon bei GS war, wird häufig nach zufriedenstellender ‘staatlicher’ Tätigkeit im Sinne der Firma eben nachher mit einem Posten belohnt. Wozu wählen, wenn ohnehin das Kapital den Staat regiert? Sehr witzig übrigens, wenn es dann obendrein heißt, der Staat könne nicht wirtschaften.
Die große Drehtür
Sie sitzen überall, heute wird gemeldet, dass der US-Botschafter, der in Berlin die Noten für die Bundesregierung vergibt, “23 Jahre in Diensten der New Yorker Investmentbank Goldman Sachs” war. Da kommt kaum mehr ein Verschwörungstheoretiker mit. Der Filz ist derart komplett, da braucht niemand mehr ein Bilderberg, die Interessenwahrnehmung geht täglich per Mail oder Telefon – man kennt sich halt.
Selbstverständlich ist GS nur eine Firma von vielen, die jegliche wichtigen staatlichen Institutionen des Westens infiltriert haben. Die Rolle Ackermanns ist bekannt, die UBS, Credit Suisse, Bank of America/Merrill Lynch, Morgan Stanley oder JP Morgan Chase sind bestens vernetzt. Ganz nebenbei decken sich deren abenteuerliche Modelle mit dem, was so gemeinhin gelehrt wird an den Akademien der Krawattenträger. Sie beanspruchen also die Alleinexpertise über die Vorgänge an den Märkten und sorgen in Schulterschluss mit anderen Lobbyisten dafür, dass niemand eine relevante ökonomische und politische Entscheidung trifft, die nicht in ihrem Sinne ausfällt. Ich formuliere das bewusst so allgemeingültig, denn das ist die Realität der “Alternativlosen”.
Es mögen für die einen wieder nur ‘irrelevante’ Details sein, die den anderen womöglich übertrieben erscheinen, aber das System beruht nicht zuletzt darauf, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Dabei ist es recht einfach: Wenn eine Firma wie Goldman Sachs existieren darf, ist Demokratie vollkommen unmöglich, und wenn eine solche Firma auf die von ihr praktizierte Weise weltweit agieren darf, dann gilt das weltweit. Dies sind keine “Auswüchse” des Kapitalismus, sondern das Resultat perennierender Korruption, die der Macht des Eigentums innewohnt. Man kann das eine nicht ohne das andere haben.
Kapitalismus vs. Politik
Nun ist es unzweifelhaft noch immer so, dass theoretisch demokratisch legitimierte Mächte – Parlamente und Regierungen – diesem Treiben Einhalt gebieten könnten. Dies würde aber voraussetzen, dass solche Parteien Mehrheiten erzielen, die Politik als Gegenmacht zum Kapitalismus betrachten. Und dabei müsste noch wachsam darauf geachtet werden, dass diese Parteien, von der in der BRD nur eine existiert, nicht gleichermaßen korrumpiert wird. Es gibt da keinen gangbaren Kompromiss. Wer wie die etablierten Parteien und die Lobbyisten der Reichen den Kapitalismus befürwortet, entscheidet sich unmittelbar gegen die Demokratie. Schlimmer noch: Er entscheidet sich gegen die Möglichkeit von Politik. Es ist absurd, wie die Mehrheiten sich bislang entschieden haben. Die PR-Abteilungen haben ganze Arbeit geleistet.
Ich erlaube es mir daher, die Sache auf einen Punkt zu bringen: Wer der Ansicht ist, es sei nicht richtig, die Investmentbanken und ihre Teilhaber zu enteignen, ist folgerichtig für die Entmachtung der Politik. Er vertraut sich voll und ganz der Plutokratie an.
[Update: Nachlässigerweise vergaß ich den neuen EZB-Chef Mario Draghi zu erwähnen. Von 2002 bis 2005 war er Vizepräsident bei Goldman Sachs in London.]
[Update2: Der designierte italienische Ministerpräsident Mario Monti war zwischen 2004 und 2008 Aufsichtsratsmitglied des Brüsseler Think Tanks BRUEGEL; deren Firmenmitglieder: Areva, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Électricité de France, Ernst & Young, Erste Group, GDF Suez, Goldman Sachs, Google, Microsoft, Novartis, Pfizer, Qualcomm, Renault, Samsung Electronics, Solvay, Syngenta, Unicredit.]
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Journalismus[55] Comments 08. Nov 2011 16:26
Sie ist ja nach wie vor eine meiner Lieblinge, die Frankfurter Rundschau, aber ich mache mir große Sorgen. Ein Artikel, der seltsamerweise auf den 16.06. datiert ist, wurde vor einigen Tagen als Klickstrecke dort eingebaut. Er ist eine Art Krisenszenario, das mit dem offenbar Schlimmsten endet: Einer absoluten Mehrheit der Linkspartei, der natürlich der totale Untergang folgt.

Gilt als Revolutionsopfer: Geschummelter griechischer Hahnenkämpfer
Das Stück ist stilistisch wie logisch ein Teil für die Tonne. Es setzt gerade dort an, wo eine Perspektive erweitert werden könnte: Was wäre, wenn Deutschland in der Lage der Griechen wäre? Was dann aber kommt, taugt nicht etwa zu irgend einer Aufklärung oder Diskussion, sondern taumelt zwischen unfreiwilliger Komik und purer Propaganda. Wahlweise könnte es auch die schlechteste Satire des Jahres sein.
Nach der Linkspartei das Armageddon
Zitat:
“Bei abermaligen Neuwahlen erringt die Linkspartei eine absolute Mehrheit. Sie beschließt: Jetzt müssen die Unternehmen und die Reichen ran. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (Einnahmen 20-70 Milliarden Euro pro Jahr) scheitert zwar am Widerstand der von EZB und IWF. Dafür steigt der Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent (10 Milliarden Euro), die Erbschaftssteuer wird erhöht (5 Milliarden Euro), die Körperschaftssteuer steigt um 10 Prozentpunkte (12 Milliarden Euro). Dazu führen die Linken noch einen Soli auf Einkommensteuer und Körperschaftssteuer in Höhe von 10 Prozent der Steuerschuld ein (23 Milliarden Euro) und halbieren die Subventionszahlungen an Unternehmen (15 Milliarden Euro).
Damit hat Berlin die Konsolidierung halbwegs geschafft. Allerdings treten die Unternehmer in den Investitionsstreik und flüchten nach Monaco. An den Finanzmärkten stürzen Bundesanleihen ab. Die Wirtschaftsleistung bricht ein und Chaos aus. In allen großen Städten werden zentrale Plätze von Demonstranten besetzt. Das Land steht still, die Bundeswehr rückt ein. ”
Ich hätte diesen Mumpitz nicht erwähnt, wäre nicht heute ein Text nachgereicht worden, der auf peinlichste Weise den Lesern einen Mann anpreist, der dem Lohnschreiber gerade groß und wichtig erscheint. Schon die Überschritt ist unerträglich suggestiv:
“Lucas Papademos: Blitzgescheit und topseriös“.
Es bleibt nicht einmal eine Zeile zum Luftholen, in der man sich überlegen kann, was man von dem Kerl hält, einem Technokraten und Banker von der Art, wie ihn kritische Geister gerade nicht haben wollen. Was soll das überhaupt sein: “topseriös”? Entweder einer ist seriös oder er ist es nicht, aber top- mittel- oder halbseriös sind sinnlose Worthülsen.
Hat den Ruf, gilt als, friss das!
Was hat Autor Thomas Schmid anzubieten, um seine Behauptung zu stützen? Hörensagen:
“Papademos, ein Finanzexperte mit ergrautem Haar und buschigen Augenbrauen, hat den Ruf, blitzgescheit zu sein und vor allem topseriös.”
“Hat den Ruf”! Irgendwer sagt sich das also. Wer mag das sein? Linke? Banker? Transatlantiker? Verschwörungstheoretiker, Esoteriker oder Kleingärtner? Oder neoliberale Leitartikler vielleicht? Suchen Sie sich etwas aus.
Jedenfalls sind irgendwie Griechen gemeint, jene Griechen, die
“von ihrer politischen Klasse Schummeleien und Hahnenkämpfe gewohnt sind“. Auch dazu keinerlei Details, es ist der blanke verblödende Boulevard, der verstärkt, was der Leser gefälligst zu denken hat und dazu die Stereotypen raushaut wie Konfetti. Immerhin erfahren wir: Papademos ist Vizechef der Europäischen Zentralbank gewesen. Der geborene Regierungschef also. Wirklich interessant ist die Information, die freilich im luftleeren Raum schwebt:
“Von 1994 bis 2002 war er der Direktor der griechischen Notenbank. In dieser Zeit bereitete er zusammen mit der sozialdemokratischen Regierung Griechenlands Aufnahme in die europäische Währungsunion 2001 vor.”
Keine Frage
Wäre es nicht angebracht, an dieser Stelle aufzumerken und die eine oder andere Frage zu stellen? Was wusste Herr Papademos über den Zustand der griechischen Wirtschaft und des Staatshaushalts vor der Euro-Einführung? Kannte er die Lage? Wie konnte es dann zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone kommen? Oder wusste der Mann nichts von der realen Lage? Was taugt er dann? Und was ist das für eine “Demokratie”, wo einer die Regierung führt, der ganz offensichtlich andere Interessen vertritt als die seines Volkes?
Hätte man ja mal fragen können. Man hätte versuchen können, andere von seiner Meinung zu überzeugen oder diese zur Disposition stellen. Aber das ist wohl nicht nötig, denn der Bankenretter der Hellenen ist doch topst höchst unbezweifelbar seriös und vermutlich der klügste Professor Griechenlands.
Wenn ich so etwas haben will, muss ich nicht die FR lesen. Dann muss ich gar nichts lesen. In die Blätter, die das für Journalismus halten, lasse ich mir nicht einmal den Fisch einwickeln.

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Politik[16] Comments 08. Nov 2011 15:02
Ich gebe das mal weiter, was Avaaz heute auf dem Herzen hat, Der Außenlandser und Abwicklungshelfer der Entwicklungshilfe kommt auch drin vor:
In drei Tagen könnte Deutschland einen der letzten unberührten Naturschätze der Welt, den Yasuni-Nationalpark im ecuadorianischen Regenwald, vor zerstörerischen Ölbohrungen retten — aber nur, wenn wir jetzt handeln und einen beispiellosen Schutzplan unterstützen.
Der artenreiche Regenwald liegt auf einem gigantischem Ölfeld. Doch anstatt den Wald für kurzfristige Gewinne zu opfern, entschieden sich Ecuador und die UNO, den Park zur Bohrverbotszone zu erklären, sollten sich Länder an Ecuadors wirtschaftlicher Entwicklung beteiligen. Kanzlerin Merkel und der Bundestag versprachen ihre Unterstützung. Die für solche Projekte nötigen Gelder liegen bereit, aber FDP-Entwicklungsminister Niebel blockiert die Initiative. Nun liegt die endgültige Entscheidung beim Haushaltsausschuss — gezielter Druck kann den Ausschuss dazu bringen, Niebel die Stirn zu bieten und Yasuni zu retten.
Der Haushaltsausschuss trifft sich am Donnerstag und könnte die Gelder für Yasuni freigeben! Drängen wir die Abgeordneten, diesen innovativen Plan zum Schutz eines der wertvollsten Gebiete der Erde zu unterstützen und Deutschlands Führungsrolle beim weltweiten Klimaschutz wiederzubeleben. Unterzeichnen Sie die Petition zur Rettung Yasunis und leiten Sie sie an alle weiter — unsere Stimmen werden vor ihrem Treffen direkt an die Mitglieder des Haushaltsausschuss überreicht:
Bitte diesem Link folgen!
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Politik[24] Comments 07. Nov 2011 15:50
St. Bouffier
Wie soll Herr Bouffier etwas zu tun haben mit dem Justizskandal im Fall Bergstedt? Herr Bouffier ist nicht nur die inkarnierte Unschuld, es gilt für ihn auch in höchstem Maß die Immunität für Mitglieder der hessischen CDU und ihre Verwandten. Sollte Herr Bouffier überdies Justiz oder Polizei beeinflusst haben, dann muss er missverstanden worden sein. “Verhaften sie den sofort!” bedeutet nämlich bei Bouffiers “Bewegen Sie sich ausschließlich im Rahmen der geltenden Gesetze und beachten Sie die Gewaltenteilung!”. “Verurteilen Sie den, erfinden Sie zur Not Beweise!” heißt: “Führen Sie ein faires Verfahren durch ohne Ansehen der Person!”. Das weitere regelt die Generalamnesie.
FDP: Highway to Hell
Die FDP gewinnt – an Tempo auf dem Weg zur Hölle. Die Kombination aus Steuersenkungen und Schuldenbremse ist so bescheuert, da kommt außer denen kein Mensch drauf. Versprochen ist aber versprochen, und man darf froh sein, dass da keiner die Eier in der Hose und das Hirn im Kopf hat zu sagen: Wir haben seit Jahren nur Bullshit-Bingo geliefert, oft auch ohne Bingo. Unsere Konzepte sind gescheitert, wir haben uns geirrt und wir müssen wieder einen Freiheitsbegriff finden, der einen Sinn ergibt. Diese letzte Chance oder Notlüge könnte noch ins Fegefeuer führen, so aber lockt die ewige Verdammnis. Ich bin dafür!
Der Duce reitet weiter
Nie nicht im Leben geht er von selbst, der große Demokrator, der Medienmogul, Großindustrielle, Milliardär, Heilsbringer, Ministerpräsident, Doge und Duce. Nie würde er kampflos das Feld den Kommunisten überlassen und sich von denen einen Schauprozess machen lassen. Worauf kann man sich noch verlassen in dieser Welt, wenn nicht auf die Mafia, auf Putin, Berlusconi und die Hessen-CDU? Europa darf jetzt nicht nach links rutschen, da ist überall nur kaltes Wasser.
US-Kongress: Uns geht’s gut
Die USA sind eine lupenreine Plutokratie. Die Kongressmitglieder schaufeln sich die Taschen voll, während überall gespart wird. Die Dimensionen sind schlicht obszön. Man fragt sich, wozu da überhaupt noch gewählt wird.

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Netzwelt[84] Comments 06. Nov 2011 15:04
Kann mir den mal jemand erklären? Die TAZ hat es sich angetan, einen zu interviewen, der sich für wen hält, der Anonymous ist. Der Junge brabbelt dann etwas von “auch du bist Anonymous“, wobei er wohl vergessen hat, das Sprichwirt “du bist Legion, du vergibst nicht, du vergisst nicht, du wirst erwartet” anzuhängen, das wohl den ganzen Konsens der uiuiui gefährlichen Bewegung umfasst. Original:
“We are Anonymous. We are Legion. We do not forgive. We do not forget. Expect us!”
Das Gequatsche, es seien Linke, Nazis und was weiß ich noch wer in der ‘Bewegung’ und die wollten “für Rechte und Freiheit eintreten” ist so schwachsinnig, dass man es wahlweise als mutig oder unseriös betrachten kann, so etwas zu veröffentlichen.
“Wir haben keinen Ruf zu verlieren“, weil sie ja keine Identität hätten, meint der offenbar pubertierende Internetnutzer und deutet immerhin auf das Problem: Wer keine Identität hat, hat keinen Standpunkt, keine Meinung, keine Gemeinsamkeit. Allenfalls die Macht, Server zu hacken.
Wer nicht für uns ist, ist gegen uns
Dementsprechend sieht dann auch die ‘Politik’ der ‘Gruppe’ aus, die der Staatsschutz erfinden müsste, gäbe es sie nicht, die digitale Al Qaeda, derentwegen man Freiheiten einschränken muss, weil sie überall ist, unsichtbar und gefährlich. So wie jeder, der Unkraut-ex und Zucker zusammenschütten kann, sich als gefährlicher Qaeda-Terrorist gerieren darf, kann jeder, der ein paar Hackertools an einem Server ausprobiert oder so tut als könnte er, ein gruseliges Netzmonster sein. Kleine Machtspielchen, die einiges am Charakter gewisser Großmäuler offenlegen.
Einigkeit sieht hingegen anders aus: Während der TAZ-”Anon” eine Aktion gegen Facebook ankündigt, die ein anderer Anonymous durchzuführen gedachte, wird der wiederum selbst von seinen Kumpels gehackt und bloßgestellt. Die Begründung der Angreifer ist reif für die George W. Bush Show – Wer nicht für uns ist, ist gegen uns:
“Wenn jemand ablehnt, wie wir beispielsweise über Facebook, Twitter und Anonops kommunizieren, dann ist er gegen Anonymous und wird zu unserem Gegner, weil er versucht, unsere Bewegung zu stören.”
Freiheitliche linke Nazis
Sind das dann die “Nazis”, von denen “Anon” spricht? Oder einfach nur Kinder, die kratzen und spucken, wenn man ihnen das Spielzeug wegzunehmen droht?
Ausgerechnet Facebook für sakrosankt zu erklären, den Identitäten-Großhandel, den Tod der Anonymität im Netz, ist das Ende jeder Gemeinsamkeit oder Glaubwürdigkeit, die der Haufen noch haben könnte. Ich finde es überdies schon sehr merwürdig, dass es einen Auftritt Namens Annonews gibt, der sich über einen PayPal-Account finanziert, während Anonymous weltweit zum Boykott dieses Dienstes aufruft.
Wir sind also linke Nazis, die ihre Anonymität verteidigen, indem wir die übelste Datenkrake militant schützen und ein Konto bei der Bank haben, die wir boykottieren? Freunde, vielleicht lasst ihr einfach die infantilen Spielchen und macht euch klar, dass ihr kein “wir” seid, weil das schlicht paradox ist. “Ihr” seid höchstens eine Kategorie in der Kriminalitätsstatistik. Ihr könnt Server plattmachen. Auch meinen, das weiß ich. Es wäre ganz hilfreich, wenn ihr stattdessen öfter etwas tätet, was man nicht von euch erwartet.

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Politik[171] Comments 04. Nov 2011 17:33
Eine Verschwörungstheorie, die dem Begriff gerecht wird, baut auf unbelegten Prämissen auf, die gemeinhin mit der Behauptung von Mächten verbunden sind, welche im Verborgenen operieren. Dafür bieten sich Zirkel an, die selbst großen Wert auf Intransparenz legen und nachweislich politische oder wirtschaftliche Macht repräsentieren. Ganz vorn zum Beispiel die “Bilderberger”, ein Haufen von Managern, Milliardären und Politikern, die sich jährlich von der Öffentlichkeit abgeschottet die Hinterteile pudern. Denen kann man darum alles unterstellen, von der Verabredung zu 9/11 bis hin zu künstlichen Erdbeben.

Nicht wirklich “VT” hingegen sind Analysen, die feststellen, dass scheinbare Fehler im System eben keine Pannen sind, sondern das System selbst geradezu definieren. Dazu bedarf es übrigens keiner Absicht von Handelnden. Die kann zwar auch am Werk sein, wenn etwas scheinbar schief geht und dann ganz zufällig denen nützt, die auch vom ungestörten Ablauf profitieren, aber im Fall des Kapitalismus ist es zweifellos die Gesetzmäßigkeit des Systems, die zu Krisen führt. Ebenso ist es dem System zueigen, dass immer die Reichen profitieren, egal ob am Wachstum oder an sogenannten “Krisen”.
Dazu muss man freilich einen Schritt zurücktreten und sich einen Überblick verschaffen. Wenn an allen Börsen die Kurse rutschen, so ist damit nur scheinbar ein Verlust verbunden. Einfach gesagt: Es sind nur Zahlen. Zwar kann sich im Einzelfall auch ein Milliardär verzocken und zum einfachen Millionär degradiert werden, das ist aber die große Ausnahme. Noch seltener ist der Fall, dass jemand aus ‘normalen’ Verhältnissen reich wird. Der Neoliberalismus hat diese Bahnen noch zusätzlich stark verengt.
Schulden gehören dazu, und es ist eine Lachnummer, wenn dauernd vor Staatsschulden gewarnt wird, ohne die das System gar nicht auskommt. Noch irrwitziger ist die Argumentation der neoliberalen Casinokapitalisten, die Schulden jetzt in ‘gute’ und ‘böse’ Schulden einteilen wollen. Die guten Schulden sind natürlich die zur “Rettung” der Märkte, also der Spekulationsspielplätze, während die anderen Staatsschulden böse sind – die zur Aufrechterhaltung von Infrastruktur, der Sozialhaushalte, der Bildung etcetera. Das ist zwar schlicht pervers, aber eben gängige Ideologie.
Pervers, aber gängig
Dass es allein schon ökonomisch nicht durchzuhalten ist, den Staat, seine Einnahmen und Ausgaben schlank zu halten, erkennt man aber bereits an der Beliebigkeit der politischen Argumentation. Das beste Beispiel dafür ist der Schauspieler Steinbrück, der mit dem immer gleichen Brustton der Überredung sein “Augenmaß” in Stellung bringt. Und zwar meistens, um “kommende Generationen nicht über Gebühr zu belasten” oder “sich nicht totzusparen”, ganz wie es ihm gerade beliebt. Haltbare Erklärungen dafür gibt er nie ab. Dementsprechend muss man ihm angesichts der Folgen seines Treibens mindestens eine Sehschwäche bescheinigen. Wahrscheinlicher sind aber noch intellektuelle Defizite bzw. eine innige Aversion gegen Wahrheit.
Der Bundeskanzlerin fällt wie immer nichts anderes ein als ihre faden Phrasen, siehe “Wettbewerbsfähigkeit für unsere Kinder und Enkel“. Es wird so getan, als stünden wir vor einer unumkehrbaren Katastrophe, die ‘uns’ für hunderte Jahre zum Abzahlen von Staatsschulden zwingt. Die ‘Belastung kommender Generationen’ ist aber ein Hirngespinst. Schaut man sich allein die Haltbarkeit des durchschnittlichen Staatsgebildes an, kommt man schon nicht auf zwei Generationen. Berücksichtigt man dann noch Schuldenschnitte, Währungsreformen und Zäsuren wie große Kriege, wird deutlich, warum der Kapitalismus bislang so wenige globale Schuldenkrisen erlebt hat. Er kam einfach nicht dazu.
Die unerhörte Ignoranz – oder soll man sagen “Dummheit”? – der neoliberalen Eliten und ihres Hoffräuleins Merkel ist schlicht indiskutabel. Sie erwägen nicht einmal Maßnahmen innerhalb des kapitalistischen Systems wie Steuererhöhungen, Sonderabgaben oder strengere Kartellgesetze. Im Gegenteil sollen nicht einmal die aktuellen Rituale verändert werden. Die Tage sind gezählt, bis dieser Unsinn in Rauch aufgeht.
Ein Krieg gegen die Völker
Dennoch wird so getan, als sei der Staatshaushalt ein mit schweren Hypotheken belastetes schwäbisches Fachwerkhaus, in der ein Mütterlein ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann und schon so übern Durst geprasst hat, dass ihre Kinder ihr Lebtag dafür schuften müssen.
Welch ein Blödsinn. Nicht nur, dass selbst die das Erbe ausschlagen könnten. Der Staat kann alles mögliche tun – eben Steuern erheben oder Geld drucken oder enteignen zum Beispiel.
Ohne jede Not ist mit dem Euro eine Währung geschaffen worden, in der die Möglichkeiten der Staaten stark beeinträchtigt sind. Anstatt dies zu ändern – und sei es notfalls mit einer Währungsreform – soll der Handlungsspielraum der Staaten noch weiter begrenzt werden und die Bürger noch weniger über ihr eigenes Land bestimmen können. Natürlich ohne dass irgendwer danach gefragt wird. Und ganz selbstverständlich wird nicht einmal erwähnt, was eigentlich hinter den “Schulden” steckt, denen wir das angeblich verdanken, wer also die Gläubiger sind.
Das sind nämlich die Eigentümer der Wertpapiere, Rohstoffe und Ländereien, die paar Prozent Reiche, jene, vor deren “Erwartungen” die gesamte Weltwirtschaft in die Knie geht. Die Schulden der Staaten sind nichts anderes als der Eigentumsanspruch dieser winzigen Minderheit gegenüber den Völkern der Erde. Die Behauptung, ‘wir’ wären für Generationen verschuldet, bedeutet also die Bereitschaft der Politik, die Eigentumsansprüche der Profiteure für weitere Jahrzehnte gegenüber den Bürgern zu verteidigen. Es ist die Ankündigung eines schwelenden Bürgerkriegs, der jederzeit zum Flächenbrand werden kann. Wer nicht völlig verblendet ist, kann das längst hören, sehen und riechen.
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Politik[61] Comments 03. Nov 2011 19:38
Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit
für unsere Kinder und Enkel erhalten.
Angela Merkel im sonnigen Cannes
Für unsere “Kinder und Enkel” bedeuten weitere zwei Generationen “Wettbewerbsfähigkeit” weitere zwei Generationen Lohnsenkung, denn das ist die simple Übersetzung dieses Vehikels neoliberalen Neusprechs. Ein Herbst zwischen Rilke und Diekmann: Wer jetzt besitzlos ist, wird es lange bleiben. Die Griechen sind schuld.
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