2008
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PolitikKommentare deaktiviert 06. Okt 2008 0:46
In der Diskussion über die Unterdrückung der Meinungsfreiheit eines Bloggers durch das Handelblatt fiel mir ein Umstand auf, der sich in dieser Maßnahme Ausdruck verschafft: Der Zwang zum Optimismus. Als Antwort auf einen Kommentar bei Thomas Knüwer habe ich folgendes geschrieben:
” “Selbst wer Äußerungen nur zitiert und eindeutig als fremder Leute Inhalt kennzeichnet, kann dafür unter bestimmten Umständen haften” [Zitat des Kommentators Niels] -
das ist der Kern der Sache. Es bedeutet doch, daß öffentliche Äußerungen in die Kateorien “unbedenklich” und “bedenklich” eingeteilt werden, so daß jede “bedenkliche” Äußerung vermieden werden muß und verboten werden kann. Dies ist nicht nur das Ende der Meinungsfreiheit, sondern führt ganz nebenbei zu einer Rest-Kommunikation über Wirtschaft, die systembedingt optimistisch zu sein hat. So erzeugt der Hype erst die Krise und verbietet dann die Aufklärung, durch die allein Lösungen möglich sind. Am Ende leben wir in einer Ulkrepublik, die sich eine Art Zeugnissprache gibt, um über den Zustand von Unternehhmen zu orakeln.”
Wenn die Chefs vom Handelsblatt und deren Online-Sparte meinen Artikel mit den Worten kommentieren (lassen):
“In einer Situation, die ohnehin sehr fragil ist, wollten wir jedes Risiko ausschließen, durch missverständliche Äußerungen eine Panik in der deutschen Finanzindustrie zu verursachen. Dies haben wir höher bewertet als die Meinungsfreiheit unseres Bloggers.“, ist ja die Rangfolge deutlich: Eine potentiell gefährliche Äußerung ist nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt, wie sie das Handelsblatt versteht. Ich bin nicht frei von einem gewissen Verständnis für dieses Vorgehen, halte es aber in jeder Hinsicht für falsch. Das einzige, das das Handelsblatt damit erreicht hat, ist die Vermeidung einer Klage von jemandem, der sich damit geschädigt fühlen könnte. Glauben Bernd Ziesemer und Sven Scheffler aber ernsthaft, daß ein Artikel eines Bloggers “Panik in der deutschen Finanzindustrie” verursachen kann? Hier fand eine Risikoabwägung statt, und wegen dieses absurd geringen Risikos wird expressis verbis die Meinungsfreiheit des Handelsblatt-Bloggers in dieser Sache für nichtig erklärt.
Ob die Panik ausbricht, hängt von anderen Faktoren ab. Ob sie noch vermeidbar ist, ist fraglich. Aber nicht, weil jemand über Kontenbewegungen spekuliert, sondern weil das fehlende Vertrauen auf fehlender Transparenz beruht. Sie haben ihrer Sache einen Bärendienst erwiesen, weil ihr Eingriff “Vertrauen” weiter abbaut.
Das Vertrauen fehlt, weil die Zockerei mit Finanzprodukten notwendig von einer Verlogenheit begleitet wird, ohne die sie nicht möglich ist. Das beginnt mit Ackermannschen Renditeversprechen und endet mit der juristisch einseitigen Einflußnahme auf die öffentliche Kommunikation. Seriöser Journalismus hätte sich dem entgegen zu stemmen.
Wenn nämlich eine öffentliche Äußerung als “geschäftsschädigend” zu betrachten ist, so ist dies justiziabel. Leere Versprechungen und die Vertuschung des Ausmaßes einer Krise gelten hingegen als “Stabilisierung der Lage” oder – in guten Zeiten – als gängige Geschäftspraxis. Es ist also gut und richtig, nur gute Nachrichten zu verbreiten? Es ist notwendig, schlechte Nachrichten nur tröpfchenweise und möglichst geschönt an die Öffentlichkeit zu lassen? Ist es die Aufgabe des Journalismus, sich dieses Prinzip zu eigen zu machen? Und ist es die Aufgabe des Rechtsstaates, derart Optimismus zu erzwingen?
Steinbrück hat sich heute für die Koalition vor die Kameras gestellt und uns aufgefordert, bis zehn zu zählen. Es wird die Panik gemanaged, die längst im schwange ist:
“Die Existenzkrise der Münchner Bank Hypo Real Estate hatte die Bundesregierung am Nachmittag erstmals zu einer Garantie für alle privaten Spareinlagen in Deutschland veranlasst.”
Es geht nach aktuellen Schätzungen um bis zu einer Billion Euro. Was die Banken selbst dazu beitragen wollen, ist eine Frechheit. Letzlich ist es aber wenig relevant, wer wofür birgt, und die von SpOn zitierten “Bankenkreise” sagen es: “Wir haben noch nie in einen so tiefen Abgrund geschaut“. In diesem Zusammenhang ist die Maßnahme der Bundesregierung sogar mit Abstrichen zu begrüßen.
Es kann jetzt nicht mehr darum gehen, Rücksicht auf einzelne Institute zu nehmen und sich mit Äußerungen zurückzuhalten, die “marode” nennen, was marode ist. Es ist zwingend erforderlich, einen Sturm auszulösen und nur das zu retten, was überlebensfähig ist. Mehr Offenheit tut not, allein die ganze Wahrheit kann zu einer annehmbaren Lösung führen. Jeder Tag, an dem weiter über den Zustand des Systems und der Banken spekuliert werden muß, bringt uns der “Panik” näher. Wenn die Institute “Verstecken” spielen, ist es Aufgabe des Journalismus, mutig zu sagen, was ist. Jedes Risiko auszuschließen, ist hingegen die denkbar schlechteste Strategie.
p.s.: Ich werde meine Leser nicht weiter mit Beiträgen zu diesem Thema bombardieren. Es sprengt den Rahmen dieses Blogs – ich habe fertig.
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PolitikKommentare deaktiviert 05. Okt 2008 15:36
Sagt sie, und SpOn schreibts auf.
“Unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel sind am Sonntag die Spitzen von Union und SPD im Berliner Kanzleramt zusammengetroffen, um wichtige Reformvorhaben der Großen Koalition auf den Weg zu bringen. Es ist das erste Treffen des Koalitionsausschusses seit vier Monaten. Auch mit der Finanzmarktkrise befasst sich die Runde.”
Am Rande der anderen Reformen rettet Supermerkel also die Welt. “Merkel verspricht schnelle Lösung für deutsche Banken” – sie hat also nicht nur die Lösung, sodern gar eine schnelle. “Das sind wir auch den Steuerzahlern schuldig“, sagt sie. Zieht euch warm an! Es gäbe ja eine schnelle Lösung: Jeder nur ein Kreuz und friede ihrer Asche – zumindest für die Hypo Real Estate. Stattdessen verschuldet sich Merkel lieber beim Steuerzahler. Was das kostet, rechnet weissgarnix vor. Und das ist eine Bank.
Wenn dieser Umgang mit der Krise Standard sein soll, kann man verstehen, daß jede skeptische Äußerung als teuflische Panikmache betrachtet wird. Verstand ist aus, aber Optimismus haben wir noch reichlich.
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NetzweltKommentare deaktiviert 05. Okt 2008 0:18
“Irische Banken wären so gesehen also die letzten, in die man Geld stecken sollte. Aber diese Überlegung ist ohne die Ponzi-Vettern der Verbrecher auf den Docks gemacht, und die sitzen in der irischen Regierung. Statt sich Gedanken zu machen, wie man den Laden rettet oder zumindest über die IRA ein paar pakistanische Atiombomben kauft, um sich ehrenhalber von der europäischen Landkarte zu radieren, griffen sie zu einer anderen Lösung:[...]”
: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
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NetzweltKommentare deaktiviert 04. Okt 2008 0:48
Ganz im Sinne des Meinungstankers INSM interpretiert das Handelsblatt “Freiheit”, im besonderen die der Meinung. Es soll nicht frei sein, was nicht den Kotau vor dem Eigentum leistet. Diese ideologische Pervertierung des Freiheitsbegriffs habe ich bereits an anderer Stelle diskutiert. Jetzt schlägt ein Verlag zu, der es für “Journalismus” hält, eine Meinung seines Autoren zu unterdrücken, nachdem sie bereits veröffentlicht wurde.
An der Blogbar ist zu lesen, was Harald Uhlig widerfuhr und warum er ganz folgerichtig sein Blog schließt. Dieser Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit belegt in unüberbietbarer Deutlichkeit, wie weit der Journalismus hierzulande heruntergekommen ist. Wer nicht vorauseilenden Gehorsam leistet, soll mundtot gemacht werden. Dieser Fall wird mehr Aufmerksamkeit erregen, als der Artikel ohne die Attacke des Verlags auf seinen Autoren je hätte bekommen können. Ob diese strunzdumme Maßnahme einer diktaturwürdigen Unterdrückung sich dennoch auszahlt, wird sich zeigen. Sie ist ein Präzedenzfall des korrupten Geschäfts mit der öffentlichen Meinung. Wie weit dieser Skandal über die Blogosphäre hinaus Wellen schlagen wird, ist eine Frage. Eine andere ist die nach der Macht einer Gegenöffentlichkeit. Harald Uhlig ist kein Niemand, den man einfach kaltstellen kann. Er hat nicht die Macht einer Holtzbrinck-Verlagsgruppe, nicht die der Mohns oder Springers. Er hat nur eine Stimme, die sich Gehör verschaffen kann und wird.
Die Brutalität, mit der der politisch-publizistische Komplex derzeit zu Werke geht, zeigt uns einmal mehr die Grenzen auf. Was bleibt, ist die Hegemonie über eine Freiheit, die sich auf die Suche nach der Wahrheit beruft, anstatt sie der herrschenden Ideologie zu übereignen. Darin besteht die Macht der Gegenöffentlichkeit. Sie ist einmal mehr gewachsen. Machen wir das Beste draus.
[update:] Harald Uhlig bloggt jetzt hier.
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NetzweltKommentare deaktiviert 03. Okt 2008 0:44
Der Morgen befasst sich mit dem amerikanischen Irrsinn eines Bankensozialismus und dessen europäischer Kopie.
Duckhome fasst zusammen, wie ein durchgeknallter Liebesbrief zu einer durchgeknallten Terrorwarnung führte.
“Nebenbei bemerkt” wird von ebendiesem Blog, was hinter der Enteignungs-Lüge steckt, die Lafontaine bloßstellen soll.
Was dort nicht explizit zur Sprache kommt, ist die Selbstwahrnehmung eines zitierten Unternehmers, der sich brüstet:
“…ich habe meinen Mut zusammengenommen, habe sehr sehr viel Entbehrungen am Anfang gehabt um ein solches Unternehmen aufzubauen…”
Mut und Entbehrung, die sich “sehr sehr” ausgezahlt haben. Es wird nicht berichtet, worin der Mut und vor allem die Entbehrungen bestehen. Noch viel weniger wird je erwähnt, welche Entbehrungen Arbeitnehmer hinnehmen müssen, ohne daß sich diese jemals auszahlen. Im Gegenteil schwindet bei fast allen jede Hoffnung, durch ihre Arbeit jemals ein Ende der Entbehrungen erreichen zu können. Sie werden niemals das Kapital zusammenbringen, das sie mutig investieren könnten. Schmälert das ihre Leistung? Soll sich diese nicht “lohnen”?
Dazu paßt auch der Hinweis von ad sinsistram, daß flächendeckend Seilschaften am Werk sind, nicht zuletzt familiäre, die dafür sorgen, daß der Erfolg nicht den erlauchten Kreis verläßt. Ich möchte einen Kommentar von Jan Hanfeld hervorheben, der auf einen weiteren wichtigen Aspekt der “Eliten”-Bildung hinweist: Bei Sueddeutsche.de zitiert Jens Bisky Bruno Preisendörfer:
“Ein Kind aus nicht-akademischem Haushalt opfert, wenn es sich anschickt, die Gipfel der Bildung zu erklimmen, seiner Zukunft die Herkunft, entfremdet sich mit jedem Schritt von der Familie, von seinem Milieu. Ein Akademikerkind hingegen verbleibt im vertrauten Umfeld. Vieles von dem, was wir Begabung nennen, erweist sich bei näherem Hinsehen als Effekt dieses Vertrautheitsvorschusses.”
Der Mut und die Entbehrungen halten sich arg in Grenzen, wenn man auf einer gut geteerten Straße marschiert, wo andere sich durchs Dickicht schlagen müssen. Das betrifft alle Ressourcen, also Bildung, persönliche Netzwerke, Kapital, Habitus usf..
Das Desaster der Schröder-Republik besteht nicht zuletzt darin, daß die Aufsteiger aus der ehemaligen Sozialdemokratie dafür sorgen, daß sie als solche auch noch unter sich bleiben. Wäre einen eigenen Artikel wert…
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Best of ,
HintergrundKommentare deaktiviert 02. Okt 2008 0:30
Wie immer hetze ich durch die Gänge, um mich mit Waren zu versorgen, heute im Dienste meines Arbeitgebers. Schnell noch zum Bäcker, denn ich habe noch nichts gegessen. Ich bin knapp dran, stelle mich aber trotzdem an eine Riesenschlange an (Tresenanakonda) und warte. Als ich schon fast zum Bedienpersonal vorgedrungen bin, werde ich Zeuge eines Vorgangs. Eines unerhörten. Der Typ vor mir, Nadelstreifen, Krawatte mit Goldnadel, schwätzt die Bäckereifachverkäuferin voll:
“Nein, ich möchte nur, daß sie mir zweihundert Brötchen zu günstigen Konditionen vorläufig überlassen. Sollten sie genügend Kunden haben, um heute sicher vierhundert Brötchen verkaufen, nehme ich auch gern achthundert. Zusammen mit den zwei Zentnern Hackfleisch, die für mich beim Metzger vorgehalten werden und dem Salat aus der letzten Woche würde ich Ihnen einen Super-Preis machen, um das Ganze oder auch nur eine Tranche zurück zu kaufen, die ihnen der Metzger wiederum hälftig abnehmen würde. Spätestens kurz vor Ladenschluß können Sie damit, wenn die Öfen schon abgestellt sind, eine gute Rendite erwirtschaften, weil die Nachfrage bei sinkendem Angebot steigt. Die Leute zahlen Ihnen jeden Preis! Und damit nicht genug: Als weiteren Anreiz habe ich für Sie persönlich hier ein schmuckes echtvergoldetes Armband im aktuellen Wert von vierhundert Brötchen. Sie sind also von vornherein der Gewinner!”
[Fortsetzung folgt...]
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PolitikKommentare deaktiviert 30. Sep 2008 0:32
“Das Ende der Arroganz” glaubt die “ZEIT” sehen zu können, weil Peer Steinbrück nach dem Beinahe-Kollaps der Hypo Real Estate nicht mehr so großmäulig auftreten könne wie noch vor einer Woche. Fragt sich, wo der Autor, Philip Faigle, in den letzten Jahren war. Fragt sich alternativ, ob die Anbetung der Neoliberalen in der SPD so ernst gemeint war, daß man sie zwischenzeitlich wirklich für kluge Leute gehalten hat.
Ich muß zugestehen, daß ich selbst auf Steinbrück hereingefallen bin. Seine joviale Art, wenn er gerade eine Position vertritt, der man inhaltlich zustimmen möchte, hat etwas. Seine Rhetorik ist passabel, wenngleich etwas allgemein gehalten. Genau das aber treibt einem auf die Palme, wenn man es sich zu oft anhören muß. Steinbrück hat nämlich kein Problem damit, heute dies und morgen das zu vertreten und nervt mit den immer gleichen Versatzstücken, die am Ende exakt gar nichts sagen.
Erhöht er die Steuern, spart er an allem, so ist das gut, weil es “kommende Generationen nicht belastet”. Senkt er die Steuern, begünstigt er jemanden, will er “sich nicht totsparen”, “die Konjunktur nicht abwürgen” und daß “Leistung sich lohnt”.
Als Wahlkämpfer verspricht er alles Mögliche, als Finanzminister verkündet er mit Inbrunst das Gegenteil. Er hat also immer recht, egal, auf welche Seite er sich stellt. Und stets bescheinigt er sich selbst und denen, die mit ihm sind, “Augenmaß”. Er hat also nicht nur recht, sondern tut auch immer das Richtige im richtigen Maß.
Was er hingegen vermeidet, sind jedwede konkrete und auf Sachverstand fußende Äußerungen, die wirklich erklären könnten, worum es es ihm geht. Er ist völlig unberechenbar, weil er niemals seine Entscheidungsgrundlage erläutert. Er benennt eine Position und verziert sie mit Phrasen. Niemand weiß, ob er morgen eine völlig andere Meinung vertritt. Geschweige denn könnte jemand aus den Aussagen Steinbrücks eine Prognose für die Zukunft ableiten.
Damit niemand auf die Idee kommt, ihn mit seinem Geschwätz von gestern zu konfrontieren, trägt er das von heute eben mit Verve und der ihm eigenen Arroganz vor. Das ist sein Stil. Wer etwas anderes von ihm erwartet, hat den Steinbrück nicht verstanden. Wie er argumentiert, ist inzwischen deutlich geworden:
“Wenn wir oder rot-grün die absolute Mehrheit geholt hätten, wäre auch die Mehrwertsteuererhöhung kein Thema. Aber sie ist eine Kernforderung der Union. Die kann und wird sie nicht auch noch aufgeben.”
Die CDU ist schuld, daß Steinbrück als verantwortlicher Minister die Steuer noch weiter erhöhte, als die Union zuvor gefordert hatte. In keinem seiner selbstherrlichen Vorträge darf der Hinweis fehlen, daß jede andere Meinung ein “Kaputtreden” sei – der Märkte, der Wirtschaft und des Standorts. Zuletzt waren es die kerngesunden deutschen Banken, sicher wie die Rente, denen man keine Krise andichten durfte. Heute haut er Steuermilliarden zur Eindämmung der Krise raus. Das geht dann natürlich nicht zu Lasten der nachfolgenden Generationen. Nur zwei Beispiele einer beispiellosen Hybris.
Dummheit und Stolz sind die Mischung, der solche Auftritte entspringen. Diese Arroganz kennt keine Grenzen, und schon gar kein Ende.
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PolitikKommentare deaktiviert 29. Sep 2008 0:11
Ich habe gerade nebenbei im Fernsehen eine wüst geschnittene Version von Star Wars “Episode III” gesehen. Interessant fand ich, daß der böse Imperator sich an die Macht putscht, indem er pausenlos vorgibt, die Republik und die Demokratie schützen zu wollen. Nach einem Anschlag auf ihn, den er überlebt, ruft er sich zum Imperator aus. Nette Parallelen, nicht wahr? Außerdem muß ich immer an Meister Yoda denken, wenn ich Heiner Geißler sehe. Auch er ein abtrünniger Republikaner, der als Rebell gegen die dunkle Seite kämpft. Das am Rande.
Was ist es doch dagegen fade, wenn man sich das Treiben der “Volksparteien”, insbesondere der bayrischen Ableger, anschaut. Franz Maget zum Beispiel. Was ist das für ein Männchen? Der Kerl hat eine Körperhaltung und eine Mimik, daß man glaubt, er will einem gleich die Schuhe putzen und sich dafür bedanken, wenn man ihm dabei auf den Kopf spuckt. Dieser Versager, der seine Partei schon bei den letzten Wahlen in eine historische Bedeutungslosigkeit geführt hat, unterbietet sich selbst und nennt das “Stabilisierung”. Er ließ lieber die Hartzer aus Berlin anrollen, als selbst Wahlkampf zu machen, weil er es noch weniger kann als die Müntesteiner. Hat ihn einmal wer gefragt, warum zur Hölle irgendwer diesen Schorsch wählen sollte? Kann mir jemand sagen, wie immerhin genug Stimmen zusammenkamen, um das “Projekt 18″ zu retten?
Und dann die Hubers, die Becksteinschen. Sie wollten es ja nicht glauben. 43% für die CSU, das ist, als ob jeder fünfte Katholik in Deutschland zum Islam konvertiert. 17% Verlust gegenüber Stoibers letztem Ergebnis, das ist phänomenal, das ist eine neue Ära der Mathematik. Äh-Äh war ja schon harter Tobak und hätte nirgends in Deutschland ein Bein auf die Erde bekommen. Als CSU-Chef aber war er Papst und konnte demgemäß sechs mal den Zehnten fordern, in der Gewissheit, ihn zu bekommen. Das folgte quasi einem Naturgesetz, weswegen ich im Februar schrieb:
“Wahrlich ein Wunder, daß die CSU zwei (!) Kandidaten gefunden hat, die das Niveau von Ääh-ääh- Edmund noch unterbieten. Der rhetorische Limbo unter der Türkante, den die zwei da hingelegt haben, ist bislang einmalig in der Geschichte rednerischer Naturkatastrophen. In jedem anderen Bundesland wären diese Pfeifen die Lichthupe auf der Überholspur der Verliererstraße. Nicht so in Bayern. Da holen sie die absolute Mehrheit. Was gäbe ich dafür, wenn man mir jemand den Trick verriete!”
Sie haben es nicht nur geschafft, es nicht zu schaffen, sie haben es geschafft, weit davon entfernt zu sein. Wie erklärt man sich dieses?
Dazu einen kleinen Schwenk zurück zur SPD. Man betrachtet sie in Bayern eh nicht als etwas, das je regieren könnte. Man betrachtet sie als eine nette Folkloregruppe, die halt auch dabei ist. Wer für die CSU war, war gegen die SPD. Das war schön und rustikal und gehörte sich so. Nachdem die SPD aber die Politik gänzlich eingestellt hatte und machte, was die Union machte, mußte niemand mehr gegen sie sein. Ergo war auch nemand mehr für sie. Sie ist überflüssig geworden.
Die CSU ihrerseits hat die Wähler ebenso bis aufs Blut gereizt wie die Sozen. Setzten sie dem Stimmvieh doch Dompteure vor die Nase, die nicht nur die standesgemäße Unfähigkeit ziert, sondern deren Charisma noch das von Pofalla und Hintze unterschreitet. Fatal, daß beide Phänomene zusammentreffen. CSU Wählen macht keinen Spaß mehr. Die CSU-Wähler hauen in alle Richtungen ab: Zu den Nichtwählern, der FDP und dieser Truppe, die sich “Freie Wähler” nennt. Das ist heillose Flucht, begleitet von tiefer Depression.
Wirklich spannend wird erst die nächste Wahl werden. Verliert die CSU ihren Nimbus und wird als politische Partei betrachtet, also nicht mehr als Religionsgemeinschaft, ist in Bayern alles möglich. Schaumermal.
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JournalismusKommentare deaktiviert 28. Sep 2008 0:20
Unfassbar, was Kerner, diese journalistische Doppelnull, sich da einlädt. Redet ein “Journalist”, der auch nur ein Minimum von seinem Beruf versteht, mit einem faschistischen Hetzer über das Wetter oder “Steuertricks”? Mir fehlen die Worte.
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JournalismusKommentare deaktiviert 27. Sep 2008 2:00
Der Herausgeber der “Zeit”, Josef Joffe, foltert seine meist unschuldigen Leser mit einer Gnadenlosigkeit, vor der ich in die Knie gehe. Hier einige Anmerkungen zu einem Meilenstein kreuzdämlicher Kapitalanbetung, abgelegt unter der Rubrik “Zeitgeist”:
“Das eiserne Gesetz der Kapitalismuskritik besagt: Je weniger einer von diesem System versteht, desto lustvoller geißelt er es. Umgekehrt gilt: Je höher die Kenntnis, desto geringer die Lust, die Marktwirtschaft zu preisen.”
Gehen wir souverän über die erbrochene Metapher “eisernes Gesetz” hinweg. Fragen wir also: Was ist ein “Gesetz der Kapitalismuskritik”? Was überhaupt ein “Gesetz” einer “Kritik”? “Kritik” bedeutet nichts anderes als Distanzierung, mithin das Gegenteil einer Gesetzmäßigkeit.
Der Unterschied zwischen Kenntnis und Unkenntnis des Kapitalimus ist also die Lust bzw. Unlust. Soll uns sagen was? Kenntnis macht keinen Spaß? Die einen haben Spaß an der Geißelung, die anderen keine Lust, sie zu preisen? Wo wäre da jetzt genau der Unterschied?
“Die Ökonomie baut keine Luftschlösser der Erlösung, die erst zerbrechen und dann zum Kerker werden (wie im Realsozialismus)”
Luftige Metaphern zu einem Kerker aus zerbrochenen Mauern. Dem mühsam Inhalt entnehmend, hieße das, die “Ökonomie” kenne keine Ideologie. Das Manuskript lag vermutlich schon Jahrzehnte in der Schublade und konnte daher das Phänomen “Neoliberalismus” bis zum Redaktionsschluß leider nicht berücksichtigen.
“Und doch hat kein anderes System so viele Segnungen gezeugt wie der »Kapitalismus«, der heute längst eine hochregulierte Marktwirtschaft mit etwa hälftigem Staatsanteil ist. Adam Smith und David Ricardo waren die besseren Menschenfreunde als Stalin und Che. Dieses Urteil gilt selbst für den »Manchester-Kapitalismus«: Von 1750 bis 1900 haben sich die Reallöhne in England mehr als verdreifacht.”
Was ist ein “hälftiger Staatsanteil”, was “hochreguliert”? Die Hälfte der Regulierung? Des Geldes? Gehört die Hälfte dem Staat? Und wo genau? Was genau? Ist da eine Hälfte reguliert? Der Finanzmärkte etwa?
Smith und Ricardo waren bessere Menschenfreunde als Stalin. Na immerhin.
Von 1750 bis 1900 haben sich die Reallöhne in England mehr als verdreifacht, ja leck mich fett, in 150 Jahren verdreifacht, einmal Industrialisierung dazwischen, und schon geht’s aufwärts. Schmerzen, schreckliche Schmerzen!
“Arme Gesellschaften sind selten demokratisch, und reiche sind selten autoritär (Ausnahmen heute: Russland oder Arabien, wo die Bodenschätze Staatseigentum sind). Welche Rechte hatte denn der Knecht im Feudalismus, der Proletarier im Ständestaat? Was war denn demokratisch am Sowjetsystem, wo nicht der Mensch mit dem Rubel, sondern der Kommissar mit der Knute bestimmte, was zu produzieren sei?”
Was ist ein reicher Staat? Gehört China dazu? die ganzen Ölbohrinseln im Nahen Osten mit einem Fähnchen darauf? Welche Staaten werden in 10 Jahren “reich” sein? Gibt es irgendeinen Zusammenhang zwischen Demokratie und Reichtum im 21. Jahrhundert? Ist es das beste Argument für den Kapitalismus, daß er besser ist als der Feudal- oder Ständestaat? Ist die kapitalistische “Demokratie” die aktuelle Alternative zum “Sowjetstaat”?
“Tatsächlich sind die Exzesse dieses Jahrzehnts nichts im Vergleich zur Zivilisierung durch den Kapitalismus. Dass einer reich werden konnte, ohne zu rauben und zu morden, war der erste Schritt in die Zivilisation. Michelangelo ist ohne »Mehrwert« (im marxschen Sinne) genauso unvorstellbar wie die Met und das MIT.”
Michelangelo war demnach eine Kulturleistung des demokratischen Kapitalismus? Immerhin, reich ohne zu rauben und zu morden. Da muß ich aber doch mutig widersprechen und feststellen, daß es schon immer einträglicher war, Rauben und Morden zu delegieren. Der Zusammenhang zwischen Raubmord, Michelangelo und Mehrwert erföffnet sich vermutlich nur Patienten, die unter demselben Syndrom leiden. Der technologische Fortschritt ist die Kulturleistung, von der Joffe eigentlich spricht. Diese schreibt er dem Kapitalismus zu. Merke: Geld macht schlau, und ohne Geld keine Evolution.
“Dieser »Turbokapitalismus« konnte, welche Ironie, nur mit der Ermunterung durch den Staat entstehen. Dass der nun für die Folgen geradesteht, ist irgendwie folgerichtig.”
So wir das denn gelten ließen, hieße das: Der Anstifter soll hängen, der Täter findet keine Erwähnung. “irgendwie folgerichtig”, ein bißchen schwanger und für den Rest Weingummi, bitte!
“Regulieren, aber nicht regieren. Wie die blutenden Landesbanken zeigen, ist der Staat im Geldgeschäft noch dümmer als selbst der gierigste Spekulant.”
Der Staat soll nicht regieren? Das ändert sich also nicht, immerhin. Dümmmer als der gierigste Spekulant ist der Staat, weil er als Anstifter haftet? Wie viele Banken müssen Konkurs anmelden, bis die Dummheit der Spekulanten für groß genug erachtet wird? Schwamm drüber!
Dies war nur der Schnelldurchlauf. Jemand, der sich wirklich Mühe gäbe, den Artikel zu zerpflücken, hätte noch viel mehr Arbeit mit diesem monströs depperten Machwerk, das sprachlich und inhaltlich eine preiswürdige Inkompetenz zelebriert. Ich weiß gar nicht, woher ich die Muße nehme, mich mit einem solchen journalistischen Sondermüll zu beschäftigen.
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