Thomas Knüwer berichtet über merkwürdige Anstrengungen der EU, Blogs quasi zu zertifizieren. Die Argumente, die für eine Kontrolle von Blogs angeführt werden, sind zum Teil abstrus und zeugen wie immer von grober Unkenntnis der Netzöffentlichkeit. Im Kern steht die Frage, ob Blogs eine Bedrohung darstellen. Was sie denn genau bedrohen sollen, wäre die Frage. Einen Hinweis gibt die Aussage:
“…we do not see bloggers as a threat. They are in position, however, to considerably pollute cyberspace. We already have too much spam, misinformation and malicious intent in cyberspace“.
Die Vorstellung eines duch Blogs “beschmutzten” Internets will mir nicht recht gelingen. Allein der Begriff läßt nichts Gutes ahnen, impliziert er doch die Idee eines “sauberen” Internets und läßt nur die Folgerung zu, daß gesäubert werden soll. Das empfinde ich allemal als größere Bedrohung denn alle Hetzblogs zusammen.
Thomas Knüwer stellt in dem Zusammenhang die konsequente Frage, ob sich der Boulevardjournalismus nun “Sorgen machen” müsse, wenn “Prinzipientreue” abgefragt werden solle.
Überhaupt läßt sich (auch das ist üblich für solche Vorstöße) nicht erkennen, wo die Grenze zwischen Blogs und Journalismus verläuft, wer denn gemeint wäre und was das Ganze mit einer Öffentlichkeit zu tun hat, die nicht mehr in der Hand der Medienkonzerne wäre. Die Sorge sei, daß ausgrechnet Blogs Lobbyismus befördern könnten:
“Bloggers cannot automatically be considered a threat, but imagine pressure groups, professional interests or any other groups using blogs to pass on their message. Blogs are powerful tools, they can represent an advance form of lobbyism, which in turn can be seen as a threat… any blogger representing or expressing more than their personal view should be affected by this report.”
Selten so gelacht. Fehlt nur noch die Befürchtung, Blogger könnten ihre Leser überwachen.
Niedlich ist auch der Ansatz, die Aufrichtigkeit der Blogosphäre retten zu wollen, der die Öffentlichkeit so blind vertraut:
“I think the public is still very trusting towards blogs, it is still seen as sincere. And it should remain sincere. For that we need a quality mark, a disclosure of who is really writing and why.”
Mehr Unkenntnis der Wirklichkeit kann man kaum in paar Zeilen pressen. Ich denke vielmehr, die Öffentlichkeit schert sich bislang herzlich wenig um Blogs. Von “Vertrauen” zu sprechen, ist allgemein unsinnig und auf deutsche Verhältnisse angewandt die dümmst mögliche Behauptung. Auch hier der alte Quark: Der Zeitungsleser frißt, was das Papier hergibt, und nun sollen die armen Schäfchen vor den Raubtieren des Internets geschützt werden, die solche Naivität ausnutzen könntne. Ahnungslos, dumm oder verlogen? Eine akademische Frage.
Und natürlich auch wieder die schreckliche Drohung der anonymen Schmierfinken, die das Handwerk der ehrlichen Journalisten nutzen, um Übles zu verbreiten. “Wer schreibt da wirklich und warum”? Ja, wer puzzelt die Agenturmeldungen zusammen, und verdreht Fakten? Wer zahlt dafür? Welche Anzeigenkunden, welcher Verleger, welche Redakteure nehmen Einfluß und warum? Fragen, die der professionelle Journalismus mit unerschütterllicher Transparenz täglich auf die Titelseiten hievt.
Warum schreiben Blogger? Was sind ihre Motive? Es läßt sich, ganz einfach und offen, in ihren Artikeln lesen. Sie tun es, weil sie sagen, was sie sagen wollen. Niemand hindert sie daran. Das gilt für rechtsradikale Drecksäcke ebenso wie für Katzenblogger und Hobbyjournalisten. Wer auf einen gekauften Blogger nicht tausend korrumpierte Journalisten findet, hat sie nie gesucht. Selbst, letztere hinweg säubern zu wollen, wäre das Ende der Meinungsfreiheit. Ausgerechnet Blogger mit diesem Firlefanz zu terrorisieren, läuft auf das generelle Verbot von Meinungen hinaus.
Juni 2008
Da Politik und öffentliches Leben in diesen Zeiten Funktion von Wirtschaft sind, gibt es Bereiche, von denen man besser nicht spricht. Jugendarbeit bzw. Kinder-und Jugendhilfe ist ein solcher Bereich. Jugendliche taugen nur als delinquente zur öffentlichen Aufmerksamkeit. Schläger und Verbrecher, um derentwillen man die Menschen mit Kameras überwachen muß. Die Ursachen sind auch weitgehend geklärt: Computerspiele, in denen Gewalt verherrlicht wird und rauchende Unterschichtseltern, die das Kindergeld nur zum Kiosk tragen.
Daß es überhaupt eine Jugendhilfe gibt – man kann ja nicht dankbar genug sein! Schließlich verdienen sich die Hilfesuchenden ihre Hilfe nicht. Es ist wohl ein Almosen, das der Staat geben oder nehmen kann.
Vor Ort sieht das freilich völlig anders aus. Jugendhilfe ist wichtig, und sie kann nur erfolgreich sein, wenn sie mit entsprechenden Mitteln ausgestattet wird. Wird sie aber nicht. Was der Personalabbau in vielen Kommunen für die Hilfen bedeutet, ist oft unerträglich. Verfahren werden verschleppt, finden ohne angemessene amtliche Aufsicht statt, und es wird mit Vorliebe die günstigere Maßnahme der hochwertigen vorgezogen.
Vor allem aber: Prävention findet kaum statt. Jugendarbeit und -hilfe hat längst betriebswirtschaftliche Strukturen verinnerlicht, was dazu führt, daß über erfolgversprechende Maßnahmen gar nicht erst nachgedacht wird. Sonst gäbe es längst eine Infrastruktur der Elternausbildung, die massenhaft nachgefragt würde. Erziehen muß man lernen, es gibt aber niemand Geld dafür aus, die wenigen durch das Emnagement Einzelner geprägten Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Das Problem ist: jeder kann vorrechnen, was das kostet, aber niemand kann sicher sagen, was es am Ende einspart. Wer lange genug in der Branche arbeitet, weiß aber, daß jeder geknauserte Euro am Ende zweimal bezahlt werden muß. Wer die Haushalte der Kommunen kennt, weiß, daß weniger als nötig zur Verfügung steht.
Die zunehmende Unfähigkeit der Eltern, zu erziehen, ist ebenso strukturbedingt wie das dauernde “Sparen” am falschen Ende. Allein die Erfahrungen, die ich selbst mit diesem Irrsinn gemacht habe, könnten Bände füllen. Das unerträgliche Konglomerat aus heuchelrischen Politikern, reißerischen Medien und übereifrigen Sparfüchsen ist hier wie überall am Werke. Der neoliberale Ungeist zerstört die Gesellschaft an der Basis.
Ein feines Beispiel für populistischen Schwachsinn in Reinkultur hat dazu jüngst die FDP geliefert: Eltern sollen für die Folgen von “Komasaufen” “zur Kasse gebeten werden”, weil es die Krankenkassen belastet. Grandios! Während die Jugend durch Werbung und Wirtschaft zu haltlosem Konsum von allem und jedem angeheizt wird, während ratlose Eltern im Stich gelassen werden, macht sich die FDP Gedanken darüber, wie man die Folgen dieser Dekadenz in Einzefälle zerlegt, um Schuldige auszumachen, die das ausbaden sollen. Es geht auch dabei nicht um die Lösung eines Problems, schon gar nicht um das Wohl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es geht darum, Kosten zu senken, Lohnnebenkosten zumal, damit am Ende des Quartals mehr in die Gewinnzone schwappt.
Nun könnte man ja argumentieren, daß eine bessere Jugendarbeit sogar die Kosten senken würde, weil losgelassene Jugendliche ein Sicherheitsproblem darstellen und kriminelle Karrieren allemal teurer sind als rechtzeitige Unterstützung von Eltern und ihren Kindern. Hier scheint aber der Synergieeffekt bereits gegengerechnet worden zu sein. Vielleicht wissen die Wirtschaftsfachleute der “liberalen” Elite ja, daß man sie ohnehin mit großem Aufwand vor den Bürgern wird schützen müssen. Auch deshalb mögen sie ihren Lieblingskoalitionspartner so gern, der scheinbar gar nicht genug Geld fürs Überwachen und Strafen ausgeben kann.
Wie demokratisch eine Kultur ist, weisen nicht die Buchstaben einer Verfassung aus, sondern die Wirklichkeit im Großen wie im Kleinen. In der EU werden die Bürger nicht gefragt, es sei denn in Form einer hündischen “Demoskopie”, die abfragt, was die Medien zuvor hundertfach vorerzählt haben.
Gefällt Ihnen die EM? Klar, zumal es so friedlich und ohne Zwischenfälle zugeht. Sehen Sie, sie sehen nichts, wenn nur gezeigt wird, was den Sponsoren gefällt.
Inzwischen muß man davon ausgehen, überall bespitzelt zu werden. Das ist das Feine an der Organisation: Es wird “outgessourced” und delegiert, so daß niemand verantwortlich ist, der verantwortlich ist. Die Drecksarbeit machen private Sicherheitsdienste, ob im Irak oder im Baumarkt. Wenn diese plangemäß ihre Kompetenzen überschreiten, war’s eben nicht so gemeint. Wer dafür zahlt, ist in dieser Befehlskette nicht einmal mehr als Anstifter haftbar.
Wie man sich trotz solch phantastischer Möglichkeiten legalen Unrechts strafbar machen kann, zeigt mit aller Macht Silvio Berlusconi. Mit ebendieser wäscht er sich auch wieder rein. Legal wie kriminell korrupt, verfügt er über das perfekte Immunsystem. Er läßt sich von den eigens medial Gehirngewaschenen wählen, um sich selbst ganz demokratisch freizusprechen. Es wäre töricht, sich über die Italiener zu empören, die nur das virtuos veranstalten, was im Rest Europas weniger unverschämt ebenfalls praktiziert wird. Im “globalisierten” Jahrhundert ist “Gewaltenteilung” nur noch ein Feigenblatt, wenn die Macht des Kapitals nicht endlich wirksam eingedämmt wird.
In der Sueddeutschen äußerst sich Jürgen Habermas, dessen Meinungen ich wahrlich nicht immer teile, zur Zukunft der EU. Er bringt das Kernproblem auf den Punkt:
“Die sozialpolitischen und kulturellen Nebenwirkungen der erwünschten und europaweit durchgesetzten Marktfreiheiten werden auf Nationalstaaten abgewälzt, denen der Zugriff auf die Entstehungsbedingungen dieser externen Kosten verwehrt ist. [...]
Ein Gemeinwesen darf nicht von vornherein so konstruiert sein, dass schon die Anlage des Gebäudes Alternativen zum bisher vorherrschenden Marktliberalismus ausschließt.”
Sein Vorschlag zur Überwindung der aktuellen Krise ist zwar begrüßenswert, dürfte sich aber gemessen an der von ihm selbst konstatierten Haltung der Regierungen als naiv erweisen. Er fordert:
“Der Ministerrat sollte über seinen Schatten springen und mit den nächsten Europawahlen ein Referendum verbinden.[...]Mit Engagement und Glück könnte daraus eine Union der zwei Geschwindigkeiten hervorgehen, wenn sich die Länder, in denen das Referendum angenommen wird, zu einer engeren Kooperation auf Gebieten der Außen- und Sicherheits- sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik zusammenschließen.”
Könnte, wenn und wäre. In der Tat wäre das vernünftig und richtig. Das Problem liegt aber allein schon darin, daß “Alternativen zum bisher vorherrschenden Marktliberalismus” schon als Erwägung in den Köpfen der Entscheidungsträger keinen Platz finden. Die Angst vor den Bürgern, die bewußt oder unbewußt den Marktliberalismus ablehnen, sitzt zu tief. Es wird kein Referendum geben. Nicht einmal mehr in Irland.
Warnung: Der folgende Text ist nur für Leser über 18 Jahren geeignet. Er ist von jener Weitsicht durchflutet, die einzig ein jahrelang aufgestauter Rachedurst zu erwecken vermag.
Da ich mich zwar für Fußball interessiere, aber weder heule, wenn ich einmal die Sportschau verpasse, noch “Fan” bin, geschweige denn ein Ausscheiden der deutschen Mannschaft meine Laune trüben würde, bin ich wohl quasi neutral. Meine Ausführungen zur EM 2008 sind von sachlichen Erwägungen geprägt sowie von reichhaltiger Erfahrung. Beginnen wir mit letzterer: Als ich einst nach Südeuropa und zurück reisen mußte, schien es sich anzubieten, durch Euer Land zu fahren. Ich hielt mich dort länger auf als geplant, da es einfach nicht vorwärts ging. Ich habe Euch damals als den intolerantesten Menschenschlag erlebt, der mir je begegnet ist. Ehrlich: Dagegen sind die Deutschen noch weltoffen und gastfreundlich. Wenn ich schon dieses gezogene Kauderwelsch höre, das einen “Dialekt” zu nennen Ihr Euch nicht schämt, kommen mir Assosziationen von belgischen Vorgärten. Was Manfred Deix zeichnet, läuft bei Euch herum, und Ihr habt Euch den Thomas Bernhard redlich verdient – ein gebürtiger Holländer übrigens.
Ihr habt uns Hitler beschert und eine völlig neue Definition des Begriffs “Kellerkinder”. Ihr seid echt große Sympathen. Jetzt meint einer Eurer talentreduzierten Eckfahnenschützen, die Deutschen hätten “doch die Hosen voll”. Das ist durchaus möglich. Wenn sie nämlich gegen Eure bekokste Gurkentruppe verlieren, weil sie wieder einmal die falschen Pilllen gefressen haben, wird man sie hier an die Laternen hängen, der deutsche Fußballfan ist nämlich anspruchsvoll. Ihr hingegen würdet Euch ein zweites Arschloch freuen, wenn ihr knapp und mit viel Glück gewinnen könntet, weil die Deutschen völlig versagen. Das ist die Ausgangssituation. Wenn ihr also am Montag die 0:4-Klatsche kriegt, dann grämt Euch nicht. Ihr seid Schlimmeres als schlechte Fußballer.
Wozu hat die Europäische Union aus der EU-Verfassung den “Vertrag von Lissabon” gemacht? Die Iren haben es nicht verstanden: Die EU ist Regierungsangelegenheit. Nicht zufällig werden die relevanten EU-Behörden und die Heillige Kommission nicht von den Bürgern gewählt. Die dürfen das nahezu einflußlose EU-Parlament wählen, und selbst das sollte man sich noch überlegen. Es geht doch alles schief, wenn man den in den Staatsverfassungen so genannten “Souverän” mitbestimmen läßt.
Daß das Referendum der Iren von zweifelhaften Motiven geprägt war, schildert Colm Tóibín bei Welt.de. Warum auch nicht, den Regierungen und ihren Parteien ist das sonst ganz selbstverständlich. Anders als bei ernst genommenen Wahlen, wird jetzt erwogen, so lange abstimmen zu lassen, bis das Ergebnis paßt. Und wenn das nicht hilft, macht man halt ohne Irland weiter. Als ginge es um die Iren! Der “Vertrag” ist undurchsichtig, undemokratisch und von den Interessen der Konzerne geprägt. Attac nennt das zurecht “neoliberale Schlagseite”, was die Nachdenkseiten präzisieren:
“Die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der EU ist alles andere als positiv. Das liegt überwiegend nicht daran, dass ein vereintes Europa abgelehnt würde, sondern die Menschen spüren, dass innerhalb der EU die soziale Balance verloren gegangen ist.”
Die EU organisiert auf Teufel komm raus, und zwar den Status Quo, der vor allem in der zurückliegenden Dekade vom Primat einer einäugigen Wirtschaftsideologie bestimmt wurde. Dieser Politikersatz hat sich so wenig um die Interessen und Nöte der Bürger gekümmert, daß sich niemand wundern kann, wenn keiner, der nicht unmittelbar von der ökonomisch ausgerichteten Interessenspolitik profitiert, dem zustimmt. Mehr noch: Es ist völlig richtig, darauf hinzuweisen, daß Irland wirtschaftlich enorm von seiner EU-Mitgliedschaft profitiert hat. Ebenso richtig ist es, daß Irland etwa mit seinem katholischen Anti-Abtreibungs-Terror nicht auf der Höhe demokratischer Standards ist. Daraus kann aber nur folgen, daß die Regierungen der EU endlich begreifen, daß Bürgerrechte und Sozialstandars wichtiger sind als freie Fahrt für freies Kapital. Die Bemühung um eine universelle Vernunft findet nicht mehr statt, wo der globale Wettbewerb der Starken und Rücksichtslosen gehegt wird. Wo Legitimität in den Rechtsordnungen der geschäftsträchtigen Legalität zum Opfer fällt, werden Regierungen zu Gegnern ihrer Staatsbürger. Schon deshalb wehren sich die Menschen gegen Verordnungen, von denen sie wissen, daß sie ihnen schaden werden. So etwas ist keine “Verfassung”, das mußte die EU bereits einräumen. Aber auch ein “Vertrag” ist nur einer, wenn diejenigen, die ihn erfüllen sollen, ihm auch zustimmen können. Sie nicht mehr zu fragen oder, noch übler, ihr Votum zu ignorieren, ist kein Vetragsabschluß, sondern ein Diktat.
Der Grimme Online Achwat ist so unten durch, daß die Blogosphäre ihrer Empörung den einzig gerechten Ausdruck verleiht: Eisiges Schweigen. Nur das Gähnen ist vernhemlich, wenn man das Ohr an die Schienen legt. Der Zug ist abgefahren, und die Grimmes werden ihn nicht mehr einholen. Keine Ahnung von Kommunikation online, nach wie vor Vetternwirtschaft, Nachnominierungen, und am Ende gewinnt immer die Rundfunkanstalt. Wir schalten um nach irgendwo da draußen.
“Irgendwo” ist auch hier, und hier trapst er wieder, nach erfolgreicher Augenoperation: Der
Wie schon im letzten Jahr (angekündigt), wird er auch 2008 wieder ausgemauschelt, der Feynsinn Underdog Award. Meine Leser sind aufgefordert, mir Blogs zu empfehlen, die gemessen an ihrer wahren Bedeutung in der Wahrnehmung der Blogöffentlichkeit sträflich vernachlässigt werden. Die Jury bin ich. Bestechung zwecklos, ich besitze bereits alles, was in dieser Welt unterschätzt wird. Das meist vernachlässigte Blog wird also mit diesem Preis ausgezeichnet.
Was das heißt? Eine niedrige Technorati-”Authority” ist ein möglicher Hinweis. Es muß gut sein. Es soll etwas haben, das andere nicht haben. Die Jury bevorzugt Blogs, die schon länger online sind und deren Betreiber sich nicht um Awareness scheren, sondern ihren Streifen durchziehen, weil sie etwas zu sagen haben.
Den Publikumspreis wird es übrigens zukünftig nicht mehr geben, den hat der Weltherrscher auf Lebenszeit eingeheimst, weil er ihn sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen und übelste Vetternwirtschaft redlich verdient hat. Eine entsprechende Urkunde darf er sich selbst basteln und in seinem Blog posten.
Auf geht’s, Mauschler und Bloggergesocks!
Achja: Nominierungen werden bis zum 27.06. angenommen, JEKAMI. Die feierliche Verleihung findet am 06.07. statt.
Im Tagesspiegel findet sich ein skurriler Artikel zum möglichen Sturz von Kurt Beck. Die taktischen Spekulationen durch die Innereien der SPD hinterlassen mich verwirrt. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Stephan Haselberger mir damit sagen will. Die Visionen, die er da ausbreitet, machen mich gruseln, und ich hätte gern gewußt, ob das in seinem Sinne wäre, was er da verzapft.
Bemerkenswert ist vor allem folgende Einlassung:
“An dieser Stelle fällt in Gesprächen mit Sozialdemokraten stets ein Name: Franz Müntefering. Nur der Ex-SPD-Vorsitzende und frühere Vizekanzler habe die Integrationskraft, um die Fliehkräfte in der SPD zu bändigen und die Partei mit Kandidat Steinmeier in den Wahlkampf zu führen, heißt es. Auch Forsa-Chef Manfred Güllner, der ein SPD-Parteibuch hat, hatte nach Veröffentlichung neuester Umfragen eine solche Lösung vorgeschlagen.”
Das Ganze präsentiert Haselberger ohne Distanzierung oder Kommentar. Letzteren hole ich gern nach:
Münte als Nachfolger seiner selbst wäre eine Variante, die schon passen täte. Wer nur nach Pappköpfen schielt, die Versatzstücke aus der goldenen Schröder-Ära zu Lachern vom Band absondern, kann da nur zustimmen, aber sonst? War da nicht so etwas wie “Politik”? Inhalte? Oder wenn schon nur taktische Erwägungen zählen, wie wäre es mit der Frage nach einem, dem halbwegs klar ist, in welchem Zustand sich die Partei befindet – einem Krisenmanager?
Müntefering?? Da wäre Helmut Schmidt noch die bessere Wahl, tot oder lebendig.
Die Schlußpointe ist Kabarett vom Feinsten: Der Forsa-Chef, der mit seinen umgefragten Meinungen stets fernab von Schuß liegt, den er eh nicht hört, ist also die Autorität, die einen besseren SPD-Vorsitzenden kennt. Daß der Mann in der SPD ist, läßt immer wieder tief blicken. Die Frage zum Tage ist aber nicht die, ob es einen Besseren gäbe als Kurt Beck. Die Frage ist: Wozu?
ProSiebenSat.1: Das Geschwätz von gestern
Posted by flatter under WirtschaftKommentare deaktiviert
12. Jun 2008 11:37
Vor einem Jahr noch träumte die ProSiebenSat.1-Gruppe nach der Übernahme der SBS Broadcasting Group von Gewinnmargen zwischen 25 und 30 Prozent. Der Geniestreich, mit dem das gelingen sollte: Leute rausschmeißen und ein Programm anbieten, das sich quasi selbst produziert.
Ich habe das damals angemessen kommentiert, die Gewinnaussichten als “Augenwischerei” bezeichnet und als “Aufforderung zur Bilanzfälschung”. Naiv wie ich bin, dachte ich, so etwas sei nötig. Die Investoren haben aber eine andere Lösung gefunden: Ihre Ankündigungen sollte andere Gierschlunde bzw. deren Geld anlocken, es war aber nie daran gedacht worden, die Versprechungen einzulösen. Sie gehen jetzt hin und zahlen sich eine Riesendividende aus, die durch Umsatz und Gewinn bei weitem nicht gerechtfertigt ist. Ich bin kein Jurist und verstehe deshalb nicht, warum das keine Untreue ist, aber in solch hohen Kreisen gilt ja oft als “clever”, was woanders schlicht “kriminell” ist.
Die Heuschrecken fressen auch noch ihre eigenen Kauwerkzeuge auf. Wer wird in Zukunft noch jemandem glauben, der Gewinne ankündigt, Schulden hinterläßt und vor dem Absaufen des Kahns noch das Tafelsilber in die Rettungsboote wirft? Immerhin haben sie inzwischen gemerkt, daß es ganz ohne Nachrichtensendung nicht geht. Wo sollten sonst noch die albernen Versuche stattfinden, diese sauberen Herren reinzuwaschen?
Es ist einfach zu gefährlich. Es “schwächt Rücken, Gedächtnis und Gehör“: Das Rauchen. Als nächstes werden wir erfahren, daß es das Rückenmark zerstört. Die Kampagnen gegen Raucher werden allmählich absurd. Wird oben genanntes in der Überschrift noch schlicht behauptet, heißt es weiter unten:
“Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Rauchen und Rückenschmerzen sei sehr schwierig nachzuweisen. Sie hätten deshalb auch versucht zu berücksichtigen, dass manche Raucher auch erst mit dem Rauchen beginnen, wenn sie bereits Schmerzen hätten. „Ob Rauchen die Ursache für Rückenschmerzen ist oder ob Rauchen und Rückenschmerzen beides Folgen eines ungesunden psychosolzialen Lebensstils sind, wissen wir nicht.”
Wenigstens von den anderen Leiden wird behauptet, sie stünden im Eindeutigen Zusammenhang mit Rauchen.
Nun ist es keine Neuigkeit, daß Rauchen gesundheitsschädlich ist. Sucht ist überhaupt meist ungesund. Dennoch gibt es Süchtige, die sogar ein wenig Lebensfreude auszustrahlen wissen. Man kommt ihrer Sucht nicht bei, und es hat noch keine Kultur gegeben, in der keine Drogen konsumiert wurden. Diese unsere aber hat die Fremdaskese entdeckt. “Gönne niemandem nichts” ist das Motto. So läßt sich wunderbar Geld verdienen, so kann man auch die Armen noch ärmer machen, denn die Verarmung der Kultur ist ja quasi Programm. Diese Art innerweltliche Askese ist so etwas wie die Rache der protestantischen Ethik am sexfeindlichen Katholizismus. Die Ablösung des Rheinischen Kapitalismus durch den angloamerikanischen Neoliberalismus wird so ganz angemessen begleitet. Im Ergebnis entsteht eine Gesellschaft, die (sich) jedes Vergnügen untersagt. Natürlich sind es auch hier wieder die Ärmeren, die es wirklich trifft. Ihnen wird ja ganz offiziell vorgeworfen, daß sie Genußmittel verköstigen:
“Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ziehe den Ausbau der Kinderbetreuung einer Erhöhung des Kindergeldes vor, sagte sein Sprecher am Freitag. Die Frage sei, ob man den Eltern etwas mehr Geld für DVDs oder Zigaretten gebe oder man bedeutend mehr für die Kinder mit besseren Betreuungs- und Bildungsangeboten erreiche.”
Wenn Kanzler Schröder Havannas pafft, ist das etwas anderes. Armani und Havanna gut, Trevira und Alditabak böse.
Die Upperclass trifft sich halt in Clubs, da ist alles erlaubt. Die kleine Eckkneipe hingegen macht dicht, weil die Raucher den Laden finanziert haben und jetzt draußen bleiben müssen.
Um nicht auf solche Gedanken zu kommen, werden wir über die gar schröcklichen Gefahren des Rauchens täglich aufgeklärt. Demnächst in diesem Kino: Rauchen verursacht Linksradikalismus. Und das Saufen werden wir dem Pöbel auch noch abgewhönen.