Zwei Argumente für die Agenda 2010
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
08. Feb 2010 23:32
Der Geist der “Agenda” ist das, was sie ausmacht. Die kleinkarierten Kritiker der Hartz-Gesetze haben nicht verstanden, was Schröders Lebenswerk so groß macht. Das Genörgel über Regelsätze, Kinderarmut oder Lohnsklaverei verliert sich in den Details des Unterschichtslebens und verliert das Große Ganze aus den Augen.
Worum es geht, läßt sich anhand zweier Beispiele illustrieren:
Erstens ist da die Wahrnehnung der Schichtzugehörigkeit, an der kein Deutscher mehr vorbei kommt. Es sind nicht nur die PR-Kampagnen neoliberaler Thinktanks, die zur Unterteilung des Volkes in Leistungsträger und Sozialschmarotzer beitragen. Nein, ganz offenbar ist dieses Bewußtsein bereits tief verankert, fiel auf fruchtbaren Boden und stiftet Identität. Zu ersehen ist dies an den allseits anerkannten Attributen für diese und jene. So ist der Schmarotzer, Parasit, Minderleister ein “HartzIV-Betrüger“, wenn er sich ein paar Euro zusätzlich verdient oder einen Bedarf angibt, den er gar nicht hat. Er ist ein Krimineller, der sich an der Allgemeinheit vergeht.
Der Volksgenosse Millionär hingegen, der seiner Enteignung zuvorkommend die Früchte seiner Leistung in die Sicherheit alpiner Tresore verbringt, ist ein “Steuersünder” und wird dementsprechend behandelt. Erwischt man ihn, reicht ein Ave Maria an die zuständige Finanzverwaltung. Erst wenn er sich dem verweigert, kann er möglicherweise mit der Unannehmlichkeit eines Strafverfahrens konfrontiert werden. Wir unterscheiden hier also in unerwischte Sünder, erwischte einsichtige Sünder und erwischte uneinsichtige Sünder. Betrüger aber sind sie alle nicht, denn Gott in seiner Gnade vergibt den Seinen.
Zweitens hat es inzwischen eine Linkspartei. Eine Repräsentanz der Unterschicht und ihrer Beschützer, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht einmal in Ansätzen hatten. Erst Schröders Agenda bot seinem Hassfreund Lafontaine den Hebel, mit dem er die Ostpartei in eine linke Kraft umwandeln konnte. Ein Geniestreich beiderseits.
Die Konsequenzen dessen sind völlig offen und damit sehr spannend. Gelingt es der Linken, trotz heftigen Gegenwindes politisch an Einfluß zu gewinnen, können die Interessen der Unterschicht Berücksichtigung finden – einschließlich des Unwillens, an eine Kriegsfront geschickt zu werden.
Ist dies nicht gewollt, kann man immer noch die Spreu vom Weizen trennen und weiß, wo man die Schmarotzer und asozialen Leistungsverleumder findet – und kann sie ggf. als Betrüger am Geist des Gemeinwohls dingfest machen.
Februar 9th, 2010 at 00:13
Deine analyse, die LINKE sei der Beschuetzer der Unterschicht in allen Ehren, waehre schoen, wenn es so ist (und vor allem bleibt).
Ich habe da aber so meine leisen Zweifel.
Februar 9th, 2010 at 09:04
Also dann:
Demokratie kann nicht funktionieren. Es ist eine Theorie, die auf der Annahme basiert, alle Bürger eines Staates seien politisch mündige Bürger. Ein solcher Idealzustand ist natürlich noch nie erreicht worden. Noch in jeder sogenannten Demokratie haben sich sehr bald militärische oder wirtschaftliche Machtcli-quen herausgebildet, denen es auf die Stabilisierung ihrer Herrschaft ankam. Die aber wäre äußerst gefährdet, wenn sie dumm genug wären, die breite Mehrheit des Volkes zu politisch selbständigen Individuen zu erziehen. Also hält man die Massen in einem Zustand politischer Ignoranz und läßt sie zugleich ein bißchen mitspielen, damit sie glauben, sie könnten bei den Entscheidungen mitwirken. Aber in Wirklichkeit wird dem Wählervolk keine echte Alternative geboten. Mal gewinnt die eine Partei, mal die andere, und so kommen die paar rivalisierenden Machtcliquen abwechselnd zum Absahnen an die Reihe. Oder es sind immer dieselben Leute, die dabei die Fäden in der Hand behalten und sich die politi-schen Repräsentanten durch Wahlhilfe und so weiter hörig machen.
Aus einem SF-Roman den ich einmal gelesen habe.
Wie “käuflich” unsere Politiker sind, ist ja hinreichend bekannt – Kohl, Koch, Lambsdorf und andere mehr … jeder hat wohl seinen Preis, da habe ich keine Hoffnung, dass die Linken besser sind. Sobald diese einmal an der Macht sind … Macht korumpiert.
Wir bräcuten die Einrichtung eines “Scherbengerichts” für unbeliebte Politiker und Minister. Die müssten dann wie in der Antike in die Verbannung. Wenn also die Wähler nach der Wahl betrogen werden, müssten sie diese “Vertreter” in die Wüste jagen können. Nur dann würden solche Machtspielchen der Gewählten “sanktioniert” werden.
Das fürchten die Politiker aber sprichwörtlich wie der Teufel das Weihwasser oder der Vampir den Knoblauch und das Kreuz.
Bis dahin ist die Demokratie nur die Diktatur der Stimmenmehrheit.
Februar 9th, 2010 at 09:42
Ohje ohje,
“I have a dream…”;
Naja, als Utopie am frühen Morgen lassen ich das gerade nochmal durhgehen.
Aber solange es das iPhone gibt, solange gibt es für die (Ehemals-, Noch-)Mittelschicht keine wahrnehmbaren Klassen und der Einkauf der Linken hat im Osten doch schon angefangen.
Und nun meine Frage: Muss man ein Genie sein, um einen Geniestreich zu landen, oder reicht das blinde Huhn?
Zweifelnd
Februar 9th, 2010 at 11:11
@HAL:In dem Fall geht auch doppel-blind.
Februar 9th, 2010 at 15:38
Wie wir nun seit heute Vormittag aus dem berufenen Munde des BVG wissen kann man den “Geist der Agenda”, “Schröders Lebenswerk” ohne jegliche verbale Übertreibung als ein ASOZIALES VERBRECHEN an Millionen von Mitbürgern, insbesondere auch an heranwachsenden Schutzbedürftigen(Kinder, Jugendliche) bezeichnen!
Werden ALLE hierfür Verantwortlichen eines Tages dafür zur Rechenschaft gezogen werden?
Welche “Sanktionen” drohen nun I H N E N ?
Februar 9th, 2010 at 16:37
@ 5: Tja, und schon bemüht sich die Systempresse, darauf hinzuweisen, daß das Gericht ja gar nicht gesagt habe, daß der Regelsatz zu niedrig sei…
Kaum auszuhalten, das.
Februar 9th, 2010 at 16:47
Das Gericht hat es auch nicht gesagt. Es hat dem Gesetzgeber einen breiten Spielraum bewilligt.
Und:
Erstens: Die Berechnung des Regelsatzes war festgelegt.
Zweitens: Die Berechnung ergab einen hohen Betrag, der den Politikern nicht niedrig genug war. (schon die Sozialhilfe war lange nicht angepasst worden)
Drittens, Um einen angenehm niedrigen Betrag zu erhalten wurden willkürliche Kürzungen vorgenommen.
Viertens: Die richtig berechnete Höhe ist bekannt.
Das ist der springende Punkt.
Somit hätte des BVerfG die Bundesregierung verurteilen müssen, die vorgesehene Berechnungsmethode auch anzuwenden. Nicht, wie jetzt geschehen, der Regierung erlauben, sich neue Methoden der Niedrigberechnung auszudenken.
Aber im Urteil steht:
http://www.bundesverfassungsgericht.de
5. Da die bisherigen Regelungen zunächst fortgelten und der Gesetzgeber nur verpflichtet ist, die Regelleistung mit Wirkung für die Zukunft neu festzusetzen, müssen die Ausgangsverfahren nicht bis zur Neuregelung des Gesetzgebers ausgesetzt bleiben. Gleiches gilt für andere Verwaltungsverfahren und sozialgerichtliche Verfahren, in denen die Höhe der gesetzlichen Regelleistung im Streit steht. Es steht vielmehr für alle Leistungszeiträume, die nicht von der gesetzgeberischen Neuregelung erfasst werden, fest,
dass die Hilfebedürftigen nicht deshalb (höhere) Leistungen erhalten können, weil die gesetzlichen Vorschriften über die Höhe der Regelleistung mit dem Grundgesetz unvereinbar sind.
Die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften und ihrer Nachfolgeregelungen ist jedoch bei Kostenentscheidungen zugunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen.
Februar 9th, 2010 at 19:36
@unbequemer, 7)
Was erwartet er denn ? Dies ist ein Rechtsstaat, manchmal auch rechts. Nirgends steht Gerechtigkeitsstaat. Würde das Gericht Festsetzungen über Summen oder Verfahren durchführen, würde es Politik machen. Dies ist nicht seine Aufgabe.
Die kritsche Masse wird erst ab 35% Betroffener erreicht, und selbst dann fehlt eine Alternative.
Februar 9th, 2010 at 23:24
komisch bei der kilometerpauschale galt sie rückwirkend als verfassungswidrig und wurde wieder eingeführt (iws).
hier wird eine zahl verweigert, obwohl sie vorliegt. anstelle der komischen gewichtungen für die einzelnen posten (https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html#abs58) braucht man nur jeweils 100 % zu nehmen. fertig ist der regelsatz.
Februar 9th, 2010 at 23:28
Dem Urteil nach haben sich SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU als wie auch die üblichen Verdächtigen von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsverband einer Verfassungsrechtsbeugung schuldig gemacht. So versteh ich das Urteil mal, ohne wenn und aber.
Weist die Regierung aus, in ein ein Land ihrer Wahl, allerdings ohne finanzielle Zuleistungen.
Generalstreik !!!
Februar 10th, 2010 at 16:42
[...] die heute noch in (schäbig bezahlter) Arbeit stehen und, nach den bisherigen Erfahrungen mit der Wirkmacht öffentlich zur Wahrheit erhobener Lügen, derlei Hetztiraden nur zu begierig aufgreifen werden, um sie in Form jener (vermeintlich gegen die [...]