Ich habe wie schon angekündigt Nutzungsbedingungen für Feynsinn erstellt und stelle diese vorab zur Diskussion. Nicht, ob ich welche einführen werde, sondern ob das verbesserungsfähig ist. Schlagt mich, gebt mir Tiernamen!
April 2010
Es ist Zeit für einen Strategiewechsel. Die Gelegenheit war nie so günstig, den sturen Anti-Atom-Kurs zu verlassen, Wirtschaftskrise und Klimawandel geben den Grünen den nötigen Rückenwind, um das Tabu über Bord zu werfen und endlich universell politikfähig zu werden.
Alle anderen alten Zöpfe sind bereits abgeschnitten, sodaß die CDU inzwischen weniger Berührungsängste mit den Grünen hat hat diese mit der Linken. “Grüne” sind allein schon deshalb Volkspartei, weil mit ihnen alles geht. Nie wieder soll es eine politische Aussage geben, die sich nicht mit grüner Realpolitik in Einklang bringen läßt.
Wir erinnern uns an ganz andere Zeiten: “Ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei” hieß es da noch, als bärtige Hippies und pathetische Emanzen das Bild bestimmten. “Grün” war aber nicht nur sichtbar anders, grün war ein ganz neuer Politikansatz. Als linke “sozial”, als Kind von Umwelt- und Friedensinitiativen ökologisch und pazifistisch, grenzte sich die neue Partei von den etablierten inhaltlich deutlich ab. Und weil sie nicht so enden wollten wie die staats-und krawattentragenden Abnicker der seinerzeit real existierenden ParlamantarierInnen, gab es reichlich Abweichungen von den Strukturen einer “normalen” Partei.
Das hieß nicht nur Frauenquote und großes “I” im Plural, sondern vor allem “Basisdemokratie”. Es wurde gestritten und diskutiert bis zur Erschöpfung, ehe eine Entscheidung Position und im Namen der Grünen vertreten wurde. Es war die Gesamtpartei, das bunt gemischte Kollektiv, dessen Wille zählte. Die Gewählten waren Vertreter des Ganzen. Damit sie gar nicht erst auf die Idee kämen, ihre Eitelkeit über den Willen des Plenums zu stellen und sich durch Ledersessel und Machtgewohnheit korrumpieren ließen, sollten die Amts- und Mandatsträger nur jeweils für eine Wahlperiode im Amt bleiben. Niemand sollte darüber hinaus gleichzeitig Parteifunktionär und Parlamentarier bzw. Regierungsmitglied sein.
Von alledem ist dreißig Jahre später so gut wie nichts mehr übrig. Die Trennung von Amt und Mandat besteht faktisch nicht mehr, Promis bestimmen die Linie. Unter Joschka Fischer gab es nur eine von der Partei vertretene Meinung, nämlich seine. Wie “sozial” so etwas ist und wie weit entfernt von den einst radikal linken Positionen der Grünen, kann man an der Agenda 2010 ablesen, die die grünen Fischerchöre gemeinsam mit der SPD beschlossen haben.
Und die Gewaltfreiheit?
Quelle: Wikimedia/Bundesarchiv
Der erste kapitale Schuß in den Bug der ehemaligen Pazifisten war 1999 der Kosovokrieg, den Generalgenosse Fischer für alternativlos erklärte. Die Partei folgte ihm, mit dem Argument, man wolle ein zweites Auschwitz verhindern. Diese Alternativlosigkeit wurde nicht einmal in den bürgerlichen Parteien so gesehen, da aber die Basisdemokratie der Parteihierarchie gewichen war, fiel mit dem Pazifismus eine weitere ehemalige Säule der Grünen. Das Völkerrecht wurde mit einem eleganten Dunking in denselben Papierkorb gestopft.
Die Trauer um diesen Verlust hielt sich allerdings in Grenzen, denn schon zwei Jahre später stimmte ihre Bundestagsfraktion dem Einmarsch in Afghanistan zu, nachdem Kanzler Schröder eine seiner Rücktrittsdrohungen ausgesprochen und die “Vertrauensfrage” gestellt hatte.
Damit die Parteibasis daraufhin nicht die Koalition platzen ließe, brachte Boss Fischer mit seiner Rücktrittsdrohung die Partei auf Linie, so daß diese ebenfalls zustimmte. Die Begründung:
“Bündnis 90/Die Grünen wollen die rot-grüne Koalition fortsetzen, weil sie gut ist für die Menschen und für dieses Land.”
Wo kurz zuvor noch Auschwitz herhalten mußte, reichte da schon die schiere Sicherung der “Regierungsfähigkeit”.
Der Wandel hin zum allseits belastbaren Mitmacher- und Handheber-Verein war dann nur noch eine Frage kürzester Zeit. Inzwischen fordert Kerstin Müller ein Schweigegebot für die Kritiker des Kriegseinsatzes, aus “Respekt” vor den toten Soldaten. Die zivilen Opfer liegen ihr offenbar nicht gar so am Herzen.
Vom Pazifismus zum rasselnden Bellizismus in drei schneidigen Schritten – wer seine Grundsätze derart lässig fahren läßt, ist zu allem mit jedem fähig. Das Signal kommt an.
Die nächste Koalitionsverhandlung kommt bestimmt, und nachdem die Jamaicaner im Saarland noch gemietet werden mußten, wird es für die Rechten sicher bald den Nulltarif mit Öko-Rabatt geben. Atomkraft? Warum nicht? Bürgerrechte? Es gibt Wichtigeres, das haben sie schon unter Otto Schily gelernt. Der Bund und die Länder müssen schließlich regiert werden, und mit den Linken geht das schon mangels Regierungsfähigkeit nicht. Wer seine Stimme also mit größter Aussicht auf Erfolg loswerden will, wählt die GrünInnen. Wer hingegen partout nicht auf Grundsätze oder Charakter verzichten will, muß das Kreuzchen halt woanders machen.
Wie man Meinung macht ohne eine zu äußern, demonstriert einmal mehr SpOn. Da wird die Linke einfach aus Sicht der CDU porträtiert und selbstverständlich die extremsten Forderungen in den Vordergrund gestellt. Man stelle sich vor, die Poltitk der CDU würde in demselben Medium aus der Sicht der Linken und mit deren Vokabular beschrieben – und das mitten im Wahlkampf. Ganz nebenbei ist es ja kein Geheimnis, daß die Linke die einzige Partei ist, die in Opposition zum gängigen Wirtschaftsmodell steht. Ihre Positionen vermeintlich der Lächerlichkeit preiszugeben, spricht für die völlige Unfähigkeit, über den Status Quo hinaus zu denken. Das Artikelchen von Björn Hengst ist einfach nur peinlich.
Wer eine Meinung hat, zumal eine fundierte, muß sich nicht hinter dem vorgeblichen Common Sense verkriechern, sonden äußert sie einfach. Mely Kiyak ist eine der letzten ihrer Art und schreibt, was sie denkt, weil sie denkt. Es ist eigentlich ganz einfach: Nicht jeden Mist glauben, der in der Tagesschau erzählt wird, eine Vorstellung für die Situation der jeweils betroffenen Menschen entwickeln und Schlüsse daraus ziehen. So einfach geht guter Journalismus. Eines ist freilich noch einfacher: Dieselbe Trommel zu rühren wie alle anderen und denen nach dem Mund reden, die einem groß und mächtig erscheinen.
“Es wird Zeit, dass Ermittler aus einem anderen Bundesland die hessischen Verhältnisse aufklären. Legt den Korruptionssumpf trocken!“, stellt der Kommentator “Realist” in der FR fest. Wieder einmal gibt es Unregelmäßigkeiten in der Oberfinanzdirektion, und diesmal ist sich die Steuerverhinderungs-Mafia nicht zu dummdreist, eine Putzfrau für das massenhafte Verschwinden von Steuerakten verantwortlich zu machen.
In der Tat wäre es längst angesagt, dort einzumarschieren und die korrupte Truppe aus Wiesbaden in einen Hochsicherheitstrakt zu verfrachten. Wenn in Hessen gerade nichts frei ist, könnte man ja mal in Guantanamo anfragen.
Von der Putzfrau, so sie existiert, darf man annehmen, daß sie die bestbezahlte Deutschlands ist. Sicher wird man das von Seiten der zuständigen Behörden nicht recherchieren können, weil vergesssen wurde, die Dame nach ihrem Namen zu fragen.
Hanni Kraft will nicht mit der Linken regieren. Sie mag halt den Rüttgers Jürgen so gern. Wenn nun die Rede davon ist, dies sei eine “Ypsilanti-Falle”, haben da einige schlecht beobachtet, was sich in Hessen abgespielt hat.
Die neoliberale Front konnte damals nicht nur eine MP’ Ypsilanti verhindern und gleichzeitig einen unliebsamen SPD-Chef loswerden, sie konnte auch verhindern, daß Koch abgewählt und zum Beispiel eine effektive Steuerfahndung in der Bundesoase rund um Frankfurt eingesetzt hätte. Da ging es um höhere Werte.
Ypsilanti hat es im übrigen wenigstens versucht, Mut und Charakter bewiesen, als sie von Wölfen umzingelt war.
Kraft wird sich das nicht antun und eher Rüttgers um jeden Preis die Macht erhalten. Sei es in einer großen Koalition oder einer schwarz/grünen. Die Albernheit einer “Ampel” kann auch noch nicht ausgeschlossen werden, was ein ganz besonderes Trauerspiel erwarten ließe. Der Schwanz FDP würde gleich mit zwei Hunden wedeln, wir würden jahrelang nur noch “Wachstum” und “Leistung” zu hören bekommen. Dann doch lieber das Original!
Am Ende kann sich Hannelore Kraft aber als große Hoffnungsträgerin einer SPD in der Regierung bewähren. Als Juniorpartnerin einer CDU, die dann auch im Bund – etwa unter einem Kanzler Koch – gute Chancen hätte.
Was rennt ihr so schnell? Wieder mal kein Eimer in Griffweite?
Wir sind Mitte, wir sind Schicht, wir sind alle Mittelschicht. Ich frage mich, wie lange es wohl dauern wird, bis die Lügen der FDP wieder vergessen sein werden. Hätten solche wirklich kurze Beine, es wäre ein langes schmerzhaftes Eierlaufen für die Mitglieder der Reichenbegünstigungstruppe.
Daß die versprochene “Steuern-runter”-Zirkusnummer weder finanzierbar noch durchsetzbar ist, hätte schon vor der Wahl jeder wissen können, der bis drei zählen kann. Daß aber das zeitlos blödsinnige Stufenmodell der Demokratiefreien ausgerechnet die Mittelschicht belastet, macht schon wieder Spaß.
Weniger überraschend ist freilich die Erkenntnis, daß die Reichen am meisten profitieren würden von dieser Gerechtigkeit der Einfachen mit den niederen Motiven. Alles wie gehabt. Nur, wie macht man es diesen mittelgeschichteten klar, daß sie von den Gelben nach Strich und Faden vereimert werden? Die meisten Gelbwähler haben ihre Färbung ganz offenbar vom Pinkeln gegen den Wind. Wenn sie sich dann über den Gestank beschweren, ist das schon traurig, wenn sie aber bei der nächsten Wahl wieder ihr Kreuz bei den Freunden des Geldadels machen, haben sie es definitiv nicht besserverdient.
Die Lösung des aktuellen Problems liegt übrigens auf der Hand. Der Entwurf, der schwer dafür spricht, daß die Vetternwirtschaftskompetenten nicht einmal rechnen können, muß nachgebessert werden. Einfach den Eingangssteuersatz erhöhen und in der Mitte ein wenig feilen. Das geniale Resultat wäre dasselbe wie der große Wurf zur Reform der kranken Kassen: eine Kopfpauschale. Ein Steuersatz für alle, einfacher geht es wirklich nicht, und es entspräche in höchstem Maße dem, was für die FDP “Gerechtigkeit” heißt. Der Mittelschicht kann man das allemal als Geniestreich verkaufen. Die tun alles, um sich für etwas Besseres halten zu können.
In einem “Gastkommentar” von Fred Grimm, versteckt unter “Personalführung” im Wirtschaftsteil, findet sich bei SpOn eine Ungeheuerlichkeit, ein scheinbar unscheinbares Detail, das die Existenz einer Demokratie in Deutschland zu widerlegen geeignet ist, wenn es sich bestätigt. Es heißt dort lapidar:
“Über die Hälfte des deutschen Top-Managements stammt aus dem winzigen 0,5-Prozent-Segment der reichsten deutschen Familien.”
Daß die sogenannten “Eliten” gern unter sich bleiben, ist nicht neu und nicht verwunderlich. Sollte aber tatsächlich in einem solchem Maße Begünstigung vor Qualifikation gehen, dann ist es Zeit für radikale Veränderungen der Gesellschaftsordnung oder eine simple Unbenennung – was der machbare Weg sein dürfte. Hören wir auf, von einer “Demokratie” zu sprechen!
Gewaltenteilung, begrenzte Macht
Nun ist “Volksherrschaft” ohnehin ein dehnbarer Begriff, daher stützt sich der moderne Demokratiebegriff auch auf Montesquieus Staatsentwurf der Gewaltenteilung. Zu einer Zeit, da der Staat noch als übermächtiges Gebilde seinen Untertanen gegenübertrat, erhob sich mit dem Bürgertum das Streben nach begrenzter Macht. Die staatlichen Gewalten sollten durch gegenseitige Kontrolle in die Schranken gewiesen werden, und es darf angenommen werden, daß das Bürgertum des 18. Jahrhunderts seine Macht ohnehin durch den Staat wirksam begrenzt sah.
Das hat eine Weile ganz passabel funktioniert. Allerdings wurde in den darauf folgenden Jahrhunderten kein Wert auf eine durchgreifende Aktualisierung des Demokratiemodells gelegt und die aufkommenden Gewalten privater Konzerne und Medien immer weniger wirksam kontrolliert. Ganz offen fordern die Verfechter unbegrenzten Eigentums daher auch immer weniger Staat, immer mehr Einfluß für sich und ihresgleichen. War die staatliche Gewaltenteilung der Ausweg aus Diktatur und autoritärem Staat, so ist die schamlose Machtballung der Wohlhabenden das schlichte Gegenteil.
Menschen, unnütz
Auf ein Menschenbild verzichtet diese “Elite” inzwischen völlig. Es geht nur noch um manische Machtballung, die Verfügungsgewalt in Form und Geld. Der Rest, das Volk, hat zu funktionieren und wird so lange als notwendige Ressource betrachet, wie es nützlich ist. Die Unnützen, längst als “Minderleister” offen diffamiert, haben keinen Status mehr, auf den sie sich auch nur berufen dürften, um in Würde ihr karges Dasein zu fristen.
Damit es bleibt wie es ist und die Macht bei denen bleibt, die sich immer häufiger als “genetisch” überlegen darstellen – was übrigens auch in den Forenbeiträgen zum Spiegel-Artikel haarsträubend argumentiert wird – werden alle Register kreuzdämlicher Propaganda gezogen. Wirft man den Abgehängten zähnefletschend in doppelter Lüge “anstrengungslosen Wohlstand” vor, wird genau dieser für sakrosankt erklärt: Das Erbe der Besitzenden sei unantastbar.
Erbhöfe
Als sei etwa eine Aktiengesellschaft ein unmögliches Unternehmen, wird das Hirngespinst des Untergangs der Mittelschicht gepflegt, wenn es eine wirksame Erbschaftssteuer gäbe. Ganz selbstverständlich wird auch die Rückführung von Allgemeingut durch eine Steuer auf Erbschaften aus Privatvermögen bekämpft. Und immer sind es die “Leistungsträger” der “Mittelschicht”, die angeblich zu schützen seien. Doppelt gelogen hält auch hier offenbar besser.
Aber es geht noch dicker. Der Sicherung des Eigentums der Eigentümer durch die Vergabe höchstdotierter und einflußreicher Posten im Management ist durch keine Steuer beizukommen, schon gar nicht von Seiten eines Staates, der dem Treiben an den Erbhöfen nicht reinzureden hat. Was einzig noch stört, ist daß die postmodernen Feudalherren überhaupt Rücksicht zu nehmen haben auf eine Staatsverfassung, die etwas gänzlich anderes verspricht als die gegebenen Zustände. Das muß gekittet werden durch Propaganda, Korruption, Ablenkung und die Verteufelung aller denkbaren Alternativen, die von den aggressivsten Hetzern mit der Sozialismuspeitsche behandelt werden. Mit Erfolg wird schon der Begriff “Kapitalismus” zur Ausgeburt stalinistischer Massenmörder verklärt.
Sozialismus?
Der Dualismus des kalten Krieges, Kapitalismus vs. Sozialismus-Kommunismus, ist eine Albernheit, die schon in jenen Zeiten nur zur Propaganda taugte. Heute muß man schon mit unerhörter Brutalität diese Keule schwingen, um damit Wirkung zu erzielen. Wenn alle Mittel recht sind, dann auch dieses.
Ich bemühe mich stets um die Entwicklung von Ideen, die der aktuellen Lage gerecht werden und mag darum nicht von “Sozialismus” sprechen. Aber wenn es denn wirklich so gesehen werden muß, daß es keine anderen Alternativen gibt zum Marsch in die Diktatur der kapitalistischen Clans, ist es höchste Zeit für einen Sozialismus. Er wäre demnach die letzte Chance für die Demokratie.
Vor einiger Zeit fiel mir folgende Präsentation beim “Stern” auf, ein Beleg dafür, daß Werbung nach “Relevanzkriterien” gern schwer nach hinten los geht:
Unter dem Bericht von Kachelmanns Verhaftung sind Werbeeinblendungen zu sehen: “Beziehung retten” und “Herzprobleme”. Die Datenbank erkennt da wohl Kriterien, die vermeintlich zum Artikel passen.
Ja, die neun größten Fehler in Beziehungen sind zu vermeiden. An welcher Stelle kommt da wohl “Vergewaltigung” oder “Vorwurf der Vergewaltigung”? Und auch das Herz will vorversorgt sein, wenn es zum Äußersten kommt: Verbrechen, Knast, Ei, Blut, Kakao. Nur nach einem Mord ist es wurscht. Für das Opfer jedenfalls.
Ein guter Grund, so etwas wie AdSense und dergleichen nicht zu wollen. Die Werbung für russische Katalogmädels in linken Blogs fand ich übrigens ähnlich gelungen.
Was passieren kann, wenn Maschinen oder Ignoranten ohne Schrauben im Gehäuse Werbung plazieren, zeigt der historische Griff ins Klo von Eon und einer Lüneburger Zeitung (“Eon sorgt schon heute für das Gas von morgen”). So etwas kann Kunden von AdSense und ähnlichen Angeboten durchaus auch widerfahren. Es mag sein, daß derlei Peinlichkeiten schnell in Vergessenheit geraten, weil sie ironischerweise für irrelevant gehalten werden.
Ein 13-Jähriger will den Mount Everest besteigen. Das Kind, vermutlich eines von Leistungsträgern, will nicht weniger als die Welt erobern. Ähnlich wie die Teenie-Göre aus dem Gutverdienerhaushalt, die zwar noch keinen Jungen geknutscht hat, aber die Welt umsegeln mußte.
Diese von stolzen Eltern unterstützten kleinen Wichtigtuer sind keine Hasardeure, schon gar nicht wäre ihnen daran gelegen, die Welt zu entdecken. Dazu ist das Brimborium schon viel zu aufwendig, und selbstverständlich bedarf allein schon die Entourage, die zur Vorbereitung dieser “Unternehmungen” nötig ist, eines Maßes an Ressourcen und einer Menge von Wasserträgern, die schon immer nur dem feudalen Stande gegeben sind.
Es ist ein Auswuchs der Aneignungsreligion, die schon Kinderpsychen völlig vereinnahmt und zerstört. Das Phänomen ist die größenwahnsinnige Vision von der Weltherrschaft. Machbar ist sowieso alles, jeder Zweifel wird beiseite geräumt, wenn es gilt, vom Dach der Welt auf die Erde zu spucken oder sie zum umrunden, um ein für allemal das Revier zu markieren: Alles meins!
Der Mensch setzt sich in Bezug zur Welt, in dem er diese zum Teil seiner selbst macht, zum vollendeten Eigentum. Die Umkehrung des natürlichen Weltverhältnisses – ein Teil derselben zu sein – gerät im furchtbarsten Sinne zum Selbstverständnis. “Ich” ist das, was alles haben kann, will und muß.
Der Bezug zur menschlichen Umwelt ist dementsprechend beschränkt. Andere sind Konkurrenten, die man hinter sich und unter sich läßt. Erster sein, Schnellster sein, Jüngster sein, der inkarnierte Superlativ, besser als alle, unschlagbar. Der Zwang, diesen Zustand erreichen zu müssen, ist das letzte Symptom totaler Entsolidarisierung. Wo Gemeinschaft, gegenseitige Fürsorge, darauf angelegt ist, ein Leben in sozialen Bindungen zu organisieren, erträgt es der manische Leistungsträger nicht mehr, sich noch in irgend ein soziales Gefüge zu integrieren. Es sind die anderen, die dem “Ich” gefügig gemacht werden, um diesem allein den totalen Erfolg zuzuschreiben. Jegliches Gefühl für menschliche Bedürfnisse geht verloren und wird dem einen unterworfen: Dem Bedürfnis nach alleiniger Führung, Allmacht.
Die Basis aller sozialen Beziehung, Rücksicht, ist da völlig fehl am Platze. Nach dem Abstieg vom Gipfel, dem Erreichen des letzten Hafens, ist schließlich der Blick zurück auf die eigene Reise nur noch schale Selbstverherrlichung. Allein der nächste Kick, vom Einzigen zum Einzigsten aufzusteigen, hält das längst ziellose Wesen in Bewegung. Nur nicht verweilen oder zweifeln, die Erkenntnis ist zu brutal, daß der ganze Sport zu sprichtwörtlich nichts geführt hat. Davongekommen wie Odysseus, bloß wesentlich besser ausgestattet, wartet daheim bestenfalls die öde Bewunderung der Claqeure. Die Leute sind noch dieselben wie vor der Abreise. Was soll man bloß mit denen, sind Sie doch nur Schwächlinge oder Konkurrenten. Mit beidem mag man sich nicht betun.
Die Kälte solcher Einsamkeit tauscht man an einem weiteren Ende der Welt gegen den Gipfel der Antarktis, wo es wenigstens sichtbare Frostbeulen gibt, totes Fleisch als Zeichen des Triumphs.
Wenn all dies nicht mehr hilft, um sich selbst zu erleben, wäre Umkehr die Lösung. Ein Blick auf die Zurückgelassenen, die Verlierer, denen es obendrein viel besser zu gehen scheint. Die Ahnung, daß es Wichtigeres im Leben gibt als die Einsamkeit des Siegers.
Doch meist kommt es anders. Man kann sie nicht zu Siegern machen und will nicht zu den Verlierern gehören. Allenfalls kann man sie spüren lassen, was eine menschenfeindliche Umgebung ist und was es bedeutet, in Einsamkeit und Furcht zu leben. Diese Erfahrung weiterzugeben, ist die letzte Solidarität der Leistungsträger.
Ypsilanti erlaubte Sex mit Tieren
Posted by flatter under Hintergrund[19] Comments
11. Apr 2010 0:31
Das wäre doch ein adäquater Wahlkampfslogan gewesen. Was die CDU in Hessen für “Politik” verkauft, geht nicht einmal mehr in Diekmanns unterste Schublade. Für diese Realsatire in Zeiten privater Kindergottesdienste hätte die Titanic ihre Auflage einstampfen müssen. Die Sexbesessenheit christlicher Kulturhoheiten macht auch vor dem Bauernhof nicht halt. Umweltpolitik à la Hirnhäcksler und Koch setzt bahnbrechende Prioritäten: Wenn man schon Messdiener und Internatsschüler nicht vor eminenten Erektionen schützen kann, kümmert man sich wenigstens um das Wohl unschuldigen Schlachtviehs.
Gibt es denn im Land der Aschebäschäväbräscha keine qualifizierten Psychiater, die den obskursten Verirrungen der Landesregierung Einhalt gebieten und sie in Vollpension schicken könnten? Sie müßten ja nicht einmal Gefälligkeitsgutachten liefern. Was sich da Bahn bricht, ist einfach nur fürchterlich krank.
Die dem Syndrom zugrunde liegende Verschwörungstheorie ist längst Binsenweisheit: Die Linken und 68er sind schuld! Sie ficken alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und verführen selbst honorige Schafhirten jeglicher Profession zu solchem Tun. Freilaufend will der Altrevolutionär das Nutzvieh doch nur aus einem Grund, das hat Silke Lautenschläger jetzt recherchiert und schreitet sogleich zur Tat.
Dabei hat sexuelle Verweigerung manchmal durchaus etwas für sich. Ein obligatorischer Zölibat für Neoliberale wäre eine feinsinnige Aktualisierung der Lysistrata-Geschichte. Puff-Peter Hartz wäre uns ebenso erspart geblieben wie die gesamte Riege sozialsodomistischer Dienstleistungsempfänger der steuergesenkten Minderleister. Ein sarrazinesker Denkanstoß – man wir das doch einmal diskutieren dürfen.