Der Konsens der Bücklinge, deren Lebensleistung sich gemeinhin in der Anpassung an den Mainstream, Common Sense oder einfach dem bescheidet, was sie in tiefstem Sinne für die herrschende Meinung halten, ist die Plage der Zeit. Sie wirken wie Schuljungen, die unsicher nach rechts und links linsen, immer auf der Suche nach einem Signal zum Mitmachen. Sie sind der dritte, der aufsteht. Der Erste hat Charakter und bleibt meist allein. Der Zweite ist der erste Mitläufer, immerhin aber der erste, den dem Ersten beisteht. Der Dritte ist der Anfang der Masse, er weiß, daß nach ihm weitere folgen werden. Er hat den Trend erkannt, steht bei den Starken und ist der erste der Schwachen.

Was der Emporkömmling Schröder als “Neue Mitte” angelegt hat, war von Anfang an der Neue Durchschnitt. Um ihn und die Agenda 2010, ein zutiefst schwarzgelbes Programm, sammelten sich die nützlichen Zuträger einer Melange aus Funktionsträgern und Medienmächtigen. Diese Zuträger handelten stets im Interesse einer Schicht, der sie nicht angehörten, zum Nachteil nicht nur eines Klientels, das einmal ihres war, sondern zugleich zum eigenen Nachteil. Einzig ihre Nützlichkeit, das Lob ihrer Oberen und das Echo der selbst verbreiteten Ideologie ließ und läßt sie glauben, daß sie es recht machen.

Das Ziel des Einzelnen in dieser Gesellschaft der privilegierten Wasserträger ist die Akzeptanz derer, die dazugehören. Alle Anderen gelten als aussätzig, als Neider, Faulpelze, Extremisten oder Demagogen. Der Neue Durchschnitt grenzt sich von solchen ab. Auf der anderen Seite, vertikal betrachtet, stehen die Unerreichbaren, von deren Gnade sie abhängen. Das ist ihnen oft gar nicht gewahr, muß es auch nicht, denn in ihren Kreisen gelten die “oben” qua Stand als “Leistungsträger”, das ist der Common Sense. Hier kommt dem Durchschnitt zugute, was ihn als funktionstragender Stand so auszeichnet: Er zweifelt nicht. Jedenfalls nicht grundsätzlich. Natürlich zweifelt er an allem, das seine Weltsicht infrage stellt. Er zweifelt aber nie an ebendieser.

Deshalb bringt der Neue Durchschnitt die tüchtigsten Vertreter hervor. Journalisten zum Beispiel, die Nachrichten und Berichte so aufbereiten und gestalten, daß ihren Rezipienten die richtige Welt präsentiert wird, so wie der Durchschnitt sie zu sehen hat.
Und so kommt es zum Beispiel, daß das Magazin für richtige Nachrichten Menschen wie Oskar Lafontaine und Peter Gauweiler “Populisten” nennt. Es gibt für beide hunderte Begriffe, mit denen man sie beschreiben, charakterisieren, kritisieren oder schlechtmachen kann. Der Durchschnitt und seine vielen Institutionen haben sich aber in bezug auf den gefährlichen Linken auf den Begriff “Populist” festgelegt. Es hat sich einfach so eingespielt, der Begriff schien bei den Leuten gut anzukommen und tat seine Wirkung. Was er bedeutet, spielt dabei nicht die geringste Rolle.

Daß es auch Gauweiler trifft, ist nur folgerichtig. Nicht nur, daß er sich mit dem Populisten umgibt und nicht mitmacht bei der Abgrenzung des Durchschnitts von dem Anderen. Er ist auch deshalb verdächtig, weil er ebenfalls über ein Talent verfügt, das ihn abhebt -und daß er davon Gebrauch macht auf eine höchst individualistische Weise. Natürlich kann man auch und gerade diese beschreiben, präzise oder polemisch, ablehnend oder – als Extremist – lobend. Dies aber ist nicht die Aufgabe des Neuen Durchschnitts, jedenfalls solange sich kein dem entsprechender Trend ergeben hat. Ein Trend aus der Einsicht eines Instituts, der Meinung von Experten oder einer breiteren publizistischen Bewegung. Mit “Populist” ist alles gesagt und der Rezipient weiß bescheid.

Noch immer hat sich kein neuer Trend ergeben, trotz der Wirtschaftskrise, die zunächst für einige Verwirrung gesorgt hat. Derzeit muß der Durchschnitt aber davon ausgehen, daß es schon wieder wird und alles beim Alten bleibt. Daher werden wir auch weiterhin lesen, daß die Krise nicht so schlimm ist. Und damit sie auch nicht schlimm wird, müssen wir unsere Ansprüche zurückschrauben. Lohnzurückhaltung, niedrige Steuern für Leistungsträger, für den Standort Deutschland ist das sozial und schafft Arbeit. Im Durchschnitt wird es uns damit allen besser gehen. Denn eine hat der Neue Durchschnitt gelernt: Es geht uns vor allem dann besser, wenn wir am Ende weniger davon haben.