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August 2009


Kann man etwas tun um zu verhindern, daß die Zinslawine das Geld nicht immer auf denselben Haufen rutschen läßt? Während sich in der Hand sehr weniger gigantische Vermögen sammeln, entsteht auf der anderen Seite Armut, bricht der Mittelstand ein, gehen der Realwirtschaft die Mittel verloren, um noch produzieren und investieren zu können. Mit Gerechtigkeit hat die Lage schon lange und gar nichts mehr zu tun. Man kann noch so laut und noch so oft dieselben Phrasen dreschen – Löhne unterhalb des Existenzminimums und Milliardenvermögen, Millionengehälter hie und Hungerlöhne da, das geht nicht zusammen.

Die Ideologen der freien Anhäufung von Geld gegen jede Vernunft sprechen sofort von “Enteignung”, wenn etwas aus ihrem Besitz in den Allgemeinbesitz übergeht. Sie lassen ihre Medien stakkatohaft verbreiten, Steuern seien etwas Böses und Steuersenkungen seien für alle gut. Dies aber ist eine nur zu offensichtliche Lüge, die nicht zuletzt durch die Wirtschaftskrise offenbar wird.

Daher ist es sinnvoll und notwendig, Vermögens-und Erbschaftssteuern in einer Höhe einzufordern, die geeignet ist, die schädliche Anhäufung von Geld und Macht in ihrer extremen Ausprägung zu reduzieren. Dies wurde schon häufig in diesem Zusammenhang erläutert.
Um diesen Vorgang deutlich zu kommunizieren, wird daher eine klare Forderung erhoben: 100 % Erbschaftssteuer! Was bedeutet das?

Zunächst einmal macht es wenig Sinn, bei einschneidenden Maßnahmen vom Status Quo auszugehen und jedes Problem, das sich bei der Umsetzung ergeben könnte, das Projekt für unmöglich zu erklären. Wenn ein neues Gesetz also mit anderen Vorschriften und Vorstellungen kollidiert, so ist das eine Aufforderung, solche Hindernisse zu beseitigen. Mit “Hindernis” ist hier ausdrücklich nicht das Grundgesetz gemeint. Alles andere ist verhandelbar.

Die 100 prozentige Erbschaftssteuer, bei der natürlich Freibeträge eingeräumt werden sollen, trifft also ausschließlich die Erben reicher Erblasser. Sie erben nur noch ein kleines Vermögen, der Rest kommt dem Staat zu. Was hat das zur Folge?

Die Reichen werden evtl. ihrerseits versuchen, das Vermögen zu Lebzeiten an die nächste Generation weiterzuleiten. Dies wird in Form von ebenfalls zu versteuernden Schenkungen geschehen und bereits zu einer breiteren Verteilung von Vermögen führen. Wahrscheinlich ist es, daß viele ihr Geld in diverse Investitionen geben werden. Es ist für sie attraktiver, der Welt etwas Nützliches zu hinterlassen. Sie werden vermutlich auch mehr Geld ausgeben. Geld, das der Realwirtschaft zugute kommt. Sie werden weniger auf Vermehrung des Vermögens setzen als auf sinnvolle Anlagen.

Womöglich werden die Oberen Zehntausend versuchen, ihre Nachkommen durch Posten in Unternehmen zu alimentieren. Das ist in Ordnung, denn diese Firmen müssen, um überleben zu können, funktionieren. Selbst ausgemachte Vetternwirtschaft dieser Art ist also darauf angewiesen, daß der Nachwuchs für seine Aufgaben qualifiziert ist. Es wird sich als Nebeneffekt ein Fokussieren auf das langfristige Gedeihen von Unternehmen ergeben. Familienunternehmen haben wieder mehr Konjunktur.

Der Haupteffekt besteht freilich in der neuen Dynamik in Wirtschaft und Gesellschaft. Es können keine Gelddynastien mehr entstehen. Der Zusammenhang zwischen Leistung und Lohn, der heute ein ideologisches Konstrukt ist, kann sich tatsächlich entfalten.
Das Geld fluktuiert, es dient den Lebenden, und jeder weiß, daß mit seinem Ende auch der Reichtum passé ist.
Wer hingegen geboren wird, hat echte Aufstiegschancen. Der Staat bietet ihm gute Bildung, und wer sich entsprechend qualifiziert, darf guten Lohn erwarten.

Da Steuern und Abgaben in sämtlichen anderen Bereichen entsprechend sinken bzw. investiert werden, steigen Einkommen und Grundsicherung. Vermögen und Kaufkraft steigen immens und sind optimal verteilt. Die neuen Möglichkeiten, zu Lebzeiten ein gutes Einkommen zu erzielen und für sich zu nutzen, machen den “Wirtschaftsstandort” äußerst attraktiv. Vermögen wird nicht sinnlos und zweckfrei angehäuft, sondern stets mit der Frage verbunden, welchem Zweck es dienen soll. Will jemand sein Vermögen sinnvoll “vererben”, sichert er nicht den Reichtum seines Clans, sondern den der Allgemeinheit. Er wird versuchen, bleibende Werte auf andere Weise zu schaffen.

Da die großen Vermögen in aller Regel deutlich kleiner sind als bislang und besser verteilt sind, bietet es sich an, in Projekte zu investieren, denen sich andere anschließen. Ein demokratischeres Investitionsklima ist die Folge.

Dies sind einige absehbare Folgen der Abschaffung des modernen Feudalismus. Was sich in einer solchen Kultur lebendiger Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum alles entwickeln kann, davon wagt heute noch kaum jemand zu träumen. Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das von Toten beherrscht wird. Man muß gar nicht so viel ändern, um ihn zu überwinden.

INSM-Joffe verklickert heute den Käufern des Kreuzworträtsels im Magazin seiner Wochenandacht, warum der Kapitalismus Freiheit und Demokratie ermöglicht. So weit ich weiß wird behauptet, daß das Gesamtwerk Franz Kafkas den Rekord in puncto Sekundärliteratur hält. Zählt man Paraphrasierungen dazu, dürfte das Lambsdorff-Papier ihm längst den Rang abgelaufen haben. Es gibt ganze Think-Tanks, täglich hunderte Medienprodukte und Armeen von Sprechpuppen, die nichts anderes tun als den Quark breit zu treten, der da niedergeschrieben ist.

Anders Gedachtes wird von derselben Mehrheitsfraktion von Funktionären und deren Zulieferern stets als “Kommunismus” gebrandmarkt. Das hat sein Recht, denn das kommunistische Manifest ist einer der wenigen Gegenentwürfe, wenngleich nicht so ideologisch borniert.

Von dem sich zu befreien, ist nicht einfach. Blogger und Linke reiben sich auf an der Frage, ob Begriffe wie “Politik” oder “Wirtschaft” noch Sinn machen, ob man nicht den Einheitsmedien schon auf den Leim geht, wenn man sich auf diese einläßt. Ich finde diese Diskussionen nicht fruchtbar, aber allemal symptomatisch.

Noch schwieriger scheint es, einzelne Maßnahmen, Konzepte, Ideen aufs Tapet zu bringen, die zum Gegenentwurf taugen, hinter dem sich eine kritische Öffentlichkeit sammeln, mit dem sich eine größere Masse identifizieren könnte. Die Menschen wollen keine Verschwörungstheorien, keine extremistischen Thesen, keine langatmigen oder intellektuellen Pamphlete, die ihnen die Welt erklären. Es gibt kein Mittel gegen das Dauerfeuer der Propaganda, gegen die Parolen und Vereinfachungen des Establishments, gegen die allgegenwärtige PR.

Wirklich nicht? Gibt es denn keine provokativen, schlagkräftigen Forderungen, die das matschige Dressing des politischen Salates ein wenig aufpeppen können? Es schmackhaft oder wenigstens ungenießbar machen?
Vollen Ernstes schlage ich da einmal etwas vor, das dem Marsch ins Feudalsystem eine ganz andere Melodie dazwischen jazzt:

100 % Erbschaftssteuer! Tot ist tot, und das Leben kann so lustig sein!

p.s.: Ich will eine Kampagne. Fortsetzung folgt.

Vorab zwei Links zu bemerkenswert tumben Einlassungen über das politische Geschehen:
Die “Welt” zieht den Springer wieder einmal auf K9 und droht matt mit dem Ende ihrerselbst, wenn die Reformen 2010 zum Ende der Agenda im besonderen und der Lohnsklaverei im allgemeinen führen sollte. Die Rettung der SPD durch das “Weiter so!” gegen die Ignoranz ihrer uneinsichtigen Klientel. Herrlich bescheuert.

Tagesschau.de stellt fest, daß TINA Karsai die Freiheit der Afghanen als Einsicht in die Notwendigkeit mannigfaltigen Ablebens und unendlicher Korruption sichert. Der NATO sei’s gedankt, es geht voran. Völlig anders als je propagiert, aber es kommt halt eines zum anderen, man “hat sich den Realitäten angepasst“, aus Gold wurde Scheiße, dann ist Scheiße halt Gold. Es gibt keine Alternative.

Neoliberal, militärisch aggressiv, wählt das! Tatsächlich gibt es keine Alternative bei der Bundestagswahl, denn im Großen und Ganzen haben wir vier Fraktionen, die sich da völlig einig sind und eine, die zwar rein programmatisch das Zeug zur absoluten Mehrheit hat, aber dummerweise die Weltherrschaft des Kommunismus zur Folge hätte.

Angenommen, eine Wahlempfehlung fände sich in diesem Blog ein, welche wäre die bessere:
Eine für die “LINKE”, weil diese zwar weit entfernt ist von einer begrüßenswerten politischen Kultur, aber noch weiter entfernt von der Roboterhaftigkeit eines irrsinnigen Festhaltens an der gegebenen Dekadenz?
Oder eine für die FDP, deren aggressiv bornierter Tunnelblick mit tödlicher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen würde, daß es zum Armageddon des dümmst Möglichen käme – weil es eben keine Alternativen gibt?

So, jetzt ihr!

Es ist einfach zu dämlich. Der neoliberale Schrott, den Guttenberg da hat denken lassen etwa. Die Sueddeutsche kann zwar selbst nichts Brauchbares daran finden und kritisiert einiges ausdrücklich, findet es aber dennoch “gar nicht so schlecht” – vermutlich, weil es dem inkompetenten Papageiengeplapper entspricht, das sie selsbt ewig verbreitet hat.

Frank Luebberding findet noch weniger daran, kaum mehr am Deutschlandplan des Vizeschröder und schon gar nicht an den Beckenbauern der Exportweltmeisterschaft. Derselbe dumme Blödsinn wird Jahr für Jahr, Tag für vor- und nachgekaut, ich kann es nicht mehr hören.

Die allgemeine Analyse der Finanzkrise, Möglichkeiten der Prävention, Regulierung für die Zukunft, auch nur irgend ein Lerneffekt? Findet nicht statt, so zu lernen bei Lucas Zeise in der FTD.

Und wem die Kompetenz in Sachen Wirtschaft, wie sie von Grüngelbrosaschwarz vertreten wird, noch nicht traurig genug ist, der schaue sich einmal an, wie und für wen unsere Sicherheit am Hindukusch täglich schöner verteidigt wird. Der Artikel bei SpOn liefert mehr als genügend Argumente, und früher, als das Cheeseburger Magazin noch eins für Mehrwisser war, hätten die Autoren ihn auch selbst gelesen und die richtigen Schlüsse gezogen. Davon in diesen Tagen kein Wort. Die Durchhalteparolen stehen eine Hochglanzseite weiter.

Sich regieren lassen macht keinen Spaß in diesen Tagen. Noch weniger allerdings die Erkenntnis, daß es völlig egal ist, von wem.

Alle machen irgendwann eine Pause. Sich erholen und so. Neue Ideen sammeln. Kann ich auch.

23:39 Ich mache jetzt eine Pause.

23:40 Bier? Ach warum nicht, morgen ist Montag.

23:40 Hm… eine neue Idee ist das nicht. Brauche ich auch gar nicht. Da sind schon genug alte, die ich noch nicht umgesetzt habe. Vielleicht sollte ich endlich ordentlich tippen lernen? Achwas, das macht’s auch nicht interessanter.

23:41 Meine Fingernägel sind sauber. Gestern noch geschnitten. Sieht ganz gut aus. Frauen machen ja oft merkwürdige Komplimente. Schöne Fingernägel hätte ich, sagten einige. Ob das den Unterschied macht? “Schöne Augen” ist übrigens ein Kompliment drei Stufen unterhalb von “nett”. Heißt wahrscheinlich “Sonst siehst du scheiße aus, aber irgendwen muß ich heute noch abschleppen”.

23:43 Schon wieder nicht das Bad geputzt. Egal. Morgen ist auch noch ein Tag.

23:44 Brille putzen. Könnte ich alle fünf Minuten machen. Das einzige, was ich noch schneller versaue als meine Klamotten. Wenn ich eine Diät machen müßte, würde ich versuchen, mich einige Tage nicht zu bekleckern. Also nichts essen und nur Wasser trinken. Und besser gar nicht erst bewegen.

23:47 Mir ist langweilig. Brille immer noch nicht geputzt. Gehe ich mal eben. Ist das dann noch eine Pause?

23:49 So, Pulle gebritzt. Wieso fange ich eigentlich sofort an, von Frauen zu quatschen, wenn ich mal eine Pause mache? Erinnert mich an den Tag, als ich in einer großen Chemiefabrik als “Werksstudent” gearbeitet habe. Den halben Tag auf der Kaffeebude, schmierigen alten Männern zugehört, wie sie über Ficken und Fußball schwadronierten. Nix für mich.

23:52 Interviews. Ich hatte die Idee, Interviews zu machen. Ziemlich zeitaufwendig das Ganze. Soll ja ordentlich werden. Ich bräuchte nen Mäzen, aber wem sage ich das?

23:54 Immer noch keine neue Idee. Kein Mäzen weit und breit. Wozu mache ich hier die Pause? Hallo? Ist da jemand? Irgendjemand?

23:55 Nix, ne?

23:56 Boah, ist das langweilig!

23:57 Nee, das ist nichts für mich. Glaube ich. Oder?

23:58

23:59 Entspannt. Trocken. Die Frisur hält. “Frisur”? Egal. Ist es bald zwölf?

23:59 Es gibt ein paar Dinge, die verstehe ich einfach nicht. Blogpausen zum Beispiel. Braucht doch kein Mensch. Oder Twitter. Twitter! Nee, das is nix für mich.

00:00 Mann, das wurde auch Zeit! Es gibt doch nichts Schöneres, als endlich fertig zu werden.
Jetzt erst mal ne Pause machen!

00:04 So, raus das Ding! Die Welt will etwas zu lesen haben.

p.s.: Bei mir war’s schon drei Minuten später als auf dem Server. (Chronistenpflicht)

Manchmal macht es müde, manchmal ist es ganz erbaulich, die Rhetorik von Politikern zu kommentieren, zu analysieren, bloßzustellen. Es gibt allerdings auch völlig hoffungslose Fälle, bei denen jedes Wort eines zuviel ist. Franz Josef Jung ist so einer. Er läßt den Phrasendrescher weiß glühen, spritzt eine Gülle von Stereotypen auf den afghanischen Acker, daß dort bald Kartoffeln von der Größes seines Schädels wachsen werden, freilich ebenso hohle. Er läßt nichts aus, lest es selbst. Wie soll man das nennen, “pathetischen Dadaismus” vielleicht? Es klingt jedenfalls nicht nur wie eine Drohung, es ist eine unverblümte: Sein Amt macht ihm Freude!

Je größer der Rechtfertigungsdruck, so scheint es, desto sinnloser, leerer, schablonenhafter die “Argumente”. Es wird getötet und gestorben, und dafür sein kann nur, wer nicht dagegen ist. Darum muß das alles ganz selbstverständlich klingen, wiederholt und eingebläut werden, darf keinen Punkt und kein Komma zum Einhaken haben und kein Wort enthalten, das Widerspruch erregt. Es muß ein wabernder Nebel eines Nichts sein, aus dem sich alles ableitet. Uneingeschränkte Solidarität. Ein sattes Grün bis zum Horizont, weiße Kreuze, stilles Gebet. Keine Fragen.

Jetzt hängen sie an den Laternen: “Politiker”, vielmehr ihre Konterfeis, tun kund und zu wissen, daß man sie wählen kann. Unter all den Scheußlicheiten von Mafiagesichtern und Trinkervisagen befindet sich hier in der großen Stadt ein junges, unverbrauchtes Antlitz. Ein gewisser Andreas Hellmann ist dort zu sehen, Sakko und Krawatte, dort hinein gesteckt ein Gesichtchen wie aus einem Flakhelferfilm.

Der Junge ist 19 und verkleidet sich schon so, wie er für den Rest seines Lebens dahinvegetieren wird. Er ist wohl einer von denen, die mich in der Schule immer geängstigt haben. Zwar wurde ich respektiert, gerade von meinen Feinden unter den Mitschülern und Lehrern, und es gab auch keine nennenswerte Gewalt an unserer Schule. Mir konnte also eigentlich nichts passieren. Aber den Aktenkofferträgern mit den Seitenscheiteln und den Tuchhosen habe ich mich nie recht nähern wollen. Eine diffuse Furcht vor dem Kältetod oder einer sich öffnenden Erdspalte mit Direktzugang zur Hölle hielt mich davon ab.

Andreas Hellmann also, unser Kandidat für Adaptia totalis praecox. Der Knüller ist, was die Julis ihm andichten: Er kämpfe “gegen das Establishment” an. Strahlt da nicht der Geist von Woodstock aus der Krawatte? Ist der Scheitel nicht irgendwie Punk? Erklingt da nicht spontan im Unterstbewußsein die Hymne “I wanna Highway to Hellmann” ?
Wir haben fürwahr schon besser gelacht. “Gegen das Establishment” heißt ganz einfach: “Da gibt es Posten, und einen davon will ich haben.”

Was man dafür mitbringen muß, weiß der Andreas. Geputzte Schuhe, adrette Frisur, Markenzwirn. Persönlichkeit, Reife, Stil oder Standpunkt? Wozu, das haben die Etablierten doch auch nicht. Die letzte Idee, die ein sogennanter “Liberaler” hatte, war die von Otto Graf, und der hat auch nur den Tietmeyer schreiben lassen. Das war 1982.
Und weil das so ist mit den Inhalten der jungen Garde der liberalen Erneuerer, sieht das bei denen so aus:

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Der Konsens der Bücklinge, deren Lebensleistung sich gemeinhin in der Anpassung an den Mainstream, Common Sense oder einfach dem bescheidet, was sie in tiefstem Sinne für die herrschende Meinung halten, ist die Plage der Zeit. Sie wirken wie Schuljungen, die unsicher nach rechts und links linsen, immer auf der Suche nach einem Signal zum Mitmachen. Sie sind der dritte, der aufsteht. Der Erste hat Charakter und bleibt meist allein. Der Zweite ist der erste Mitläufer, immerhin aber der erste, den dem Ersten beisteht. Der Dritte ist der Anfang der Masse, er weiß, daß nach ihm weitere folgen werden. Er hat den Trend erkannt, steht bei den Starken und ist der erste der Schwachen.

Was der Emporkömmling Schröder als “Neue Mitte” angelegt hat, war von Anfang an der Neue Durchschnitt. Um ihn und die Agenda 2010, ein zutiefst schwarzgelbes Programm, sammelten sich die nützlichen Zuträger einer Melange aus Funktionsträgern und Medienmächtigen. Diese Zuträger handelten stets im Interesse einer Schicht, der sie nicht angehörten, zum Nachteil nicht nur eines Klientels, das einmal ihres war, sondern zugleich zum eigenen Nachteil. Einzig ihre Nützlichkeit, das Lob ihrer Oberen und das Echo der selbst verbreiteten Ideologie ließ und läßt sie glauben, daß sie es recht machen.

Das Ziel des Einzelnen in dieser Gesellschaft der privilegierten Wasserträger ist die Akzeptanz derer, die dazugehören. Alle Anderen gelten als aussätzig, als Neider, Faulpelze, Extremisten oder Demagogen. Der Neue Durchschnitt grenzt sich von solchen ab. Auf der anderen Seite, vertikal betrachtet, stehen die Unerreichbaren, von deren Gnade sie abhängen. Das ist ihnen oft gar nicht gewahr, muß es auch nicht, denn in ihren Kreisen gelten die “oben” qua Stand als “Leistungsträger”, das ist der Common Sense. Hier kommt dem Durchschnitt zugute, was ihn als funktionstragender Stand so auszeichnet: Er zweifelt nicht. Jedenfalls nicht grundsätzlich. Natürlich zweifelt er an allem, das seine Weltsicht infrage stellt. Er zweifelt aber nie an ebendieser.

Deshalb bringt der Neue Durchschnitt die tüchtigsten Vertreter hervor. Journalisten zum Beispiel, die Nachrichten und Berichte so aufbereiten und gestalten, daß ihren Rezipienten die richtige Welt präsentiert wird, so wie der Durchschnitt sie zu sehen hat.
Und so kommt es zum Beispiel, daß das Magazin für richtige Nachrichten Menschen wie Oskar Lafontaine und Peter Gauweiler “Populisten” nennt. Es gibt für beide hunderte Begriffe, mit denen man sie beschreiben, charakterisieren, kritisieren oder schlechtmachen kann. Der Durchschnitt und seine vielen Institutionen haben sich aber in bezug auf den gefährlichen Linken auf den Begriff “Populist” festgelegt. Es hat sich einfach so eingespielt, der Begriff schien bei den Leuten gut anzukommen und tat seine Wirkung. Was er bedeutet, spielt dabei nicht die geringste Rolle.

Daß es auch Gauweiler trifft, ist nur folgerichtig. Nicht nur, daß er sich mit dem Populisten umgibt und nicht mitmacht bei der Abgrenzung des Durchschnitts von dem Anderen. Er ist auch deshalb verdächtig, weil er ebenfalls über ein Talent verfügt, das ihn abhebt -und daß er davon Gebrauch macht auf eine höchst individualistische Weise. Natürlich kann man auch und gerade diese beschreiben, präzise oder polemisch, ablehnend oder – als Extremist – lobend. Dies aber ist nicht die Aufgabe des Neuen Durchschnitts, jedenfalls solange sich kein dem entsprechender Trend ergeben hat. Ein Trend aus der Einsicht eines Instituts, der Meinung von Experten oder einer breiteren publizistischen Bewegung. Mit “Populist” ist alles gesagt und der Rezipient weiß bescheid.

Noch immer hat sich kein neuer Trend ergeben, trotz der Wirtschaftskrise, die zunächst für einige Verwirrung gesorgt hat. Derzeit muß der Durchschnitt aber davon ausgehen, daß es schon wieder wird und alles beim Alten bleibt. Daher werden wir auch weiterhin lesen, daß die Krise nicht so schlimm ist. Und damit sie auch nicht schlimm wird, müssen wir unsere Ansprüche zurückschrauben. Lohnzurückhaltung, niedrige Steuern für Leistungsträger, für den Standort Deutschland ist das sozial und schafft Arbeit. Im Durchschnitt wird es uns damit allen besser gehen. Denn eine hat der Neue Durchschnitt gelernt: Es geht uns vor allem dann besser, wenn wir am Ende weniger davon haben.

Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.
Lafontaine ist ein Populist.

Mehr davon am Montag am Kiosk.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Gibt es einen anderen Slogan, der so leer, ermüdend und doch entlarvend ist wie diese Phrase? Immerhin weiß man, was dann so ungefähr kommt, und es kommt heute einmal mehr von der CDU, die über “Internet-Ausweise” fabuliert. Das wird zwar erst einmal wieder dementiert, wie es bei unseren Echternachern so üblich ist, aber die Gesinnung is scho recht.

Sie haben immer noch nicht im mindesten begriffen, was das Internet, zumal technisch, ist, aber Überwachen ist irgendwie hip und Anarchismus bäh, darum machen wir da mal was. Das kommt vor allem bei scheintoten Wählern und sonstigen Jawoll-Brüllern prima an.
Übertragen auf das echte Leben sähe der Ansatz so aus, daß jeder, der vor die Tür geht, sich erst einmal bei den immer zuständigen Behörden meldet oder ein sichtbares Erkennungszeichen trägt, das ihn eindeutig identifiziert. Richtig, das hatten wir schon, aber diesmal wäre es demokratisch, weil ja alle mitmachen müssen.

Derweil zeigt sich, daß unsere Sicherheit vor der sprichwörtlich eigenen Haustür von Leuten verteidigt wird, die schon mit Waschen und Zähneputzen logistisch überfordert sind. Das BKA mag die Telefonnummer vom Anwalt eines Observierten nicht haben. Die als Geheimagenten getarnten bunten Clowns mit Dauerparkausweis im Vorgarten des abwesenden mutmaßlichen Kriminellen haben schließlich ihren Stolz. Ich hätte andere Antworten erwartet, etwa:

- “Ihre Handynummer? Haben wir längst, sprechen Sie bitte nicht so laut, hören Sie denn nicht die Rückkopplung?”
- “Wir ermitteln seit Wochen vergeblich, und jetzt rufen Sie uns einfach an? Sagen Sie bloß nicht Ihren Namen, den kriegen wir noch selber raus. Lalaalalaalaa” (der Beamte steckt sich den Finger ins Ohr)
- “Ach, Sie haben uns enttarnt? Haben Sie Familie? Stehen Sie auf Schmerzen? Wissen Sie, wie viele Leute täglich spurlos verschwinden?”

Aber so etwas? Was verdient eigentlich so ein BKA-Beamter? Außer Prügel, meine ich. Ich möchte mich eh gern beruflich verändern.

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