Lucas Zeise weist heute sehr nüchtern und in aller Kürze darauf hin, dass zwei Bedingungen mindestens erfüllt sein müssen, wenn die aktuelle Krise nicht sehr bald die letzte des Kapitalismus sein soll: Die Wiederherstellung der Souveränität von Notenbanken über die Währung – ohne dass privaten Banken ihre Gewinne bei der Geldschöpfung auf ewig garantiert werden -, und die Rückführung des Kapitals von den Halden, auf denen es sich ansammelt, also eine Umkehrung der Verteilung wie sie heute vonstatten geht: von Arm zu Reich.

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Am Rande seiner Ausführungen weist Zeise auf die Karrieren der Zentralbänker, Issing und Weise, hin und mutmaßt, dass deren Motto lautet:

Der Gewinn dabei muss wie bisher bei den Privaten anfallen.

Weise ist nach getaner Arbeit bei Goldman Sachs untergekommen, die nicht nur eine der größten, sondern vor allem die einflussreichste Investmentbank der Welt sein dürfte. Ihre Mitarbeiter durchseuchen die Administrationen der Welt, vor allem die der USA, wie kein zweites Unternehmen. Wer nicht vorher schon bei GS war, wird häufig nach zufriedenstellender ‘staatlicher’ Tätigkeit im Sinne der Firma eben nachher mit einem Posten belohnt. Wozu wählen, wenn ohnehin das Kapital den Staat regiert? Sehr witzig übrigens, wenn es dann obendrein heißt, der Staat könne nicht wirtschaften.

Die große Drehtür

Sie sitzen überall, heute wird gemeldet, dass der US-Botschafter, der in Berlin die Noten für die Bundesregierung vergibt, “23 Jahre in Diensten der New Yorker Investmentbank Goldman Sachs” war. Da kommt kaum mehr ein Verschwörungstheoretiker mit. Der Filz ist derart komplett, da braucht niemand mehr ein Bilderberg, die Interessenwahrnehmung geht täglich per Mail oder Telefon – man kennt sich halt.

Selbstverständlich ist GS nur eine Firma von vielen, die jegliche wichtigen staatlichen Institutionen des Westens infiltriert haben. Die Rolle Ackermanns ist bekannt, die UBS, Credit Suisse, Bank of America/Merrill Lynch, Morgan Stanley oder JP Morgan Chase sind bestens vernetzt. Ganz nebenbei decken sich deren abenteuerliche Modelle mit dem, was so gemeinhin gelehrt wird an den Akademien der Krawattenträger. Sie beanspruchen also die Alleinexpertise über die Vorgänge an den Märkten und sorgen in Schulterschluss mit anderen Lobbyisten dafür, dass niemand eine relevante ökonomische und politische Entscheidung trifft, die nicht in ihrem Sinne ausfällt. Ich formuliere das bewusst so allgemeingültig, denn das ist die Realität der “Alternativlosen”.

Es mögen für die einen wieder nur ‘irrelevante’ Details sein, die den anderen womöglich übertrieben erscheinen, aber das System beruht nicht zuletzt darauf, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Dabei ist es recht einfach: Wenn eine Firma wie Goldman Sachs existieren darf, ist Demokratie vollkommen unmöglich, und wenn eine solche Firma auf die von ihr praktizierte Weise weltweit agieren darf, dann gilt das weltweit. Dies sind keine “Auswüchse” des Kapitalismus, sondern das Resultat perennierender Korruption, die der Macht des Eigentums innewohnt. Man kann das eine nicht ohne das andere haben.

Kapitalismus vs. Politik

Nun ist es unzweifelhaft noch immer so, dass theoretisch demokratisch legitimierte Mächte – Parlamente und Regierungen – diesem Treiben Einhalt gebieten könnten. Dies würde aber voraussetzen, dass solche Parteien Mehrheiten erzielen, die Politik als Gegenmacht zum Kapitalismus betrachten. Und dabei müsste noch wachsam darauf geachtet werden, dass diese Parteien, von der in der BRD nur eine existiert, nicht gleichermaßen korrumpiert wird. Es gibt da keinen gangbaren Kompromiss. Wer wie die etablierten Parteien und die Lobbyisten der Reichen den Kapitalismus befürwortet, entscheidet sich unmittelbar gegen die Demokratie. Schlimmer noch: Er entscheidet sich gegen die Möglichkeit von Politik. Es ist absurd, wie die Mehrheiten sich bislang entschieden haben. Die PR-Abteilungen haben ganze Arbeit geleistet.

Ich erlaube es mir daher, die Sache auf einen Punkt zu bringen: Wer der Ansicht ist, es sei nicht richtig, die Investmentbanken und ihre Teilhaber zu enteignen, ist folgerichtig für die Entmachtung der Politik. Er vertraut sich voll und ganz der Plutokratie an.

[Update: Nachlässigerweise vergaß ich den neuen EZB-Chef Mario Draghi zu erwähnen. Von 2002 bis 2005 war er Vizepräsident bei Goldman Sachs in London.]

[Update2: Der designierte italienische Ministerpräsident Mario Monti war zwischen 2004 und 2008 Aufsichtsratsmitglied des Brüsseler Think Tanks BRUEGEL; deren Firmenmitglieder: Areva, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Électricité de France, Ernst & Young, Erste Group, GDF Suez, Goldman Sachs, Google, Microsoft, Novartis, Pfizer, Qualcomm, Renault, Samsung Electronics, Solvay, Syngenta, Unicredit.]