Steingart und der Schweiß
Posted by flatter under JournalismusKommentare deaktiviert
06. Feb 2009 0:40
Man könnte meinen, er sei schon gut in den Siebzigern und sehnte sich in die Nachkriegszeit zurück, als er mit seinen Pfadfinderkumpels stickige Hütten teilte. Er versucht, auch etwas zur Wirtschaftskrise zu sagen, und ihm fällt nichts anderes ein als “Schweiß”, Männerschweiß vermutlich, der es ihm furchtbar angetan hat. Der Sermon aus romantisierender Ludwig-Erhard-Verehrung, Merkelei, Besserwissen, nationaler Eitelkeit und eben “Schweiß” hat mit vielem zu tun, “Wirtschaft” ist allerdings ebensowenig darunter wie irgendeine Kompetenz oder Information. Es ist Geschwurbel pur, wie wir es von einem kennen, der sich schon mehrfach selbst überlebt hat. Das mit nicht einmal fünfzig Jahren hinzulegen, ist schon achtbar.
Was sagt uns also der Dichter, und vor allem: Worüber eigentlich?
“Was Obama von Deutschland lernen kann” will er uns erzählen und wartet mit einem Mix an Plattitüden und halbwissentlichen Stereotypen auf, daß man sich wünschte, Obama würde das wirklich lesen. It’ll make his day, er wird selten so gelacht haben.
Über den New Deal weiß Steingart, daß er durch Schulden finanziert wurde, furchtbare Schulden, die die USA in schreckliche Bedrängnis gebracht haben. Kaum achtzig Jahre danach waren sie immer noch die stärkste Wirtschaftmacht. Hätten sie doch nur auf Deutschland und seine Weltökonomen gehört, die ihnen das böse Konjunkturprogramm ausgeredet hätten, sie wären sicher viel erfolgreicher gewesen.
Ludwig Erhard, der wußte, wie es geht. “Stabilitätskultur” als “Handarbeit” Erhards setzt Gabor gegen den New Deal. Ernsthaft sieht er solche im Merkelschen Konjunkturprogrämmchen, denn:
“Übermäßiger Kredit ist gemäß dieser Anleitung verboten. Geld müsse knapp und wertvoll sein, dann erst strengten sich alle an. Man erzielt die besten Ergebnisse, wenn man nach alter Väter Sitte verfährt, glaubte Erhard: Arbeite hart und vergiss das Sparen nicht. “Der Staat kann nichts leisten, was nicht aus der Kraft seiner Bürger fließt”, lautete seine Botschaft. Er hätte auch sagen können: Ohne Fleiß kein Preis.”
So einfach ist das, Herr Obama. Klare Kante, diese Bewerbung auf einen Beraterposten im Stab des Präsidenten.
Wenn jemand nichts, aber auch gar nichts über den Sinn und Zweck von Konjunkturprogrammen kapiert hat, dann schreibt er einen solchen Mumpitz und schwafelt in einer Rezession, die sich gewaschen hat, von “Sparen”. Schenken wir uns einmal die Worte über Steingarts Anbetung der Bush-Administration, die so gar nicht in seine Versuche passen will, den Ökonomen aller Länder zu erklären, was er so alles weiß. Sparen wir uns auch den schmerzhaften Gedanken, daß sein “Ich weiß was” ernsthaft ein Beitrag zum Problem der Weltwirtschaftskrise sein soll. Was lesen wir dann?
Die Deutschen haben eine “Stabilitätskultur”. Worin diese besteht, wird leider nicht erläutert. Was das mit der Ära des Neoliberalismus seit den frühen Achtzigern zu tun hat oder mit der kurzen Ära sozialliberaler Wirtschaftspolitik, erschließt sich auch nicht. Wie der Vergleich der Nachkriegsära ins Bild passen soll, der eines Dollar-gesponsorten Neubeginns, schon gar nicht. Muß ja auch nicht, denn Ökonomie ist ja ganz einfach: Stabilitätskultur plus Schweiß. Blicken wir also bei ersterer nicht so recht durch, bleibt uns also nur letzterer, der “Schweiß”. Gabor weiß, daß der für alles Gute steht, aber:
“So kann Deutschland heute zwar Autos, Maschinen und Riesling exportieren, nicht aber seine Stabilitätskultur. Schweiß verkauft sich so schlecht.”
Ähm, ja. Will heißen? Daß der Neger nicht schwitzt? Vermutlich verbirgt sich hinter dieser bahnbrechenden Erkenntnis eine esoterische Weltformel, die nur kennt, wer Roosevelts Tagebuch gelesen hat. “FDR”, wie Steingart ihn zu nennen beliebt, was ungemein informiert klingt, hat dort nämlich etwas vom Schlechten der Schulden notiert. Und wer sich wirklich auskennt, dem ist überdies bekannt:
“Vor Gericht und im eigenen Tagebuch sagt ein Amerikaner die Wahrheit.”
Ja, so ist er, der Ami. Im Tagebuch anderer sagt er also nicht unbedingt die Wahrheit, und vor Gericht, ich schwör, hat noch nie ein Amerikaner gelogen.
Der gerichtsfeste Tagebuchamerikaner ist also ein Feind von Schulden, selbst wenn er welche gemacht hat. Da ist er ganz wie Ludwig Erhard. Würde er jetzt noch Schweiß importieren, wäre das Ding geritzt und die Welt gerettet.
Einen kleinen Hinweis gibt uns das ein-Mann-Weltrettungskomittee des Spiegel dann doch noch, was er mit “Schweiß” meinen könnte:
“Wir müssen uns entweder bescheiden oder mehr arbeiten“,
zitiert er den Wirtschaftswundermann. Genau das hat uns schon immer geholfen: Weniger Geld für mehr Arbeit. Die ausufernden Löhne der letzten 15 Jahre, die weltweit fürs Nichtstun gezahlt wurden, sind das Problem. Hätten wir an dieser Stelle nur gespart, wäre jetzt alles gut und wir hätten eine Stabilitätskultur.
Angesichts dieser Weisheiten fragt man sich, ob Gabor Steingart die letzten Jahre bereits in der geschlossenen Abteilung verbracht hat, in der ihn so mancher unfreiwillige Leser gern sähe.
Februar 6th, 2009 at 07:44
Vielen Dank für diesen grandiosen Kommentar lieber feynsinn/flatter, you realy made my day!
Es ist wahrer Balsam für meine zynische Seele, früh am Morgen so eine gelungene Kritik zu lesen.
Danke auch an Gabor Steingart, der mit seinem Schwachsinn dieses herrliche Kommentar möglich gemacht hat.
godspeed
Februar 6th, 2009 at 07:44
Vielen Dank für diesen grandiosen Kommentar lieber feynsinn/flatter, you realy made my day!
Es ist wahrer Balsam für meine zynische Seele, früh am Morgen so eine gelungene Kritik zu lesen.
Danke auch an Gabor Steingart, der mit seinem Schwachsinn dieses herrliche Kommentar möglich gemacht hat.
godspeed
Februar 6th, 2009 at 09:30
Moin!
Lieber “feynsinn”,Du bist wirklich ein kleiner Pfiffikus!
Hat mir wieder Laune für den Tag gemacht.
Meinen Dank!
Hagnum
Februar 6th, 2009 at 09:30
Moin!
Lieber “feynsinn”,Du bist wirklich ein kleiner Pfiffikus!
Hat mir wieder Laune für den Tag gemacht.
Meinen Dank!
Hagnum
Februar 6th, 2009 at 15:01
Klar hat der Mann nicht mehr alle Latten am Zaun, aber weitaus bedenklicher ist doch ein Magazin, welches solchen realitätsfremden Theorien noch eine Plattform bietet.
Februar 6th, 2009 at 15:01
Klar hat der Mann nicht mehr alle Latten am Zaun, aber weitaus bedenklicher ist doch ein Magazin, welches solchen realitätsfremden Theorien noch eine Plattform bietet.
Februar 6th, 2009 at 15:24
Um Gottes Willen! Schnell hier (von Wikipedia) wieder weg! F.D.Roosevelt wird mit dem Begriff des NEW DEAL in Verbindung gebracht, und der wird bei Wikipedia erläutert und mit einer Deutung versehen. Diese lautet: „Die Karten neu mischen.“ Um Gottes Willen! Schnelle Flucht unter einen Schirm.
Der Rettungsschirm für die Banken wird mir von meiner Regierung und ihren Publikationen erklärt und das geht so: Bank C und Bank H erhalten (frisches) Geld, damit sie der jeweils anderen wieder Geld leihen können und beide verleihen dann auch wieder Geld an die Unternehmen O und Qu, die die besten Autos und Speicherchips weltweit bauen. Die aber niemand in ausreichender Menge kauft. Die Unternehmen O und Qu zahlen nun wieder Zinsen an Bank C und Bank H, obwohl sie kaum was verkaufen.
Wer das nicht versteht, befindet sich in schlechter Gesellschaft, nämlich meiner. Mir ist die Ankurbel soeben abgebrochen. Nein, keine neuen Karten, um Gottes Willen.
Februar 6th, 2009 at 15:24
Um Gottes Willen! Schnell hier (von Wikipedia) wieder weg! F.D.Roosevelt wird mit dem Begriff des NEW DEAL in Verbindung gebracht, und der wird bei Wikipedia erläutert und mit einer Deutung versehen. Diese lautet: „Die Karten neu mischen.“ Um Gottes Willen! Schnelle Flucht unter einen Schirm.
Der Rettungsschirm für die Banken wird mir von meiner Regierung und ihren Publikationen erklärt und das geht so: Bank C und Bank H erhalten (frisches) Geld, damit sie der jeweils anderen wieder Geld leihen können und beide verleihen dann auch wieder Geld an die Unternehmen O und Qu, die die besten Autos und Speicherchips weltweit bauen. Die aber niemand in ausreichender Menge kauft. Die Unternehmen O und Qu zahlen nun wieder Zinsen an Bank C und Bank H, obwohl sie kaum was verkaufen.
Wer das nicht versteht, befindet sich in schlechter Gesellschaft, nämlich meiner. Mir ist die Ankurbel soeben abgebrochen. Nein, keine neuen Karten, um Gottes Willen.
Februar 6th, 2009 at 17:49
So einfach ist das, Herr Obama. Klare Kante, diese Bewerbung auf einen Beraterposten im Stab des Präsidenten.
Oh nein, das erinnert mich an den Industriekaufmann Münte. Nicht mal in der Lage einen Zigarettenladen zu führen, aber große Sprüche kloppen. (das gilt auch für den “Müllermeister”)
Guter Artikel, hat mir gefallen
Februar 6th, 2009 at 17:49
So einfach ist das, Herr Obama. Klare Kante, diese Bewerbung auf einen Beraterposten im Stab des Präsidenten.
Oh nein, das erinnert mich an den Industriekaufmann Münte. Nicht mal in der Lage einen Zigarettenladen zu führen, aber große Sprüche kloppen. (das gilt auch für den “Müllermeister”)
Guter Artikel, hat mir gefallen
Februar 7th, 2009 at 00:09
[...] flatter – Steingart und der Schweiß … siehe auch „Kritik und Kunst – Gabor rettet die Welt“ – etwas weiter ausholend und noch mehr beeindruckende Details zur erhabenen Weisheit des Spiegel-Schreibers offenbarend liegt uns Feynsinn allerdings ein umfassenderes Bild von der intellektuellen Garde unserer bewundernswerten Leistungsträger … Applaus – allerdings für den Autor und nicht für seinen „Anti-Helden“ … [...]
Februar 7th, 2009 at 00:09
[...] flatter – Steingart und der Schweiß … siehe auch „Kritik und Kunst – Gabor rettet die Welt“ – etwas weiter ausholend und noch mehr beeindruckende Details zur erhabenen Weisheit des Spiegel-Schreibers offenbarend liegt uns Feynsinn allerdings ein umfassenderes Bild von der intellektuellen Garde unserer bewundernswerten Leistungsträger … Applaus – allerdings für den Autor und nicht für seinen „Anti-Helden“ … [...]
Februar 7th, 2009 at 22:36
Nach diesem “Blut-Schweiß-und-Tränen”-Anschiß von Steingart an die faulen Deutschen kann es doch nur noch heißen: Stillgestanden! Und marsch in den globalen Wirtschaftskrieg mit den KZ-Leiter verdächtigen deutschen Sekundärtugenden.
Februar 7th, 2009 at 22:36
Nach diesem “Blut-Schweiß-und-Tränen”-Anschiß von Steingart an die faulen Deutschen kann es doch nur noch heißen: Stillgestanden! Und marsch in den globalen Wirtschaftskrieg mit den KZ-Leiter verdächtigen deutschen Sekundärtugenden.
Februar 8th, 2009 at 11:14
Gabor Steingart informiert nichtwirklich, sondern nutzt die Medien, um sein Ego aufzublähen. Das er das im Interesse der INSM tut, war ihm bislang ja sehr nützlich. Steingart glaubt aber tatsächlich, Wirtschaftskompetenz zu besitzen, nur weil er den gleichen Schrott verzapft wie andere selbsternannte Experten.
Februar 8th, 2009 at 11:14
Gabor Steingart informiert nichtwirklich, sondern nutzt die Medien, um sein Ego aufzublähen. Das er das im Interesse der INSM tut, war ihm bislang ja sehr nützlich. Steingart glaubt aber tatsächlich, Wirtschaftskompetenz zu besitzen, nur weil er den gleichen Schrott verzapft wie andere selbsternannte Experten.
Februar 8th, 2009 at 14:48
Hallo allerseits,
Ich kann den Mann (Herrn Steingart) absolut nicht ab, aber in einem hat er in seinem Artikel recht:
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
“Obama lindert die Krise – indem er die nächstgrößere vorbereitet. Der Kater aber wird kommen.”
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Wer das bestreiten will, hat die Welt und das Gesellschaftssystem, in dem wir alle leben,
auch nicht verstanden. Das ist leider nicht nur in Amerika üblich ! Vielleicht findet die hier versammelte werte Leserschaft auch noch andere, nicht so weit weg liegende Beispiele…
Februar 8th, 2009 at 14:48
Hallo allerseits,
Ich kann den Mann (Herrn Steingart) absolut nicht ab, aber in einem hat er in seinem Artikel recht:
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
“Obama lindert die Krise – indem er die nächstgrößere vorbereitet. Der Kater aber wird kommen.”
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Wer das bestreiten will, hat die Welt und das Gesellschaftssystem, in dem wir alle leben,
auch nicht verstanden. Das ist leider nicht nur in Amerika üblich ! Vielleicht findet die hier versammelte werte Leserschaft auch noch andere, nicht so weit weg liegende Beispiele…