Wozu hat die Europäische Union aus der EU-Verfassung den “Vertrag von Lissabon” gemacht? Die Iren haben es nicht verstanden: Die EU ist Regierungsangelegenheit. Nicht zufällig werden die relevanten EU-Behörden und die Heillige Kommission nicht von den Bürgern gewählt. Die dürfen das nahezu einflußlose EU-Parlament wählen, und selbst das sollte man sich noch überlegen. Es geht doch alles schief, wenn man den in den Staatsverfassungen so genannten “Souverän” mitbestimmen läßt.
Daß das Referendum der Iren von zweifelhaften Motiven geprägt war, schildert Colm Tóibín bei Welt.de. Warum auch nicht, den Regierungen und ihren Parteien ist das sonst ganz selbstverständlich. Anders als bei ernst genommenen Wahlen, wird jetzt erwogen, so lange abstimmen zu lassen, bis das Ergebnis paßt. Und wenn das nicht hilft, macht man halt ohne Irland weiter. Als ginge es um die Iren! Der “Vertrag” ist undurchsichtig, undemokratisch und von den Interessen der Konzerne geprägt. Attac nennt das zurecht “neoliberale Schlagseite”, was die Nachdenkseiten präzisieren:
Die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der EU ist alles andere als positiv. Das liegt überwiegend nicht daran, dass ein vereintes Europa abgelehnt würde, sondern die Menschen spüren, dass innerhalb der EU die soziale Balance verloren gegangen ist.
Die EU organisiert auf Teufel komm raus, und zwar den Status Quo, der vor allem in der zurückliegenden Dekade vom Primat einer einäugigen Wirtschaftsideologie bestimmt wurde. Dieser Politikersatz hat sich so wenig um die Interessen und Nöte der Bürger gekümmert, daß sich niemand wundern kann, wenn keiner, der nicht unmittelbar von der ökonomisch ausgerichteten Interessenspolitik profitiert, dem zustimmt. Mehr noch: Es ist völlig richtig, darauf hinzuweisen, daß Irland wirtschaftlich enorm von seiner EU-Mitgliedschaft profitiert hat. Ebenso richtig ist es, daß Irland etwa mit seinem katholischen Anti-Abtreibungs-Terror nicht auf der Höhe demokratischer Standards ist. Daraus kann aber nur folgen, daß die Regierungen der EU endlich begreifen, daß Bürgerrechte und Sozialstandars wichtiger sind als freie Fahrt für freies Kapital. Die Bemühung um eine universelle Vernunft findet nicht mehr statt, wo der globale Wettbewerb der Starken und Rücksichtslosen gehegt wird. Wo Legitimität in den Rechtsordnungen der geschäftsträchtigen Legalität zum Opfer fällt, werden Regierungen zu Gegnern ihrer Staatsbürger. Schon deshalb wehren sich die Menschen gegen Verordnungen, von denen sie wissen, daß sie ihnen schaden werden. So etwas ist keine “Verfassung”, das mußte die EU bereits einräumen. Aber auch ein “Vertrag” ist nur einer, wenn diejenigen, die ihn erfüllen sollen, ihm auch zustimmen können. Sie nicht mehr zu fragen oder, noch übler, ihr Votum zu ignorieren, ist kein Vetragsabschluß, sondern ein Diktat.