Neoliberalismus: Eigentum als oberste Direktive
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25. Aug 2008 0:17
In der Auseinandersetzung mit Neoliberalen, die nicht nur die Leitlinien der westlichen Politik bestimmen, sondern sich auch ungeniert als Kommentatoren in Blogs tummeln, wird häufig übersehen, daß sie unausgesprochen ein kompaktes Weltbild transportieren. Sie fordern von ihren Gegnern sehr ernsthaft eine Rechtfertigung für jede Abweichung von diesem Weltbild, indem sie alles “Sozialismus” schimpfen, was nicht den Erwerb persönlichen Eigentums als wichtigsten Grundwert annimmt.
Dieser “Sozialismus” ist ihnen dann freilich nicht einfach eine andere Weltanschauung als ihre eigene, sondern konkret Stalinismus oder zumindest die verwerfliche Förderung von Faulheit statt Leistung. Schon die Sicherung des Existenzminimums wird als “Geschenk” bezeichnet. Dabei sind sie nicht einmal in der Lage, diesen simplen Begriff einzuführen, ohne ihn sogleich in ihr Zwiesprech zu verwickeln, denn es wird gefordert, sich das “Geschenk” zu “verdienen”.
Im sogenannten “Lexikon” der INSM, ich wies bereits darauf hin, werden die Begriffe “Eigentum“, “Freiheit” und “Leistung” als sich wechselseitig bestätigende Axiome der Gesellschaftssordnung eingeführt:
“In Deutschland zählt das Privateigentum, also die grundsätzliche Zuweisung dieser Herrschaft an den einzelnen Menschen, neben der Freiheit zu den Grundpfeilern der Verfassung.
Der Liberalismus leitet das Privateigentum aus dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen und aus dem Naturrecht auf Selbsteigentum des Menschen an Leib und Leben sowie an den Früchten seiner Arbeit ab. Legitimationsgrund des privaten Eigentums ist also vor allem die persönliche Leistung.”
Eine Freiheit, die unabhängig vom Eigentum gedacht wird, kommt hier nicht mehr vor, schon gar nicht die Freiheit, sich dem Aneigungszusammenhang zu entziehen. Die geschichtslose “Freiheit” dieses angeblichen “Liberalismus” wird implizit zur Religion erhoben, weil der status quo dies zuläßt und es für Menschen von bescheidener Intelligenz so aussieht, als sei das dann eben ein Naturgesetz. Die normative Kraft des Faktischen, von herrschenden Geisteszwergen interpretiert, kehrt dabei die Legitimationsbasis um, von daher ist der Glaubenssatz der INSM blanker Unsinn.
Nicht “Leistung” ist “Legitimationsgrund des privaten Eigentums”, sondern privates Eigentum wird unhinterfragt als Leistungsnachweis gewertet. Der Neoliberalismus fragt überhaupt nicht nach der Herkunft des Eigentums und den Bedingungen des Erwerbs von Eigentum, erlaubt es sich aber, diejenigen moralisch zu verurteilen, die vom Erwerb ausgeschlossen sind. In der öffentlichen Meinung, geprägt nicht zuletzt durch die Apologeten des Profits, wird nicht einmal differenziert zwischen denen, die einfach keine Chance haben und denen, die sie nicht wahrnhemen.
Letzteren wird wiederum nicht zugestanden, daß sie resignieren oder andere Lebensentwürfe verfolgen. Vielmehr gelten die Opfer ungleicher Vermögensverhältnisse, die ihr Existenzminimum nicht aufbringen, als schuldig.
Die Sozialbindung des Eigentums, die nie wirklich so gemeint war, daß eine Pflicht zur Solidarität damit verbunden wäre, ist dem Neoliberalismus dennoch ein Dorn im Auge. Im Grunde ist die im Grundgesetz genannte Pflicht nichts anderes als die, Steuern und Abgaben zu zahlen. Der Staat, der dies verlangt, wird dabei als Dieb und Räuber betrachtet, der die “Leistungsträger” “enteignet” – und das schöne Geld womöglich den Faulpelzen schenkt.
Diese Weltsicht hat nichts zu tun mit einer Wirtschaftstheorie oder irgend einer Vorstellung von einem funktionierenden Gemeinwesen, sie ist eine Wertemoral, die als solche zwangsläufig geschichtslos und im besonderen auch noch intellektuell verwahrlost ist. Sie stellt sich keiner Diskussion, sondern betreibt ein Schattenboxen mit unlauteren Mitteln. Ihren Gegnern gesteht sie nämlich die Verwendung einer Reihe von Begriffen nicht zu, ohne die man gegen ihre Moral nicht ankommt. “Sozialismus”, “Verteilung/Umverteilung”, “Freiheit” (als Unabhängigkeit von Eigentum), “Gemeinschaft/Kollektiv”, “Staatswirtschaft/staatliche Eingriffe”, um nur einige zu nennen, disqualifizieren aus Sicht der Neoliberalen denjenigen, der sie ausspricht – es sei denn, er lehnt sie vehement ab.
Diese Ideologie ist nicht einfach eine Religion fürs Volk, das sich dem zu beugen hätte, während die Eliten darüber stünden. Es ist vielmehr ein komplettes Weltbild, das gerade mit seinen Brüchen und Widersprüchen die gesamte gesellschaftliche Wirklichkeit alternativlos beschreiben soll. Dieses Weltbild kann vollständig von Individuen adaptiert werden, das heißt, wer keinen Grund hat, daran zu zweifeln, kann so denken. In den Sphären der halbgebildeten Eliten und derer, die nie Not kennengelernt haben, ist es traditionsfähig. Und auch diejenigen, die dem Teufel glücklich von der Schippe gesprungen sind, haben einen guten Grund, daran zu glauben: Sie dürfen dann überzeugt sein, es sich “verdient” zu haben, was sie gegen die Angst immunisiert, ihren Status vielleicht einmal unwiderbringlich zu verlieren.
Es ist also gar nicht nötig, sich in eine “gespaltene Persönlichkeit” zu flüchten, die privat andere Ziele vertritt, als sie im Job verfolgt. Die Stärke des Neoliberalismus besteht darin, die umgreifende Ungerechtigkeit durch eine geschmeidige Rationalisierung zu überspielen.
August 25th, 2008 at 01:50
Wenn Leistung bei diesem Personenkreis wirklich der Legitimationsgrund wäre und nur die, dann müsste bei denen die Erscbhaftssteuer ja hoch im Kurs stehen um mit diesen Einnahmen Chancengleichheit herzustellen.
Aber wie du schon richtig anmerkst, ist bei denen nicht Leistung Legitimationsgrund für privaten Besitz.
Aber das medialen Dauerfeuer wirkt! Schon lustig , wenn ich Studium Leute treffe, die über soziale Schmarotzer lamentieren. Aber selber einen Wagen von Papas Firma fahren und auch die Benzinkosten über diese abzurechen ;)
August 25th, 2008 at 06:22
Neoliberalismus = Egoismus und Neid zur Ideologie erhoben
August 25th, 2008 at 08:09
Sauber ausgearbeiteter Artikel, den man inhaltlich wohl meistens nur noch auf privaten Seiten finden kann, da die Medien-Maschine in fester Hand weniger Eigentümer ist .
Vorschlag:
Die Lesbarkeit der Texte, gerade bei schwierigen Sachverhalten, wäre wesentlich besser, wenn nicht fast alles in einem riesigen Textblock verschwinden würde.
Ein paar Absätze mehr fände ich sehr hilfreich.
August 25th, 2008 at 08:40
Sehr gut beobachtet.
Die Verknüpfung von Geldvermögen und Leistung bei den Apologeten des herrschenden Wirtschaftssystems hat den Charakter eines klassischen logischen Zirkelschluses:
Beobachtung: Einkommen sind sehr ungleich.
(Kausale) Erklärung: Mehr Einkommen kommt von mehr Leistung.
*Beweis*: Manche Leute haben mehr Einkommen als andere. Also haben sie wohl mehr geleistet.
So weit mal zum intellektuellen Niveau dieser Bagage.
August 25th, 2008 at 11:01
Man könnte sich die ‘Sozialbindung des Eigentums’ natürlich auch anders zurechtlegen: da ‘wir’ als Gesellschaft einerseits schon wissen, dass längst ‘gesellschaftlich’ produziert wird bzw nach streng liberaler Auffassung auch ein ‘Arbeitnehmer’ an dem durch eben seine ‘Leistung’ Geschaffenen ‘Eigentum’ geltend machen kann, andererseits aber auch der ‘Unternehmer’ durch seinen Erfolg bewiesen hat, dass er ein ‘glückliches Händchen’ in Umgang und Mehrung des gemeinsam Geschaffenen hat – übertragen wir ihm sozusagen treuhänderisch die entsprechenden Eigentumsrechte, erwarten aber im Gegenzug, dass ihr Gebrauch eben nicht nur ihm allein, sondern auch oder sogar vor allem dem ‘Wohle des Ganzen’ zu dienen habe. Dann wären die kargen Worte des Art.14GG sozusagen ein Pakt auf Gegenseitigkeit gewesen, der aber durch einen immer rüderen Eigentumsbegriff (‘kann ich mit machen was ich will’) ausgehebelt wurde bzw – wie wohl auch der Autor vermutet – nie wirklich ‘so gemeint’ war.
Der gegenwärtige Präsident des BVerfG vertritt ja sogar die Auffassung, Art.14(2) richte sich gar nicht an die Eigentümer, sondern im Gegenteil an den Staat, der hier aufgefordert werde, die bestmöglichen Bedingungen für die Mehrung des Eigentums zu schaffen – und sich das ‘Allgemeinwohl’ ganz nach dem Kurzschlussmotto ‘Sozial ist was Arbeit schafft’ dann quasi von selbst versteht.
August 25th, 2008 at 11:42
Die herrschende neoliberale Ideologie dient der moralischen Legitimation der zunehmenden Ungleichkeit.
Das heutige neoliberale Neusprech ist allerdings ekelhaft glitschig. Hayek drückte sich noch griffiger aus: “Der vorherrschende Glaube an »soziale Gerechtigkeit« ist gegenwärtig wahrscheinlich die schwerste Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Zivilisation.”.
Aber ich will nicht nur ins Bashing einstimmen. Der Kapitalismus ist vor allem auch ein funktionsfähiges Ordnungsprinzip.
Die Motivation größere Effizienz und bessere Produkte hervorzubringen lag vor allem auch in der individuellen Chance auf Reichtum.
Nur scheint die Dynamik nachzulassen, wenn die Geldspeicher der Reichen vollgelaufen sind und Konsortien die Märkte aufgeteilt haben.
Folge einer geringen Dynamik ist ein geringes Wirtschaftswachstum. Leider gibt sich das risikoscheue Kapital nicht mit 3% zufrieden, sondern verlangt nach 8%. Also müssen Löhne und Renten real gekürzt werden.
Es wird ziemlich schnell ziemlich finster, wenn man diese Entwicklung in die Zukunft fortschreibt.
So. Noch ein Gedanke – weil mich das immer ärgert. Das heilige Buch des Kapitalismus schrieb Adam Smith. Dort ist vom Nutzenmaximierer die Rede – nicht vom Einkommensmaximierer. Ist das nicht das Gleiche? Nope! Man kann mit einer freien Entscheidung für die Umverteilung im Kollektiv den individuellen Nutzen erhöhen. Krankheiten, Bildung – sind so Beispiele.
August 25th, 2008 at 12:12
@Peinhard
Nach den Vergewaltigungen die das hessische Verfassungsgericht mit dem Paragraphen zu den Studiengebühren gemacht, halte ich leider alles für möglich.
Aber so funktioniert das mit dem Neusprech. Hat man erstmal die Bedeutung der Wörter so umgedeutet wie es einen passt, so passt auch auf einmal der Gesetzestext der ursprünglich das Gegenteil bedeutet hat.
August 25th, 2008 at 12:49
“Die Motivation größere Effizienz und bessere Produkte hervorzubringen lag vor allem auch in der individuellen Chance auf Reichtum.”
Wobei ‘größere Effizienz’ nicht selten einfach nur eine höhere ‘Ausbeutungsrate’ meint und die ‘Chance auf Reichtum’ genauso zu ‘schlechteren’ Produkten motiviert, zB was die Langlebigkeit angeht. Auch ist in der gegenwärtigen Konstellation der sog ‘Globalisierung’ die berühmte ‘optimale Allokation der Ressourcen’ auf der stofflichen Ebene lausig, allein schon was die allfälligen Transporte angeht. Von der konsequenten Mißachtung aller Bedürfnisse, die sich nicht ‘monetär artikulieren’ können, ganz zu schweigen, ebenso wie von den sozialen und ökologischen Folgen stetigen Wachstumszwang. Kurz, die ‘Funktionsfähigkeit’ des Ordnungsprinzips ist durchaus begrenzt und wird mit zunehmender ‘Sättigung’ immer fraglicher.
August 25th, 2008 at 14:46
@Peinhard
Trotz all der Nachteile muss sich ein überzeugendes alternatives Ordnungsprinzip an den Vorteilen des Bestehenden messen lassen. Eine verwaltende Planwirtschaft wäre m.E. weniger dynamisch und weniger motivierend.
Flatter schreibt, dass der Ruf nach staatlichen Eingriffen den Rufenden aus Sicht des Neoliberalen disqualifiziert. Tatsächlich erkennt die Theorie den Staat als notwendigen Stifter der Regeln nach denen gespielt wird aber an.
In der Realität sind wir sogar schon weiter.
Der Kapitalismus schafft sich Regulierungs- Institutionen (z.B. IASB, S&P), die unabhängig von Regierung und Parlament agieren.
Manchmal habe ich das Gefühl, beide Seiten sitzen in Schützengräben und keiner will einen Millimeter Raum preisgeben. Eine zielführende Diskussion, wie reale Probleme gelöst werden könnten wird so unmöglich.
Der eine fürchtet, dass ein Machtzuwachs beim Staat letztlich zu Enteignung führen würde. Der andere will das System lieber ganz abschaffen.
Der Kapitalismus hat noch große Potentiale das Leben der Menschen zu verbessern, wenn er die Fähigkeit zur Selbstkritik entwickelt.
Dafür ist er allerdings auf Kritiker angewiesen, die nicht nur die bequeme Position der Fundamentalkritik einnehmen.
Quasi Leute die im anderen Schützengraben stehen und die Sprache des Gegners sprechen. Das hätte auch den Vorteil, dass man die Chance hat zu überzeugen.
Um das mal konkret zu machen. Im ersten Semester Volkswirtschaftslehre lernt man den Begriff Konsumentenrente kennen. Man erfährt, dass es einigermaßen dämlich ist, die Zahlungsbereitschaft des Kunden nicht voll auszuschöpfen. Für den maximalen Profit wäre eine perfekte Preisdiskriminierung optimal.
Was bedeutet das?
Sozialtarife bei Energie sind keine sozialpolitische Großtat, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.
August 25th, 2008 at 16:40
@Rudi
“Der Kapitalismus hat noch große Potentiale das Leben der Menschen zu verbessern, wenn er die Fähigkeit zur Selbstkritik entwickelt.
Dafür ist er allerdings auf Kritiker angewiesen, die nicht nur die bequeme Position der Fundamentalkritik einnehmen.”
Da bin ich zugegebenermaßen skeptisch. Und noch etwas spricht für Fundamentalkritik – die historische Tatsache nämlich, dass es ‘Selbstkritik’ und substantielle Zugeständnisse eigentlich immer nur angesichts solch ‘bedrohlicher’ Fundamentalkritik gegeben hat, also gegenüber der Haltung bzw Wahrnehmung ‘benehmt euch, oder wir können auch anders’… ;)
August 25th, 2008 at 17:40
Diese Form des Neoliberalismus (besonders die hier im Land) ist mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar.
August 25th, 2008 at 22:06
[...] existenzielle Bedrohung für Amerika darstellen und müsste deshalb angegriffen werden. — Neoliberalismus: Eigentum als oberste Direktive In der Auseinandersetzung mit Neoliberalen, die nicht nur die Leitlinien der westlichen Politik [...]
August 25th, 2008 at 22:47
Im neoliberalen Weltbild spielen demokratische Grundsätze eben keine tragende Rolle. Im Gegenteil, stören sie doch nur das politisch herbeigeführte “macht-wirtschaftliche Zerschlagungswerk” einer halbwegs humanen und sozialen Gesellschaft der Freien und Gleichen.
Bedingungsloses Unterordnen unter die “Marktgesetze” verträgt sich nicht mit demokratischer Teilhabe und Mitbestimmung.
August 26th, 2008 at 01:51
[...] Heute: Neoliberalismus: Eigentum als oberste Direktive [...]
August 26th, 2008 at 06:48
Dein Artikel enthält viele interesante Gedanken. Ich versuche gerade das “neoliberale Weltbild” besser zu verstehen, mir ist momentan nicht klar welches Menschenbild dahinter steckt. Das heißt genau genommen, das Menschenbild das ich bisher identifizieren konnte, erschreckt mich zu tiefst.
Bei den einleitenden Sätzen huschte ein Schmunzeln über mein Gesicht.
August 26th, 2008 at 16:15
“Noch ein Gedanke – weil mich das immer ärgert. Das heilige Buch des Kapitalismus schrieb Adam Smith. Dort ist vom Nutzenmaximierer die Rede – nicht vom Einkommensmaximierer. Ist das nicht das Gleiche? Nope! Man kann mit einer freien Entscheidung für die Umverteilung im Kollektiv den individuellen Nutzen erhöhen. Krankheiten, Bildung – sind so Beispiele.”
Um darauf noch mal kurz zurückzukommen: völlig richtig. Nur bräuchte man es auch nicht auf das unzulängliche Korrekturglied Umverteilung zu beschränken, sondern müsste eigentlich den ja bereits einseitig ‘von oben’ gekündigten weiter oben beschriebenen ‘Pakt’ seinerseits kündigen, was erst den ‘individuellen Nutzen’ für den Großteil der Menschen deutlich steigern würde. Denn ‘Umverteilung’ müsste heute – von ihren grundsätzlichen Unzulänglichkeiten abgesehen – eben auch global erfolgen.
Ausserdem ist schon im ‘heiligen Buch der Kapitalismuskritik’ ;) recht einleuchtend dargestellt, dass und warum die Sache mit der Geldvermehrung immer mehr zum Selbstzweck wird und wie das den eigentlichen Zweck des Wirtschaftens – die Versorgung mit Gütern und Leistungen durch immer weniger und leichtere Arbeit – pervertiert und konterkariert, für Konsumenten wie Produzenten. Und was das wirklich bedeutet sehen wir seit dem Ende der sog. ‘Systemkonkurrenz’ eben immer deutlicher. :(
August 27th, 2008 at 00:53
@ aebby: Schön, daß du schmunzelst. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, daß mir bei meinem Kommentar bei dir der Kragen geplatzt ist. Um mich nicht als vermeintlicher Troll zu betätigen, habe ich daher auch (wie angekündigt) auf weitere Kommentare zu dem neoliberalen Herrn verzichtet. Trotzdem wäre es klüger gewesen, dein Blog nicht damit zu belasten. mea culpa!
August 27th, 2008 at 14:21
@peinhard
Wahrscheinlich hast Du Recht – mit der Notwendigkeit der Fundamentalkritik. Damit könnte wenigstens mal Problembewusstsein entstehen. Aber wo sind jene, die zu Selbstkritik bereit sind? Ich vermag da verdammt wenig zu erkennen. Die Mehrzahl ist voll und ganz damit beschäftigt, die neoliberale Meinungshoheit zurückzuerobern.
Ich spinn mal weiter herum – an meinem Kapitalismus mit menschlichem Antlitz.
Stellen wir uns vor, der Handel wäre nicht in den Händen weniger, steinreicher und greiser Männer – sondern es gäbe Handelsgenossenschaften, bei denen die Kunden gleichzeitig die Eigentümer wären.
Nun müsste es einen demokratischen Prozess der Willensbildung geben, welche Unternehmenspolitik verfolgt werden soll.
Man könnte bspw. entscheiden, ob Produkte, die unter zweifelhaften Produktionsbedingungen hergestellt wurden, ins Sortiment aufgenommen werden sollen.
Mit der Zeit würden so bestimmte Profile der Händler entstehen. Und wenn die Ergebnisse aus demokratischen Entscheidungen besser sind als die autoritärer Führer, dann müssten sich die demokratisch regierten Genossenschaften in einer Marktwirtschaft eigentlich durchsetzen.
Vorteil – wenn die Kunden selbst die Unternehmenspolitik verantworten – ist die bewusstere Auseinandersetzung mit den Themen.
Eine meiner optimistischeren Zukunftsvisionen ist, dass irgendwer irgendwann einmal das Marketinginstrument Demokratie entdeckt, damit Erfolg hat und es sich auf weite Teile der Wirtschaft ausbreitet. Und dann auf die Politik übertragen wird.
August 27th, 2008 at 17:12
@Rudi
Ja, so in etwa könnte man sich das Absterben des Kapitalismus vorstellen. ;)
Ich würde neben den Kunden aber auch die Produzenten (vulgo: ‘Beschäftigte’) einbeziehen wollen, und ich würde erwarten, dass die so entstandenen Genossenschaften auch beginnen, sich untereinander zu ‘koordinieren’, zB um mehrfache Forschungs- und Entwicklungsarbeit einzusparen etc. Dabei könnte sich eine Mischung aus ‘Plan’ und ‘Markt’ ergeben – aber eben nicht wie gehabt staatlich und zentral, sondern von den Menschen, den ‘Prosumenten’ selbst getragen und organisiert.
August 28th, 2008 at 15:07
@Peinhard
Ich nenne es weiterentwickeln, nicht absterben. Das klingt viel optimistischer.
In einem anderen Forum diskutiere ich manchmal mit einem Kommunisten. Da habe ich zum Teil das Gefühl, dass er sich freut, wenn es den Bach runter geht, weil ihn das in seinem Denken von der Zwangsläufigkeit des Untergangs des Kapitalismus bestätigt. Erst wenn es den Menschen richtig dreckig geht, werden sie sich erheben und das System hinwegfegen.
Aber die Hoffnung auf die Revolution kommt mir so fern und der Weg dorthin so entbehrungsreich vor, dass ich lieber über evolutionäre Schritte nachdenke. Mit der klitzekleinen Randbedingung, dass sich diese Schritte ins bestehende System der Marktwirtschaft einfügen lassen müssen. Teufelszeug also. ;-)
Letztlich führen sie aber in eine ähnliche Richtung. Einkommensabhängige Preise würden die Einkommensunterschiede nivellieren. Und wenn die “Prosumenten” die Produktionsbedingungen kontrollieren, wäre das auch eine Art Volkseigentum.
Wir können auch bei den Instrumenten einiges vom Kapital lernen. Da gab es nationale Rechnungslegungsvorschriften, die vor allem als Besteuerungsgrundlage dienten.
Zunächst orientierten sich auch die Eigentümer an diesen Vorschriften. Doch als aus den Eigentümern Investoren geworden waren, bemerkten sie, dass sie bessere Informationen brauchen – über künftige Ertragsaussichten, Strategien, finanzielle Stabilität. Und nervig war auch, dass jedes Land eigene Rechnungslegungsvorschriften hatte und dass es Verstecke gab, wie “stille Reserven”, die dazu benutzt werden konnten den Aktionären ihre Dividende vorzuenthalten.
Also wurde ein Gremium geschaffen, um neue, vergleichbare Vorschriften zu schaffen. Und Ratingagenturen rückten den Vorständen auf die Pelle und stellten unbequeme Fragen. Das kannten die nicht – schon gar nicht von staatlichen Aufsichtsbehörden.
Es gibt also – entgegen der neoliberalen Rhetorik – einen Regulierungsbedarf. Und diese Regulierung muss nicht zwangsläufig vom Staat ausgehen.
Jetzt habe ich als Konsument aber ganz andere Informationsinteressen als der Investor. Mich interessieren die sozialen und ökologischen Bedingungen der Produktion.
Mir ist schon klar, dass man von der Politik nicht erwarten darf, dass sie Vorschriften erlässt, dass Unternehmen über ihr Verhalten Rechenschaft ablegen müssen. Das wäre ja ein schwerer Verstoß gegen das freie-Markt-Dogma.
Aber wenn dieser Zwang von privater Initiative ausgehen würde? Sagen die Neoliberalen nicht immer, dass Märkte sich selbst regulieren?
Stell Dir vor was man alles vergleichen könnte. Wie sehr sich Unternehmen bemühen würden, nicht auf die schwarze Liste zu kommen.
Oktober 4th, 2008 at 00:48
[...] vor dem Eigentum leistet. Diese ideologische Pervertierung des Freiheitsbegriffs habe ich bereits an anderer Stelle diskutiert, jetzt schlägt ein Verlag zu, der es für “Journalismus” hält, eine Meinung seines [...]
Oktober 21st, 2008 at 01:18
[...] Produktion gäbe, wenn der möglichst uneingeschränkte Erwerb persönlichen Eigentums nicht die oberste Direktive wäre. Diese historische Blindheit macht sich nicht zuletzt dadurch lächerlich, daß ausgerechnet [...]
April 20th, 2009 at 00:11
[...] zuletzt das Drama des Neoliberalismus, daß er eben geschichtlos “denkt”, was hier bereits erwähnt wurde. Eine recht denkwürdige Rolle, nämlich gar keine, spielt solches Geschichtsbewußtsein auch [...]
April 20th, 2009 at 12:22
[...] liegt nicht zuletzt das Drama des Neoliberalismus, daß er eben geschichtlos “denkt”, was hier bereits erwähnt wurde. Eine recht denkwürdige Rolle, nämlich gar keine, spielt solches Geschichtsbewußtsein auch [...]