Wirtschaft


Es ist, als ob das letzte Gefecht anstünde. Der Untergang der PIN-Group soll noch einmal gestoppt werden, begleitet von dem wohlbekannten Krach, den “Unternehmer” einer gewissen Losigkeit im Umgang mit Human Ressources immer schlagen, wenn es um ihre Geschäfte geht. In den blechernen Klang tatsächlicher und nur vorgetäuschter Katastrophen stimmt auch wieder die Garde der F.D.P. ein, hier besonders erwähnenswert das krächzende Falsetto des Guido Westerwelle: Mindestlöhne und DDR, das sei ein und dasselbe, “nur ohne Mauer”.
Ja, so wird es sein: Wenn wir Mindestlöhne einführen, kehren Stacheldraht und Schießbefahl zurück, Stasi und Staatsrat, Planwirtschaft und Unterwerfung. Genau wie in den anderen 18 europäischen Staaten, in denen Mindestlöhne gelten. Solche Worte findet die Prominenz der politischen Wirtschaftselite als Reaktion auf ein Phänomen, das sie offenbar für schützenswert hält: Ausbeutung. PIN versucht alles, um gegen geltendes Recht weiter Hungerlöhne zu zahlen: Die Gründung einer “Gewerkschaft” von ihren Gnaden, damit die Gesellschaft mit sich selbst Tarifverträge abschließen kann. Den Mißbrauch eines gigantischen Medienkonzerns, der seine Lügen aus durchsichtigen Motiven unters Volk streut. Derart die Mißachtung geltender Gesetze und nicht zuletzt die Pflege einer menschenverachtenden Ideologie.
Die neuste Wende, die noch gar keine Beachtung findet, setzt dem Ganzen aber die Krone der Unverschämtheit auf: Günter Thiel, Vorstandsvorsitzender der PIN Group, will den Laden übernehmen, und zwar für “einen symbolischen Kaufpreis“. Das könnte Schule machen und wäre eine erstklassige Beschäftigung für Manager, die ebenso skrupellos wie unfähig sind. Die PIN-Group ist hoch verschuldet, es ist die Rede von Insolvenz. Der Mann, der völlig unabhängig von Mindestlöhnen, die ja nie bezahlt wurden, seine Gesellschaft in den Abgrund geführt hat, will jetzt genau davon profitieren. Was soll man sich auch die Mühe machen, eine Firma anständig zu führen, wenn man von systematischem Gemurkse viel mehr hat? Noch einmal im Klartext: Da wird ein Unternehmen gegründet, das dann aufgrund von schweren Fehlern des Managements in die Krise trudelt. Der Verantwortliche, der damit viel Geld verdient hat, kauft das Unternehmen zu einem Spottpreis, nachdem er selbst dafür gesorgt hat, daß es nichts mehr wert ist. Womöglich bettelt er noch um Subventionen, völlig selbstlos natürlich, denn es geht ja um “Arbeitsplätze”. Um solche Arbeitsplätze, die der Steuerzahler ohnehin subventioniert, da viele der Mitarbeiter zusätzlich von Sozialleistungen abhängig sind.
Damit das alles nicht auffällt, rührt man die ganz große Trommel der bösen “Mindestlöhne” und findet bei den üblichen Verdächtigen Mitstreiter, die das sanktionieren und ihre Wähler nach Strich und Faden belügen.
Die einzigen, denen allmählich ein Licht aufgeht in der Koalition der Hirnlosen, sitzen ausgerechnet im Springer-Konzern. Die Sache wird nun auch Springer-Chef Mathias Döpfner zu bunt, der Thiels Geld gern nimmt, aber nicht, um sich veralbern zu lassen:
Der hierfür angemessene Weg” sei aber nicht die Übernahme, sondern “allein die Erhöhung des gezeichneten Gesellschaftskapitals“. Wäre ich auf diesem Schiff gewesen, ich hätte mich schon lange nach einem Rettungsboot umgeschaut. Nicht so Westerwelle und seine Komparsen. Sie setzten wie immer darauf, daß man ihre Inkompetenz für höhere Logik hält.
Vom Lebensalltag der ausgebeuteten Mitarbeiter spricht derweil noch niemand.

Ich habe mir einen PC bestellt. Wie immer in Einzelteilen und beim Shop meines Vertrauens. Wie doof bin ich eigentlich?
Nachdem schon die letzte Bestellung mit 10-wöchiger Verspätung eintraf, weil ich es nicht eilig hatte und nicht auf die Ankündigung der Verzögerung reagierte, habe ich es noch einmal dort versucht. Es ging fast alles schief, und die Ware ist fast 4 Wochen nach Bestellung noch immer nicht da, obwohl nur einer der Artikel nicht als “lagernd” deklariert war.
Der Shop gehört nicht zu den billigsten, war aber bislang gut. Das führte mich zu der irrigen Annahme, daß dieser Anbieter wert auf gute Organisation legt und die Vorteile des großen Angebots und des großen Kundenstamms nutzt. Pustekuchen!
Vielleicht war das mal so in dieser Fabrik, aber inzwischen weiß dort der eine nicht mehr, was der andere tut. Der Knüller war allerdings mein letzter und immerhin klärender Anruf dort: Samstag mittags (die Hotline ist bis 16 Uhr besetzt) teilte mir die überforderte Mitarbeiterin mit einem Anflug von Verzweiflung mit, sie arbeite dort “allein”. Sie hat ihren Job mehr als gut gemacht, aber ich werde ihr diesen nicht sichern. Das wird meine letzte Bestellung in einem Onlineshop gewesen sein. Zwar habe ich alles halbwegs noch Bezahlbare ohnehin schon lange in einem kleinen Laden gekauft, in dem mich die Leute kennen, aber selbst dort wurde mir dann und wann empfohlen, “online” zu kaufen. O-Ton: “Für die Verkaufspreise kann ich nicht mal einkaufen, ich kaufe privat selbst manchmal online.” Zum Teil bekommen die kleinen Läden nicht einmal aktuelle Produkte, weil sie zu wenig Umsatz machen.
Mir egal. Lieber zahle ich doppelte Preise, als mich weiterhin verkaspern zu lassen und das Geld denen in den Rachen zu werfen, die für ein Prozent mehr Marge ihre Mitarbeiter verheizen.

Hans Werner “Ohne” Sinn erklärt einmal mehr die Wirtschaft. Die Deutschen müßten “bis 77″ arbeiten, sagt er, um sich die Rente auf dem heute schon erbärmlichen Niveau leisten zu können. Klaus Zimmermann von DIW spricht von 70 Jahren, aber das sei noch nicht ausreichend. SpOn betitelt ihn übrigens als “Profi-Ökonom”. Das ist wichtig, denn die Aussagen eines Hobby-Auchmalwassagers wären von ähnlichem Niveau.
Wie verzichtbar derartige Aussagen sind, läßt sich nur schwerlich in Worte fassen. Diese Herren beschäftigen sich tagein tagaus mit nichts anderem und sind nur in der Lage, solche lauen stinkenden Propagandalüftchen zu produzieren. Nehmen wir den Handschuh auf: Was wäre, wenn sie recht hätten? Am System der Umlagefinanzierung (wer arbeitet, bezahlt die Renten derer, die die nicht mehr arbeiten) wird festgehalten, davon geht nun auch Sinn aus, obwohl er, was löblich ist, die Umlagefinanzierung kritisiert. Allerdings sind seine Lösungsvorschläge, wie etwa die Halbierung der Rente für Kinderlose, aus demselben faulen Holz geschnitz wie sein ganzes Weltbild. Gewerkschaften und hohe Lohnkosten machen Deutschland zum Schlußlicht in Europa, so sein Credo. Und immer, wenn es Probleme gibt, muß gespart werden, und zwar an den Einkünften der Mehrheit, zuerst derjenigen, die ohnehin kein Vermögen haben. Seinen neuesten Vorstoß wird er sicherlich als Provokation verkaufen. Er wird ihn als Kritik gegen die Umlagefinanzierung verstehen. Dumm nur, daß er sich eher für die Rente ab 77 einsetzen würde als für die notwendigen Reformen.

Das System ist nicht reformierbar

Diese sind nämlich im System nicht mehr zu machen. Die umlagefinanzierte Rente war gar keine schlechte Idee, wenngleich es bessere gibt. Nachdem die Regierung Kohl aber drei Generationen ostdeutscher Brüder und Schwestern aus einem Topf finanzieren ließ, in den sie nie eingezahlt haben, ist das System am Ende. Die Milliarden, die dort abgesaugt wurden, müßten massiv über Steuergelder aufgefüllt werden. Steuern aber darf man ja nicht erheben, sagen die “Profi-Ökonomen”. Es sei denn, man belastet Lohnempfänger, siehe “Solidaritätszuschuß”. Das geht immer. Nur läßt sich aus denen irgendwann einfach nicht mehr genug herausquetschen. Das genau ergibt sich aus der Erkenntnis, daß die Leute eigentlich bis 77 arbeiten müßten. Daraus folgt unmittelbar: In dieser Form des Wirtschaftens geht es nicht weiter.
Die Probleme der Rentenfinanzierung werfen ein grelles Licht auf das Tabu, das von den Ideologen der Ökonomie über den Diskurs verhängt wurde: Verteilungsgerechtigkeit. Zwar können diese Strategen immer erklären, warum es ungerecht sei, ihr Klientel zu belasten, aber nur und gerade deshalb, weil ihnen sinnvolle Verteilung ein Dorn im Auge ist. Der Markt verteilt das Geld, sonst niemand!
In Zeiten, in denen Arbeitslosigkeit systembedingt ist, ebenso wie hohe Kosten für die Rente, ist es aber für Unvoreingenommene völlig logisch, daß man sich über die Verteilung des Volkseinkommens Gedanken machen muß und diese eben nicht dem Markt überlassen kann. Instrumente dafür gibt es ohnehin: Sozialhilfe, ALG II etcetera. Die Frage ist nur, ob das ausreichend ist. Was wäre vor diesem Hintergrund echte Wirtschaftswissenschaft?
Im Zentrum des Wirtschaftens steht seit jeher das Problem der “Allokation”: Ressourcen sind begrenzt, und es geht darum, sie zu verteilen oder zu vermehren. Ursprünglich ging es dabei schlicht um Nahrungsmittel und ihre Bedingungen: Jagdreviere, Land, die frühen Waren und Märkte. In der Industriegesellschaft geht es um Bodenschätze, Produktionsstätten und -mittel, Absatzmärkte, Verkehrswege usw.. Wirklich global betrachtet, muß man zuerst die Frage stellen, wie es möglich wäre, diejenigen zu versorgen, denen es am Nötigsten fehlt, also an Wasser, Nahrung und Unterkunft. Das blendet die moderne “Ökonomie” gern aus, weil der Markt es eben nicht regeln kann. Es gäbe nichts besseres als den Markt, so die Behauptung, und was der nicht schafft, ist anders auch nicht zu schaffen. Kompletter Blödsinn natürlich, wenn der Krieg um Ressourcen aus marktwirtschaftlichen Interessen die Konfilkte schafft, die das Elend erzeugen.

Wirtschaften heißt Verteilen

Aber selbst innerhalb der nationalen und regionalen Wirtschaftsräume der Industrieländer ist die Verteilung marktwirtschaftlich nicht mehr zu bewerkstelligen. Um die nötige Dynamik zu erzeugen, müßten die Ressourcen besser verteilt sein. Das System ist aber bereits umgekippt: Die Verteilung des Großteils der Ressourcen findet nur mehr zwischen wenigen statt. Es hat sich eine kleine Oberschicht gebildet, der eine besitzlose Masse gegenübersteht, deren Auskommen dauerhaft gefährdet ist oder die gar keine Chance mehr hat, am Marktgeschehen teilzunehmen. Im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten müssen diese keinen unmittelbaren Hunger mehr fürchten, aber es reicht eben nicht, um sich zu entfalten oder aufzusteigen.
Noch “funktionieren” die Märkte, weil es neue potente Marktteilnehmer wie etwa China gibt. Damit läßt sich langfristig aber kein Binnenmarkt ersetzen, und vor sozialen Unruhen schützt das schon gar nicht. Die Unzufriedenheit der Menschen ist den Ökonomen egal, und sie übersehen sogar die Folgen für die Märkte. Resultat eines lange unterdrückten Gewissens, das sich durch keine Propaganda beruhigen läßt?
Was kann man besser machen? Zum Beispiel Wachstum: Einerseits schielen alle auf möglichst hohe Wachstumsraten, andererseits ist es ihnen nicht geheuer, wenn die zweistelligen Zuwächse, die sie selbst anpeilen, in einer ganzen Volkswirtschaft entstehen. Von “Überhitzung” ist dann die Rede. Zurecht, denn zu schnelles Wachstum, da ist das Modell ganz organisch, ist instabil und kann zu noch schnellerem Schrumpfen führen. Solchen Märkten kann man nicht vertrauen. Warum also starrt alles auf die reinen Wachstumsraten? Es würde hier absolut Sinn machen, das Wachstum einer Volkswirtschaft mit einem Verteilungsfaktor zu verbinden. Stabiles Wachstum ist solches, an dem möglichst viele teilhaben. Ein “Wachstum”, das nur wenigen Monopolen zugute kommt, ist hingegen ein Alarmzeichen. Ökonomen müssen sich darum nicht einmal scheren, sofern sie den kurzfristigen Erfolg ihrer Konzerne im Blick haben. Politiker hingegen müssen unbedingt an besserer Verteilung, sprich: stabilerem Wachstum interessiert sein. Nur solches schafft langfristig Teilhabe, sozialen Frieden und die Unabhängigkeit der Politik von den Interessen großer Konzerne. Die Aufgabe besteht also nicht darin, wie der Neoliberalismus behauptet, bloß für Wachstum zu sorgen. Es muß für ein Wachstum auf möglichst breiter Basis gesorgt werden!
Es ist weder böser Kommunismus noch romantische Verklärung, wenn Verteilungsgerechtigkeit zum Gegenstand politischer Konzepte gemacht wird. Und ein bißchen Verteilungsgerechtigkeit wird nicht ausreichen. Angesichts der Massen von Rentnern, Arbeitslosen und sonstigen Unterversorgten, die gar nichts gegen ihre Lage tun können, muß das System verändert werden. Diese Gesellschaft ist reich, und dieser Reichtum ist ungerecht verteilt. So ungerecht, daß das ganze System gefährdet ist. Das einzige Mittel zur langfristigen Stabiliserung der Verhältnisse, das derzeit diskutiert wird, ist das Grundeinkommen. Wer sich dieser Möglichkeit oder ernstzunehmenden Alternativen verweigert, mag heute den richtigen ökonomischen Glauben haben. Von Wirtschaften hat er freilich keine Anhnung.

bahn
Der Streik der GdL und die Reaktion der BahnAG nehmen Züge an, die keiner mehr bestreiken muß, um die Vernunft lahmzulegen. Ich habe mich lange nicht zur GdL geäußert, auch, weil ich es unterstützenswert finde, daß sich eine Gewerkschaft endlich nicht mehr mit Almosen abspeisen läßt. Was sich aber immer deutlicher zeigt, ist das unsolidarische, unprofessionelle und kontraproduktive Gestümper einer Riege planloser Angeber.
GdL-Lautsprecher Schell, von dem ich bis heute nichts als Plattitüden gehört habe, spielt der Bahn vortrefflich in die Karten. Wenn Mehdorn jetzt die Einrichtung einer “Lokführer-Servicegesellschaft” ankündigt, ist damit das Ende der GdL schon beinahe besiegelt. Es muß ein irrsinniges Gefühl sein, mit einer kleinen Gruppe mittlerer Angestellter die Republik auf den Kopf zu stellen. Mit solchen Aktionen kann man einiges bewegen, aber einiges war den Lokführern nicht genug. Sie haben alles falsch gemacht: Keine Absprache mit der Transnet und der GDBA, kein Konzept für Gespräche mit Mehdorn, keine realistischen Forderungen und schließlich die völlige Fehleinschätzung des Kräfteverhältnisses. Hat Schell denn nicht eine Minute darüber nachgedacht, warum andere, echte Gewerkschafter so auf den Flächentarif pochen? Hat er geglaubt, es wäre wirklich eine Alternative, eigene Verträge für einzelne Berufsgruppen mit solchen Mitteln zu erstreiten? Hat er geglaubt, die Lokführer könnten die Bahn AG ganz allein umkrempeln?
Das “naiv” zu nennen, ist die freundliche Variante.
Wenn jetzt die Transnet an der GdL vorbei streikt, können wir passend zur Jahreszeit die Narrenkappen aufsetzen. Jeder gegen jeden, und alle gegen die Kunden.
Das ist vor allem ein Verdienst des kongenialen Bahnchefs Mehdorn, der von Anfang an kein Interesse gezeigt hat, sich mit der GdL zu einigen. Daß auch ein Arbeitgeber nichts davon hat, wenn er die Gewerkschaften entzweit, muß er experimentell lernen. Ein klügerer Mann an seiner Stelle hätte das vorher gewußt und Schlimmeres verhindert. Aber scheinbar ist die Verachtung gegen Arbeitnehmer Bedingung für die Mitgliedschaft im Vorstand. Sollte Mehdorn kein heimlicher Gegner des Börsengangs sein, ist er die denkbar peinlichste Witzfigur, die man in ein solches Rennen schicken kann.
Der einzige Ausgang aus dem selbstverschuldeten Desaster bei der Bahn wäre ein Rücktritt der Protagonisten. Geht nach Hause und überlaßt den Job Leuten, die es können!

Es war mir vollkommen entgangen, daß die Kommission, die den Schrottkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel Persilscheine ausgestellt hat, vom Betreiber selbst eingesetzt wurde. Das ist ja originell. Wenn ich also demnächst betrunken mit meinem Auto unterwegs sein werde, das einen klitzekleinen Bremsdefekt hat, werde ich das auch so machen: Auf zu Schrauber Katsche in die Garage, der setzt sich mit seinem Bruder zusammen und schreibt ein Gutachten. Daraus geht hervor, das ich immer besoffen fahre und alles im Griff habe. Und das mit den Bremsen ist alles im Normbereich.
Nein, das ist nicht wirklich witzig. Vattenfall beschränkt sich tatsächlich auf plumpe PR, um so schnell wie möglich wieder Reibach zu machen. In diesem Laden macht sich niemand ernsthaft Gedanken über die Gefährdung von Menschenleben, nicht einmal nach der fast-Kernschmelze von Forsmark. Es sollten nicht einzelne Kraftwerke untersucht werden, sondern die Fähigkeit der Konzernspitze, mit gefährlicher Technologie umzugehen. Danach dürfte dieser Sauhaufen nie wieder ein Kraftwerk betreiben.

In der FAZ wird der Vorstandsvorsitzende der RWE, Jürgen Großmann, zitiert, der sich der Öffentlichkeit mit ganz großer Geste andient und eine PR-Kampagne als “Energiepakt” verkauft. Ich war bis zuletzt selbst RWE-Kunde und bekam mit der Post die Gründe zugeschickt, aus denen noch mehr Geld aus mir herausgequetscht werden sollte. Die “Beschaffungspreise” und die hohen Kosten durch erneuerbare Energien seien Schuld. Wie gesagt haben andere das Problem offenbar nicht, und ich habe gewechselt.
Nun ist plötzlich alles ganz anders:
RWE werde in den kommenden Jahren Milliarden in die erneuerbaren Energien investieren“,
Ich stelle mir zum Beispiel für RWE konkret vor, dass wir unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung in fünf Jahren mindestens vervierfachen“,
Zudem solle die Energiewirtschaft nach außen erkennbar ihre Wettbewerbshaltung ändern. Das Stichwort müsse Kundenorientierung statt Abnehmerbetreuung lauten.
Das alles will Großmann “an einem symbolträchtigen Ort [zu] diskutieren. Zum Beispiel auf einer Nordseeinsel wie Borkum“.
Feine Idee, und der Stromkunde zahlt die Veranstaltung. Noch symbolträchtiger wären sicher die Seychellen. Und damit es auch richtig menschelt beim Energiepakt, lädt man ein paar energiegeladene Damen vom Fach ein: Blasen ohne Wind, Schwitzen ohne Sonne. Ich frage mich, was es da zu diskutieren gibt und warum irgendwelche Pakte geschlossen werden müssen. Wenn ihr das vorhabt, dann macht das doch einfach!
Das Problem dürfte kognitiver Natur sein, und Großmann kommt der Lösung sogar recht nahe:
Wir brauchen intelligente Netze“, stellt er fest. Völlig richtig, und am besten fängt man mit einer intelligenten Leitung an bei RWE.

Hilfe, SpOn betreibt kommunistische Gewerkschaftspropaganda! Hätten sie doch nur Henkel, Stihl oder Westerwelle gefragt, ehe sie den Standort Deutschland schon wieder kaputtmachen. Eine “Rolle rückwärts”, so stellt der Spiegel nämlich fest, machen viele mittelständische Betriebe, die zunächst der Propaganda ihrer Verbände auf dem Leim gegangen waren und Produktionszweige ins Auslang verlagert hatten. Schließlich ist Deutschland zu teuer, und niedrige Kosten sind der einzig seligmachende Faktor im betriebswirtschaftlichen Credo des Neoliberalismus’. Pustekuchen! Daß Qualität nicht für nen Appel und ein Ei zu haben ist, hätte man schon vorher wissen können. Daß es Sinn macht, an einem Standort zu bleiben, den man kennt, ebenfalls. Aber es gibt Irrtümer, die lange nicht kommunizierbar waren, weil es eben der Wirtschaftsreligion hiesiger Lautsprecher und ihrer naiven Büttel in den Parteien widersprochen hätte.
Dazu gehört zuallererst der Unterschied zwischen Propaganda und Wirklichkeit. Die Behauptung, “die Wirtschaft” müsse nachgerade ins Ausland fliehen, weil dort alles besser sei, war schlicht falsch. Grundfalsch. Sie diente einzig dem Drücken von Löhnen hier, in dem Glauben, derart die Margen steigern zu können und damit keinen weiteren Schaden anzurichten. Tatsächlich aber hatte das Ganze böse Nebeneffekte. Es wurden nämlich nur noch sogenannte Ökonomen und Manager gehört und gefördert, die tumb auf die Kostenseite schielten und hysterisch den Untergang heraufbeschworen, wenn irgendwer vermeintlich einen Euro zuviel investierte. Sie hatten immer recht, denn was man nicht ausgibt, spart man ja. Wer hält schon mit Visionen dagegen und vertritt die völlig richtige Auffassung, daß höhere Investitionskosten sich nicht nur rechnen können, sondern zu stabileren Gewinnen führen? Einer solchen Prognose fehlt nämlich oft eine Kalkulation in Euro und Cent. Sie ist reine Überzeugungsarbeit, die nichts zählt(e) in diesem Land.
Immerhin gibt es jetzt durch die Rückkehrer und ihre Erfahrungen einige Argumente mehr gegen Lohndumping, hektisches Outsourcing und die begleitende Propaganda. Nicht nur massive Qualitätseinbußen stellten sich ein, sondern auch logistische Probleme und solche, die völlig vor die Tür gekehrt worden sind: Soziale Aspekte des Wirtschaftens. SpOn versteckt diesen Aspekt in dem Satz: “Zudem wirken ganz profane Dinge wie mangelnde Loyalität zum Unternehmen oder hohe Krankenstände nachhaltig negativ“. Die Loyalität zum Unternehmen, die hierzulande seit den 80ern mit aller Macht vor die Wand gefahren wurde, ist kein mickriger Kostenfaktor. Nicht nur, daß niedrigere Krankenstände ein gewaltiger Kostenfaktor sein können – sie werden nur erwähnt, weil sie bezifferbar sind und so vermeintlich die “Loyalität” zu einer berechenbaren Größe machen. Nein, ein sozial vernetzter Standort, Schnittstellen zwischen Unternehmen und der Lebenswelt ihrer Mitarbeiter und Kunden sind ein Stabilitätsfaktor, der schändlich unterschätzt wird. Weil er eben nicht bezifferbar ist. Die Religion des Shareholder Value zeigt erste wirtschaftliche Symptome des Versagens. Es ist jetzt an der Zeit, den Leuten zu Erklären, was “Stakeholder Value” bedeutet und endlich umzudenken.

Heute meldete WDR2, es gäbe einige Änderungen in der Berechung der Prämien für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen. Es kam dabei zur Sprache, daß etwa Hauseigentümer besser gestellt würden als Mieter. Sie besäßen in der Regel Garagen und pflegten ihre Autos besser. Diese “Erklärung” ist nicht nur inhaltlich ausgemachter Blödsinn, sie verkennt auch, daß Statistik solcher Erklräungen nicht bedarf. Statistik wird verkauft als nüchternes Zahlenwerk, objektiv und nicht beeinflußbar. Tatsächlich ist sie, wie das Besispiel zeigt, ein Werkzeug, nichts anderes.
Die Versicherungen leisten sich statistische Albernheiten bei der Berechnung der Prämien, die nicht mehr zu toppen sind. Dabei sind die Häuslebesitzer nur ein Beispiel. Wie errechnet sich die “Typ-Klasse” eines Kraftfahrzeugs? Der Grundgedanke ist nicht unbedingt falsch: Man geht davon aus, daß Autos, die höhere Schadenssummen verursachen, quasi gefährlicher sind. Das ist dann etwa plausibel, wenn ein Auto mit einem großen Gewicht und Metallstoßstangen den Unfallgegner als Knautschzone benutzt. Solche Wagen verursachen schneller hohe Schäden als leichtere, kleine KFZ. Genau dieser Effekt aber wird durch statistische Spielereien zunichte gemacht. Es geht nicht an, daß kleine oder billige Autos weniger teuer in der Versicherung sind, das paßt nicht ins Bild der Wirtschaftssolidarität. Die Versicherungen drehen daher den Spieß um:
Tendenziell am teuersten, klassenunabhängig, sind ältere und billige Autos. Warum? Weil sie von Fahranfängern gefahren werden, die besonders viele Unfälle verursachen. Männliche Fahranfänger verursachen dabei gern auch besonders hohe Kosten.
Daß dieser Umstand keinerlei Einfluß auf die Unfallwahrscheinlichkeit hat, die durch as Auto selbst bedingt ist, interessiert die Versicherer nicht. Wer wenig Geld hat, zahlt daher mehr.
Aberwitzig ist das System schon allein deshalb, weil es die Kosten stets aus Sicht der Unfallverursacher rechnet, nicht aber aus der der Opfer. Wer also mit einem Auto im Wert einer Luxusvilla umherfährt, wird dafür nicht besonders zur Kasse gebeten. Wer aber unvorsichtigerweise in so ein überflüssiges Vehikel hineinrutscht, verursacht immense Kosten. Diese werden dann auf dem Wege der Typklassenbrechnung all denjenigen aufgehalst, die zufällig das gleiche Auto fahren wie der Verursacher. Der traurige Clou dieser Angelegenheit ist aber die Behandlung der Opfer durch die Solidargemeinschaft der Versicherer. Während die Verursacher von Unfällen versichert sein müssen, interessiert sich kein Mensch für die Opfer. Wird etwa ein Unfall vorsätzlich verursacht, entfällt der Versicherungsschutz. Kommt jemand bei einem solchen Unfall schwer zu schaden, geht er meist leer aus. Mehr als der Verursacher zahlen kann, gibt es nämlich nicht. Bleibende körperliche Schäden werden also in der Regel nicht aufgefangen. Das kann ein Leben zerstören. Vielleicht sollte man sich dagegen versichern?
Daß die Statistik der Versicherer grober Blödsinn ist, zeigt sich auch in den Regionalklassen und der Einbeziehung der gefahrenen Kilometer. Wenn jemand mit einem einem “gefährlichen” Auto in einer “gefährlichen” Region extrem viel fährt und unfallfrei bleibt, was hat er davon? Wird er als Genie der Straße geehrt und zahlt daher bundesweit weniger? Nein, natürlich bezahlt er mehr.
Welchen Einfluß die Statistik auf die Prämien hat, hängt allein davon ab, was in die Statistiken einbezogen wird und was nicht. Sind Hausbesitzer bessere Autofahrer? Quark. Sie sind aber gute Versicherungskunden, ebenso Menschen, die mehr Geld in der Tasche haben. Es macht also Sinn, sie zu bervorzugen gegenüber dem Plebs, der eh nur die allernötigsten Versicherungen abschließt.

Einen für interessierte Nichtprofis verständlichen Artikel hat Dieter Wermuth beim Herdentrieb veröffentlicht. Die Materie ist kompliziert, aber die Erklärung lobenswert verständlich.
Es ist oft leicht, die Zocker und ihre blinde Marktideologie mit Häme zu übergießen, und ich werde es mir auch weiterhin genehmigen. Hier nur einige besonnene Worte dazu:
Man kann nur den Kopf darüber schütteln, daß sogenannte Ökonomen die soziale Komponente des Wirtschaftens für nicht weiter betrachtenswert halten. Sie glauben, sie hätten ihre Zahlenspiele im Griff und wundern sich doch tatsächlich, wenn ihnen nicht einmal das gelingt. Verantwortung in der Form, daß “Handeln” an den Märkten in Beziehung stehen sollte zu einem realen Geschehen, also zum Warentausch und zu sozialer Verteilung von realen Werten, wird nicht wahrgenommen.
Die Frage, die wenigstens nun in den Raum gestellt gehört, ist die nach einer Psychologie, die solche Vorgänge noch erklären kann.
Man käme dann sicher zu dem Schluß, daß die Begünstigung fahrlässiger Gewinnmaximierung auf Kosten jeder Vernunft ein Ende finden muß. An dieser Stelle kommt man nicht mehr umhin, das Marktgeschehen wesentlich strenger zu kontrollieren. Das hat nichts mit hinderlicher Bürokratie zu tun, sondern mit der Wahrnehmung der Verantwortung durch die Politik. Der “Markt” ist dazu ganz offensichtlich nicht in der Lage.

Die Artikel der FTD sind oft ungleich raffinierter als die bei SpOn, aber mitunter herrscht dort dieselbe Anschmiegsamkeit an populären Nonsens. So findet Olaf Gersemann es “gut, wenn die “Reichen immer reicher” werden.
Die Argumente sind im einzelnen gar nicht so verkehrt, wenngleich immer, alte Ökonomenkrankheit, nur innerhalb des Systems gedacht. An einer Stelle aber wird es unfreiwillig komisch:
Denn hohe Zuwächse im obersten Einkommensfünftel reflektieren im Wesentlichen steigende Bildungsprämien.” Das oberste Einkommensfünftel ist für Normalsterbliche nicht erreichbar, selbst, wenn man nur “Angestellte”, in diesem Fall also Manager, in die Wertung nimmt. Zwar ist eine gute Ausbildung dafür erforderlich, aber wer behauptet, die reiche aus, hat keine Ahnung oder lügt. Nicht nur, daß es hochqualifizierte und motivierte Leute in diversen Branchen gibt, die miserabel “verdienen”, es ist auch fast unmöglich, in die erlesenen Zirkel der Topmanager vorszustoßen, wenn man den berühmten “Stallgeruch” nicht mitbringt. Entweder ist das weltfremd, was Herr Gersemann da schreibt, oder es ist Propaganda.
Es hat ganz nebenbei wenig mit der von ihm eingangs zumindest erwähnten Idee zu tun, Topgehälter auf eine Maximalhöhe zu begrenzen. Dies würde für alle Beteiligten Sinn machen und wäre nur anständig.
Schließlich: Die stille Gleichsetzung von “Reichen” mit “Topverdienern” ist ebenfalls entweder schlampig oder unverschämt. Denn heute sind es die Erben und diejenigen, die nicht einmal dafür arbeiten, ihren eigenen Reichtum zu verwalten, die an dem einen Ende stehen. Am anderen Ende stehen die, die buckeln wie gestört und kaum über die Runden kommen.

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