Springers glückliche Sklaven
Posted by flatter under JournalismusKommentare deaktiviert
13. Jan 2010 23:57
Allmählich stellt sich wieder etwas mehr Ordnung ein in der deutschen Medienlandschaft. Durch die Bankenkrise haben einige Medien, die jahrelang keinen Knall gehört haben, immerhin ein paar Trümmer gesehen und schwenken hier und da von der neoliberalen Kampflinie ab. Einige wenige dürfen sogar mit Recht als “kritisch” eingestuft werden.
Und weil derlei Normalität einkehrt, sind auch die Produkte des Springer-Verlags wieder besser erkennbar in ihrem billigen Kunsthandwerk des Verblendens und Verblödens.
Was die “Welt” da heute auftischt, schwitzt schon ideologische Verzweiflung aus. Ein “Segen” sei der neue Sklavenmarkt aus Leiharbeit, Arbeitszwang und Hungerlöhnen. Der ökonomische “Erfolg” der Lohndrückerei wird anhand unbelegter, erlogener und wirr interpretierter Zahlen als die übliche Brühe serviert. Soweit kann man sich das Lesen wie immer sparen.
Bemerkenswert merkbefreit ist allerdings das Totlachargument, mit dem den glücklichen Sklaven der Segen vom Kloster Axel Cäsar erteilt wird:
“Arbeit ist ein Wert für sich. Studien zeigen: Menschen, die arbeiten, sind glücklicher als Menschen, die arbeitslos sind. Selbst wenn es nur ein Ein-Euro-Job ist – sie werden wieder gebraucht.”
Arbeit macht glücklich, egal welche. Wer nicht arbeitet, muß auch nicht essen, wird verhetzt und zum Parasiten erklärt. Wer sich der Knute beugt, sich ausbeuten läßt und sich ohne jede Hoffnung auf ein Leben ohne Kummer abstrampelt, ist ab sofort glücklich.
Es wäre nicht das Schlechteste, wenn dieser Herrenmenschenzynismus in Zukunft wieder exklusiv bei Springers seine Heimat fände. Dort waren sie schon immer braun.
Der Rest der Medienwelt darf jetzt ein einträgliches Geschäft in lautem Fremdschämen suchen. Das sollte doch machbar sein.
Januar 14th, 2010 at 00:12
Die Welt musste unterdessen die weisse Flagge hissen und hat die Kommentarfunktion deaktiviert. Auch kleine Siege muss man feiern.
Januar 14th, 2010 at 01:16
Komisch ist nur, das nur Menschen wie der Herr Stefan von Borstel, die weder Armut kennengelernt haben noch für Gotteslohn arbeiten würden, solche Meinungen verbreiten.
Januar 14th, 2010 at 05:25
Der Artikel der ‘Welt’ ist nichts anderes als ein Revolutionsbarometer. Schön, die Kommentare dort zu lesen. Geht doch noch was? Ich hol schon mal die Axt!
Januar 14th, 2010 at 05:58
Demnaechst wird wohl noch gefordert, dass die LIDL-Kassiererinnen fuer die Wohltat, die ihnen mit der Erteilung eines Lebenssinnes zuteil wird, Unkostenbeitraege entrichten, anstatt auch noch Lohn zu erwarten.
Eine tolle Welt
Januar 14th, 2010 at 07:37
Ich glaub ich geh zu meinem Chef und sag ihm ich brauch kein Gehalt mehr. Arbeit reicht aus, danke liebe “Welt”.
Januar 14th, 2010 at 07:56
Na da fehlt nur noch die Idee, dass man die ALG II Empfänger glücklich machen will und sie deshalb in Arbeitslager schickt……
Januar 14th, 2010 at 08:07
Da muss jetzt aber die Geschichte komplett umgeschrieben werden. Auschwitz und der Gulag waren nichts anderes als große sinnstiftende Beglückungsaktionen.
Januar 14th, 2010 at 08:11
Als ich 1979 mein Volontariat absolvierte, hieß es noch allenthalben: RedakteurIn ist ein krisensicherer Job, es gibt –zigmal mehr freie Stellen als geeignete Journalisten, Leute, die schreiben können, werden immer und überall gefragt sein, und wer wider Erwarten nicht als AuslandskorrespondentIn Karriere machen würde, könne sich immerhin in Werbung und PR eine goldene Nase verdienen.
Kurz und gut: Eine glänzende Zukunft lag vor uns, mit reichlich Arbeit und Verantwortung, gewiss, aber auch mit Firmenwagen, Eigenheim und kostspieligen Hobbies. Selbst wenn (jawoll, das kam sogar damals schon vor) ein Kollege wegrationalisiert wurde, so verkündete er bei der Abschiedsfeier frohgemut, nach dem Stress der letzten Jahre freue er sich auf diese Auszeit und werde sie nutzen, seinen längst konzipierten Schlüsselroman endlich zu Papier zu bringen. „Wer schreibt, der bleibt!“.
Jetzt aber, da für die Stefane und Tobiasse, die seinerzeit erst ein sanfter Glanz in den Augen ihrer künftigen Mütter waren, der 30. Geburtstag bedrohlich näherrückt und sie allmählich an Familiengründung und Häuslebau denken, hat sich die Welt brutal gewandelt. Mag sein, dass die Bezahlung im Hause Springer bislang noch relativ üppig ausfällt. Doch dauerhaft ist darauf kein Verlass, was eine langfristige Lebensplanung entsprechend erschwert.
Da singt man halt das Lied der Firma, deren Brot man (Gott sei Dank noch!) essen darf, ganz besonders laut und schrill, in der (wie Flatter selbst schon heraushörte) VERZWEIFELTEN Hoffnung, man mache sich auf diese Weise unentbehrlich. Denn mit Rechercheaufwand, kritischem Denken oder gar Gegen-den-Strom-Schwimmen sägt man ja nur an dem Ast, auf dem man sitzt. Als würde der sich nicht ohnehin schon bedrohlich abwärts biegen!
Den unbefangenen Leser erinnert so ein beflissenes Geschleime natürlich eher an das Pfeifen im dunklen Wald, mit dem der Angsthase sich Mut macht. Wer weiß, womöglich wird Stefan von Bostel schon eher, als ihm lieb ist, die Probe aufs Exempel machen dürfen – und feststellen, dass Arbeit (wie er insgeheim schon vermutet hat, auch wenn er’s in der Öffentlichkeit nie zugegeben hätte) bei entsprechender Bezahlung halt doch viiiel mehr Freude macht als gratis und franko.
Januar 14th, 2010 at 08:14
Wie kann man erklären, dass so ein Müll gedrückt wird?
Sind der Verfasser, die Redaktion und der Chefredakteur alle total verblödet, fängt man schon ab Mittag mit dem Einwerfen irgendwelcher Drogen an, gibt es Redaktionsspenden aus der freien Wirtschaft, gibt es bereits ein Schreibprogramm vom großen Bruder, welches solche Artikel schreibt, wird so ein Mist in Ungarn geschrieben und nur falsch übersetzt…????
Zumindest kann man an solchen Artikeln gut erkennen, dass eine Bildungsoffensive nicht wirklich angestrebt wird, ansonsten müsste man beim Verfassen solchen Blödsinns mit ernsthaften Konsequenzen rechnen.
Auf blöd.de darf ja heute auch so ein christlicher Pope Lebensweisheiten zum Besten geben:
3. Prüfe dein Denken!
Wir sollen prüfen, was wir denken, wie weit wir uns mit unseren Gedanken selbst schaden. Entspricht unser Denken der Wirklichkeit oder verfälschen wir die Realität? Woher nehmen wir die Deutung der Wirklichkeit? Wenn ich meinen Beruf und meine Arbeit negativ deute, als Ausbeutung, als langweilig, als Überforderung, werde ich sie auch so erleben.
Existiert ja alles nur in unserer Einbildung, wir dummen Menschen wir…..
Januar 14th, 2010 at 11:08
Woran erinnert mich das???
Wartet… ich komm’ noch drauf…
Arbeit macht… ???
FREI!!!
Das war’s
Jetzt muß ich nur noch rausfinden WO ich das schon mal gelesen haben… :D
Januar 14th, 2010 at 11:08
Arbeit macht glücklich
Dieser Weltartikel gibt nur das wider, worauf sich die Agenda-Verfechter neuerdings eingeschworen haben. Weil es keine Erfolge und keine Argumente mehr pro Agenda 2010 vorzuweisen gibt, macht jetzt eben Arbeit allein die Menschen glücklich.
Wollen wir mal sehen, wie das Verfassungsgericht darüber entscheidet.
Januar 14th, 2010 at 11:37
Alle im Springerverlag sind auf die eine oder andere Weise ehrenamtlich tätig.
Döpfner kümmert sich sehr rührend um Friede Springer.
Schöne Altersliebe.
Januar 14th, 2010 at 11:53
Nur mal so, abgesehen von der Unwürdigkeit der 1-Euro-Jobs: ich traf gestern meinen ehemaligen nachbarn, der mittlerweile als ergotherapeut in diversen altenheimen tätig ist. er meinte, es gäbe sehr qualifizierte und engagierte 1-euro-helfer. die wären nach einem halben jahr aber wieder weg und dürften zuhause wieder däumchen drehen. und dann kämen andere ein-euro-helfer, die wenig bis gar nicht in diesen job passen. er wollte damit sagen: wenn man im heim mal gute leute hätten, würden die eben nach einem halben jahr mechanisch, automatisch ausgetauscht.
mein vorschlag wäre gewesen, man gibt den hartz-IV-empfängern arbeit im rahmen der tariflöhne, das wären beispielsweise für 600.– euro im monat 20 oder dreißig stunden arbeit ….
aber allein das wäre schon selektion. die einen sind erwählt, von ihrer arbeit leben zu können, und die anderen nicht.
Januar 14th, 2010 at 12:23
Selbst die TAZ stieß bereits am Montag in das gleiche Horn:
https://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/die-motivationsbremse/
Der Wahnsinn hat Methode, worauf also sollen wir vorbereitet werden?
Vor kurzem unterhielt ich mich mit dem Vater eines Freundes (über 70, ehemaliger Bergmann und DKP Mitglied) der sagte: Wenn man sich wie früher seine Stütze in bar auf dem Postamt holen müsste wäre die Revolution schon ausgebrochen. Weil man sich trifft, über die Zustände redet und zu gemeinsamen Aktionen verabreden kann.
Heute muss man ja noch nicht mal mehr aus dem Haus um seine Geschäfte zu erledigen. Und die Dauerberieselung via RTL hält hält die Masse auch noch dumm.
Januar 14th, 2010 at 12:29
man muss die überschrift des artikels in der welt als ganze sehen und lesen:
>>Niedriglöhne, Hartz IV und Zeitarbeit sind ein Segen<>Dietrich Paul konnte mit den Leuten, die ihm das Arbeitsamt geschickt hatte, wenig anfangen. Auf dem Feld hat er sie gar nicht erst eingesetzt. Dafür war ihm die Ernte zu kostbar. Und für das Packen von Paletten für den Großmarkt in Hamburg brauchten die Deutschen vier Mal so lange wie ihre polnischen Kollegen.<<
https://www.welt.de/welt_print/article804902/Erntehelfer_verzweifelt_gesucht.html
Leute vom Arbeitsamt dürfen die Ernte nicht anfassen, weil sie dem Bauern zu kostbar ist.
Daß hier das Problem an der Inkompetenz der Vermittler liegen könnte, wird gar nicht erst in den Blick genommen. Wenn ich körperlich ungeübte Leute zu einem Knochenjob schicke, kann daraus ja auch nichts werden. Die Nachricht bzw. Botschaft lautet nicht: Arbeitsamt schickt körperlich Ungeübte zum Spargelstechen, sondern: Deutsche Arbeitslose sind durch die Bank weg ungeeignet zum Spargelstechen. Noch nicht einmal das können sie.
Ein Freund von mir war im Betriebsrat eines Verlages tätig. Im Verlag selber so an die vierzig Jahre. Er meinte, schon in den frühen siebziger Jahren wäre das Arbeitsamt nicht in der Lage gewesen, die passenden Leute auf eine bestimmte Stelle zu vermitteln.
Um noch einmal auf das Beispiel mit den 1-euro-leuten in den altenheimen zurückzukommen, so läßt sich sagen, dass bei den vermittlern und schon bei den gesetzgebern das prinzip quantitativer kritierien gilt: nach einem halben jahr muß einer ausgetauscht werden, wobei es keine rolle spielt, ob dieser eine qualifiziert und der nachfolgende unqualifiziert ist.
die nichtqualifikation fängt schon beim gesetzgeber an und setzt sich bei den arbeitsvermittlern fort. von ausnahmen einmal abgesehen.
Januar 14th, 2010 at 12:54
[...] Geheimrätins Archiv « Agenda 2010 Sex macht glücklich Januar 14, 2010 oder Frauenförderung im Zeichen der Zeit WELT: [...]
Januar 14th, 2010 at 12:59
Ein erhellender Report der ARD, die Armutsindustrie
Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=9XFFV9rb5w8&eurl
Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=6G42fU8Vsn4&feature=related
Teil 3: https://www.youtube.com/watch?v=MtLqFUj-nGw&feature=related
wurde schon nebenan beim SF geposted.
Januar 14th, 2010 at 14:49
Wegen den 1-Euro-Jobs und deren zeitlicher Befristung:
Bitte bedenken, Ziel der Agenda2010 war es, neben dem Kriterium den Sozialstaat kaputt zu machen und die Massenlöhne nach unten zu prügeln, die Langzeitarbeitslosenquote zu senken.
Dabei zählen dann die 1-E-J wie normale Beschäftigungsverhältnisse was sich statistisch positiv bemerkbar macht in dem die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinkt.
Und das wird ja zunehmend kommuniziert von entsprechenden Stellen, das ohne Reformen die Anzahl der Langzeitarbeitslosen viel höher läge, was gefühlt mindestens zum Staatsbankrott wenn nicht gar zum Weltuntergang geführt hätte.
Nachdem sonst ob der normativen Kraft des faktischen so ziemlich alles argumentativ in die Hose gegangen ist, ist dies der letzte statistische Strohhalm um die Agenda 2010 zu verteidigen.
So ein ideologisches Gelalle wie von Borstels entbehrt ja jeder empirischen Grundlage.
Januar 14th, 2010 at 14:49
Mit diesem Artikel (Link von Kowalski / 14) hat sich die TAZ endgültig für mich erledigt. Es ist eine gute Sache, daß der Druck auf die Arbeitslosen gewachsen ist, ja?
KONKRET hat schon recht, wenn es in der aktuellen Ausgabe BILD mit TAZ vergleicht und zu dem Schluß kommt, daß die sich nicht wirklich unterscheiden …
Januar 14th, 2010 at 14:50
Nachtrag:
@Alvar: es war wohl ein erklärtes Ziel, die Zahl der Langzeitarbeitslosen zu drücken, aber ich glaube nicht, daß die Chefideologen das wirklich wollten oder wollen. Je mehr Arbeitslose, desto mehr Druck auf die Arbeitenden. So will man das.
Januar 14th, 2010 at 15:04
@Flying Circus
Die Realität:
Langzeitarbeitslosenquote senken = Langzeitarbeitslosigkeit umdefinieren!
Und ja, die wollten das wirklich!
Denn jeder Langzeitarbeitslose, der vorher schlicht in Ruhe gelassen wurde und nun wieder in das System zurück gepresst wird, erhöht den Druck auf den Arbeitsmarkt.
Januar 14th, 2010 at 16:16
Und das nichterklärte Ziel der Agenda 2010 ist, den Gewerkschaften und den Noch-Arbeitsplatzbesitzern den Schneid abzukaufen, gegen Lohnkürzungen aufzumucken…
Mission accomplished!
Januar 14th, 2010 at 17:29
ralf
den gewerkschaften muss keiner den schneid abkaufen. die funktionäre interessiert zwar die zahl ihrer mitglieder, wegen ihrer gehälter, die lage ihrer arbeitnehmer ist ihnen aber scheißegal, sonst hätten sie den schon jahrzehnte dauernden lohnrückbau nicht mitgemacht.
und zu springer und den wissenschaftler:
nicht mal selbst ausgedacht haben sie sich den quatsch. bin kein bekennender christ, aber ein gewisser luther hat schon während der bauernkriege erzählt: der knecht soll freudig bei der arbeit sein, auch wenn ihm der herr keinen lohn zahlt(nichrt wörtlich, aber sinngemäß).
Januar 14th, 2010 at 21:28
Wie Gewerkschaften denken kann man nun am Beispiel von Bremen/Bremerhaven sehen.
https://www.radiobremen.de/fernsehen/buten_un_binnen/index.html
Hafenarbeiter im Zorn!
Januar 15th, 2010 at 00:39
Und auch unser Freund Michi Hüther ist wieder im Fernsehen.
Tja, wird wohl wieder nix mit Lohnerhöhung liebe Arbeitnehmer, Arbeitsplatzsicherung geht vor.
Und im Zweifelsfall exportieren wir eben unsere Warenberge auf den Mars, wenn den Kram sonst keiner will.
Januar 15th, 2010 at 16:29
[...] Welt-Online-Verblödung [...]
Januar 15th, 2010 at 16:31
[...] Erdmann [Feynsinn] … Springers glückliche [...]
Januar 17th, 2010 at 17:58
[...] die Spitze der Offensive der Rechten gegen Arbeitslose hat sich nach der “Welt” jetzt Roland Koch gestellt, der Arbeit als “Abschreckung” für Langzeitarbeitslose [...]
Januar 17th, 2010 at 20:23
[...] die Spitze der Offensive der Rechten gegen Arbeitslose hat sich nach der “Welt” jetzt Roland Koch gestellt, der Arbeit als “Abschreckung” für Langzeitarbeitslose fordert. [...]
Februar 4th, 2010 at 23:53
[...] Ein frischer Wind ist das zwar noch nicht, aber der übelste Gestank konzentriert sich wieder auf den Halden, die schon immer den gärenden Müll von vorgestern gepflegt haben. Dieses Werk ist [...]