In der Sueddeutschen äußerst sich Jürgen Habermas, dessen Meinungen ich wahrlich nicht immer teile, zur Zukunft der EU. Er bringt das Kernproblem auf den Punkt:
Die sozialpolitischen und kulturellen Nebenwirkungen der erwünschten und europaweit durchgesetzten Marktfreiheiten werden auf Nationalstaaten abgewälzt, denen der Zugriff auf die Entstehungsbedingungen dieser externen Kosten verwehrt ist. [...]
Ein Gemeinwesen darf nicht von vornherein so konstruiert sein, dass schon die Anlage des Gebäudes Alternativen zum bisher vorherrschenden Marktliberalismus ausschließt.

Sein Vorschlag zur Überwindung der aktuellen Krise ist zwar begrüßenswert, dürfte sich aber gemessen an der von ihm selbst konstatierten Haltung der Regierungen als naiv erweisen. Er fordert:
Der Ministerrat sollte über seinen Schatten springen und mit den nächsten Europawahlen ein Referendum verbinden.[...]Mit Engagement und Glück könnte daraus eine Union der zwei Geschwindigkeiten hervorgehen, wenn sich die Länder, in denen das Referendum angenommen wird, zu einer engeren Kooperation auf Gebieten der Außen- und Sicherheits- sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik zusammenschließen.”
Könnte, wenn und wäre. In der Tat wäre das vernünftig und richtig. Das Problem liegt aber allein schon darin, daß “Alternativen zum bisher vorherrschenden Marktliberalismus” schon als Erwägung in den Köpfen der Entscheidungsträger keinen Platz finden. Die Angst vor den Bürgern, die bewußt oder unbewußt den Marktliberalismus ablehnen, sitzt zu tief. Es wird kein Referendum geben. Nicht einmal mehr in Irland.