Ein Bild, von dem man sich leicht abgrenzen kann, wenn man glaubt, man habe irgend etwas geschafft im Leben: Der saufende dumme Faulpelz, der noch nie die Idee hatte, etwas Nützliches zu tun. Lebt von der Stütze, hängt mindestens den halben Tag vor der Glotze und weiß, daß er ein Recht auf Sozialhilfe, ALG II oder sonstiges hat. Womöglich wird er sogar gewalttätig, wenn man ihm auch nur andeutet, was man von ihm hält.

Es gibt solche, auch ich bin ihnen schon begegnet. Tatsächlich halte ich mich auch für etwas Besseres. Ich bin gebildet, engagiert und sozial, gesellschaftlich integriert. Ich verfüge über gute Manieren, bin meist höflich und verabscheue Gewalt.
Ein wenig elitär vielleicht sogar, ich muß Leute nicht haben, die einem Blatt glauben, das seit Jahrzehnten von Hetze lebt. Leute, die nicht merken, daß sie selbst Opfer dieser Hetze sind.

Ich habe aber keine Angst vor diesen Leuten. Wenn ich sage, daß ich höflich bin, dann natürlich auch ihnen gegenüber. Wenn ich von Menschenrechten spreche, dann meine ich auch sie und erschrecke darüber, daß ich das betonen muß. Wenn etwas schief läuft auf diesem Planeten, dann sind die Opfer der Fehler auch dann Opfer, wenn sie selbst welche machen. Wenn jemand grenzenlos faul ist, dann finde ich das äußerst unschön, aber das ist kein Grund, jedem Faulheit zu unterstellen, der “nichts” tut. Und wenn es viele Ursachen für Arbeitslosigkeit oder sonstige Erfolglosigkeit gibt, dann ist Faulheit die am wenigsten relevante, diejenige, den man am schlechtesten nachweisen kann und diejenige, gegen die nun wirklich kein Kraut gewachsen ist.

Es scheint sich unter dem schiefen Leistungsbegriff des Neoliberalismus eine Kaste von Emporkömmlingen herausgebildet zu haben, die für solche simplen Erwägungen nicht mehr zu haben sind. Sie wollen “Leistungsträger” sein, was nichts Anderes heißt, als daß sie einen gewissen beruflichen Erfolg haben und sich zwanghaft von allem und jedem angrenzen müssen, was “unter” ihnen kommt. Dieser Herrenmenschen-Zynismus ist schon lange nicht mehr typisch für Großgrundbesitzer und Sklavenhalter, sondern vor allem für solche, die sich zu Höherem berufen fühlen.

Womit wir wieder bei gewissen “Sozialdemokraten” sind. Aus der Arbeiterpartei, die sich um die Belange der unteren Schichten kümmern wollte, die die Rechte der Abhängigen gegen die Besitzenden in der jungen Bundesrepublik organisierte, wurde eine Interessensvertretung derjenigen, die es geschafft hatten. Die sich durch Fleiß oder Glück oder beides ein wenig Wohlstand geschaffen haben. “Die” sind dabei vor allen die Nachkriegskinder und ihrer Eltern, denen sie ihren Stand eigentlich zu verdanken haben. Davon wollen sie freilich ebenso wenig wissen wie von denen, die es eben nicht geschafft haben bzw. es heute nicht schaffen.

Eine explosive Mischung ist dieser kleine Erfolg in Verbindung mit einer Kindheit im Nachkrieg. Einerseits war die Situation wie geschaffen für steten Aufstieg, andererseits besteht der Mythos, man habe “nichts” gehabt und etwas daraus gemacht – wie leicht muß es dann heute sein, wenn man sich nur anstrengt?
Hinzu kommt eine Dimension, die sich dieser Überheblichkeit anschließt: Es gibt da welche, die haben noch mehr Erfolg. In einer Welt, in der solcher, zumal in harter Währung, zum allgemeinen Fetisch wird, ist das für die Aufsteiger und Halberfolgreichen ein böses Gift.

Wer nämlich nicht den Charakter hat, hinauszuschauen über seine eigene kleine Welt und das, was da zählt, muß sich den Erfolg der Erfolgreichen mächtig zurechtbiegen. Es muß da etwas geben, was den Erfolg gerecht macht. Daraus resultiert, daß Reichtum und Macht gleichermaßen legitim sind wie Armut und Ohnmacht. Das Zauberelixir, das diese Welt zusammenhält, ist Leistung. Wer arm ist, leistet nichts. Wer etwas leistet, ist nicht arm.

Das Dilemma, sich selbst für einen Leistungsträger zu halten und ertragen zu müssen, daß es immer welche gibt, die trotzdem mehr haben, ist lösbar. Da in der Leistungsgesellschaft der Erfolg generell nicht von Wohlstand abgekoppelt werden darf, können Reichtum, Macht und ihre Ursachen nicht als “ungerecht” betrachtet werden. Daher ist die Oberschicht unantastbar und die “Mitte” der Halbmächtigen macht sich die Interessen der Oberen zu eigen. Dazu muß ganz folgerichtig die Unterschicht für ihr Elend selbst verantwortlich gemacht werden.

Schröder, Müntefering und die Lautsprecher der Agenda-Fraktion haben diese Ideologie gnadenlos vertreten und verteidigt. Wer nicht arbeitet, muß auch nicht essen.
Um die ganze Widerwärtigkeit dieser Doktrin zu entfalten, fehlt nur noch ein Element, das die einstige Sozialdemokratie von Kurt Schumacher und Willy Brandt endgültig pervertiert: Rassismus, Hetze gegen Minderheiten, Faschismus.

Neben Wolfgang Clement steht Thilo Sarrazin für einen Schlag furchtbarer Politiker, die in der SPD Karriere gemacht haben und sich durchaus auch für höhere Weihen in der NPD eignen. Darüber hat sich noch keine Medienöffentlichkeit echauffiert, im Gegenteil werden diese braunen Radfahrer als “unbequeme Querdenker” noch hofiert.

Wenn eine deutsche Sozialdemokratie noch einmal ernstgenommen werden will, muß sie sich nicht von der Linkspartei und deren Geschichte distanzieren. Sie muß vielmehr ihre eigene Gegenwart verarbeiten, die auch von einem “Denken” geprägt ist, das sich die Bezeichnung “faschistoid” redlich verdient.