Politik


 
Der Deutsche – vermutlich nicht nur der, aber er immer wieder, braucht Autoritäten. Das wurde zuletzt aufs Schmerzlichste deutlich, als sogenannte “Mutti” gewählt wurde, weil wir sie “kennen”. Ein Stock mit Hut täte es auch. Man wählt die Autorität nicht ab, zweifelt sie nicht an, steht hinter ihr und ist bereit “Aufgaben zu erfüllen”. “Leistung zu erbringen”, Befehle auszuführen.

Wir hatten nach dem Krieg Adenauer, der mit den Generalitäten reden durfte – trotz alledem. Er, seine Globkes, Straußens und Erhards haben uns gut geführt. Letzterer hatte das Problem, dass die Altautorität ihn nicht segnete. Das ist verwirrend für die Deutschen. Dann verließ ihn auch noch die FDP. Die Große Koalition 1966 war ein seltsamer Unfall, brachte zwar wieder einen mit Potential ans Ruder, ein reingewascher NSDAP-Mann, aber die Zeit lief gegen ihn, und eine Große Koalition ist dem Deutschen erst recht zu verwirrend, wenn dort nicht jemand eindeutig Herr im Hause ist. Dazu reichte es bei Kiesinger nicht.

Der unpassende Kanzler

Überspringen wir kurz den Protagonisten. Nach ihm kann Oberleutnant Schmidt an die Macht, der sich Meriten als Herrscher von Hamburg verdient hatte, autokratischer und erfolgreicher Manager der “Flut”. Schmidt ist bis heute (zumindest für Schmidt, und das strahlt aus) die Autorität in Deutschland. Ihm folgte die “geistig-moralische Wende” hin zu Pascha Kohl, dem Basta-Schröder folgte. Dann kam “Mutti”, durch alle Reihen geschlüpft und nicht wieder loszuwerden.

In diese Reihe von Obrigkeiten, die vielleicht respektiert wurden, vor allem aber als solche über Staat und Volk thronten, passt Willy Brandt nicht so recht hinein. Wie konnte es passieren, dass einer, der öffentlich auf die Knie fällt, sein Leben genießt, Frieden mit dem Feind schließt und “mehr Demokratie” verspricht, Bundeskanzler wurde? Obendrein einer, der von seinen Anhängern nicht (nur) respektiert wurde, sondern verehrt.

Brandt hat das Zeitfenster erwischt, als Deutschland beinahe demokratisch wurde. Das hatte nach gängiger Geschichtsschreibung damit zu tun, dass die Jugend mehr Freiheit und Mitbestimmung forderte, dass die Stellung zwischen Weltkrieg und Kaltem Krieg sowieso ein “Nie wieder” forderte. Freiheit war das große Thema der Zeit, von Prag über Washington und Paris bis Berlin. Menschen forderten ihre Regierungen heraus, wegen Vietnam, Faschismus, Stalinismus. Es war ein lauter Generationenwechsel.

Zu hohe Ansprüche

Konnte das aber wirklich die Westeutschen dazu bringen, sich zur Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte und ihrer Verantwortung für ihre Gesellschaft verführen zu lassen? Zunächst scheinbar schon. Im Kampf der Generationen stellte sich die Mehrheit auf die Seite des Wandels, gegen die Restauration. Dafür gab es gute Gründe: Die Deutschen waren nämlich für einen Wimpernschlag ein Volk von Anspruchsstellern.

Die Erzählung vom Wirtschaftswunder und ihrer Leistung hatte sie selbstsicher gemacht. Sie hatten sich etwas erarbeitet. Es war ihr Staat, ihre Gesellschaft, ihre Wirtschaft, an deren Wachstum sie teilhatten. Die Löhne stiegen, die Ansprüche auch, und dann kam dieser Kanzler, der nicht von oben herab schaute, sondern einer von ihnen war. Er war nicht Geheimrat und nicht Offizier, sondern “der Willy”.

Willy wurde bald aus dem Amt intrigiert. Zu vielen gefiel dieser Stil nicht. Das Volk braucht Führung, wusste und weiß niemand besser als Helmut Schmidt, der ihn bereitwillig beerbte. Es war kein Problem, ihn zu akzeptieren, die alten Muster waren trotz Willy noch durchaus intakt. Entscheidend aber war, dass das Fenster sich sehr schnell wieder schloss. Es musste sich wenige Jahre später wieder nach der Decke gestreckt werden. Die fetten Jahre waren vorbei. Wer es besser haben wollte, musste sich wieder durchkämpfen. Ansprüche hat man seitdem keine mehr. Es wird sich wieder untergeordnet.

p.s.: Die Geschichte der DDR habe ich in diesem Zusammenhang auslassen müssen. Ihren Bürgern wurde sehr schnell verdeutlicht, was es hieß, sich die D-Mark zu verdienen.

 
Es hat einen Government Shutdown in den USA. Geheimdienstheini James Clapper, Metachef einer Reihe von Spitzeldiensten (darunter CIA und NSA) sieht deshalb das Armageddon aufziehen. Die Situation sei irrsinnig gefährlich, weil 70% der Dienstler bis auf weiteres Urlaub haben. Wen schert’s? Anschläge können auch die restlichen 30% verüben, oder? Sinnlose Alarmmeldungen kann auch ein unbezahlter Praktikant tippen, richtig? Oder worin genau besteht nun die Gefahr?

Sicher nicht darin dass, dass der Turbanterrormann jetzt unbeobachtet das Land kaputtmacht. Worin aber dann? Möglicherweise in der gestörten Zusammenarbeit der staatlichen Mafia mit der nichtstaatlichen. Es könnte sich ggf. konkreter Erpressungsbedarf ergeben, für den sich keine Fußhupen finden, die wen anrufen, um ihn einzuschüchtern oder zu bestechen. Das kann schnell zu Milliardenverlusten bei befreundeten Konzernen führen.

70% weniger Stasi

Ja, so ist er, der Verschwörungstheoretiker, immer das Schlimmste annehmen. Dabei kommt das ganz von selbst. Wenn man zum Beispiel nicht auf den Lafontaine hört. Der hat nämlich alles gewusst und durfte das ein paar bedauernswerten Bänkern sagen. Immerhin gelang es ihm, den Herren deutlich zu machen, wer für die Verluste aufkommt, die ihresgleichen verursachen, wenn sie ihrem Tagesgeschäft nachgehen.

Leider nicht gelungen ist ihm ein Fingerzeig, dass die Entwicklung der sogenannten “Finanzmärkte” nicht nur Ursache für etwas sind, sondern auch Folgen von etwas. Eben nicht von Gier, Charakterschwäche und ein paar dummen Irrtümern, sondern – wissens’ scho – ausfallenden Profiten. Es ist nämlich nicht nur leichter für die Global Player, an der Börse Gewinne zu machen, es ist völlig alternativlos. Oder hat der Oskar vielleicht eine Idee, wie alle die Billionen in “Investitionen in die Realwirtschaft” verzaubert werden sollen? Auch nur irgendeine?

Da zitiere ich doch lieber einen, der nicht bei Marx losläuft und nachher bei Erhard auf dem Schoß landet, sondern den Blick in den “tiefen Abgrund” wirklich aushält:

Janz weit draußen

Es ist menschlich und in gewisser Weise für Leute, die nur tagestaktisch zu denken in der Lage sind, auch politisch verständlich, aber dennoch grundfalsch, zu glauben, durch Eingrenzung der Spekulation die kapitalistische Krise beherrschen zu können. Das ist so als glaubte jemand, mit der Senkung des Fiebers alle Krankheiten beseitigen zu können.”

Der ist aber auch völlig politikuntauglich, ganz weit draußen und hat noch nicht einmal Lösungen parat, ehe wer das Problem erkannt hat. Da warten kaum Hoffnung, viel Arbeit und am Ende ein Weg ins Unbekannte:

Es gibt keine gelingende revolutionäre Praxis ohne revolutionäre Theorie und wer glaubt,theoretische Arbeit ließe sich mal eben beim Bier erledigen, wird nach einigen Erfolgen im Effekthaschen von der Geschichte erledigt werden.

Dann doch lieber einen Lafontaine, der früher immer recht hatte, heute ein paar Reparaturen verlangt und morgen keinem wirklich wehtut. Einen besseren Begrenzungspfosten für das, was linksaußen noch gedacht werden darf, kann man sich kaum wünschen.

 
Liebes Tagebuch,

ich weiß noch immer nicht, wo ich eigentlich bin. Es scheint derselbe Planet zu sein, aber der Abbau von Sinn und Verstand um mich herum geht so rapide vonstatten, dass ich an einen Bruch des Kontinuums glaube. Es ist als sei man im Mittelalter gelandet oder in der Steinzeit. Die Menschen sprechen meine Sprache oder solche, die ich verstehen oder lernen kann, aber ihre Gehirne sind völlig anders strukturiert. Was sie für relevant halten, ist ein Aberwitz; sie streiten über Fragen einer orthodoxen Lehre, die jedes Kleinkind durchschauen kann.

Es gibt zum Beispiel etwas, das sie “Wirtschaftspolitik” nennen. Ihre Lehre besagt eigentlich selbst, dass die Summe aller Teile des Systems, das sie “Geld” nennen, immer null ist. Den “Schulden” auf der einen Seite stehen immer “Vermögen” in derselben Höhe auf der anderen Seite gegenüber. Dennoch sind sie sich einig, dass sie Schulden und Ausgaben senken wollen, um damit ein Mehr (“Wachstum”) zu schaffen. Sie wollen, dass eines der Subsysteme (“Staat”) keine Schulden erhöht und keine Steuern erhöht und damit den Gesamtbetrag erhöhen. Das ist völlig absurd. Warum erkennt das denn niemand? Sie machen die kompliziertesten Berechnungen und erkennen die einfachsten Zusammenhänge nicht.

trittinDabei glauben sie alle an diesen seltsamen Kult, den sie “Wirtschaft” nennen oder “Märkte”. Eine der Gruppierungen, die zuletzt bei den Gläubigen schlecht ankam, meint nun, sie müsse ihre Entscheidungen in Zukunft “mit der Wirtschaft” treffen. Ihnen waren sexuelle Abschweifungen vorgeworfen worden, die Jahrzehnte zurückliegen. Deshalb wollen sie jetzt eine “Ökologie” “mit der Wirtschaft” machen, was auch immer das sein mag. Sie haben wie alle Angst, “die Märkte” ungnädig zu stimmen und glauben offenbar, “die Wirtschaft” habe ihnen jene Ausschweifungen beschert.

Meine Flaschenpost

Diese Zivilisation ist technisch hochentwickelt, aber intellektuell so degeneriert, dass sie kein Problem mehr lösen kann, welches nicht technischer Natur ist. Auch technischen Problemen widmen sie sich allerdings nur, wenn es “den Märkten” dient. Das Ganze scheint etwas damit zu tun haben, dass eine Art magische Essenz, die ihrem “Geld” innewohne, bestimmte Rituale verlangt. Dabei müssen bestimmte mathematische Relationen hergestellt werden, die für eine Konzentration von Verfügungsgewalt bei einer kleinen Gruppe gottähnlicher Menschen sorgt.

Der Planet hat sich offenbar in ein Irrenhaus verwandelt, in dem die schwerstkranken Patienten ein perfides Regime führen. Sie haben es immerhin geschafft, dass fast alle Insassen dem zustimmen. Das Spiel ist für mich undurchschaubar: Jedesmal wenn die Zustimmung eingefordert wird, werden Dinge angekündigt, die unmittelbar danach ins Gegenteil verkehrt werden. Alle wissen das, hoffen aber jedesmal aufs Neue, dass es diesmal anders kommen möge.

Das alles ist ein Albtraum. Ich werde meine Aufzeichnungen weiterführen, aber allmählich gebe ich die Hoffnung auf, dass ich jemanden damit erreichen werde. Vielleicht bin ich es auch, der den Verstand verloren hat. Dann habe ich der Welt wenigstens dieses Dokument hinterlassen, um die Krankheit eines Tages eingehend analysieren zu können.

 
Wir erinnern uns, nein, vielmehr: wir wollen endlich zur Kenntnis nehmen, dass die “DDR” nicht nur keine Basis für eine sozialistische Gesellschaft war, schon gar nicht eine kommunistische, sondern der Etikettenschwindel auf der obersten Ebene im zweiten “D” zu finden war. Deutsch war sie wie nochwas, aber demokratisch war das, was da als “Wahl” angeboten wurde, nun wirklich nicht. Mal abgesehen davon, dass es nichts zu wählen gab, weil selbst unterschiedliche Parteinamen nur demselben Block entstammten. Die theoretisch mögliche Einflussnahme durch Wahlen (z.B. Streichen von ‘Kandidaten’ aus der feststehenden Liste) wurde durch eine paranoide Manipulation verhindert, die am Ende der sinnlosen Abgabe von Zetteln noch die Ergebnisse der Farce fälschte. Das war die “Demokratische Republik”. Wieso ist hier eigentlich niemand gegen Demokratie?

Die keinen Deut sinnvollere Befüllung des Containers “Demokratie” ist in diesen Zeiten wesentlich komplexer und daher grundsätzlich unauffälliger. Gleichwohl reicht ein schwacher einäugiger Blick auf das Geschehen, um dieselbe Absicht zu erkennen: eine billige Fassade zu errichten, das Wahlvolk mit einer angeblichen Freiwilligkeit zu demütigen, Unfreiheit als Einsicht in die Alternativlosigkeit.

Kopflos, dafür ohne Rumpf

Lassen wir die völlige Irrelevanz von Partei- und sogar Wahlprogrammen kurz beiseite. Nachdem die auf dem Ticket von Pazifisten, Sozialisten und Atomkraftgegnern in die Parlamente geflutschten Grünen binnen kürzester Zeit zu den aggressivsten Bellizisten umgeschult wurden und Koalitionen mit der Linken ausschließt, da diese gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sind (Trittin), gab es eine kluge Antwort der PdL: SPD und Grüne sollten doch einfach ihre Basis fragen. Innerparteiliche Demokratie, dieser kleine Rest an Einflussnahme – wenigstens für Parteimitglieder – sollte doch ein Anspruch sein, der Freie Westen® noch erfüllt?

Weit gefehlt. Von FdJ-Mädel und NATO-Zofe Göring-Eckart, der sympathischen Kirchenfunktionärin und Kriegsbefürworterin, kam postwendend, dies sei “durchsichtig”. “Transparent” heißt das mit einem anderen Wort, und das geht heute gar nicht mehr mit den Grünen. Die sind und tun, was ihre obersten Funktionäre bestimmen, und die wiederum lassen sich doch nicht von pazifistischen Sozialisten erzählen, sie sollten mal ihr Fußvolk fragen. Dafür werden sie nämlich nicht bezahlt. Am Ende wäre die Partei noch für die Ideen der Linken und gegen eine Nationale Front mit Zweidrittelmehrheit und einer “Opposition”, die weder Untersuchungsausschüsse einsetzen kann noch Normenkontrollverfahren anstrengen.

Freiheit von Alternativen

Nachdem die Grünen sich also auch noch aus der Restrumpfdemokratie verabschiedet und Transparenz für ein Ausschlusskriterium bezüglich politischer Zusammenarbeit erklärt haben, war die SPD am Zuge. Die verhält sich mäßig geschickter und lässt die Basis durch ihre Funktionäre fragen: “Ja? / Vielleicht ja? / Doch?”. Deren Basis soll zu einer Großen Koalition befragt werden. Nachdem also die Partei- und Fraktionsführungen den Mitgliedern deutlich gemacht haben werden, dass das Wohl von Volk, Partei und Vaterland an ihrer Zuverlässigkeit hängt und der Seeheimer Kreis prominente Abweichler eingeschüchtert und gemobbt haben wird, darf man dann zur Abstimmung schreiten. Über eine alternative Koalition wird aus Sicherheitsgründen natürlich nicht abgestimmt. Am Ende wird vermutlich noch das Ergebnis manipuliert, sollte sich etwas Unerwartetes ereignen.

Es muss ein gutes Gefühl sein, bei den Wahlen zu diesem Parlament einer dieser Parteien seinen politischen Einfluss übertragen zu haben. Schließlich ist man Demokrat und möchte nicht, dass Extremisten an die Macht kommen – oder schlimmer noch: die Mauerschützenpartei Einfluss auf die Flugpläne unserer Drohnen nehmen.

 
spartac

Es muss eine Geschichte erzählt werden, der die Menschen sich anschließen können. Sie muss keine neue Geschichte sein; im Gegenteil ist sie eine sehr alte. Sie ist die Geschichte der Befreiung der Menschheit aus Herrschaft und Zwang. Dies schließt alle Menschen ein, gleich welcher Herkunft, welchen Standes und welcher Eigenschaften, die irgendwer ihnen zuschreiben kann. Keine Herren, keine Sklaven – das war schon immer das Ziel der Befreiungsbewegungen und der ihr folgenden Versuche, eine neue Gesellschaft zu gründen. Ob in den Sklavenrevolten der Antike, der bürgerlichen Revolution oder den kommunistischen, das Versprechen war stets dies, sich aus der Knechtschaft zu befreien und Selbstbestimmung zu erlangen. Dieses Versprechen ist noch immer nicht eingelöst, es gehört daher als Forderung auf die Agenda.

Kein Mensch gehört einem anderen. Niemand darf anderen vorschreiben, wo sie zu leben, was sie zu arbeiten und wem sie die Früchte ihrer Produktivität zu überlassen haben. Letzteres war einmal die völlig selbstverständliche Basis der demokratischen Bewegungen. Die Bürgerlichen des 18. Jahrhunderts hatten vielleicht nicht die Idee, Arbeiter und Bauern zu befreien, aber aus ihrer Sicht war es völlig klar, dass sie sich nicht vom Adel permanent enteignen ließen. Daher besteht bis heute die Verbindung von Freiheit und Eigentum: Es war da nie die Idee, unbegrenzt Eigentum anzuhäufen, im Gegenteil, aber es sollte überhaupt Eigentum fürs Volk geben, und zwar auch solches, das Früchte trägt.

Die notwendige Korrektur nach den ersten furchtbaren Krisen des so entstehenden Kapitalismus nahmen die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen vor. Nicht nur waren die zunächst ignorierten Arbeiter und Bauern in eine neue Sklaverei geraten, es zeigte sich auch, dass das Eigentum an Produktionsmitteln mehr Probleme geschaffen als gelöst hatte. Tatsächlich gab es nach Marx und Lenin erstmals eine Gesellschaft, in der Arbeiter und Bauern an die Macht kommen konnten. Was sie dabei übersahen, war das Problem der Macht selbst. Es gab wieder Herren und wieder Sklaven, Entmündigte, menschliche Manövriermasse. Die neuen Herren waren immer noch welche und immer noch so despotisch wie die alten.

I meet the new Boss …

Der reife Kapitalismus setzte sich davon ab, indem die Herren den Abhängigen mehr Freiheit einräumten. Die konnten mit Glück ein wenig Land, ein Häuschen, Autos und andere Spielzeuge erwerben. Sie hatten sogar die theoretische Möglichkeit, selbst zu Herren aufzusteigen. Einige von ihnen schafften das und wurden anderen zum Vorbild. Nie aber sprachen die Abhängigen den Herren der Produktionsmittel und ihren Funktionsträgern das Recht zu herrschen ab. Nie war es Konsens, dass es keine Sklaven mehr geben solle – und keine Herren.

Inzwischen löst sich die Zivilgesellschaft auf, während sich das Machtgefüge verdichtet. Immer mehr Abhängige fürchten um ihre Lebensgrundlage, immer mehr verlieren sie tatsächlich, immer mehr werden zu Arbeiten gezwungen, von denen immer weniger leben können – oder sie werden gezwungen, zu verelenden, weil für sie nichts mehr übrig gelassen wird: Keine Arbeit, kein Lohn, keine Teilhabe, und am Ende nicht einmal mehr etwas zu essen.

Das alles inmitten in einer bizarren Welt, die technische Möglichkeiten bietet für ein Paradies auf Erden. Kein Hunger, keine Kälte, keine Obdachlosigkeit, das ist schon morgen möglich. Wenn sich Prinzipien durchsetzen, die soziale Ziele haben. Wenn die Menschen endlich die Möglichkeit haben, über sich selbst zu bestimmen. Wenn sie nicht dem Kaiser dienen, dem Führer, den Reichen, dem Taler oder dem Gott “Wachstum”. Wenn wir uns darauf einigen, dass wir keine Sklaverei mehr akzeptieren und deshalb auch keine Herren. Das wäre ein Anfang der Geschichte.

 
nlepdDas ist der spannendste Wahlkampf seit vielen Jahren, und keinen interessiert’s. Wieso eigentlich? Bloß weil die Bleierne Kanzlerin uns so oder so erhalten bleibt? Vermutlich auch. Ihr ausdrucksloses Gesicht blickt auf mich herab, ein Zombie wie im echten Leben. Erinnert mich stark an Chucky, die Mörderpuppe. Spielt keine Rolle, sie ist nun mal die Gottkaiserin. Die ohnehin vorhandene Neigung der Deutschen zu Führern wird durch die verabredete Inhaltslosigkeit der neoliberalen Blockparteien verstärkt.

Das kann man sich eigentlich kaum erklären, denn es hat ja nur die CDU etwas davon; die anderen haben schließlich nicht den Führer. “Kaum erklären”, das heißt auch, dass die Korruption längst so weit geht, dass der Nomenklatura egal ist, wer ‘gewinnt’. Hauptsache sie sind adabei. Das Tagesgeschäft wird nebenher abgewickelt, mal im Sinne des ‘Bündnisses’, mal als Karneval. Ich habe mich neulich gewundert, dass Omid Nouripour von den Grünen so oft zum Thema Syrien in den Medien war. Inzwischen weiß ich, warum: Er ist im Vorstand des “Verein Atlantikbrücke” und der “Deutsche(n) Atlantische Gesellschaft”. Einer der NATO-Lobbyisten, die bei den Grünen inzwischen ‘Pazifismus’ definieren.

Ein wenig verwundert war ich auch auch über Westerwelles Meldung, er sei jetzt sicher, dass Assad schuldig sei. Westerwelle war übrigens Außenminister, hat bloß keiner bemerkt. Im Wahlkampf muss er aber noch einmal schnell etwas raushauen, dass er für mehrheitsfähig hält bei seiner gehirngewaschenen Wählerschaft. Mit Politik oder gar Diplomatie hat das derweil herzlich wenig zu tun. Hier tritt dann das Primat des Effekts auch einmal als “Außenpolitik” auf.

Im Prinzip spannend

Es stehen mit der FDP und der AfD zwei Parteien an der Schwelle zum Einzug in den Bundestag. Das birgt reichlich Stoff für Spekulationen über theoretisch mögliche Koalitionen, die aber alle hinfällig sind, weil eben bereits feststeht: Merkel wird Kanzlerin, vermutlich einer Großen Koalition, vielleicht aber auch doch wieder Schwarzgelb. Das ist so spannend wie Fußnägeln beim Wachsen zuzuschauen – und frustrierend für jeden, der glaubt, es sei per Wahl irgend etwas zu bewegen.

Kommen wir zum Schluss zu etwas völlig anderem: Politik, Inhalte. Vermutlich wird die Partei “Die Partei” einen Achtungserfolg erzielen, weil sie als einzige sagt, was alle tun: Inhalte abschaffen! Da wären nämlich reichlich. Totalüberwachung durch Geheimdienste, endgültige Entmündigung der Parlamente durch ein sogenanntes “Freihandelsabkommen”, Endphase des Kapitalismus aka “Eurokrise”, Finanzmarktkrise”, “Staatsschuldenkrise”, “Bankenkrise”. Nichts davon ist beherrscht geschweige denn vorbei. Was davon gehört im Wahlkampf?

Natürlich nicht, denn aus einem Wahlkampf soll man die Politik strikt heraushalten. Es geht um Köpfe. Um die Führung. Um die Unterstützung der Führerin durch ihr Volk. Da machen alle mit und stören den öffentlichen Frieden nicht durch intellektuelles Genörgel. Die Guten jedenfalls, und die sind immer in der Mehrheit.

 
merkelspiEigentlich habe ich keine Lust, mich zu dem Quatsch zu äußern, der gestern in Bayern lief. Jedenfalls fühle ich mich nicht bemüßigt, eine Analyse abzuliefern über sogenanntes “Wahlverhalten” oder sonstige Techniken anzuwenden, die solche Albernheiten ernstnehmen. Vielleicht aber ein wenig psychologisierende Spekulation:

In Bayern hat sich die Regierung just mit dem Fall Mollath bis auf die Knochen blamiert und deutlich gemacht, dass sie in ihrem stupenden Festhalten am Recht der Repression so etwas wie Menschenrechte ins Kleingedruckte abdrängt. “Wer straft, hat recht”, das ist die sadomasochistische Basis des Konservativismus, der in Bayern noch so krankhaft lebendig ist, dass man lieber einen Umweg in Kauf nimmt, wenn man nach Süden reist.

Mia und die Ausländer

In dieses Schema passt auch der Schlager “PKW-Maut für Ausländer”, denn der Ausländer als solcher ist dort noch immer das, was er immer schon war: Minderwertiger Untermensch, Projektionsfläche für alles Böse und Ungerechte, und im Umkehrschluss ist die Reinheit der bayerischen Inzucht das Paradies für die Guten und Gerechten. Mia san mia, in der 100. Degeneration. Der Ausländer darf alles, hat alle Vorteile, wo er uns doch sowieso nur betrügen will, durchrassen und durchmischen.* Nimmt von uns überall Maut und will hier keine zahlen; aber nicht mit uns!

Dieser Stuss für halbgescheite Zweitklässler gewinnt sogenannte “Wahlkämpfe”. Nächste Woche gibt es dann die nächste “Wahl”, und wir lernen heute zum Beispiel: Cohn Bendit, Pädophilie; Grüne, Pädophilie; Trittin, Pädophilie. Diese Assoziation wird bis zum Erbrechen gefördert, von den Elitejounalisten und ihren Soziologen. Dass die Grünen nicht wählbar sind, weil sie das Gegenteil dessen zu tun pflegen, was in ihren Programmen steht, ist kein Problem.

Da man aber Gefallen findet an der rechtskonservativ-erzkorrupten Regierung, muss selbst die Scheinalternative jetzt in Grund und Boden gemobbt werden. Dieses Land ist so widerlich, dass Bayern auch wieder gar nicht so schlecht abschneidet. Dort ist Kindesmissbrauch übrigens kein Thema. Das fällt vermutlich unter “Religionsfreiheit für Inländer” oder “innerfamiliäre Erziehung”.

Kein Thema

Nach wie vor kein Thema ist auch die Totalüberwachung, das postmoderne NATO-Pendant zu Gestapo und Stasi. Da wird nicht nur nichts aufgearbeitet, zum Beispiel der illegale Geheimdienst der CDU, eine Gruppe terroristischer Schläfer, die erst in den 80er Jahren aufgelöst wurde. Es wird auch nicht gefragt, in welcher Beziehung das zur Förderung des NSU steht oder zu unkontrollierten offiziellen Geheimdiensten. Man könnte jetzt noch sagen, das ist eine Sache, denn das muss ja geheim sein, weil wir sonst vom Terrormann gefressen werden.

Dass aber die Regierungschefin dazu keinen Ton von sich gibt und ihr zuständiger Minister unmittelbar vor einer Wahl das Volk fortgesetzt dreist belügt, welchen Effekt hat das? Richtig: Gar keinen. Spielt keine Rolle, denn Mutti schaut dich an. Sie passt auf uns auf. “Alles gar nicht schlimm”, sagt sie und zieht uns die Decke über den Kopf. Wenn uns dann aus dem Dunkel täglich der Arsch aufgerissen wird, kann sie ja nichts dafür. Ohne sie wäre es nur noch schlimmer. Woran sollten wir ohne sie noch glauben?

* “Lafontaine will mit seiner Asylpolitik eine multinationale Gesellschaft auf deutschem Boden, durchmischt und durchraßt.“ Edmund Stoiber, 20021988

 
nsakt

© Thomas Oppermann

Dass der sogenannte “Verfassungsschutz” die zu schützende Verfassung und die darunter gefasste Gesetzgebung offenbar nicht kennt, noch nie gelesen hat oder schlicht ignoriert, ist im Zusammenhang mit der Verfolgung Unschuldiger einerseits und der Unterstützung, wenn nicht Gründung faschistischer Gruppierungen andererseits hinlänglich bekannt. Dass er aber massiv ausländische Geheimdienste mit Informationen aus dem Inland versorgt, verstößt im Wortsinne gegen § 99 StGB. Eine “geheimdienstliche Agententätigkeit” für einen ausländischen Dienst ist nicht legal, wenn sie von einem deutschen Geheimdienst ausgeführt, ggf. ist das sogar ein besonders schwerwiegender Fall.

Selbst Vereinbarungen auf Regierungsebene können diesen Straftatbestand nicht einfach neutralisieren, vor allem aber müssen solche bekannt und gewollt sein. Entweder ist also das Wirken des “Verfassungsschutzes” fortgesetzter eklatanter Rechtsbruch in der Form, dass das ganze Amt zur Gründung einer kriminellen Vereinigung missbraucht wird – oder es gibt eine schon traditionelle verfassungsfeindliche Praxis deutscher Regierungen. Dies würde bedeuten, dass der ‘Dienst’ auf rechtswidrige Weisung seiner Dienstherren hin illegal organisiert wurde. In beiden Fällen ist er unverzüglich aufzulösen.

Ein Fall für das Widerstandsrecht

Hinzu kommt, dass die “NSA” ebenso fortgesetzt gegen US-amerikanisches Recht und die Verfassung der USA verstößt. Hier arbeiten also (mindestens) zwei Dienste, die sich nicht im Mindesten um rechtsstaatliche Standards scheren, engstens zusammen, lassen sich von den Staaten, die sie schädigen und deren Recht sie brechen, finanzieren und haben offenbar die Regierungen so im Griff, dass diese nichts dagegen tun können oder wollen. Beziehen wir uns auf die lächerliche Schau, die eine Bundeskanzlerin, vertreten durch ihren noch lächerlicheren Minister zur Verharmlosung dieser Verbrechen veranstaltet hat, ist festzustellen, dass von dieser Seite Zustimmung und Kooperation ausgehen.

Der sogenannte “Geheimdienstausschuss”, der durch Nichtinformieren seitens der ‘Dienste’ und Ignoranz seitens vieler Abgeordneter neutralisiert wird, ist ebenfalls nicht in der Lage, diese Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu verhindern oder auch nur einzudämmen. Ich empfehle hierzu die Lektüre des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 20 Absatz 4.
Widerstand gegen jede Aktivität dieser kriminellen Organisationen ist das Recht jedes Staatsbürgers.

 
Wer nichts mehr vor sich sieht, wünscht den Untergang des Ganzen herbei, so lässt sich Adorno aus dem hier verlinkten Vortrag verkürzt zitieren. Was er damit meint, ist dass der rechtsextreme, der faschistische Charakter, in der Krise zum Düsteren, Mächtigen, Zerstörerischen neigt. Dies ist nur ein Detail seiner äußerst aktuellen Ausführungen, die ich nur empfehlen kann.

Zwei Gedanken kamen mir an dieser Stelle, nämlich zuerst die Frage, ob die Neigung zu Untergangsszenarien nicht auch dem hiesigen, eher radikal linken Klientel zu eigen ist und zweitens dass dies “nichts vor sich Sehen” eines der schlimmsten Zeichen dieser Zeit ist.

Wir müssen uns, um Ersteres kurz abzuhandeln, nicht wirklich Sorgen machen, an dieser Stelle bestünde eine Analogie zwischen Linken und Rechten, ganz im Gegenteil. Wenn Adorno hervorhebt, dass diese Symptomatik einhergeht mit fehlender Theoriebildung, weist er en passant auf die entscheidende Differenz: Es herrscht hier keine Lust am Untergang, dem Taumeln ins mystische Grauen, sondern die oft verzweifelte Bemühung um ein Danach im Bewusstsein dessen, was aller Wahrscheinlichkeit nach passieren wird. Wirklich aktuelle Diskussionen zeichnen sich dabei durch eine Vielzahl alternativer Ansätze aus, die gegeneinander in Stellung gebracht werden.

Der Untergang

Womit wir beim Thema sind: Die aktuelle Version der Endphase des Kapitalismus ist charakterisiert durch eine beinahe kultivierte Aussichtslosigkeit, eine Apokalypse unter Betäubung, in die hinein uns nicht geifernde Fanatiker führen, sondern Manager einer – wie paradox – alternativlosen Beliebigkeit. Es gibt kein Ziel und keinen Sinn, aber alles muss genau so sein wie es ist.

Die Menschen folgen dabei in ihrem Klammern an die Zwangsvorstellungen der neoliberalen Konfession des Kapitalglaubens ihren Führern, ohne dass diese irgendein Heilsversprechen oder auch nur Trost parat hätten. Es wird kein Endsieg in Aussicht gestellt, nicht einmal das Ende der “Krise”, aber es wird jeder Zwang begrüßt, jede Schikane bejubelt, jede Einschränkung gefeiert, von der die Führung sagt, dass sie nötig seien. Dem entsprechend bedeutet “gemeinsam erfolgreich”, dass das Konterfei der Führerin überlebensgroß auf ihre Untertanen herabblickt, als sehe sie uns, beobachte uns, wachte über uns wie die schon sprichwörtliche “Mutti” über Kleinkinder. Technisch wird das Ganze derweil im Hintergrund besorgt – von der Geheimpolizei.

Warum sollte sich das jahrzehntelang propagandistisch vorbereitete Volk also aufregen? Der Untergang, den es ohnehin begrüßt, wird abgedimmt, pastellfarben und mit freundlicher Untermalung kredenzt. Es gibt nichts zu kämpfen und nichts zu gewinnen, nur den allmählichen Trott ins Nichts, für nichts, gegen nichts. Dafür steht das personifizierte Nichts, das nichts meint, nichts sagt und nichts tut. “Sie kennen mich“. Ja. Schon seit Jahrtausenden. Schon immer.

 
natf

Als ich dieses Livekabarett [via fefe] aus Österreich las, bestätigte sich einmal mehr der Verdacht, dass die rechtsstaatliche Fassade gar nicht so arg darauf angelegt war zu halten, wenn der Wind auffrischt. Was lernen wir aus dieser Szene? Nicht nur, dass die Ausweispflicht in Deutschland alles andere als selbstverständlich ist und der Michel als solcher auch durch hohe Tore ganz von selbst gebückt geht. Er fühlt sich daher schon deshalb nicht unterdrückt, weil er es gar nicht merken würde.

Wir lernen, dass auch im Bruderland, das nicht weniger deutsch ist als die BRD, ein Befehl ein Befehl ist, Gesetz hin oder her; man hat seine Anweisungen. Wenn also im Gesetz steht, dass der eine rechtswidrig handelt und der andere rechtskonform, die Anweisung aber sagt, den anderen zu belangen und den einen zu schützen, dann gilt eben die Anweisung. Das rechtsstaatliche Prinzip, das sich gerade in der Pflicht zur Verweigerung des rechtswidrigen Befehls manifestiert, ist nicht in Kraft, weil es nicht gelebt wird.

Befehl ist Befehl

Dies ist eine der wichtigsten Grundlagen, auf denen die mafiöse bis faschistische Struktur einer NATO beruht, deren Befehlsketten über Staatsgrenzen und Gesetzgebungen hinweg wirkt, deren informelle und korrumpierende Zirkel sich nicht darum scheren, wer gewählt ist und wozu, was ein Amtseid ist oder eine Demokratie oder – da lachen ja die Hühner – eine demokratische Gesinnung.

Womit wir beim Titel sind und dem Umstand, der mir die Grünen Verräter zu einer derart widerwärtigen Truppe macht. Einst war deren Motto “Raus aus der NATO, rein ins Vergnügen”. Selbst auf der Höhe des Kalten Krieges forderten Pazifisten und solche, die erkannt hatten, welch ein brutales Zweckbündnis diese NATO ist und wessen Zwecken sie dient, den Austritt aus dem Verein. Erst nach dem Zusammenbruch des Warschauer Vertrages fielen sie plötzlich um. Ausgrechnet als die NATO verteidigungspolitisch also komplett überflüssig wurde, konnten die Grünen sie auf einmal gut finden, ließen sich sogar in ihre Lobbyzirkel integrieren.

Das war der Hebel, mit dem jeder politische Widerstand des deutschen parlamentarischen Systems gegen die Machenschaften der militärisch-geheimpolizeilichen Strukturen des Westens endgültig beseitigt wurde. Im übrigen traut sich nicht einmal mehr die ‘Linke’, den Austritt aus der NATO zu fordern. So lange deren kriminelle Strukturen aber bestehen bleiben, sind die Staaten, die ihr angehören, so etwas wie politische Puppenhäuschen.

« Vorherige SeiteNächste Seite »