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Februar 2010


Er trägt Mantel und Anzug von Hugo Boss. Seine leichte Champagnerfahne mischt sich mit dem Geruch schweren Parfums. Als er von der Willy-Brandt-Straße in die Brandstwiete einbiegt, sieht er die junge Frau mit den grell gefärbten Haaren und dem Piercing. Wie aufgescheucht rennt er auf sie zu, schlägt ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Der Siegelring hinterläßt tiefe Striemen.
“Du Scheißschlampe”, brüllt er, “es ist elf Uhr. Hast du keine Arbeit oder was? Wie du schon aussiehst! Kein Wunder, wenn du keinen Job findest. Früher hätten wir dich…”

Die sogenannten “Streifenbeamten” erleben das immer wieder hier, rund um das Verlagshaus des “Spiegel”:
“Die Redakteure dort sind sehr engagiert für den Sozialsstaat. Da gehen die Pferde mit ihnen öfter schon mal durch, wenn sie auf Leute treffen, die arbeitslos sein könnten.”
Die junge Frau hält sich ein Taschentuch vors Gesicht. “Ich bin doch gar nicht arbeitslos”, stammelt sie entsetzt.
“Dann sollten Sie besser nicht so herumlaufen wie die Asozialen”, rät die Beamtin, “nicht in dieser Gegend!”

Was man so hört von den entschlossenen Wachstumsmagiern der Eigenbedarfsliberalen ist eine Sache. Während die Hetze gegen hiesige Wohlstandsverweigerer aufgeregt kommentiert wird, als gelte es, “den Sozialstaat zu retten”, wird mit der wirklich bitteren Armut ein stilles Geschäft gemacht, das die ganze Herzlichkeit des endliberalen Menschenbildes offenbart. Ein großes Herz für Vettern haben sie und zeigen den blöden Gutmenschen, die partout nicht kapieren wollen, worauf es ankommt in der Politik, die lodernde Arschkarte.

Nachgerade rührend ist es, von jemandem wie Dirk Niebel “ein Gesamtkonzept” zu fordern. Er hat es lange vor der Wahl offengelegt, nur in der Durchführung gestaltet sich das überraschend anders als vermutet. Er wollte das Entwicklunsghilfeministerium abschaffen. Daß er nun selbst dessen Chef geworden ist, ist nur seiner Bemühung um Nachhaltigkeit geschuldet – die ja gute Entwicklungspolitik auszeichnet. Er will und wird sie vollständig ruinieren. Und ganz nebenbei für Wachstum in den Haushaltskassen seiner Parteifreunde sorgen. Wenn der Laden schon einmal da ist, ist es nur opportun, ihn als Versorgungspiste zu nutzen. Ein rundum gelungener Coup der Partei freier Plünderer, denen der Staat noch nie zuviel war, wenn er die Richtigen überbezahlt hat.

Der Neger und die anderen Lumpenträger in den unsicheren Reiseländern wissen es eh nicht zu schätzen, wenn man ihnen das Schicksal der Unfitten in der Evolution erspart. Wenn sie wirklich wollten, fänden sie auch Arbeit und würden nicht den ganzen Tag rumhängen und darauf warten, daß jemand sie abholt. Angewandte Eigenverantwortung ist das Konzept. Je weniger jemand vom Helfen weiß und je weniger er sich vom Gutmenschentum in seinen ökonomisch orientierten Entscheidungen beeinflussen läßt, desto professioneller wird er handeln. Daher ist Niebels Personalpolitik, die im Jenseits aller bisherigen Vorstellungen von Kompetenz angesiedelt ist, nur konsequent. Es wird Platz geschaffen für die Überlebenden. Denn auch in der Dritten Welt gilt: “Wer den Sozialstaat überfordert, zerstört ihn“‎.

Der Mißbrauch von Kindern durch katholische Priester ist aufgeklärt. Es war der Antichrist. Er hat die sexuelle Revolution über die Erde gebracht, in deren Zug auch Geistliche kontaminiert wurden. Satan ist mächtig. Nicht nur, daß seine Ideen bei denen auf besonders fruchtbaren Boden fielen, die sie rundherum ablehnen – sie wurden gerade von diesen in besonders abartiger Weise und rückwirkend in Schandtaten umgemünzt. Waren womöglich gar die Klosterschulen und Stifte die Brutstätten der 68er? Hier, wo die Perversion schon immer zuhause war, heimlich und still?

Was Mixa deliriert, zeugt von einem derart zerstörten Intellekt, daß man sich nicht lange mit dem Inhalt seines Lamentos befassen muß oder dem ernsthaft entgegentreten. Interessanter ist schon die Frage, wie halbdebile Zwangsopfer in ein höheres Management, hier das der katholischen Kirche aufsteigen können. Was muß jemand leisten, um an einen solchen Posten zu kommen? Und wenn man sich die Frage ehrlich beantwortet hat, bleibt noch die, wer die Träger solcher “Würde” noch öffentlich zitiert. Wenn das die Vertreter Gottes auf Erden sind, dann ist eines schon mal geklärt: Er muß hirntot sein.

Ein wenig kann man dennoch darüber spekulieren, wie die bunte Tante Mixa auf seine Idee kommt. Ganz offensichtlich ist natürlich die Sündenbockfunktion: “Ganz sicher nicht unschuldig” sei die “sexuelle Revolution”. Irgendwer ist immer schuld, und man sieht sie schon brennen, die linken Ketzer und Lüstlinge. Politisch paßt’s auch, schließlich sind sie, das ist auch Konsens der Neoliberalen und Konservativen, für alles Schlechte verantwortlich, die “Linken und 68er”, expressis verbis.

Tief hinein in den Schlund der katholischen Hölle zeigen aber die drei Finger des Vorwärtsverteidigers, die nicht auf andere weisen. Wenn in Sachen Sex sich rund um ’68 eines geändert hat, dann ist es Öffentlichkeit. Selbst die Kinderschänder, die sich ermutigt fühlten, ihre Opfer auch noch zu Tätern zu machen, indem sie von “kindlicher Lust” schwadronierten, haben dazu beigetragen, daß über Mißbrauch gesprochen wird. Das ist es, was dem Moralzombie so gar nicht in den Kram paßt: Er kriegt den Deckel nicht mehr drauf.

Jakob Augstein äußerst sich zum Journalismus, wie er sein sollte und nimmt eine äußerst sympathische Haltung ein, von der ich hoffe, daß er sie beim “Freitag” auf lange Sicht etablieren kann. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis der Journalisten zu Politikern, von dem Augstein sagt, es sei am besten gar keins, man sollte “Fremder” bleiben. Andere sehen das nicht nur anders, die hauptstädtische Realität des Schulterklopfens wird vielmehr gepflegt und verteidigt von Elitejournalisten, die sich in einer “win-win” Situation wähnen. Das kann man so sehen, denn die einen werden mit Exklusivinformationen versorgt, die bares Geld wert sind, die anderen müssem Kritik nicht wirklich fürchten, weil sie sich erfolgreich dagegen abschirmen.

Was dabei verliert, sind Wahrheit, Transparenz, Demokratie. Und ganz en passant natürlich ein Journalismus, der seine Qualität in gerade diesen Bereichen einmal gefunden hatte. Augstein Senior stand protoypisch für diesen, der noch von Journalisten und Demokraten geprägt wurde, nicht von Parteigängern und Umsatzzielen. Das hat sich gründlich geändert, und wie dumm eindimensionales Gewinnstreben sein kann, zeigt sich nirgends so deutlich wie hier. Die Qualität der Springerpresse lag noch nie in dem, was sie “Berichterstattung” oder “Kommentar” nennt. Verkaufen lassen sich ihre Produkte gleichwohl. Wenn inzwischen beinahe alle diesen Antijournalismus für seligmachend halten, bleibt nach dem Ethos auch noch die wirtschaftliche Substanz auf der Strecke. Das hat mit einer Online-Revolution herzlich wenig zu tun.

Eine Lösung ist vor allem deshalb nicht in Sicht, weil die Medien von selbsternannten Leistungträgern für vermeintlich Ihresgleichen gemacht werden. Jakob Augstein bringt das auf die Formel:
Der soziale Aufstieg hat die Journalisten selber in die herrschende Klasse gespült: Ihre Kinder besuchen die selben Schulen, sie wohnen in den selben Vierteln, sie gehören zu den selben Clubs“.
Und sie behandeln ihr Fußvolk dementsprechend: Als Kostenfaktoren, Befehlsempfänger und Contentarbeiter. Sie betrachten Absatzeinbrüche als Kostendruck, anstatt sich um höhere Qualität zu bemühen. Sie halten sich für unangefochtene “Gatekeeper”, die ihre unmündigen Leser mit preiswerten Informationshäppchen versorgen. Ihre Werbung sagt, das sei schmackhaft und gesund, und wenn der widerspenstige Kunde das nicht goutiert, dreht man ihm dasselbe in einer neuen Verpackung an. An dem Zutaten muß dafür noch ein wenig mehr gespart werden.

Die Meinungsbürokratie der Karrieristen ist nicht nur undemokratisch und der Tod jeder relevanten Kritik, sie ist obendrein auch muffig wie das Aktenarchiv im Finanzamt. Bezeichnender Weise werden Skandale nicht mehr von Journalisten aufgedeckt, sondern von Politikern ganz offen produziert. Es wird nicht mehr mühsam ans Tageslicht gefördert, was die Herrschaft verschämt in ihren Kellern versteckt, sondern eifrig mitgeschrieben, was sie ungehemmt verkündet.

Wo sind Mut und Lust, die Suche nach der Wahrheit, die Idee von einer besseren Welt geblieben? Wen soll dieser Betrieb zum Lesen animieren? Ein böser Demagoge sagte einmal:
Wenn wir uns selbst begeistern, dann können wir auch andere begeistern.” Damit meinte er freilich nicht eine losgelassene Eitelkeit, die in arroganter Verachtung endet, verendet sind dennoch seine Partei und die schreibende Zunft gleichermaßen. Daß ihm längst der blanke Hass des Establishments aus Politik und Medien entgegen schlägt, ist die Ironie des gegebenen Zustands.

Wer Journalist werden will, sollte sich Kurt Kister oder Diogenes von Sinope zum Vorbild nehmen. Wem die Majestät die Hand reicht, der sollte noch den kleinen Finger ausschlagen. Wer will, daß dieser Beruf ernstgenommen wird, muß Unabhängigkeit fördern und leben. Und wer nicht völlig der Idiotie des selbstverschuldeten Sachzwangs erlegen ist, sollte erkennen, daß die Zukunft der Zeitung in solcher Unabhängigkeit liegt.
Sollte, könnte, müßte. Es wird wohl anders kommen. Die Schuldigen wird man schon irgendwo finden.

Das Geschrei ist groß. Der Herr Westerwelle, der nicht wirklich weiß, was er tut, hat ein wenig gebellt, und die Reaktion ist ein großes Jaulen. Ich behaupte, er wisse es nicht, weil er stets für sich selbst und seine Klientel das Beste wollte und jetzt wild herumpöbelt, weil er das nicht mehr unter einen Hut bringt. Gegen faule Parasiten zu hetzen, hatte bis vor kurzem noch gereicht. Inzwischen ist das komplizierter geworden, und es war offenbar nicht so klug, noch einen drauf zu setzen und das in einen historisch depperten Kontext zu texten. Er hätte gleich sagen können, HartzIV sei schlimmer als der Überfall auf Polen oder alle Arbeitslosen seien Nazis.

Wo das Ressentiment nicht zündet, legt er Plattitüden nach und fordert empört, wer arbeite, müsse doch mehr verdienen als wer nicht arbeite – und garniert das wie üblich mit falschen Zahlen. Angeblich geht es ihm darum, den Abstand zwischen Existenzminimum und Löhnen zu erhöhen. Ja wer will das denn nicht? Jeder weiß auch, was daraus folgt: Daß nämlich die Löhne erhöht werden müssen, und zwar anständig. Alles andere würde nämlich in der statistisch unerhört reichen Sphäre der Industriestaaten zu Hungerrevolten führen oder alternativ in eine Diktatur, die sich darauf gleich einrichtet.

Wenn das Ressentiment nicht zündet

Nein, noch muß man nicht verhungern. Aber das Konzept der Westerwelles würde dorthin führen – es sei denn, man richtete staatliche Armenküchen ein. Das kann nicht der Plan sein, denn wenn sich die so Verarmten dort zusammenrotten, kippt das System, von dem die neoliberalen Amokläufer leben.
Wie soll das gehen, daß fünf Millionen Arbeitslose entweder von Mitteln leben, die weit unterhalb von Niedriglöhnen liegen oder zur Aufnahme von Arbeit gezwungen werden, die es nirgends gibt? Einen staatlich finanzierten Arbeitsmarkt für alle diese Menschen lehnt doch gerade die FDP ab, “weniger Staat” wäre das ganz sicher nicht. Es gibt bereits Löhne teils deutlich unter 5 Euro pro Stunde, es gibt “Ein-Euro-Jobs”, und dennoch wäre bei erfolgreicher Besetzung aller freien Stellen gerade einmal jeder zehnte Arbeitlose beschäftigt. Und was kommt dann?

Selbst die optimistischste Vorstellung eines Beschäftigungswunders kommt nicht aus ohne Menschen, die sich von ihrem Einkommen Waren und Dienstleistungen kaufen können. Wie soll das gehen, wenn die Masse immer weniger Geld zur Verfügung hat? Wie soll das gehen, wenn noch Mindestlöhne Tabu sein sollen, von denen weitere Millionen Geringverdiener kaum selbst über die Runden kommen? Wie soll angesichts anstehender massenhafter Altersarmut in einer überalterten Gesellschaft ein Markt funktionieren, wenn immer mehr Menschen weniger ausgeben können?

Marktwirtschaft, zu Tode gefördert

Flankiert wird dieser größte anzunehmende Schwachsinn durch eine von Neoliberalen zu Tode geförderte Marktwirtschaft, die Produktion und Dienstleistungsgewerbe ausblutet, weil “Investoren” glauben, ein losgelassener Finanzmarkt allein sichere Reichtum. Gewinnerwartungen im zweistelligen Bereich werden von Vollpfosten in Nadelstreifen nach wie vor geweckt, und wer versucht, stattdessen real unternehmerisch tätig zu werden, wird mit der Eselsmütze ums Bankenviertel geprügelt. Schuld sind, man möchte spucken vor Lachen, zu hohe Löhne und faule Arbeitslose?

Nehmen wir einmal an, jeder Arbeitslose würde unter Androhung der Todesstrafe dazu gezwungen, für Wasser und Brot eine Vollzeitstelle anzutreten. Was sollten diese Leute machen, um auch nur höhere Gewinne für Superreiche zu ermöglichen? Na, dämmert’s? Wie viele Putzfrauen, Frisöre und Maler braucht ein Leistungsträger? Wie viele Autos kann er fahren? Wir bauen euch das alles, Jungs und putzen eure Karren mit der Zahnbürste. Und dann rafft ihr immer noch nicht, wieso die Immobilienpreise weiter sinken und kein Schwein mehr Aktien kauft?

Koks gegen Kater

Zuerst bräuchte man natürlich die eine oder andere Verfassungsänderung, denn selbst das kochgewaschene und gefriergetrocknete Hirn des Wählers zwänge ihn bald dazu, den Stand der Abgehobenen mit Bonusmeilenrabatt nach Dubai auszuweisen. Der Sturzflug ist im vollen Gange, der Kater hat selbst die sturztrunkenen Wähler solcher Wirtschaftskompetenz schon so kurz nach der Wahl voll erwischt. Gut, wenn sie sich wenigstens schämen. Den Wirtschaftskriegsgewinnler Westerwelle hingegen ficht das nicht an, denn er kann sich den Koks leisten, der ihn zu seinen jüngsten Heldensprüchen ermutigt.

In der Tat erfüllt sich in diesen Tagen meine erste Hoffnung, die ich in eine siegesbesoffene FDP gesetzt habe. Sie machen sich mit ihren debilen Planspielchen vom ewigen Aufschwung auf Kosten der Massen derart lächerlich, daß selbst die geübten Schönschreiber der kürzlich noch gleichgepolten Presse nicht mehr wissen, wie sie das noch dem Stimmvieh ins karge Futter mischen sollen. Die einen hetzen darum noch primitver, die anderen wenden sich ab oder liefern lustlos ausgewogene Leere.

Fauxpas zur Lage der Nation

Den Freudschen Fauxpas zur Lage der Nation hat der Guy d’Eau mit seinem Dekadenz-Gefasel selbst geliefert. Man sollte ihm dafür dankbar sein. Das neoliberale Imperium geht seinem Untergang entgegen, weil der Pöbel nicht mehr zu kontrollieren ist. Wer führt schon Krieg für widerliche Despoten und ihre Hofschranzen, die sich in ihren Marmorhallen Champagner-Einläufe kredenzen lassen und lauthals die Sklaven verachten, die ihnen den Hintern wischen? Woher nehmen wir auf Dauer die willigen Helfer, die Ihresgleichen erschlagen, um dieser Majestät weiterhin dienen zu dürfen?

Wenn alles andere “Sozialismus” ist, gebührt Guido Westerwelle noch einmal Dank, von Seiten aller anderen, die sich nunmehr als Sozialisten betrachten dürfen, vor allem aber von denen, die sich schon immer so nannten. “Sozialismus oder Tod” ist das Motto, vorgegeben vom Ikarus des dümmsten “Liberalismus” aller Zeiten. Er hat zu früh gebrüllt. Die Zustände, die er will, sind nicht herstellbar. Noch sind wir nicht schon wieder so weit.

Wenn das kleine Fräulein Hegemann von Kotze und Fotze schwadroniert und es sich dann herausstellt, daß es nicht ihre Kotze war und auch nicht ihre Fotze, die sie literarisch, in Buchstaben also, verkaufte, sondern sie mietnomadenhaft weiter vermietete, dann nennt das Fäuleton sie “talentiert”. Wenn sie weiterhin sich selbst als nicht gegeben, nicht einmal übergeben betrachtet, ist sie in der Tat auf der geistigen Höhe des Betriebs. Was Helene nicht in der Birne hat, ist das Zeug zum Bestseller.
Die Verwertungskette ist es, so lernen wir, die das Qualitätsprodukt ausmacht, ganz unabhängig von Inhalt und Urheber. Oder soll man vielleicht Blogtexte kaufen, von einem Verbrecher womöglich, um literarische Wohlstandskinder zu enterben? Wollen wir, daß die deutsche Literatur in die Schweiz auswandert? Kann die Schweiz das wollen?

Sie ist erst siebzehn. Der Markt braucht Siebzehnjährige, die nicht nur selbst breitbeinig die Phantasien anderer plakatieren, sondern jede Form brutaler Vergewaltigung, Vernichtung und Selbstzerstörung anpreisen. Wie gut, wenn es eine erledigt, der es dabei gut geht. Es würde mir Schwierigkeiten bereiten, dabei zuzusehen, wie einer Sechsjährigen bei vollem Bewusstsein gleichzeitig mit kochendem Schwefel die Netzhaut ausgebrannt und irgendein Schwanz in den Arsch gerammt wird, und danach verblutet sie halt mit weit geöffneten Augen auf einem Parkplatz. Aber ich bin keine siebzehnjährige Prinzessin, die nicht einmal liest, was unter ihren Namen verhökert wird.

Die Diskussion über Urheberrechte ist soweit überflüssig, wie die Autorin keine ist. Ihr für den zusammen geklauten Dreck ein Salär zukommen zu lassen, ist zwar unerhört illegitim, aber damit ganz normale Leistungsträgerschaft. Ihr Kniff, mit “ihrem Buch” nichts zu tun haben zu wollen, ist äußerst konsequent und eine Ironie, deren Feinheit in ihrer naiv-extremistischen Brutalität besteht. Auch diese Ironie hat mit ihr nichts tun. Sie ist eine Hure vom literarischen Babystrich. Davon weiß sie natürlich nichts.

Was sie nicht einkalkulieren konnte, sind die Konsequenzen, die sie selbst als Mensch betreffen werden. So sehr sie sich auch als Autorin negieren mag, Unperson sein will, so wenig wird sich das Fleisch abschütteln lassen, das sie zu Markte trägt. Es wird ihr Schwierigkeiten bereiten, daß ihr der Betrieb bei ausgeschaltetem Bewußtsein einen Schwanz in den Arsch gerammt hat. Dem Betrieb übrigens nicht. Der schreibt solche Verluste ab, wenn es zum Ärgsten kommt.
Bis dahin kann er sich auf Konsumenten verlassen, die kaufen, was angesagt ist. Und da die Qualitätsliteratur in einem Wettbewerb steht mit visueller Pornographie und anderen Special Effects der Filmbranche, muß halt die jungfräulich babyfickende Junkiedarstellerin her. Vorläufig noch ohne Ausschlag und Geschlechtskrankheiten, gut riechen soll sie ja und lächeln am Verkaufsstand. Die Kunden haben nämlich einen ästhetischen Anspruch.

Während die Frankfurter Rundschau permanent neue Details zu den unfassbaren Zuständen unter der Regierung Koch ans Tageslicht fördert, ist der Rest der Meiden desinteressiert, oder, was schlimmer ist, ausgewogen bis zur Tuntigkeit. Was die Zeit da in Form von fünf Fragen und der Veröffentlichung einer Mail von Kochs Nützling Peter Beuth veranstaltet, grenzt an Komplizenschaft. Wer so etwas unkommentiert und ohne Hintergundinformationen durchgehen läßt, muß ein Volltrottel sein, wenn er sich dafür nicht doppelt bezahlen läßt.

Es ist nur zu verständlich, warum Ypsilanti in Hessen nicht regieren durfte und von allen Massenmedien, die am Markt um Umsätze konkurrieren, niedergeschrien wurde. Sie hätte zu viele Leute mit zu viel Geld viel zuviel Geld gekostet. Wo sind nur die tapferen Hacker, die uns mit Daten aus der Bimbes-Schweiz, dem Handkäs-Liechtenstein versorgen? Man darf ja wohl nicht erwarten, daß die deutsche Exekutive an der Aufklärung der Verbrechen des Aufklärers von sich aus interessiert ist. Von der vierten Säule der Monarchie ganz zu schweigen.

Ich habe gestern gedacht, ich hörte nicht richtig. Die IG Metall unter ihrem Chef Berthold Huber gehe “ohne konkrete Forderung” in die Tarifverhandlungen mit Gesamtmetall. Die und ihr Chef Kannegiesser wiederum sind der Kern der INSM, des Flagschiffs neoliberaler Propaganda und fleißige Produzenten geistiger Stromausfälle.

Mit dem passenden Humor könnte man Kannegießer vorschlagen, seinen unerträglichen Think Tank dicht zu machen, das Geld dafür den Beschäftigten zu geben und im Gegenzug keine weiteren Lohnerhöhungen zu zahlen. Vermutlich wäre das noch ein Segen.
Huber erweckt aber nicht den Verdacht, über so etwas wie Humor zu verfügen, geschweige denn über das Rückgrat, seine Gegenüber damit zu konfrontieren, daß sie die erklärten Feinde jeder Arbeitnehmerschaft sind. Im Gegenteil scheint Herr Huber als Gewerkschaftsboß die zersetzenden Ideen des Neoliberalismus selbst zu vertreten. Nicht nur, daß er schon freiwillig um niedrige Löhne bettelt, er will doppelt verlieren, indem das bißchen, was vielleicht zu retten ist, dem Sozialstaat entzogen wird. Damit u.a. die Renten seiner Leute noch niedriger ausfallen, womit netto allein die Arbeitgeber entlastet werden.

Es ist im übrigen ja nicht nur so, daß der Herr von der Gewerkschaft, dessen weitere Karriere wir aufmerksam verfolgen werden, seinem Tarif-”Partner” in die rückwärtige Dunkelheit schlüpft und gegen die Interessen der Kollegen handelt. Kannegiesser, sonst vehementer Verfechter des freien Wettbewerbs, will von genau diesem nichts mehr wissen, wenn er dadurch Löhne drücken kann. Die Behauptung, es sollten Arbeitsplätze erhalten werden, ist ebenso abenteuerlich wie wettberwerbswidrig. Dem Betriebswirtschaftler geht es einzig darum, dieselbe Arbeit für weniger Geld machen zu lassen. Der Erhalt von Arbeitsplätzen kann ihm nicht nur wurscht sein, er müßte sogar ein Interesse daran haben, daß unrentable Stellen und Betriebe den Weg alles Irdischen gehen. Auf Kosten der Sozialsysteme und der Lohnempfänger Betriebe rentabel zu machen, die sich unter normalen Marktbedingungen nicht halten können, ist nur eine weitere Spielart der Ausbeutung. Eine volkswirtschaftlich besonders schädliche sogar.

Kannegießer und Huber ficht’s nicht an. Der eine lacht sich ins Fäustchen, der andere handelt ohnehin Bedingungen aus, die ihn nur am äußersten Rande betreffen.
Da haben sich zwei gefunden wie weiland Mehdorn und Hansen. Sie sitzen schließlich im selben Boot – Frauen und Kinder verlassen das sinkende Schiff dann ein wenig später.

Markus Horeld findet in seinem Artikel zum Hartz-Urteil des BVerfG bemerkenswerte Worte:

Nein, dieses Urteil fordert von der Politik vor allem eines ein: Demut. Demut vor dem Grundgesetz, Demut vor der Menschenwürde, Demut angesichts der beschämend langen fünf Jahre, in denen die jetzt kassierten Hartz-IV-Sätze Realität für Millionen Menschen waren.

So ganz falsch ist das nicht, im Gegenteil trifft es den Kern des Gegenteils der gängigen Sicht auf die Betroffenen. Es muß nicht gleich Demut sein, aber eine Abkehr von der kalten Arroganz und eine Idee davon, was es heißt, bedürftig zu sein, wäre ein guter Anfang. Aller Anfang in solchen Fragen ist übrigens immer noch Selbstkritik. Ein Wort zur Rolle der Medien wäre hier durchaus angebracht gewesen, denn es waren und sind wahrlich nicht allein “Politiker”, die jene Willkür in ihrem Tun und Urteilen haben walten lassen, die der Autor und die Verfassungsrichter zurecht beim Namen nennen.

Geselle Gnadenlos

Was ist das für eine Gesellschaft, in der nicht nur Armut verfassungswidrig gefördert wird, sondern den Betroffenen auch noch als Schande zur Last gelegt wird?
Wenn sich eine Untugend der Deutschen durch die Jahrhunderte erhalten hat, ist es die Gnadenlosigkeit, etwas Besseres sein zu wollen. Vom preußischen Militärkult über die mörderische Selektion der Nazis bis hin zur Beschimpfung der Wohlstandsverlierer hat sich das erhalten. “Wir” sind mindestens Weltmeister, und wenn das nicht klappt oder nicht reicht, suchen wir uns jemanden, der unter uns steht und den wir dafür anspucken können. Wer in der Hierarchie auf der Seite der Glücklichen oder Rücksichtslosen steht, darf sich hingegen der Zustimmung der Öffentlichkeit sicher sein – ohne Ansehen dessen, was er dafür getan hat. Jeder kriegt halt, was er verdient.

Irgend eine höhere Instanz, die das alles sanktioniert, gibt es immer. Der Kaiser, die Sekundärtugenden, der Führer, das Wachstum, die Globalisierung. Immer tun wir nur unsere Pflicht, handeln unter Zwang und können nichts dafür. Gerechtigkeit? Herzlichkeit? Solidarität? Tolle Ideale, wir kommen nur nicht dazu. Ein ander Mal vielleicht. Eine radikale Linke, die stets eine Solidarität im Hier und Jetzt als sozialdemokratischen “Verrat” erkannt hat, hat es fertiggebracht, sich in einen historischen Irrsinn hinein zu steigern, der im Stalinismus eine Orgie brutalst möglicher “Gleichheit” gefeiert hat. Sie hat sich noch immer nicht ganz davon erholt, wofür vor allem diejenigen Rechten verantwortlich sind, denen es kaum gelingt, ihre antidemokratische Gesinnung zu kaschieren. Für sie ist jeder ehrliche Linke, und sei er noch so friedlich, per se schlimmer als die Nazis. Eine durchschaubare, aber noch immer erfolgreiche Strategie. Das Ende ist immer dasselbe: Die Entsolidarisierung der Menschen.

Soziale Demokratie?

Als “Sozialdemokratisierung” wird nunmehr genau die Willkür und kontrollierte Armenhatz bezeichnet, die endlich als doppelter Verfassungsbruch geoutet wurde. Sie ist damit unbestreitbar ebenso undemokratisch wie unsozial. Damit bleibt der sozialen Demokratie, die heute so heißt, nur noch Feindschaft aus allen Lagern. Die Rechte, die “Konservativen” und die Reichen haben sie schon immer bekämpft, die Linke kann mit Recht von “Verrat” sprechen, und was die selbsternannte “Mitte” der Schröderianer von der Idee übriggelassen hat, ist eine bizarre Ruine.

Daraus gelernt wurde bis heute erbarmunsgwürdig wenig. Geht es um Politik, selbst wo sie nicht ihr Rückgrat gegen erlogene Wachstumsaussichten austauscht, wird nur nach Machtperspektiven gefragt. Bestenfalls feilscht man um ein Gericht auf der nächsten koalitionären Speisekarte zwischen dem Gammelfleisch und dem Brechmittel der Saison. Wer so arbeitet, frißt auch so. Dem Rest wird halt der Rest gegeben. Alles im Rahmen des Machbaren.

Was willst du, Mensch?

Der zynische Begriff “Bedarfsgemeinschaft”, einer unter so vielen, bringt das auf den Punkt. Die “Gemeinschaft” ist ein juristisches Vehikel, von dessen sozialer Basis nicht einmal mehr das Gerippe erkennbar ist. Der “Bedarf” ist das, was einer abkriegt. Die Bedürfnisse der Menschen haben ihren Platz gerade noch auf der Bedürfnisanstalt. Das Problem ist auf keiner der Vernunft zugänglichen Ebene ein wirtschaftliches. Es ist ein soziales. Die Erfüllung der Bedürfnisse scheitert an einer Idee des Sozialen, die erst wieder die Worte finden müßte, in denen sie einen Ausdruck fände. Hier hat der Wahn des Prestiges tabula rasa gemacht. Das Tischtuch ist zerschnitten, der Tisch wurde leergefegt, zum Altar der Eitelkeiten gemacht, privatisiert und zum Wohle des Wachstums dem Export überantwortet.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral? Während die Unterschicht sich zu Tode frißt, stolziert das willige Fleisch der Oberschicht als Magermodel übers Buffet der Sterneköche. Kotzen müssen am Ende alle. Ist es das, was du willst, Mensch?
Keiner von uns lebt vom Brot allein. Das Fressen können wir abhaken*. Kommt jetzt die Moral? Nein, davon haben wir reichlich. Sie ist ein Katechismus der Gnadenlosigkeit. Nach dem Fressen käme eine Menschlichkeit, die wir uns durchaus leisten könnten. Können wir endlich damit anfangen?

 
*p.s.: Ich beziehe mich auf die hiesigen Verhältnisse. Daß wir auf Kosten des viel größeren Elends in der Welt leben, ist eine Erkenntnis, die ich als bekannt voraussetze.

Der Geist der “Agenda” ist das, was sie ausmacht. Die kleinkarierten Kritiker der Hartz-Gesetze haben nicht verstanden, was Schröders Lebenswerk so groß macht. Das Genörgel über Regelsätze, Kinderarmut oder Lohnsklaverei verliert sich in den Details des Unterschichtslebens und verliert das Große Ganze aus den Augen.
Worum es geht, läßt sich anhand zweier Beispiele illustrieren:

Erstens ist da die Wahrnehnung der Schichtzugehörigkeit, an der kein Deutscher mehr vorbei kommt. Es sind nicht nur die PR-Kampagnen neoliberaler Thinktanks, die zur Unterteilung des Volkes in Leistungsträger und Sozialschmarotzer beitragen. Nein, ganz offenbar ist dieses Bewußtsein bereits tief verankert, fiel auf fruchtbaren Boden und stiftet Identität. Zu ersehen ist dies an den allseits anerkannten Attributen für diese und jene. So ist der Schmarotzer, Parasit, Minderleister ein “HartzIV-Betrüger“, wenn er sich ein paar Euro zusätzlich verdient oder einen Bedarf angibt, den er gar nicht hat. Er ist ein Krimineller, der sich an der Allgemeinheit vergeht.

Der Volksgenosse Millionär hingegen, der seiner Enteignung zuvorkommend die Früchte seiner Leistung in die Sicherheit alpiner Tresore verbringt, ist ein “Steuersünder” und wird dementsprechend behandelt. Erwischt man ihn, reicht ein Ave Maria an die zuständige Finanzverwaltung. Erst wenn er sich dem verweigert, kann er möglicherweise mit der Unannehmlichkeit eines Strafverfahrens konfrontiert werden. Wir unterscheiden hier also in unerwischte Sünder, erwischte einsichtige Sünder und erwischte uneinsichtige Sünder. Betrüger aber sind sie alle nicht, denn Gott in seiner Gnade vergibt den Seinen.

Zweitens hat es inzwischen eine Linkspartei. Eine Repräsentanz der Unterschicht und ihrer Beschützer, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht einmal in Ansätzen hatten. Erst Schröders Agenda bot seinem Hassfreund Lafontaine den Hebel, mit dem er die Ostpartei in eine linke Kraft umwandeln konnte. Ein Geniestreich beiderseits.
Die Konsequenzen dessen sind völlig offen und damit sehr spannend. Gelingt es der Linken, trotz heftigen Gegenwindes politisch an Einfluß zu gewinnen, können die Interessen der Unterschicht Berücksichtigung finden – einschließlich des Unwillens, an eine Kriegsfront geschickt zu werden.
Ist dies nicht gewollt, kann man immer noch die Spreu vom Weizen trennen und weiß, wo man die Schmarotzer und asozialen Leistungsverleumder findet – und kann sie ggf. als Betrüger am Geist des Gemeinwohls dingfest machen.

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