Oktober 2009
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JournalismusKommentare deaktiviert 08. Okt 2009 21:19
Kindische Provokationen wie die eines Tilo Sarrazin sollte man eigentlich ignorieren. Empörung ist erst recht keine gute Reaktion, da die Währung solcher Ego-Clowns Aufmerksamkeit ist. Man könnte sie ihm entziehen, nicht aber seinen zahlreichen Clacqeuren, die es für ihre Aufgabe halten, das Ressentiment schon reinzuwaschen, ehe die Empörung sich überhaupt formieren kann.
Die Pfleger politisch motivierter Stereotypen und Vorurteile operieren mit dem Passepartout eines verwaschenen Feindbildes. Es sind immer die irgendwie „Linken“, gegen die man sich wehren muß. Deren „Political Correctness“, da ist sich der Mob von hellbraun bis ganz dunkelbraun einig, darf und muß mit allen Mitteln bekämpft werden, damit die „Wahrheit“ der Rechten ans Licht kommt.
Einmal mehr geht die aufrechte Medienmischpoke einem Kämpfer für die antilinke Wahrheit zur Hand, einmal mehr betätigt sich der „Spiegel“ als Blendgranate der Gegenaufklärung, indem er seinen untalentiertesten Schmierfinken an die Front schickt. Reinhard Mohr hat sich persönlich der Causa Sarrazin angenommen, womit gesichert ist, daß kein zerebraler Stein mehr auf dem anderen bleibt. Zwar ist Mohr schon der zweite hier erwähnte Kandidat, dem die Aufmerksamkeit entzogen gehört, aber als Symptomträger einer kaputten Öffentlichkeit kann man ihn nicht immer ignorieren.
Seine Waschlappentaktik ist preiswürdig: Er verklausuliert seinen biederen Beifall für Rassismus als Meinung zu Meinungen über eine Meinung. Anstatt sich mit den inkriminierten Äußerungen eines losgelassenen Menschenhassers im Wortlaut zu befassen, hält er sich an das Talkshow-Gequatsche von Leuten, die ihrerseits zu Sarrazins Stellungnahme Stellung nehmen.
War der „Spiegel“ früher dafür bekannt, Zusammenhänge herzustellen und zu erläutern, Kontext zu rekonstruieren, so zerfaseln seine Verweser heute jede relevante Debatte zum Einheitsbrei.
Gegenaufklärung
Mohr verfälscht darum auch konsequent Zitate Sarrazins und läßt das Braunste einfach weg. Sarrazins unverhohlen rassistische Äußerungen wurden auch kaum von den Medien diskutiert, die heikelsten Stellen gar nicht erwähnt. Er hätte gern Juden, die seien intelligenter. Bei Türken und Arabern sieht er hingegen ein auch „erblich bedingt[es]“ Problem, das sie als Leistungsträger ausschließt. Was Sarrazin da abgelassen hat, ist reinste faschistische Hetze. Als „68er“ und „Gutmensch“ gilt inzwischen offenbar jeder, der in solchem Dreck die Verletzung eines Tabus sieht, das zurecht besteht. Allein die Perfidie, Juden höhere Intelligenz zu unterstellen, ist unfassbar. Was, wenn die „Forschung“ einmal das Gegenteil feststellt?
Um sich abzusichern, zitiert der journalistische Steigbügelhalter brauner Eliten seinen Kollegen Matussek. Der kann sich nicht entblöden, von „Polemik und satirische(r) Übertreibung“ zu reden. Es sind also die Senatoren und hohen Funktionäre, die in einem demokratischen Staat die „Satire“ über Bevölkerungsgruppen machen? Ich dachte, Satire hätte damit zu tun, daß die Bürger die Funktionäre verlachen und nicht umgekehrt. Demnach darf man „Mein Kampf“ als Polemik und den „Stürmer“ als Satire betrachten? Den Helden der Antilinken ist wirklich kein Argument zu dämlich, um ihre armselige Propaganda zu unterlegen.
Kontext? Kann ich das essen?
Zur Sache, an der weder Sarrazin noch seinen Stiefelleckern etwas liegt, habe ich übrigens noch nicht den zaghaftesten Versuch gesehen, die Zusammenhänge herzustellen. Zuallererst ist die Sichtweise der Neorassisten notgedrungen ahistorisch. Wenn es also etwas Besonderes an „den Türken“ gibt, so wäre doch zunächst zu erläutern, was das ist – außer ihrer erblich bedingten Minderwertigkeit. Wenn es um Integration geht, dann wäre doch zu fragen, wer in was integriert wird oder sich integriert.
Im Falle der türkischen „Gastarbeiter“ müssen wir in die 50er Jahre zurückgehen, in denen sie als billige Arbeitskräfte angeheuert wurden. Niemand hatte sich darauf vorbereitet, sie zu integrieren, wie auch? Die Gesellschaft, in die sie geholt wurden, hatte wenige Jahre zuvor noch alle Fremden vergast und bombardiert. Sie wollten und sollten nicht bleiben, sie lebten unter Umständen, die heute als nicht menschenwürdig gelten würden. Sie blieben dennoch, denn sie wurden weiterhin gebraucht und kamen zu bescheidenem Wohlstand.
Niemand kümmerte sich um sie, sie trafen auf eine Gesellschaft, die von Fremden nichts wissen wollte. Konsequent bildeten sie „Ghettos“ und eine bis heute stabile Subkultur. Diese ist es, in die sich Folgegenerationen integriert haben. Das ist Integration. Allerdings nicht diejenige, die sich rechte Phrasendrescher Jahrzehnte später plötzlich wünschen.
Wem ist es nun anzulasten, daß sie sich nicht gleichzeitig in die Leistungsträgerschaft der kinderlosen deutschen Gesellschaft integrieren? Den Großeltern? Den Eltern? Den Lehrern? Den Schulen? Der jungen Generation selbst? Das wären immerhin Fragen. Leute wie Mohr oder Claus Kleber haben da schon die schnelle Antwort parat: Die Ausländer sind selber schuld, die Türken, die Araber, jeder einzelne.
Fetisch “Individualismus”
Das Muster dieses neoliberalen Rassismus ist einfach: Die Individuen werden beschuldigt und die beschuldigten Individuen zu Gruppen zusammengefasst, die man dann als besonders verwerflich und minderwertig herausstellt. Die davon Betroffenen müssen übrigens keine Ausländer sein. Das dem zugrunde liegende Menschenbild ist ein religiöser Individualismus, der die bestehenden Verhältnisse für jeden Einzelnen zum selbst gewählten Schicksal verklärt.
Typisch für diese Haltung ist neben der Schuldzuweisung an Einzelne mit bestimmten Merkmalen (Türken, Arbeitslose, Linke), daß es bei diesem „Erklärungsmuster“ bleibt und Lösungen für die Probleme im Hintergrund nicht einmal diskutiert werden. Es sind die Verlierer und Kritiker der Leistungsträgerschaft, die mit der Universalkeule geprügelt werden: Eigenverantwortung. Selber schuld!
Bei den Arbeitslosen und Niedriglöhnern sind es 27 Jahre, bei den nicht integrierten Ausländern 60 Jahre, in denen das Konzept „Eigenverantwortung“ beweisen durfte, was es leistet. Fazit: Wir brauchen mehr davon?
Die zentrale Frage schließlich, wozu das ganze Gewese gut ist und wohin es führt, wird schon gar nicht mehr gestellt in den glorreichen Medien. Was resultiert aus einem „Mehr“ an „Eigenverantwortung“, Schuldzuweisungen, Beschimpfung von Bevölkerungsgruppen, deren angehörige als faul, kriminell oder sonstwie minderwertig abqualifiziert werden?
Es führt zu gegenseitiger Diskriminierung, Rückzug, weiteren Vorurteilen, Aggressionen und Gewalt. Integration wird so vereitelt, statt dessen Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt. Angestellte gegen Arbeitslose, Arbeitslose gegen Obdachlose, Arier gegen Migranten.
Des Pudels Kern
Dies ist der Kern solcher „Politik“. Die aggressive Demagogie schlägt, wo es um Ausländer geht, zwangsläufig in Rassismus um. Nun sieht sich der Neoliberalismus in einem Dilemma. Will er sein Menschenbild aufrecht erhalten, kann er nicht anders. Billigt er ausgerechnet Ausländern zu, sich nicht auf den Verwertungskreislauf zuzurichten, landet er bei jenem Gutmenschentum, das er seinen Kritikern unterstellt. Er darf sich nicht hinterfragen, wenn er nicht kollabieren will: Vorwärts immer, rückwärts nimmer.
Es ist doch sehr zu hoffen, daß nicht nur “Linke und 68er” diesen Schwachsinn durchschauen. Auch wenn deutsche Journalisten dazu nicht mehr in der Lage sind.
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PolitikKommentare deaktiviert 07. Okt 2009 23:11
Der “Primus super pares” ist nicht mehr immun. Die lästigen Mücken und Zecken, als die er Gerichte und freie Parlamentarier betrachtet, dürfen ihm nun doch ans feudale Fell, wenn nicht wieder etwas dazwischen kommt. Der große Demokrator hatte sein Gesetz von seinen Anwälten ernsthaft mit dem Argument verteidigen lassen, der Ministerpräsident sei nicht “erster unter Gleichen”, sondern “Erster über Gleichen”. Tatsächlich mußte das italienische Verfassungsgericht dem Regierungschef deutlich machen, daß auch er nicht über dem Gesetz steht.

Während andere dafür in den Knast wandern, daß Berlusconi sie nachweislich bestochen hat, gönnte sich der Duce selbst Narrenfreiheit und genoss sie fröhlich mit seinen Nutten. Daß die Richter ihn jetzt doch wieder unter das Gesetz stellten, betrachtet er als “politisch motiviert” und die Richter als “Linke”, wie die “Linken” in seiner Welt ja überhaupt alles in der Hand haben. Die Argumentation erinnert an die neoliberalen Schmierenkolumnisten hierzulande und ihre Repetitoren in Blogs und Foren, die behaupten, “die 68er” bestimmten, was politisch erlaubt sei und “Kommunisten” bedrohten den Staat. Die westliche Rechte hält in Zweifelsfall jeden Rest von Anstand für einen Anschlag auf ihre gesellschaftliche Stellung. Berlusconi ist in diesem Sinne gar kein besonderes Phänomen. Er ist nur besonders konsequent.
Demokratie lebt von Demokraten, sowohl in den Eliten als auch beim Fußvolk. Das Beängstigende an den Italienischen Verhältnissen ist die Degeneration der gesamten politischen Kultur. Im Ursprung spielte dabei zwar eine landesspezifische Korruption eine Rolle, die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre ist aber von anderen Aspekten geprägt. Ein Konglomerat aus Politikern, Medien und Industrie reißt sich schamlos den Staat unter den Nagel. In der Person Berlusconis sind diese Mächte allerdings in einem tragischen Maße konzentriert.
Das Volk verleiht solchen Potentaten noch obendrein seine Zustimmung, weil es sich von Titten-TV und gesiebten “Informationen” derart verblöden lässt, daß man ihm schließlich alles unterjubeln kann.
Diese Verhältnisse sind ebenfalls im Italien Silvios des Ersten und Letzten besonders ausgeprägt, sie finden sich aber genau so hierzulande und überall dort, wo der Neoliberalismus sich mit einem “konservativ”-elitären Herrschaftsanspruch vereint. Es geht zuerst und zuletzt ums Geld, dazwischen ist die Politik, die als “Demokratie” firmiert. Um diese im Sinne der Eliten gestalten zu können, ist ein Popanz nützlich, der gemeinhin “links” ist. “Linksrutsch”, “68er”, “Kommunisten”, “Gutmenschen”, die alles unterwandern – das sind die Bedrohungen der Demokratie, wenn man der industriellen Presse glaubt. Eventuell kommen noch Terroristen, Ausländer und Asoziale hinzu.
Schaut man sich aber an, wessen Interessen Regierungen auf allen Ebenen vertreten, wirft man einen Blick auf die Entwicklung der Wahlbeteiligung und analysiert man vor allem die Themen und Argumente, die zur Wahlentscheidung angeboten werden, so ist die Demokratie nicht mehr bedroht. Sie existiert vielmehr gar nicht. Ein Ausgleich von Interessen, eine öffentliche Disksussion um Probleme und Lösungen, echte Alternativen der politischen Standpunkte sind nicht zu finden. Dafür aber reichlich Propaganda bis hin zur Hetze, die beinahe flächendeckend auf dasselbe hinausläuft. Die stets als “notwendig” deklarierten politischen Entscheidungen werden quer durch die planierte Medienlandschaft propagiert, sie gelten als “alternativlos”.
Womit wir bei einem entscheidenden Unterschied zwischen Deutschland und Italien sind. Dort mag die Verzweiflung groß sein über die Machtkonzentration beim Demokrator und die Tatsache, daß gut die Hälfte des Volkes so verblödet oder sediert ist, dem auch noch Beifall zu spenden.
Bei den anderen aber rumort es, es wird aufgeschrien und gezetert, sich empört und diskutiert.
Unsere eigenen Italienischen Verhältnisse sind stabiler. Hier schreit niemand auf. Zwischen rituellem Blabla in Talkshows und allgemeinem Desinteresse gedieh eine hässliche Spinne, die träge vor sich hin frisst ohne dabei großes Aufsehen zu erregen. Schlauer wird auch hier niemand, im Gegenteil. Die Medien und Parteien hierzulande haben viele Köpfe. Leider sind die allermeisten hohl wie eine Kuhglocke.
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PolitikKommentare deaktiviert 05. Okt 2009 22:45
Es gibt leider keine Statistiken über Morddrohungen gegen Politiker, schon gar keine solchen, die den Charakter des potentiellen Opfers berücksichtigen. Genauer gesagt: Mich würde einmal interessieren, wie viele Morddrohungen ausgesprochen werden gegen ausgesprochene Unsympathen und Charakterzwerge, die sich zu einer Spitzenkandidatur hinreißen lassen. Ach was, mich interessiert durchaus auch, wie oft so etwas generell vorkimmt, egal wen es betrifft.
Ich kann mich nämlich nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß da jemand eine gewaltige Nebelkerze gezündet hat, weil jemand wie Christoph Matschie nur noch als Opfer böser Mächte und qua Mitleid ein Minimum an Zuspruch erfährt. Den Tod wünscht man nicht einmal einem Matschie.
Es wird aber nicht helfen. Die angebliche Morddrohung wird weder die Wahl retten, noch ihm Vorteile bei den Kapitulations-, pardon, Koalitionsverhandlungen einen Vorteil verschaffen.
Anstatt die ganze Affäre also zu dichtem Qualm anzufachen, gilt das Motto aller Aufklärung: Tiefer hängen! Ich habe zwar keinen Zweifel, daß das Thüringer SPD – Würstchen ähnlich viele leidenschaftliche Fans hat wie Jürgen Walter in Hessen und daß ihm statistisch betrachtet einige Hundertschaften nicht nur geistig Verwirrter ein baldiges diskretes Ableben an die Krawatte wünschen. Dennoch bin ich überzeugt davon, daß die Sache mit der Kugel im Briefumschlag anders gemeint war.
Es handelte sich wahrscheinlich um einen Offizier und Ehrenmann, der noch weiß, was ein ehrenhafter Verlierer zu tun hat, wenn nichts mehr zu gewinnen ist. Und das ist Christoph Matschie doch sicher – ein Ehrenmann?
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HintergrundKommentare deaktiviert 04. Okt 2009 23:54
Man muß schon wissen, wohin man gehört. Kaum taucht hier ein anderer Schriftzug auf und etwas, das nach Insignien oder zumindest Initial aussehen könnte, werde ich auf den Boden der sozialen Tatsachen zurückgeholt und ins Glied geschubst. Ich habe ein Einsehen und daher jetzt eine Typo gewählt, die eher mit dem kalten Kriegsreporter in Verbindung gebracht wird als mit einer falschen Noblesse. Nein, ich habe nichts von Adel, nicht einmal vom Bürgertum. Selbst und gerade meine Sprache verrät mich, die zwar auch meinem Stande nicht geziemt, den Hochwohlveranlagten aber längst abhanden gekommen ist.
Das stellt so ähnlich auch Don Alfazo fest, der übrigens zu einer Einschätzung des Bundesbankers von der traurigen Gestalt kommt, die ebenfalls der meinen nicht widerspricht.
In diesen Zeiten, so muß ich allerdings deutlich pointierter herausstellen als der Herr und Don, spricht der Adel ohnehin nicht vom Adel, ebensowenig wie die Oberschicht von der Oberschicht: Wer es sich verdient hat, ganz gleich ob im frühen Mittelalter, den zwölf “tausend” Jahren oder beim Verklappen von Westmüll im gewendeten Thüringen, spricht von Steuern. Von deren “Sparen” respektive.
Der Herr von und zu Guttenberg zum Besipiel ist wohntechnisch Österreicher, sein Schlösschen steuertechnisch eine Stiftung und das Ganze wirklich günstig zu vererben, wenn es einmal so weit ist. Man fragt sich jetzt allerdings, wozu die FDP noch gut ist, wenn die Steuern eh im Ausland nicht gezahlt werden. Vielleicht, um deutschsprachige Außenpolitik zu machen? Österreich, Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein? Raffiniert, dieser Westerwelle, macht auf “außen” und hat dabei nur das wirtschaftliche Wohl seiner Besteuerten im Blick.
Ein anderes gutes Beispiel für die moderne Noblesse, mit allen Wassern gewaschen, ist gotthabihnselig Reinhard Mohn, dem relativ egal sein kann, daß er jetzt tot ist, denn er hat vorgesorgt wie kein anderer. Steuern sparen, Gesetze machen, Profit reichlich sichern und den Ruch organisierter Selbstlosigkeit einheimsen auf einem Schlag – gäbe es die Bertelsmann-Stiftung nicht, sie müßte auf der Stelle erfunden werden.
Die arme Liz wird nun gezwungen sein, eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Freundin und Erbschwester Friede Springer zu gründen. Sie werden sich gegenseitig zu Universalerben einsetzen und ihre Überreste in eine Stiftung einbringen. Nach der Wiederangliederung von Österreich, versteht sich.
Wenn die TAZ übrigens darüber spekuliert, ob die Bertelsmänner je “SPD-nah” waren, übersehen sie das Wichtigste: Die SPD war zuletzt unzweifelhaft und äußerst Bertelsmann-nah. In der Relation bleibt es das dasselbe.
Nein, ich verstehe nichts von dieser Welt. Mir klebt die niedere Herkunft ebenso am Schuh wie eine gewisse Bildung mich für immer von der Unterschicht getrennt hat. Ich kann nicht einmal mit solchem Proletariertum prahlen, wer wollte das auch noch hören? Ich gebe mir noch einige Jahre, in denen ich den Charme von Bürgerrecht und “Gegenöffentlichkeit” zu Tode reite, dann werde auch ich auf das faule Pack schimpfen und mir einen Platz in einer echten Redaktion verdienen. Auch mir werden sich endlich Türen und Tore öffnen, vor denen mir heute bestenfalls Essensreste zufliegen.
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HintergrundKommentare deaktiviert 03. Okt 2009 23:40
Das wird eine einzige Party. Um eine erste Vorstellung davon zu geben, was bald auf uns zukommt, hat die Kanzleuse schon einmal jeden eingebremst, der an etwas Gutes glaubt. Ihre wohlgewogenen Worte etablieren ein neues Niveau von Durchhalteparolen, und das schon vor dem Start: “Mit der Tatkraft von 1989” will sie “in die Zukunft” gehen. Wir erinnern uns: Damals versprach ihr Mentor Helmut Kohl “blühende Landschaften” innerhalb von fünf Jahren. Da 20 jahre später noch immer reichlich gedüngt und wenig geerntet wird, dürfen wir uns wohl warm anziehen. Die Wirtschaftskrise ist ja auch bald überwunden.
Wenn wirtschafts- und innenpolitisch schon nichts Brauchbares zu erwarten ist, kommt es außenpolitisch erst ganz dicke. Der kommende Außenmini ist ein solcher Zwerg, daß ich nicht weiß, ob ich mich ängstlich verkriechen soll, weil dem Mann alles zuzutrauen ist – daß er aus versehen einen Weltkrieg herbeifaselt etwa. Oder doch einfach ungehemmt losbrüllen?
Fremdschämen oder totlachen, das ist hier die Frage. Der Mann ist zum Gruseln komisch!
Andererseits erweckt er die Hoffnung, daß die Iren doch noch mal abstimmen müssen. Und zwar auf deutsch, damit nicht nur die blöden Inselaffen verstehen, wofür sie da votieren.
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NetzweltKommentare deaktiviert 02. Okt 2009 23:09
Ich bin genervt. Die sinnlosen Zugriffe auf meine Artikel häufen sich, sie machen inzwischen etwa 10% der Besucher aus, Tendenz steigend. Auch umgekehrt lutschen einzelne Bots hunderte Artikel raus, aargh!
Guckt mal in meine Statistik:

Im Screenshot ist der Cursor nicht enthalten, der auf dem roten Link liegt. Was soll das? Was kann ich dagegen tun? Ist Bot-Trap eine Möglichkeit? Soll ich einfach ein Bier mehr trinken und mich nicht ärgern?
Schickt mir bitte mal einen Monteur ;-)
Danke!
p.s.: Der Serverausfall letzte Nacht war eher Zufall.
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PolitikKommentare deaktiviert 02. Okt 2009 0:16
Ein Bild, von dem man sich leicht abgrenzen kann, wenn man glaubt, man habe irgend etwas geschafft im Leben: Der saufende dumme Faulpelz, der noch nie die Idee hatte, etwas Nützliches zu tun. Lebt von der Stütze, hängt mindestens den halben Tag vor der Glotze und weiß, daß er ein Recht auf Sozialhilfe, ALG II oder sonstiges hat. Womöglich wird er sogar gewalttätig, wenn man ihm auch nur andeutet, was man von ihm hält.
Es gibt solche, auch ich bin ihnen schon begegnet. Tatsächlich halte ich mich auch für etwas Besseres. Ich bin gebildet, engagiert und sozial, gesellschaftlich integriert. Ich verfüge über gute Manieren, bin meist höflich und verabscheue Gewalt.
Ein wenig elitär vielleicht sogar, ich muß Leute nicht haben, die einem Blatt glauben, das seit Jahrzehnten von Hetze lebt. Leute, die nicht merken, daß sie selbst Opfer dieser Hetze sind.
Ich habe aber keine Angst vor diesen Leuten. Wenn ich sage, daß ich höflich bin, dann natürlich auch ihnen gegenüber. Wenn ich von Menschenrechten spreche, dann meine ich auch sie und erschrecke darüber, daß ich das betonen muß. Wenn etwas schief läuft auf diesem Planeten, dann sind die Opfer der Fehler auch dann Opfer, wenn sie selbst welche machen. Wenn jemand grenzenlos faul ist, dann finde ich das äußerst unschön, aber das ist kein Grund, jedem Faulheit zu unterstellen, der “nichts” tut. Und wenn es viele Ursachen für Arbeitslosigkeit oder sonstige Erfolglosigkeit gibt, dann ist Faulheit die am wenigsten relevante, diejenige, den man am schlechtesten nachweisen kann und diejenige, gegen die nun wirklich kein Kraut gewachsen ist.
Es scheint sich unter dem schiefen Leistungsbegriff des Neoliberalismus eine Kaste von Emporkömmlingen herausgebildet zu haben, die für solche simplen Erwägungen nicht mehr zu haben sind. Sie wollen “Leistungsträger” sein, was nichts Anderes heißt, als daß sie einen gewissen beruflichen Erfolg haben und sich zwanghaft von allem und jedem angrenzen müssen, was “unter” ihnen kommt. Dieser Herrenmenschen-Zynismus ist schon lange nicht mehr typisch für Großgrundbesitzer und Sklavenhalter, sondern vor allem für solche, die sich zu Höherem berufen fühlen.
Womit wir wieder bei gewissen “Sozialdemokraten” sind. Aus der Arbeiterpartei, die sich um die Belange der unteren Schichten kümmern wollte, die die Rechte der Abhängigen gegen die Besitzenden in der jungen Bundesrepublik organisierte, wurde eine Interessensvertretung derjenigen, die es geschafft hatten. Die sich durch Fleiß oder Glück oder beides ein wenig Wohlstand geschaffen haben. “Die” sind dabei vor allen die Nachkriegskinder und ihrer Eltern, denen sie ihren Stand eigentlich zu verdanken haben. Davon wollen sie freilich ebenso wenig wissen wie von denen, die es eben nicht geschafft haben bzw. es heute nicht schaffen.
Eine explosive Mischung ist dieser kleine Erfolg in Verbindung mit einer Kindheit im Nachkrieg. Einerseits war die Situation wie geschaffen für steten Aufstieg, andererseits besteht der Mythos, man habe “nichts” gehabt und etwas daraus gemacht – wie leicht muß es dann heute sein, wenn man sich nur anstrengt?
Hinzu kommt eine Dimension, die sich dieser Überheblichkeit anschließt: Es gibt da welche, die haben noch mehr Erfolg. In einer Welt, in der solcher, zumal in harter Währung, zum allgemeinen Fetisch wird, ist das für die Aufsteiger und Halberfolgreichen ein böses Gift.
Wer nämlich nicht den Charakter hat, hinauszuschauen über seine eigene kleine Welt und das, was da zählt, muß sich den Erfolg der Erfolgreichen mächtig zurechtbiegen. Es muß da etwas geben, was den Erfolg gerecht macht. Daraus resultiert, daß Reichtum und Macht gleichermaßen legitim sind wie Armut und Ohnmacht. Das Zauberelixir, das diese Welt zusammenhält, ist Leistung. Wer arm ist, leistet nichts. Wer etwas leistet, ist nicht arm.
Das Dilemma, sich selbst für einen Leistungsträger zu halten und ertragen zu müssen, daß es immer welche gibt, die trotzdem mehr haben, ist lösbar. Da in der Leistungsgesellschaft der Erfolg generell nicht von Wohlstand abgekoppelt werden darf, können Reichtum, Macht und ihre Ursachen nicht als “ungerecht” betrachtet werden. Daher ist die Oberschicht unantastbar und die “Mitte” der Halbmächtigen macht sich die Interessen der Oberen zu eigen. Dazu muß ganz folgerichtig die Unterschicht für ihr Elend selbst verantwortlich gemacht werden.
Schröder, Müntefering und die Lautsprecher der Agenda-Fraktion haben diese Ideologie gnadenlos vertreten und verteidigt. Wer nicht arbeitet, muß auch nicht essen.
Um die ganze Widerwärtigkeit dieser Doktrin zu entfalten, fehlt nur noch ein Element, das die einstige Sozialdemokratie von Kurt Schumacher und Willy Brandt endgültig pervertiert: Rassismus, Hetze gegen Minderheiten, Faschismus.
Neben Wolfgang Clement steht Thilo Sarrazin für einen Schlag furchtbarer Politiker, die in der SPD Karriere gemacht haben und sich durchaus auch für höhere Weihen in der NPD eignen. Darüber hat sich noch keine Medienöffentlichkeit echauffiert, im Gegenteil werden diese braunen Radfahrer als “unbequeme Querdenker” noch hofiert.
Wenn eine deutsche Sozialdemokratie noch einmal ernstgenommen werden will, muß sie sich nicht von der Linkspartei und deren Geschichte distanzieren. Sie muß vielmehr ihre eigene Gegenwart verarbeiten, die auch von einem “Denken” geprägt ist, das sich die Bezeichnung “faschistoid” redlich verdient.
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