Februar 2010
Monthly Archive
Posted by flatter under
HintergrundKommentare deaktiviert 07. Feb 2010 21:01
Im folgenden ein Fundstück aus meiner Rumpelkammer. Vorsicht, extrem textlastig ;-)
„Wartezone drei A“ verbarg nichts. Was die Menschen dort erwartete, nicht wahr, schrie es einem entgegen: Hier saugen sie dir deine Zeit ab, hier bist du Nummer, namenloses Schlachtvieh. Warten ist eine der teuersten Zeitleistungen überhaupt. Aber dort hatten sie keine Ahnung, was das ist: Menschenzeit! Dort, wo die Leute gezwungen werden, ihre Zeit in Geld umzutauschen. Wo sie nicht einmal den Preis verhandeln dürfen.
Ich hatte es schon zweimal gesehen. Ich war dort gewesen, hatte ihnen Zeit vor die Füße geworfen, als hätte ich sieben Leben. Sie nahmen sie mir, als gehörte sie ihnen, als sei ich ihr Eigentum. Beim ersten Mal waren es drei Stunden, vierzehn Minuten und siebenunddreißig Sekunden gewesen – allein in der Wartezone! Dann hatte der unverschämte respektlose Mensch in diesem Büro sich vier Minuten zweiundvierzig genommen, um mich abzufertigen und mir den nächsten Termin zum Aderlaß zu geben. Meine Beschwerde wies er ab und drohte mir mit Leistungskürzung. Als könnte man da noch viel kürzen! Einen Zettel hat er mir in die Hand gedrückt, mit einer Telefonnummer und einer Adresse. Ich sollte mich dort melden und mich bewerben. Es sei leichte Arbeit, sagte dieser Mensch, und der Stundenlohn sei angemessen.
Stundenlohn! Was wußte der denn? Nichts wußte der. Menschenzeit in Stundenlohn zu messen! Diese Höhlenmenschen können zum Mond fliegen und im Wald nach Amerika telefonieren und messen Menschenzeit in Stunden! Und dann wollen sie deine Zeit haben, für ein paar Euro. Nein, sie nehmen sie dir und geben dir ein paar Silberlinge. Lassen dich warten!
Die traurigen Leute in der Wartezone machten das Warten noch teurer. Sie sprachen nicht mit einem. Zeit, die man allein verbringt, ist teuer. Einsamkeit ist teuer. Und dann einsames Warten zwischen fremden, traurigen Menschen! Was denken die sich? Warum tun sie das?
Die armen Teufel, die dort litten, machten alles noch schlimmer. Sie sahen sich nicht in die Augen, und wenn, dann feindselig. Sprachen nicht miteinander, außer, um ihre Nummer zu nennen. Eine Minute in dieser Hölle kostet mehr als tausend erfüllte Leben.
Nachdem ich also die Hölle kennengelernt hatte, habe ich Beschlüsse gefaßt. Ich beschloß, ihnen nicht meine Zeit zu schenken. Ich beschloß, mich nicht von ihnen zerstören zu lassen.
Der Mann, der nur seine Pflicht tat, dem „das alles auch leid tut“, wie er immerhin höflich vorgab, hatte mich gebeten, diese Stelle anzutreten. Das klang wie beim Bund. Der Bund ist auch so eine Zeitfreßmaschine. Wo sie steif, unnatürlich und schweigend dastehen. Zu hunderten oft, ohne sich zu berühren oder zu sprechen. Unerhört teuer! Zeit im Fleischwolf. Jedenfalls sollte ich antreten. Ich beschloß, es zu versuchen. Allein schon, um nicht mehr in die Wartezone zu müssen. Hatte mir das so zurecht gelegt, daß ich auf dem Weg zur Arbeit an den Kiosk ging. Dort mit Jörg reden, der sehr nett war und fast immer fröhlich. Jörg gab einem das Gefühl, aufzutanken. Ein Geschenk des Himmels. Ich stand also extra früh auf, daß es sogar Jörg bemerkte und einen Scherz darüber machte. Der Tag fing gut an, das tröstete mich vorab. So konnte ich also gut gerüstet zu meinem Vorarbeiter gehen und mir anschauen, was sie dort von mir wollten.
Der Anfang ist meist ganz erträglich. Man lernt jemanden kennen, sie müssen einem alles erklären und reden mit einem. Dachte ich. Aber der unsympathische Klotz von Mensch, der mich empfing, war eine Katastrophe. Guckte mich nicht an, drückte mir Gummihandschuhe in die Finger und zuckte nur mit dem Kopf. Ich sollte ihm wohl hinterher laufen. Tat ich aber nicht. Ich stand also da und wartete, daß er sich umdrehte. Das dauerte eine ganze Weile. Aus zwanzig Metern Entfernung brüllte er dann nur: „Ey, du, komm her!“ Dabei guckte er mich immerhin an. So weit hatte ich ihn. Kam ihm also entgegen und erwartete, daß er ab jetzt sprechen würde. Er aber drehte sich nur wieder um und ging voraus. So ging das noch zweimal, bis er mich anblökte: „Bist du doof, ey?“ Ich verbat mir diese Art zu sprechen, daraufhin nahm er mir die Gummihandschuhe wieder ab und ging fort. Einige sehr teure Minuten später kam dann ein Mann in einem Anzug, der mir sagte, Herr Baum hielte mich nicht „für den richtigen Mann“. Ich verkniff mir Andeutungen über zu klein geratene Äste und beschwerte mich über die Umgangsformen des Rüpels, dessen Namen ich nicht einmal erfahren hatte. Der Mann im Anzug, der seinen Namen auch nicht nannte, heuchelte Verständnis und versicherte mir, er würde mir „keine Steine in den Weg legen“, aber es sei besser, wenn ich ginge. Ich ließ mir seinen Namen sagen, um ihm dem Mann aus der Wartezone nennen zu können. Habe ihn inzwischen vergessen.
Seltsam, daß es so einfach war. Ich mußte nur darauf beharren, daß man mit mir sprach. Kam nicht einmal dazu, das auszusprechen. Wollte nur sprechen wie ein Mensch mit Menschen, und schon wollten sie mich nicht mehr. Ob sie es merkten? Hatten diese Zeitpiraten ein Gespür dafür, wen die plündern konnten und wen nicht?
Noch einmal Wartezone. Diesmal war ich besser vorbereitet. Hatte mir genau ausgerechnet, wieviel Zeit ich ihnen geben konnte. Da ich vorher bei Jörg war, konnten sie dreiundzwanzig Minuten haben, mehr war nicht zu verantworten. Ich wartete also. Es gab natürlich diese Nummern, aber wenn ich davon eine gezogen hätte, hätte ich Stunden verschwendet. Nach fünfzehn Minuten schlich ich mich also an die Tür des „Sachbearbeiters“ und wartete darauf, daß sie sich öffnete. Zwei Minuten vierundvierzig später war es soweit. Einer kam raus. Ich raunte ihm zu: „Schon klar, ich bin dran“, damit er die Nummer des nächsten nicht in den Raum rief. Ich schloß die Tür hinter mir und setzte mich.
Der Mann am Schreibtisch wollte meine Nummer sehen, aber ich überfiel ihn einfach mit meinen Unterlagen. Und mit meiner Geschichte. Ließ ihn einfach nicht zu Wort kommen, bis ich alles gesagt hatte. Eine Minute zweiunddreißig. Alles schien gut zu laufen. Der Mann hatte sogar schon meine Datei gefunden. Das machen sie ja auch. Dateien! Nicht drüber nachdenken, ich mußte raus aus dem Laden!
Dann fing der Mann an, mich zu belehren. Hatte ich ihm nicht gerade gesagt, wie das alles gewesen war? Wie man mich behandelt hatte? Daß sie nicht einmal mit mir gesprochen hatten? Hatte er auch nur einen Moment zugehört? Nein. Er meinte, ich hätte mich anders verhalten müssen. Ich! Ich fragte ihn, was ich hätte tun sollen. Wie man mit Leuten umgeht, die nicht mit einem sprechen. „Sie müssen kooperieren“, sagte er. „Das steht in der Broschüre, die Sie bekommen haben.“
Was das hieß, konnte er mir aber auch nicht erklären. Nur, daß ich „alles tun“ müsse, „damit ein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt.“
Der Kerl wußte nicht, was er da sagte. Als nächstes kam er mir geheuchelt freundlich. Das ist das Schlimmste, wenn sie einen anlächeln. Wenn sie Verständnis lügen.
„Ich verstehe Sie ja auch“, heuchelte er, „aber sie müssen zusehen, daß Sie die vorhandenen Angebote nutzen.“
So ein Waschlappen. Was wollte der von mir? Mit wem sprach der? Der Raum um uns herum schien zu schrumpfen. Mein Kopf dröhnte.
Zu allem Überfluß kam dann noch einer rein und meinte, er hätte Nummer zweihundertsieben. Und ich hatte noch zwei Minuten zehn! Das sah schlecht aus. Ich blieb aber höflich, erklärte dem Kerl mit der Nummer, daß es nur noch zwei Minuten dauern würde, stand auf und schob ihn zurück in die Wartezone. Ich sah, daß der Schlüssel auf der Tür steckte und schloß ab.
Der Mann hinterm Schreibtisch glotzte mich äußerst verständnislos an und sagte in einem sehr unfreundlichen Ton: „Was soll das heißen? Was glauben Sie, wer Sie sind?“
„Endlich eine gute Frage“, dachte ich, da uns noch eine Minute sechsundzwanzig blieb.
„Ja, was glauben Sie denn?“ fragte ich zurück. „Denken Sie einmal darüber nach!“
Er schnaufte. Wippte in seinem Sessel herum. Starrte mich an. Vielleicht begann er tatsächlich, nachzudenken. Ich konnte ihm nicht mehr helfen. Vierundfünfzig Sekunden. Zu wenig für Erkenntnisse, die er in sicher vierzig Jahren nicht gewonnen hatte.
Das Gespräch mußte ein Ende haben. Ich bedrängte ihn: „Und was ist jetzt? Bekomme ich einen neuen Zettel? Darf ich nach Hause gehen? Wir haben noch dreiundvierzig Sekunden!“
„Wieso das? Was ist das für ein Unsinn? Wollen Sie mir jetzt Vorschriften machen?“ fragte er. Der Mann hatte nichts begriffen. Ich konnte ihm nicht die Zeit geben, alles noch einmal zu erklären. Er aber wollte tatsächlich von vorn anfangen. Ging überhaupt nicht auf mich ein.
„So geht das nicht“, sagte er, „setzten Sie sich! Setzen Sie sich!“ Wiederholte auch noch seine dumme Aufforderung. Es war zu spät. Hatte keinen Zweck. Die Zeit war abgelaufen. Ich konnte nichts erreichen. Nur für ihn konnte ich noch etwas tun. Auch, um die Zeit nicht völlig sinnlos vergeudet zu haben. Helfen ist gute Zeit. Ich mußte ihm helfen, mußte ihn warnen.
„Achten Sie auf Ihre Zeit!“ sprach ich eindringlich in sein Gesicht. Er wich zurück und stammelte nur: „Setzten Sie sich, setzen Sie sich!“
Der arme Mensch war vollkommen ahnungslos. Und hat seinen Satz noch zweimal wiederholt. Um uns herum die Wartezone. Vor ihm meine Datei. Die Zeit war so gut wie abgelaufen, und er wiederholte seine Sätze! Ich beugte mich über den Schreibtisch, packte ihn bei der Krawatte und schrie ihn an: „Achten Sie auf Ihre Zeit!“
„Setzen Sie sich“, stöhnte er.
Sein Kopf wurde ganz rot. Die Augen ganz groß.
Dann war die Zeit um. Ich ließ von ihm ab, er sackte zusammen.
Mir wurde schwindlig, so daß ich mich am Besucherstuhl abstützen mußte. Hatten sie mich so weit gebracht? Hatte ich das wirklich getan? Hatte ich eben meinen eigenen Satz wiederholt?
Ich muß dann die Tür aufgeschlossen haben, in meiner Erinnerung sehe ich mich durch Menschen hindurch rennen. Jemand schrie. Erst bei Jörg kam ich wieder zu mir.
© feynsinn.org 2006
Posted by flatter under
KulturKommentare deaktiviert 06. Feb 2010 14:29
SpOn glaubt, es sei “erschütternd”, wenn es seit 1995 neunzig Verdachtsfälle auf Kindesmißbrauch in der katholischen Kirche gegeben habe. Selten so gelacht. Spätestens seit den aufgedeckten Fällen in den USA sollte deutlich geworden sein, daß es sich auch empirisch nachweisbar um ein strukturelles Problem handelt. Sprechen wir vorläufig also über hunderte Fälle – in Deutschland. Überall auf der Welt werden Kinder von Geistlichen mißbraucht, vom Pfarrer bis zum Bischof vergreifen sich “Würdenträger” an jungen Menschen und zerstören sie.
Im Falle der katholischen Kirche haben wir es mit einem Konglomerat aus Perversion, Heuchelei und diktatorischer Gesinnung zu tun, die ihresgleichen vergeblich sucht. Lächerlich schon, daß im 21. Jahrhundert eine religiöse Sekte noch immer glaubt, nur der Geschlechtsverkehr zum Zwecke der Vermehrung sei “gesund” und sittlich unbedenklich. Verbrecherisch schon, daß abweichende Orientierungen als “krank” und verdammenswert verurteilt und mit der Macht einer weltweit operierenden Organisation bekämpft werden.
Ein Verbrechen ungeheuren Ausmaßes ist es aber, wenn wissentlich durch solche Bedingungen Kindesmißbrauch gefördert wird.
Psychologische Theorien qualifizieren unterschiedliche Triebziele, einige der Theorien nennen es “pervers”, wenn sexuelle Befriedigung von quasi unnatürlichen Handlungen abhängt. Zu nennen ist hier etwa der Fetischismus, vereinfacht Sex mit Gegenständen. Das Ding ersetzt quasi den Partner. Wie man solche Spielarten auch definiert oder beurteilen mag, sie finden statt, und es macht die Menschen nicht schlechter, die eine Sexualität jenseits des Mainstreams pflegen.
Das Abartigste, was der Mensch sich einfallen lassen kann, ist allerdings kein Triebziel, Asexualität bei vollständig ausgebildeter Lust. Was in früheren Zeiten ein Indikator für die Beherrschung der Menschen gewesen sein mag – wer sich zur Triebunterdückung nötigen läßt, darf als guter Untertan gelten – hat in modernen Gesellschaften längst jegliche Funktion verloren.
Der Katholizismus hat die nötigen Reformen seit Jahrhunderten verschlafen. Er bezieht vielleicht seine Identität daraus, ein Bollwerk gegen jeden Fortschritt zu sein. Der gemeine Katholik schafft den Anschluß an die Moderne dennoch – durch Bigotterie und Beichte. Ihm ist egal, was der Papst sagt, er geht in den Puff und nachher zur Beichte. Diese Heuchelei ist harmlos, so lange sie funktioniert.
Was hingegen nicht funktionieren kann, ist die Besetzung des Managements mit Leuten, die ohne berufliche Alternative auf der Straße stehen, wenn sie sich von der Perversion “Zölibat” offen abwenden. Auch sie werden dazu genötigt, ihren Trieb heimlich auszuleben, was ihnen als Personen der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht so leicht gelingen kann. An eine normale Partnerschaft ist erst gar nicht zu denken.
So leben wir also mit einer steuerlich geförderten Sekte von Zwangsabartigen, die im besten Fall Kinder machen, welche ihre Väter nicht kennen dürfen und regelmäßig, der ungünstige Fall, eben Kinder ficken. Das sind dieselben Herren, die ihre aggressive “Sexualmoral” weiterhin laut predigen. Wer für diesen Laden noch Kirchensteuer zahlt, muß wissen, was er da fördert.
Posted by flatter under
JournalismusKommentare deaktiviert 06. Feb 2010 0:25
Ojeh. Ich habe am Handelsblatt noch nie etwas finden können, aber die Strafe, die jetzt über die Redaktion und die Leser kommt, erscheint mir dennoch annähernd grundgesetzwidrig – Gabor Steingart wird Chefredakteur. Jens Berger sagt das Wichtigste dazu, ich empfehle zur stimmungsvollen Untermalung “Hell’s Bells” von AC/DC.
Steingart hat bislang mit allem daneben gelegen, sich u.a. in bezug auf Obama und die gelbe Gefahr mindestens an den Rand des Rassismus vorgewagt und ein hochnotpeinliches Geschwurbel abgelassen, in dem er Erhardt und den Schweiß des deutschen Mannes aufgefahren hat, um den Amis die Neue Soziale Marktwirtschaft zu erklären. Dies alles, nachdem er ganz offen im “Spiegel” Kampganenjournalismus bertrieben hatte – erst für Schröders Agenda und dann für Angela Merkel.
Immer geradeaus vor den Schrank, vor die Wand, für den Marktliberalismus, das ist sein Weg. Eine witzige akademische Frage wäre die, ob seine Berufung als prozyklisch oder antizyklisch zu werten ist. Antizyklisch wäre sie insofern, als daß immer mehr Journalisten den Holzweg verlassen, prozyklisch insofern, als daß sich ja die bewährten Kampagneros konzentrieren. Nicht nur bei Springers, sondern jetzt offenbar auch beim Handelsblatt.
Für den deutschen Blätterwald kann sich das als Segen entpuppen, denn Meinungsmache und Fehlprognosen Steingartscher Prägung sind geradezu eine Provokation, es anders und besser zu machen. Einen Haken hat das Ganze allerdings: Wer zu Schnitttchen und Schampus eingeladen werden will, muß sich in nächster Zukunft wohl einer Inkompetenz andienen, die den bereits hinreichend schmerzhaften Dummschrieb der letzten Dekade noch in den Schatten stellt. Welche Wirkungen diese Tendenz entfaltet, werden wir erleben. Montags bis sonntags auch in diesem Theater.
Posted by flatter under
JournalismusKommentare deaktiviert 04. Feb 2010 23:52
Der Stern hat festgestellt, daß Herr Steinmeier gar nicht der glänzende Retter der SPD ist, sondern in etwa das Gegenteil: Ein kreuzlangweiliger braver Verwalter seiner selbst, der als Bremsklotz in der politischen Landschaft herumliegt und dem neuen Parteivorsitzenden nur im Weg ist.
Überhaupt sei das alte Personal der SPD, das aus der Schröder-Zeit noch übrig ist, ein Ladenhüter, untauglich für eine Aufarbeitung der Vergangenheit oder die Gestaltung einer Zukunft. Sogar Lafontaines Flucht vor der Schröderia wird in diesem Zusammenhang neu bewertet. “Den Lafo machen”, wie der Stern das prekariatstauglich nennt, bedeutet demnach die Einsicht, daß die Führung einen nicht mehr braucht und man vor der Wahl steht, die Überzeugung zu wechseln oder zu gehen.
Die FTD, die ich nicht wirklich als “die treuesten Knappen des Ordo Neoliberalis” bezeichnen würde, falls Chat Atkins das so meinte, gibt gar jede Zurückhaltung auf und tritt der Merkelschen Gurkentruppe zünftig in den Hintern. Thomas Schmoll redet Tacheles:
“Die Liberalen brauchten keine 100 Tage zur Selbstdemontage” und
“Die CDU-Vorsitzende hat das System Kohl des Aussitzens und beharrlichen Schweigens perfektioniert. Bloß nicht festlegen und wenn doch, dann mit Hintertür oder Notausgang“.
Pinkwart und Rüttgers wirft er gar (zurecht) “Populismus” vor, und bedient sich damit jener Vokabel, die bislang für Oskar Lafontaine reserviert war.
Allmählich kollabiert tatsächlich die Front der Schönschreiber einer Einheitsmeinung, die bislang stets dieselben Helden und Schurken kannte und deren sprachliches Instrumentarium entsprechend festgelegt war. Inzwischen findet lustvolle Majestätsbeleidigung statt, und die Entzauberung der vorgeblich ewig Rechthabenden grenzt an Bildersturm. Einige sind offenbar ihrer eigenen öden Propaganda überdrüssig geworden und probieren etwas Neues. Das kann ich nur begrüßen. Ein frischer Wind ist das zwar noch nicht, aber der übelste Gestank konzentriert sich wieder auf den Halden, die schon immer den gärenden Müll von vorgestern gepflegt haben.
Posted by flatter under
PolitikKommentare deaktiviert 02. Feb 2010 16:47
John Dean räsoniert über die Lage Obamas und der USA. Mir sind bei der Lektüre eine gewisse Parallelen zu Michail Gorbatschow aufgefallen, obwohl der Vergleich natürlich hinkt. Gorbatschow hatte noch weit größere Macht als Obama, ist gleichwohl völlig gescheitert. Da er nicht vom Volk gewählt worden war, ist es in seinem Fall zumindest nicht inkonsequent von den Sowjetbürgern gewesen, ihm die nötige Unterstützung zu verweigern. Allerdings zeigt sich inzwischen, wo es endet, wenn sich ein Volk nicht für seinen Staat interessiert und ihn den Eliten und Oligopolen überläßt.
Gorbatschow war unter anderem durch seine Verankerung im KGB als Diktator im Grunde unangefochten. Vielleicht hat er das auch so gesehen und gerade deshalb verloren. Als durch Glasnost und Perestroika demokratische Elemente in die Sowjetpolitik einzogen, hatte das entsprechende Auswirkungen auf die Stabilität des vordem autokratischen Staatsgebildes.
Zuerst lösten sich die ehemaligen Bündnispartner ab, der Warschauer Pakt zerfiel. Der Verlust an Macht und Ansehen rief nicht nur Konkurrenten auf den Plan, die ihre alte Diktatur wiederhaben wollten, sondern zerstörte auch das Image Gorbatschows, der nicht mehr als Befreier, sondern als Schwächling und Zersetzer betrachtet wurde. Obendrein mußten die alten Eliten um ihre Stellung bangen – und sich gar vor der Rache der Unterdrückten fürchten.
Die Einführung der Marktwirtschaft besorgte den Rest. Flüssiges Geld floss schnell in alle Ritzen, wo der Aufbau demokratischer Strukturen noch lange nicht so weit war, sich für untergeordnete Belange wie Gerechtigkeit oder das nackte Überleben der Bürger stark zu machen. Während einige aus dem ungeordneten Raum unfaßbare Reichtümer an sich zogen, sind andere im Winter erfroren oder leben in bitterer Armut. Schuld war natürlich der Versager Gorbatschow. Die Lehre daraus: Ein starker Staat braucht starke Führer. Wer immer sich fortan wie ein solcher aufführte und in die nötigen Seilschaften eingebunden war, hatte gute Chancen auf die Macht. Die Demokratie war am Ende, ehe sie je begonnen hatte.
In den USA liegt der Fall ein wenig anders, es läuft aber auf dasselbe hinaus. Interessant ist zunächst die doppelte Vorgeschichte einer Nominaldemokratie im Würgegriff der politischen Clans. Bush Senior war erst Vizepräsident unter einem abgehalfterten Schauspieler, dem später ganz offiziell Alzheimer bestätigt wurde. Abgelöst wurde er von Bill Cinton, der zwei Wahlperioden überstand, um von Bush Junior abgelöst zu werden, der ebenfalls zwei Wahlperioden überstand, um als unbeliebtester (und womöglich unterbelichtetster) Präsident aller Zeiten zu enden. Er hat die Menschenrechte mit Füßen getreten, die Diplomatie und die Bürgerrechte weitgehend abgeschafft, die heimischen Milliardäre schamlos protegiert und es damit derart übertrieben, daß selbst das unkritische und durch manipulierte Medien gefüfig gemachte Volk nicht mehr darüber hinweg sehen konnte.
Die Ablösung sollte nun von der einzigen Konkurrenz, den “Demokraten” wieder mit einer Clinton besetzt werden. Damit wäre alles schön beim Alten geblieben, und die Sowjetrepublik Amerika damit 30-34 Jahre von zwei Familien regiert worden.
Das Wahlvolk wollte es bekanntermaßen anders und wählte mit Obama einen Präsidenten, der die Tugenden der Demokratie und des Sozialsstaats gegen den grauen antidemokratischen Begünstigungsstaat der Bushs ins Feld führte. Der brillante Rhetoriker hatte den Mut, sich als Mann des Volkes aufzustellen und wurde von diesem ins Weiße Haus getragen. Nachdem die Party vorbei war und die Arbeit begonnen hatte, ließen ihn seine Jünger fallen wie eine heiße Kartoffel. Zwar ist wird es offensichtlich, daß Obama vieles von dem, was er seinen Wählern oder sie sich von ihm versprochen hatten, nicht wird halten können. Die Reaktion der Masse darauf ist aber schlicht kindisch.
Obama ist ein Tugendbock. Alles Gute dieser Welt wollten die Bush-Geschädigten in ihm sehen, er verkörpert dies und muß es Dank solch göttlicher Unfehlbarkeit auch realisieren. Möglichst allein und so daß alle zufrieden sind. Wenn er es jetzt nicht bringt, ist ein Versager, Verräter, Agent des Bösen, genau wie dereinst Gorbatschow – der im Ausland auch sehr schnell höher angesehen war als daheim.
Demokratie kann nicht wachsen, wo von den Führern erwartet wird, daß sie allein dafür sorgen. Anstatt ihr Tun eng zu begleiten, sei es unterstützend oder kritisch, zieht man sich zurück, hat es mal wieder besser gewußt oder gibt sich beleidigt. Dabei sollte durch Obamas Weg an die Macht doch eines klar geworden sein: Er ist nichts ohne die, die ihn nach vorn getragen haben, und sein Versagen ist ihr Versagen.
Posted by flatter under
Wirtschaft[19] Comments 01. Feb 2010 18:12
Eure Gebühren sind schon lange unverschämt hoch. Ihr bietet nichts als eine Datenbank und kapriziöse Regelungen nach Gutsherrenart. Heute kam von euch folgendes:
“Deshalb können ab dem 25. Februar 2010 Verkäufer mit weniger als 50 Bewertungspunkten nur dann Artikel einstellen, wenn sie PayPal als Zahlungsmethode anbieten. Damit erhöhen Sie die Anzahl möglicher Käufer und entsprechend auch Ihre Verkaufschancen. ”
PayPal nutze ich bis heute nicht, aus einem einfachen Grund: Es ist mir zu teuer. Dafür soll ich also in Zukunft also auch noch blechen, um Ebay benutzen zu dürfen, obwohl ich seit Jahren dort Mitglied bin, dummerweise aber nicht ganz auf 50 Bewertungspunkte komme.
Was ich noch dreister finde, ist daß Neukunden also nur noch Ebay und PayPal im Paket nutzen dürfen. Sagt mal, ihr Plünderer, warum gründet ihr nicht gleich eine richtige Bank und laßt das mit dem Trödelmarkt?
Macht, was ihr wollt. Ich bin dann mal weg.
« Vorherige Seite