Ojeh. Ich habe am Handelsblatt noch nie etwas finden können, aber die Strafe, die jetzt über die Redaktion und die Leser kommt, erscheint mir dennoch annähernd grundgesetzwidrig – Gabor Steingart wird Chefredakteur. Jens Berger sagt das Wichtigste dazu, ich empfehle zur stimmungsvollen Untermalung “Hell’s Bells” von AC/DC.

Steingart hat bislang mit allem daneben gelegen, sich u.a. in bezug auf Obama und die gelbe Gefahr mindestens an den Rand des Rassismus vorgewagt und ein hochnotpeinliches Geschwurbel abgelassen, in dem er Erhardt und den Schweiß des deutschen Mannes aufgefahren hat, um den Amis die Neue Soziale Marktwirtschaft zu erklären. Dies alles, nachdem er ganz offen im “Spiegel” Kampganenjournalismus bertrieben hatte – erst für Schröders Agenda und dann für Angela Merkel.

Immer geradeaus vor den Schrank, vor die Wand, für den Marktliberalismus, das ist sein Weg. Eine witzige akademische Frage wäre die, ob seine Berufung als prozyklisch oder antizyklisch zu werten ist. Antizyklisch wäre sie insofern, als daß immer mehr Journalisten den Holzweg verlassen, prozyklisch insofern, als daß sich ja die bewährten Kampagneros konzentrieren. Nicht nur bei Springers, sondern jetzt offenbar auch beim Handelsblatt.

Für den deutschen Blätterwald kann sich das als Segen entpuppen, denn Meinungsmache und Fehlprognosen Steingartscher Prägung sind geradezu eine Provokation, es anders und besser zu machen. Einen Haken hat das Ganze allerdings: Wer zu Schnitttchen und Schampus eingeladen werden will, muß sich in nächster Zukunft wohl einer Inkompetenz andienen, die den bereits hinreichend schmerzhaften Dummschrieb der letzten Dekade noch in den Schatten stellt. Welche Wirkungen diese Tendenz entfaltet, werden wir erleben. Montags bis sonntags auch in diesem Theater.