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2009


An allen Enden Kontinuität: Dafür steht Angela Merkel. Ob mit den “Sozialdemokraten”, den “Liberalen” oder allein, et is wie et is. Weiß irgendwer wofür Merkel steht? Gibt es irgend ein Ziel, sei es der aktuellen Regierung oder der vorherigen, das ihr besonders wichtig wäre? Irgendeine Meinung, die sie auszeichnet, wenigstens eine, die sie einmal beiläufig geäußert hat?
Und dann sind wir noch lange nicht bei den Taten. Denn was immer sie angekündigt hat, es ist nicht geschehen. Angela Merkels Regierungsstil ist zutiefst geprägt durchs Nichtstun.

Allein heute geistern Meldungen und Nachrichten durch die Medien, die beinahe alle Belange der Regierungskunst berühren. In keinem dieser Sektoren ist die Wirkung einer Richtlinienkompetenz zu erkennen. Und selbst die ohne Richtlinie sucht man meist vergeblich.

In Afghanistan wird das schon allein dadurch deutlich, daß die Kompetenzen nach acht Jahren Krieg noch immer nicht koordiniert werden. Die Außen- Verteidigungs- und Weltinnenpolitik dort teilen sich das Verteidigungsministerium, die Länder, der Innenminister und der Außenminister, wobei letzterer eher theoretisch mit der Sache befaßt ist. Resultat: Acht Jahre “Aufbau”, und noch immer keine Spur von einem funktionierenden Aufbau der Polizei. Ein Komplettversagen. Verständlich, daß Frau Merkel nichts damit zu tun haben will, aber darin liegt eine der Ursachen.

Auf der Klimakonferenz geht es nicht so recht voran. Als sie es noch chic fand, hat sich die Kanzleuse für “Klima” mächtig ins Zeug geworfen. Wenn es zum Schwur kommt, ist sie freilich butterweich und erst mal woanders. Die wichtigste Schnittstelle der Klimapolitik, Entwicklungspolitik, hat sie mit einem besetzt, der Entwicklungshilfe nicht leiden kann. Alles in besten Händen. Immerhin hat sie ein paar Reden zum Thema gehalten. Kann sich noch wer an den Inhalt erinnern?

Ihren Verteidigungsminister und Nachfolger von Michel Glos als Problembär, Fanz-Josef Jung, ist sie endlich losgeworden, obwohl der von Kochs Gnaden eingesetzt war. Wie sagt der Engländer zu dem Schlamassel heute: “I removed the cause but not the symptoms”. Jetzt hat Guttenberg denselben Klotz am Bein wie sein Vorgänger. Gutti rennt damit die Tausend aber noch locker unter drei Minuten. Weil wenn nicht, würde jemand bemerken, daß das Ganze eigentlich längst ein Problem der Chefin ist. Die duckt sich geschickt weg und taucht auf in der

Gesundheitspolitik
vielleicht? Nachdem jahrelang Ullalala dort wesen und verwesen durfte, um einen sehr dummen Kompromiß zu Tode zu strukturieren, darf jetzt Frischling Rösler beweisen, daß er zwar zu unerfahren, dafür aber auch nicht alt genug ist, um seinen Posten sinnvoll auszufüllen. Egal, der Mann ist von der FDP, dem geborenen Koalitionspartner mit dem Passepartout fürs Glück: Wachstuum! Genau das ist seine Lösung für das Problem, daß bald alle weniger netto haben werden von ihrem geringeren Brutto. Es wird ja zügig wieder bergaufschwung gehen, dann wird alles gut, und die höheren Kosten fressen nur das bißchen Zuwachs wieder auf.

Wenn, ja wenn es nicht doch anders käme. Leider kommen wir hier nicht ganz um die in diesem Zeugnis nicht wirklich positive Wertung “Jahrhundertversagen” herum. Denn daß es nach der explodierten Deregulierung nur bei einer zaghaften Ankündigung der Dederegulierung blieb, wird sich bitter rächen. Am Markt ist Nichtstun einfach zu wenig. Wenn man in allen anderen Fällen doof herumsteht und darauf wartet, daß der Markt das schon regelt, ist hier einfach Schluß mit lustig. Der Markt sorgt nämlich für Wachstum. Je weniger Regulierung, desto mehr Wachstum. Und so macht er aus anfangs übersichtlichen Krisen am Ende eine gigantische Katastrophe.

Das alles läßt sie unangefochten. Und wenn sie wüßte, daß morgen die Welt unterginge – sie würde einen Minister hinschicken und sich mit etwas Schönerem beschäftigen. Winken, Schnittchen mit Ackermann, über rote Teppiche schweben. Die Frisur hält.

Kurt sei tot, so heißt es.
Der Rest ist Schweigen.

Ich lese häufig, daß Leser dieses Blogs nicht fernsehen, und ich kann gut verstehen, warum. Wie bei solchen Gelegenheiten bereits gesagt, halte ich es allerdings für wichtig, nicht den Anschluß an die Lebenswelt der TV-User zu verlieren, die noch immer die breitformatige Mehrheit bilden. Man mag sich dabei auch Gedanken darüber machen, welcher Qualität wohl die Online-Medien wären, wenn sich dieses Bildungspräkariat das Netz zur Domäne machte.

Heute gab es wieder zwei Beispiele, wie sich “Meinung” bildet. Vor der Tagesschau wurde wieder die hier schon oft belächelte Veranstaltung “Dax im Käfig” bzw “Börse im Ersten” gegeben. Darin wurden die Rankings verschiedener europäischer Nationalbanken und die Verzinsung der dort erhältlichen Staatsanleihen plakatiert. Lehrreich wäre es gewesen, den Unterschied zwischen BBB+ und AA etwa zu erläutern. Noch lehrreicher wäre es gewesen, das Zustandekommen dieser Ratings zu erklären. Und wirklich lehrreich wäre es gewesen, den Leuten zu erklären, welche Rolle die Ratingagenturen bei der Verpackung der Schrottpapiere gespielt haben, die zur Bankenkrise geführt haben.

All das fand natürlich nicht statt, stattdessen haben wir gelernt: Deutschland gut. Alles gut.
Ginge es um die Interessen der Bürger oder zumindest großer Gruppen der Bevölkerung, wäre der tägliche Hartz-IV-Bericht vor der “Zwanzig Uhr” wohl eher angebracht. Neueste Skandale, Tips zum Recht und Hinweise auf Möglichkeiten, doch wieder an einen Job zu kommen – das wäre noch am lehrreichsten.
Aber auch hier gähnt ein Schlund, ein Abgrund von Verdummung und Propaganda, die freilich im Gewande der “Unterhaltung” durch die Wohnzimmer wabert.

Was Alexander Kissler sich für seinen Artikel in der Sueddeutschen anschauen mußte, ist wahrlich sauer verdientes Geld. “Scripted Reality” nennt er treffend die Flimmerfarce um Sozialschmarotzer, wie ihn die Medien der Leistungsträger gern sehen wollen.
Und wer goutiert das? Die Zuschauer des Nachmittagsprogramms, jene unendlich bildungsferne Schicht, die zuallerletzt merkt, daß ihr dort die Stereotypen eingeprügelt werden, mit denen sie sich selbst ans Kreuz auf ihrem Stimmzettel nagelt. Wo dunnemals Fernsehen einen “Bildungsauftrag” zu erfüllen hatte, herrscht heute der organisierte Sadomasochismus als lärmende Verblödung. Guten Abend, das Wetter!

Wie man kognitive Ressourcen möglichst sinnlos verschleudert und damit unnötig Wärme erzeugt, demonstriert Bjørn Lomborg bei SpOn. Seine Argumentation gegen die Bemühung, Treibhausgase einzusparen, ist reaktionär. Sie schreibt den Status quo auf ewig fest und treibt damit Zahlenspiele, daß einem schwindlig wird.

Die Hauptargumente:
- “Die Kohlendioxid-Einsparungen kosten weit mehr als der Klimawandel selbst.”
Sehen wir davon ab, daß diese These höchst streitbar ist und die wirren Zahlen, die da folgen, nicht belegt sind, ist sie auch schlicht unsinnig. Adäquat könnte man rechnen: Jährlich ein Kind zu zeugen ist deutlich billiger als Jugendliche durchzufüttern. Also besser regelmäßig den Nachwuchs wechseln.
Der Ansatz mündet in dem Satz:
Ohne wirkliche Alternativen zu fossilen Energien würden wir letztlich nur das Wirtschaftswachstum beschädigen“.
Wo aber kämen diese Alternativen wohl her, wenn es den Druck nicht gäbe, sie zu entwickeln?

- “Der Ansatz ist politisch mangelhaft. Denn die Nationen verfolgen ganz unterschiedliche Ziele in Kopenhagen“.
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Nationen verfolgen ganz unterschiedliche Ziele und könnten in Kopenhagen aufeinander zugehen. Das ist Sinn und Zweck dieses Meetings. Was soll gut daran sein, wenn das scheitert und womöglich jeder weiter mit dem Finger auf andere zeigt?

- Der heutige Ansatz [ist] auch technologisch mangelhaft. Denn noch immer fehlt es an angemessenem Ersatz für die fossilen Energieträger.
Die Kernthese wiederholt sich und wird dadurch nicht klüger. Auch die Quintessenz steht im Dienste dieses Besserwissens:
Politiker sollten mit bedeutungsschweren Verhandlungen zur CO2-Reduzierung aufhören und stattdessen ein Bündnis eingehen, in Forschung und Entwicklung zu investieren, um alternative Energien auf das nötige Niveau zu bringen.
Als schösse das eine das andere aus – im Gegenteil würden ernsthafte Vereinbarungen mittelbar genau dazu führen, solche Entwicklungen zu fördern. Wie sollte es sonst auch gehen?

Die Argumentation bedient sich des TINA-Prinzips auf drei Ebenen: Erstens wird vorausgesetzt, daß Entwicklung linear verläuft und sich die Grundbedingungen nicht verändern. Zweitens wird jede qualitative Veränderung der Lebensweise von vornherein ausgeschlossen. Drittens wird jede Lösung ausgeschlossen, die davon ausgeht, daß ein grundlegender Systemwechsel möglich oder notwendig sein könnte.
Diese Phantasielosigkeit ist vergleichbar mit der Dummheit früherer Epochen. So ist die Seefahrt dadurch eingeschränkt, daß die Schiffe von der Erdscheibe fallen. Die Mobilität stößt an Grenzen, weil noch mehr Kutschen zu einem Versinken der Welt in Pferdedung führen würde. Man kann eine Bevölkerung nicht mit Automobilen versorgen, weil der Bau eines einzigen Mercedes Simplex ein halbes Jahr dauert und zwanzig Monteure braucht. Außerdem müßte ein Arbeiter fünfzig Jahre schuften, um sich ein Automobil leisten zu können. So lange lebt er aber gar nicht.

Auch wenn man berechtigter Weise nicht den Optimismus hat, von Klimakonferenzen den großen Durchbruch zu erwarten, taugt die betriebswirtschaftlich eingeebnete Denkweise sicher nicht zur Kritik an der Bemühung. Wenn man schon neunmalklug gegen halbgare Lösungsansätze opponiert, wäre ein völliges Umdenken zu fordern, anstatt kapitalistischer sein zu wollen als die Vertreter nationaler Wirtschaftsinteressen. Im Rahmen des Gegebenen sind verbindliche Vereinbarungen das Optimum. Darüber hinaus muß endlich Wachstum als solches infrage gestellt werden. Das Klimaproblem ist nur eines von vielen, das sich innerhalb eines globalen Kapitalismus heutiger Ausprägung kaum wird lösen lassen. Alternativen sind daher keine Frage der Technik. Sie sind eine Frage der Politik, die sich endlich wichtiger nehmen muß als die Interessen der Besitzenden.

Dann ist es ein Äpp.
Gibt es eins für den Nachtritt auf den Chefökonomisierer Deutschlands und seine Hinterzogenen? Brauche ich auch nicht.

Jenseits herausragender politischer Sachverhalte, die sich im Ausland zutragen, gibt es hier wenig zu lesen über nicht-bundesdeutsche Politik. Das liegt nicht nur daran, daß mein Englisch zwar ganz passabel ist, aber nicht fürs lichtschnelle Querlesen reicht und ich andere Sprachen gar nicht spreche. Schließlich gibt es auch das deutschsprachige Ausland, über das es hier herzlich wenig zu erfahren gibt. Zwar überfliege ich regelmäßig auch die NZZ und den “Standard”, aber was mir dort sofort eingeht, bleibt nicht wirklich hängen oder befaßt sich mit “uns”.

Das politische System der Schweiz verstehe ich nicht einmal. Ist mir echt zu kompliziert, aus den Rahmendaten zu filtern, wer dort etwas zu sagen hat, wie weit das gilt und für wen. “Die spinnen, die Schweizer”, denke ich gern. Sehr oberflächlich weiß ich etwas über Wahlkämpfe der SVP, die in Minarettverbote münden, bin also ähnlich aufgeklärt wie die Islamophoben, die das “Gute” auch am Design der Plakate erkennen.

Österreich kenne ich schon ein wenig besser, war sogar ungern einige Male dort. Es bleibt ein einziges Vorurteil. Von Schickelgruber über Waldheim bis Haider oder Schüssel passen immer die Fiesen in mein Bild von der Schmährepublik. Dabei habe ich einige Jahre mit einer netten Österreicherin in einer WG gewohnt. Aber die hatte nachher ja auch einen niederrheinischen Akzent.

Wir leben in Gesamteuropa, und ich stelle fest, daß mich ernsthaft nicht einmal die Nachbarländer interessieren. Ich weiß, daß zu meinen Lesern durchaus auch Schweizer und Österreicher gehören. Sind die interesserierter? Ist Deutschland so viel wichtiger? Nehmen wir uns selbst dann für derart wichtig, wenn wir uns eigentlich für ach so kritisch halten?
Ich bin jedenfalls ein Scheiß-Europäer, stelle ich fest. Das ändert sich auch nicht dadurch, daß ich jetzt ein bißchen Lochkäse in der Blogrolle geparkt habe.

macht’s euch doch selbst! Und nehmt nen Promi mit dazu, das schafft Resonanz.
Ach, habt ihr schon? Impressive!

Die vollends aufgeklärte Erde erstrahlt im Zeichen triumphalen Unheils“, ziterte Georg Schramm auf offener Bühne, ohne den Verursacher dieser infamen Vorabverleumdung der Informationsgesellschaft zu nennen, und Klaus Baum verlinkt das auch noch. Dabei gibt er vor, gar nicht zu bloggen, weil er krank sei.

Ich blogge heute auch nicht, zu viele Themen, zu wenig Bock. Darum lamentiere ich einfach ein wenig.
Ja, die Aufklärung! Ich hatte das neulich schon beim Andiskutieren in Robertos sinistrem Blog, daß es Erklärungsbedarf in puncto “Aufklärung” gab, dem kaum jemand nachkommen kann. Als Adorno zitierte Worte schrieb, war es gerade so weit gewesen, und das große Vergessen hatte bereits eingesetzt. Es war Nachgkrieg, der Faschismus verschwunden und der ewige Aufschwung hatte begonnen. Aufklärung nach Art der positivistischen Wissenschaften, so sollten wir es endlich kapieren, hat Auschwitz nicht verhindert, sondern erst ermöglicht.

Darüber könnten wir jetzt mal eine Viertelstunde nachdenken, aber das schaffen wir ja nicht. Es muß schließlich vorwärts gehen. Die Aufklärung liegt in guten Händen, bei Forsa-Güllner etwa, der uns in leichten Häppchen zu denken gibt, was wir alle gedacht haben, damit wir es auch morgen denken. Oder beim – jadoch, es wird langsam zur Manie – brutalst möglichen Aufklärer Roland Koch.

Was ist ein Adorno gegen Gatekeeper wie Wagner mit der Hirnlücke? Selbst ein korrupter Egomane wie Goethe wäre heute ein linksradikaler Spinner, hätte ihn nicht die Gnade des frühen Todes ereilt. Da sind wir doch aufgeklärter heute. Immerhin, es gibt die Schulpflicht, Integrationsbeauftragte und den Bachelor. Da wird doch aufgeklärt wie Blöde. Gefühlte hunderttausend Zeitungen, tausend Fernsehsender und gerade zur Adventszeit Menschentrauben in den Bücherfilialen. Völker stürmt die Regale, auf zum letzten Geschäft!

Wir werden sogar an die Hand genommen, Informationen von Qualitätsexperten und den Kräften der demokratischen Innensicherung vor- und nachbereitet. Und das ist nicht alles. Ein Rufus-Beck-Roboter wird bald alle relevanten Medien als Hörzeitung darbieten. Recherche im Internet wird unnötig, Google durch das Zentralregister der deutschen Medieninhaltsliga ersetzt und die Stimmabgabe per Wahlcomputer mit der Option auf einen Dauerauftrag eingerichtet. Dafür Rabatte beim Media Quark und A.schlecker.

Per Innernet können wir dann auch an Bundesvolksabstimmungen teilnhemen. Alles muß raus, was nicht völkisch abgestimmt ist. Der Rest votet sich glücklich. Germanys next Anything endlich demostatisch bestätigt. Steuern werden vollständig abgeschafft, Löhne werden unnötig. Gutscheine für alle für alles. Kohlrabi, Einraumwohnung, Heizpauschale. Klimawandel? Her damit, Energie frei Haus. Die Wissenschaft hat festgestellt, das ist gut für den Export. Ein paar Pflichtsunden Arbeit die Woche, und wir sind dabei. Ein paar Überstunden, und wir dürfen einkaufen, sogar mit echtem Geld! “Marktanteilsprämie” nennt sich das.

Geld gegen Leitung gibt es natürlich immer noch, allerdings nicht für jede ohnehin notwendige Tätigkeit, sondern für Trägerleistungen. Leistungsträger, die den Pflichtarbeitenden vorstehen, werden als gebündelte Marktentitäten mit qualifizierter Kundensouveränität den Aufschwung in nie geahnte Dimensionen befördern. Gutscheingedeckte Basisbedürfnisse werden vom Markt genommen, da sie nicht wachstumsfähig sind. Das ist die Zunkunft! Der neue Solidarpakt sorgt für alle: Die marktfernen Schichten sind gegen einen bescheidenen Arbeitsbeitrag (Hans-Werner-Sinn-Woche) versorgt, die Marktteilnehmer verzichten auf ihre Basisgutscheine. Eine Volksabstimmung hat nach gründlichster Aufklärung durch Medien und Parteien 89% Zustimmung für dieses Modell ergeben. Die Linkspartei löst sich auf und geht in den Untergrund, wo sie bereits mit warmen Wolldecken und kostenloser Heimunterbringung erwartet wird.

Ich gehe in die Küche, hole Küchenrolle und Glasreiniger und reinige den Monitor von der ekligen Spucke. Tippfehler bleiben unkorrigiert. Wer welche findet, darf die “Dialektik der Aufklärung” und “1984″ lesen. Nach erfolgreicher Lektüre sind die Probanden als Kommentatoren wieder zugelassen.

Klaus Baum hat bereits gestern auf die neueste Schweinerei bei Schlecker aufmerksam gemacht, über die “Frontal21″ berichtete (Ein Artikel dazu auch in der SZ).

Da kommt einem die Grütze hoch, und das Wort vom “Sozialen”, das sich noch irgend mit Gewinnen oder Wachstum verbinden ließe, zerfällt zu Staub. Da ist nichts mehr sozial, es ist eine unverblümte Orgie der Ausbeutung. Und es wird nicht dabei bleiben. Leute wie Schlecker hören erst auf, wenn die Leibeigenschaft wieder eingeführt ist.
Ich kaufe schon seit Jahren nicht bei ihm ein, aber es ist unbefriedigend, daß immer noch Millionen in seinen Läden einkaufen. Die Verkäuferinnen sollten ihnen einmal erklären, was “Drogerieketten” dort wörtlich bedeutet.

Die Wut würde reichen für Tötungsphantasien, zumindest klirrende Scheiben will man sehen und hören, aber diese Mittel sind nicht die einer Zivilisation und auch nicht meine. Ich frage mich, was ich täte, wenn ich jung wäre, vom Stamme der Twitterer etwa. Würde ich vielleicht zu ganz legalen Aktionen aufrufen? Einfach mal bei Schlecker einkaufen gehen, der Verkäuferin ein Blümchen mitbringen, den Wagen vollknalllen und dann stehen lassen? Und dafür sorgen, daß das bundesweit, was sage ich, im ganzen Universum, Nachahmer findet? Hätte ich noch viele ähnlich schöne Ideen?

Oder wäre ich so wie ich bin, desillusioniert, realistisch, wissend, daß es keine Jugend gibt, die politisch denkt, keine Massen, nicht einmal einen wirksamen Flashmob, eine Fliege im Augiasstall?

Die wichtigste soziale Verantwortung einer Bank sei es daher, international wettbewerbsfähig zu sein und zu wachsen“, zitiert die FTD Joe Ackermanns Replik auf Schäubles Einwurf, “für Banken gehe es zu sehr um Gewinne und Wachstum und zu wenig um soziale Themen“.

Daß es für Banken um soziale Themen gehen soll, während sich die politischen Funktionsmöbel fraktionsübergreifend zu Erfüllungsgehilfen der Renditejäger gemacht haben, ist schon bemerkenswert weltfremd – zumal für einen Minister, dessen Kollegen Niebel, Brüderle und Westerwelle heißen.
Nicht weniger beachtlich ist aber auch die Luststeigerung in der perversen Semantik aus den Dungeons der ökonomistischen PR. Die Gewinne der Deutschen Bank als “sozial” zu bezeichnen, ist eine Dimension sadistischen Zwiesprechs, die nach Sicherungsverwahrung schreit.

Was sagt die Qualitätsjournalistin Nina Luttmer dazu?
Auf die Antwort eines hochrangigen Politikers darf gespannt gewartet werden.”
Wäre es nicht ihre höchst eigene Aufgabe gewesen, dieses Massaker an einer noch ausdrucksfähigen Sprache wenigstens anzuzeigen? Wer, wenn nicht Journalisten, hätte hier die Pflicht zu widerprechen? Womöglich hält sie ihren Aufruf an “Politiker” noch für kritisch, während sie selbst als Niederrangige sich wohl für unbefugt hält, einfach ihren Job zu machen.
Darauf aber, daß sich jemand aus ihrer Zunft eine Meinung leistet, die von den Hochrangigen als wirklich unbequem erachtet wird, dürfen wir wohl noch lange warten.

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