Sozial ist, was Gewinne schafft
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01. Dez 2009 23:33
“Die wichtigste soziale Verantwortung einer Bank sei es daher, international wettbewerbsfähig zu sein und zu wachsen“, zitiert die FTD Joe Ackermanns Replik auf Schäubles Einwurf, “für Banken gehe es zu sehr um Gewinne und Wachstum und zu wenig um soziale Themen“.
Daß es für Banken um soziale Themen gehen soll, während sich die politischen Funktionsmöbel fraktionsübergreifend zu Erfüllungsgehilfen der Renditejäger gemacht haben, ist schon bemerkenswert weltfremd – zumal für einen Minister, dessen Kollegen Niebel, Brüderle und Westerwelle heißen.
Nicht weniger beachtlich ist aber auch die Luststeigerung in der perversen Semantik aus den Dungeons der ökonomistischen PR. Die Gewinne der Deutschen Bank als “sozial” zu bezeichnen, ist eine Dimension sadistischen Zwiesprechs, die nach Sicherungsverwahrung schreit.
Was sagt die Qualitätsjournalistin Nina Luttmer dazu?
“Auf die Antwort eines hochrangigen Politikers darf gespannt gewartet werden.”
Wäre es nicht ihre höchst eigene Aufgabe gewesen, dieses Massaker an einer noch ausdrucksfähigen Sprache wenigstens anzuzeigen? Wer, wenn nicht Journalisten, hätte hier die Pflicht zu widerprechen? Womöglich hält sie ihren Aufruf an “Politiker” noch für kritisch, während sie selbst als Niederrangige sich wohl für unbefugt hält, einfach ihren Job zu machen.
Darauf aber, daß sich jemand aus ihrer Zunft eine Meinung leistet, die von den Hochrangigen als wirklich unbequem erachtet wird, dürfen wir wohl noch lange warten.
Dezember 2nd, 2009 at 04:06
Dass Banken sozial zu sein hätten, mag weltfremd sein, aber der Gedanke könnte genauso gut vom politischen Gegner kommen. Daher kann man Schäuble dafür nur schwer kritisieren. Allerdings könnte er das auch mal etwas konkretisieren. Einfach so einen Satz sagen kann ich auch.
Das Zitat (“Auf die Antwort …”) könnte man so verstehen, dass die beiden im Artikel genannten Politiker, Merkel und Schäuble, eben keine hochrangigen Politiker sind. Aber ich finde den Satz eigentlich auch ganz überflüssig. Für bloße Meinungen gibt es das Format der Kommentare. Von einem guten Artikel erwarte ich Fakten und keine Hinweise, ob der Autor sich dabei übergeben muss. Das kann ich dann schon selber, wenn ich die Fakten verstanden habe. Wenn nicht, habe ich auch nicht das Recht, die Meinung eines andern als meine eigene auszugeben.
Für subversive Blogs gilt das natürlich nicht.
Dezember 2nd, 2009 at 08:43
@Glupsch: bin mir sicher, daß flatter auch keine Vermischung von Bericht und Meinung möchte.
Aber den Arsch in der Hose, da mal auf den Tisch zu hauen, hat ja die Journaille von heute kaum noch. Und das fehlt!
Wo sollen sich die Leute denn noch kritisch (!) informieren, sich ihre Meinung bilden (um Himmels Willen nicht BILDen?), wenn nicht über guten (!) Journalismus? Und dazu gehört eben auch mal ein spitzer Kommentar. Von jemandem, der über das Thema nachgedacht hat und es dem Leser verständlich ausbreitet.
Damit wir nicht alle verBILDen ich meine verBLÖDen.
Dezember 2nd, 2009 at 09:49
Der Gedanke mag vielleicht nicht ‘weltfremd’ sein, ‘kapitalismusfremd’ indessen ist er auf jeden Fall. Und im Sinne der sog. ‘Wertkritik’, einer Theorie, die das gesamte Krisengeschehen immer noch am besten zu beschreiben und zu erklären vermag, ‘stimmt’ auch Ackermanns Entgegnung. Ohne die lustigen Kreditkettenbriefe und ihr ‘aus dem Nichts’ generiertes ‘fiktives Kapital’ wäre der ganze Laden schon viel früher zusammengeklappt. Dass auch diese Kreditketten notwendigerweise irgendwann reißen müssen, und der Crash dann nur umso heftiger ausfällt – das ist freilich die Kehrseite dieser ‘Rettung auf Zeit’.
Die Forderung nicht nur Schäubles sondern tatsächlich auch des politischen Gegners, inzwischen eigentlich nahezu der ganzen politischen Kamerilla inklusive NGOs, die Banken mögen doch bitte in eine von Überkapazitäten und schwindender Nachfrage gebeutelte ‘Realwirtschaft’ investieren, ist allerdings nicht minder blauäugig als Ackermanns Anknüpfen an ‘alte Zeiten’.
Und die im Schlußsatz ausgedrückte gespannte Erwartung so gesehen auch nichts als ein Ausdruck eben der Ratlosigkeit, die inzwischen das gesamte politwirtschaftliche Lager weltweit erfasst hat. Die Produktivität eilt der Produktion, die zusätzlich noch an ökologische und energetische Grenzen stößt, davon und zieht die gesamte Wirtschaft in eine Abwärtsspirale, die durch keine immanenten ‘politischen Maßnahmen’ mehr nachhaltig aufzuhalten wäre. Was im übrigen auch der Hauptgrund dafür ist, warum trotz vollmundiger Ankündigungen zB keine ‘Re-Regulation’ der Finanzmärkte stattfindet und stattfinden wird. Vielmehr bleibt es bei Appellen von der Art Schäubles, die gleichzeitig auch eine Form impliziter und vorsorglicher Schuldzuweisung darstellen.
Interessant an Schäubles Vorstoß ist allenfalls die Tatsache, dass ‘Wachstum’ hier keine unhinterfragt positive Größe mehr zu sein scheint – ob er sich allerdings der Implikationen bewusst ist, darf getrost bezweifelt werden. Denn ‘Gewinn und Wachstum’ standen und stehen zu allen Zeiten für alle kapitalistischen Unternehmungen an erster Stelle. Mache mehr Gewinn und wachse schneller als die Konkurrenz ist der vorderste Imperativ – und alle Schelte der ‘Gewinnmaximierung’ eine alberne Verkennung der Tatsachen. Wollte man dies wirklich unterbinden, gäbe es in der Tat nur eines – den Kapitalismus sukzessive abzuschaffen.
Dezember 2nd, 2009 at 10:20
Schaeubles Aesserung zeigt zwei Dinge:
Erstens ist er sich voll bewusst, dass die Deutschen Privatbanken einen gesellschaftsfeindlichen Kurs fahren. Diese Erkenntnis ist nicht besonders bewundernswert, da jedem offensichtlich.
Zweitens denkt er nicht daran, irgendetwas zu unternehmen. Daher auch der stark euphemistische Ausdruck “selbstreferentielles System”. Man muss ja nicht gleich in klassemkaempferische Ausdruecke verfallen (die auch angebracht waeren), aber “ruecksichtslose Profitjaeger” haette es auch getan.
Als Finanzminister waere es seine Aufgabe, eine Politik zu betreiben, die die Banken zumindest in halbwegs gesellschaftsvertraegliche Bahnen zuruecklenkt. Viel Phantasie muesste er da nicht haben, eine Ruecknahme der Finanzmarktreformen von Rot-Gruen wuerde schon einiges bewirken, ohne uns kommunistische Zustaende zu bescheren.
Aber wer beisst schon die Hand, die einen fuettert? Wir wissen ja mittlerweile wo die Union ihre Parteispenden herbekommt.
Freuen wir uns also schon mal auf die verbalen Eiertaenze, die uns Wolle in den naechsten Monaten noch vorfuehren wird.
Dezember 2nd, 2009 at 10:35
@glupsch:
Propaganda zu zitieren, ist kein “Bericht”. Im Gegenteil muß sich der Journalist wehren, wenn ihm von der PR die Basis seines Schaffens zerstört wird.
Dezember 2nd, 2009 at 11:31
Ich gehe aber mal davon aus, daß ich Herrn Ackeman falsch verstehe, wenn ich aus seiner Aussage lese, daß man das Wachstum der Bank, sprich: ihre Gewinne, sozialisieren sollte… oder?
Dezember 2nd, 2009 at 11:55
Ich finde deine Einstellung einfach super. Weiter machen, ich lese deine Polemiken immer wieder gerne. Und immer feste druff auf die Horberichterstatter, da triffste immer die richtigen :)
Dezember 2nd, 2009 at 14:25
@1 glupsch: Wie andere auch schon geschrieben haben geht es dabei nicht darum, Bericht und Meinung zu vermischen, sondern eher darum gerade dieses nicht zu tun. Wenn PR-Phrasen einfach unkommentiert übernommen werden, dann ist das entweder die (bewusste) Fortführung der Meinungsmache des Urhebers der Phrase, oder aber, wohlwollender betrachtet und wahrscheinlich häufiger, einfach Gedankenlosigkeit. Wenn ich etwa dieser Tage immer wieder in den Fernsehnachrichten vorgelesen bekomme, ohne weitere Anmerkungen dazu, die Regierung wolle an “den geplanten Entlastungen” festhalten, dann ist das in seiner Unkommentiertheit mitnichten ein sachlicher, neutraler Bericht, der in irgendeiner Form hilfreich wäre, sondern es ist letztlich Desinformation, wenn weder genannt wird wer da wo aus welchen Gründen entlastet wird und wer wiederum zum Ausgleich belastet wird. Jemand benutzt (im Rahmen durchaus legitim) für einen Vorgang, an dem er selbst beteiligt ist, eine gut klingende Bezeichnung, möglicherweise eine euphemistische; diese dann nicht einfach gedankenlos zu übernehmen, sondern Worte zu finden, die den Vorgang treffender beschreiben, ist kein Einfließenlassen von Meinung, es ist vielmehr Sorgfalt im Umgang mit der Aufgabe, möglichst genau über das zu informieren, was tatsächlich passiert.
Dezember 2nd, 2009 at 15:39
@flatter & Flying Circus
Hi flatter: “Dungeons” da hab´ich nich aufgepasst, kannste bitte erklären? Danke!
Ansonsten: Erstklassig! Mach´ aber nich immer bloß bei den Politniks und der Journaille halt. Die Politniks stammen nich nur, wie die Journaille, aus dem Volk, sie werden sogar von diesem gewählt! Wat sachste jezz? Überrascht?
Und die
KanailleJournaille: Warum lässt sich Volkesbreite den Käse bieten, und am auflagenstärksten auch noch in möglichst großen Buchstaben und Falschdeutsch – Hauptsache der Satz iss kurz unn knackig! Unn nu?Tach Flying Circus,
Da bin ich ganz bei Dir, allein mir fehlt der Glaube :-). Wollen den “die Leute” wirklich informiert werden (“Manchemol sach isch mir, es iss besser, merr waaß dess alles nedd so genau, gell!”)? Oder wollen “die Leute” Neugierde befriedigen unn Unterhaltung? Ich wünsch´ mir, dass “die Leute” mehr Interesse entwickelten, dann schliefen beide o. g. Probleme langsam ein.
Beste Grüße
Gerade meldet DLR Kultur (2.12., 15´31´´), sinngemäß: Die SPD habe kein Interesse die Personalie Brender – die Nichtverlängerung seines Vertrags beim ZDF – gerichtlich verfolgen zu zu lassen. Es gäbe da unter den SPD-Abgeordneten im Bundestag keine Mehrheit. *grrr*
Dezember 2nd, 2009 at 15:54
Dungeons? Geh mal in ein anständiges Bordell und laß dich durchklatschen, wahrscheinlich lernst du da die Dungeons kennen, den Kerker, das Verlies. Wo die Sadisten halt ihr Tagewerk vollbringen.
Dezember 2nd, 2009 at 16:02
[...] Sozial ist, was Gewinne schafft. Yeah! So wünsche ich mir [...]
Dezember 2nd, 2009 at 17:06
the dungeon of our being
(sam beckett in seinem essay über proust)
Dezember 2nd, 2009 at 22:27
ERSTKLSSIG. FIND` ICH AUCH. GENAU. ENDLICH MAL EINER, DER ES UNS BESORGT.
Habe ich damit in etwa die Resonanz beschrieben?
Hat irgend jemand die #3 gelesen? Wohl nicht. Anstatt zu verstehen, unterhalten und unterstützen wir (offenbar gerade deshalb) was geblökt wird.
Peinhardts Hinweise auf das Problem der kapitalistischen Produktion schrecken ab.
Sei es, weil es einfacher ist, wenn per se andere noch dümmer sind als Kommentatoren.
Sei es, weil Kommentatoren auch nix dagegen haben, dumm zu sterben.
Hier mal in dummdeutsch, warum sowohl Peinhard als auch Ackermann Recht haben:
1. Es ist ohne Ende Geld da.
2. Dem steht nix gegenüber, kann es auch nicht (Schmierfrisuren arbeiten nicht).
3. Verschulden kann sich nur noch der Staat, mehr oder weniger heimlich.
4. Kann auch der das nicht mehr, spielen wir Hyperinflation.
5. Du bezahlst.
6. In der Regel Faschismus, befördert durch Leuchten wie Euch.
Ackermann denkt, wenn er nur genug aberwitzige Gewinne genug erwirtschaftet, erwirtschaftet er sie in Ländern, die sich nicht wehren können.
Obwohl dieser ******* schon lange ********** gehört (freuen auch sie sich über steigende Preise), folgt ein Groß der jungen haargegeelten genau ihm.
Zusammen mit ihm ********** wäre mein Rat.
Im Ernst: Ackermann sieht nicht, dass es ausserhalb seiner Sphären noch andere gibt.
Er steht ausserhalb des Grundgesetzes, ausserhalb des Kollektiv-Vertrages und ist ausser sich.
*********** wir ihn und seine Unterstützer, und erwarten wir eine Art Besinnung auf innere Werte.
Nicht, weil er ********** wurde, sondern weil er endlich weg wäre.
[censored by censor, sponsored by landgericht hamburg]
Dezember 2nd, 2009 at 22:56
interessant ist in dem zusammenhang, das man nicht herausbekommen kann, bei wem wir eigendlich alle schulden haben. ich wette, das ackermann einer der groesten glaeubiger ist. somit hat doch keiner der bangster interesse an einem abbau der staatsschulden! im gegenteil! deswegen ist die staatsverschuldung eigendlich voellig unerheblich. theoretich koennten die mit einem gesetz auf null gefahren werden. dann sollten wir aber unsere kriegsmaschinerie auf vordermann haben! ;-)
Dezember 2nd, 2009 at 23:01
@ bojenberg:
Hääh?
Staatsverschuldung ist Kriegsgrund nach Gläubiger?
Oder was?
Dezember 2nd, 2009 at 23:07
@ kotzt:
Kühl mal den Kompressor ab.
Die Kommentare beziehen sich zumeist auf den Artikel, nicht auf andere Kommentare.
Thema des Artikels ist nicht die Kreditklemme, sondern Ackermanns Propaganda. Insofern hat er übrigens immer noch nicht recht, sondern vergewaltigt Sprache, um genau das tun zu können, von dem du sagst, es sei
“In der Regel Faschismus, befördert durch Leuchten wie Euch.”
Leuchten wie ich kämpfen nicht immer deinen Kampf, sondern heute diesen und morgen den. Es geht gerade um Sprache, und deine ist sicher keine bessere Alternative.
Dezember 2nd, 2009 at 23:29
@ flatter:
Mein Kompressor läuft konstant.
Und dazu: Wer das Thema dermaßen verfehlt, wie die auf #3 folgenden Artikel, welche auch immer, wie soll mann die denn ansprechen?
Nur eben Deinen Artikel behandelnd?
Und hat #3 das ganze Getue um Elend und Erniedrigung passend beschrieben?
Als Einziger, wie ich denke.
Bin jedoch nur ich.
Ackermann`s Propaganda? Bitte, nicht böse werden.
Sorry, wenn Kommentatoren die gegeben haben.
Es gibt nun einmal kein Leben im falschen.
Zwinker.
Dezember 3rd, 2009 at 00:45
Wenn der Herr Acker 25 Prozent Rendite verspricht kann das denn aus lahmenden Wirtschaft kommen? Und hat Politik nicht versprochen genau da zu regulieren? Die Bankster werden sich nicht selbst Bremsen! Über was wird sich aufgeregt? Last doch den Acker sein Ding machen! Aber sorgt dafür das Politiker auch ihr Ding machen!
Dezember 3rd, 2009 at 03:23
@flatter: ich weiß nicht, was ein Journalist laut Ausbildung unter “Bericht” zu verstehen hat. Ich kann mir vorstellen, dass es mehr als nur eine gültige Definition gibt, allein wenn ich bedenke, dass Objektivität ohnehin nur ein Hirngespinst, oder positiv ausgedrückt, ein Wunschtraum ist. Aber ich stimme dir zu, ein Puzzle nur aus O-Ton zu bringen ist billig. Und in diesem Falle auch noch so kurz, dass es mir schon fast peinlich ist, darauf mehr als die 45 Sekunden zu verwenden, die das Lesen gedauert hat.
Dezember 3rd, 2009 at 05:22
@flatter:
“Propaganda zu zitieren, ist kein ‘Bericht’. Im Gegenteil muß sich der Journalist wehren, wenn ihm von der PR die Basis seines Schaffens zerstört wird.”
Ich wiederhole mich ja ungern – aber es ist einfach weltfremd, von einem abhängigen Sklaven zu fordern, “anständig” zu sein und das zu schreiben, was eigentlich geschrieben werden müsste. Wenn es um nackte Existenzangst geht, tun Arbeitnehmer in der Regel eine Menge Dinge, die ihr Gewissen in “normalen” Zeiten zum Explodieren brächten … aber solange Journalisten nicht davor geschützt werden, ihre Lebensgrundlage zu verlieren, wenn sie ihre Arbeit gewissenhaft tun, solange wird es auch nur die wenigen “geduldeten” Querulanten geben, die das miese Spiel “Aber es gab doch kritischen Journalismus!” durch ihre Trostpflasterfunktion legitimieren (dürfen).
Ein Kollege sagte letztens zu mir: “Schreibst du auch nur noch unter Pseudonym? Es wird ja wohl nicht mehr lange dauern, bis der Mob uns hängt …” Und er hat recht.
Trotzdem bleibt die Frage unbeantwortet, was Journalisten denn dagegen tun sollen? Riskiert ein einziger von denen, die so gerne auf Journalisten einschlagen, seinen Job, um für Kollegen, bessere (geschützte) Arbeitsbedingungen oder mehr soziales Miteinander einzutreten? Ich erlebe täglich das Gegenteil – die Angst sitzt allen im Nacken, und die Neoliberalan haben ihr Ziel offenbar erreicht: In der Not denkt jeder nur noch an sich. Das predigen sie seit Jahrzehnten, und es ist offenbar bei fast allen angekommen. Auch bei den Journalisten.
Propaganda wirkt – sogar bei denen, die sie (gezungenermaßen) verbreiten müssen.
Dezember 3rd, 2009 at 08:40
@’kotzt’
Es bringt doch wirklich nichts, hier das Rumpelstilzchen zu geben und nebenbei noch alles vollzureihern… ;)
@flatter
“Thema des Artikels ist nicht die Kreditklemme, sondern Ackermanns Propaganda.”
Das ist ja erstens nicht nur Ackermanns Propaganda, sondern er hält Schäuble hier perfiderweise ja auch nur den Spiegel der (nicht nur) CDU-eigenen Propaganda von ‘Sozial ist, was Arbeit schafft’ entgegen. Ob da nun ein Unternehmen der ‘Finanzwirtschaft’ oder eins der ‘Realwirtschaft’ wächst und ‘Arbeitsplätze schafft’… Man kann natürlich den Standpunkt einnehmen, Banken sollten sich auf ihre ‘dienende’ Rolle der ‘Realwirtschaft’ gegenüber beschränken und quasi selbstlos im Sinne eines (allerdings weiterhin sehr zweifelhaften) ‘Gemeinwohls’ handeln. Das ist aber erstens ziemlich naiv, da Banken eben genauso wie ‘reale’ Unternehmen nach wie vor ‘im Wettbewerb stehen’ und dem von mir in #3 ausgeführten Imperativ zu folgen haben – wachse oder stirb. Wollte man das ‘immanent’ wirklich unterbinden, müsste man den Finanzsektor schon verstaatlichen und befände sich so schnurstracks auf dem Weg in eine Art ‘Realsozialismus 2.0′. Zudem und zweitens birgt ein solcher Standpunkt die Gefahr der Unterscheidung zwischen ‘raffendem’ und ‘schaffendem’ Kapital, und woran das nun wieder ‘anschlußfähig’ ist, muss wohl auch nicht mehr näher ausgeführt werden.
Dann sagst du, es gehe hier nicht um die ‘Kreditklemme’. Aber kann man Ackermanns Propaganda, die ja genau vor diesem Hintergrund stattfindet, wirklich davon trennen? Und die wiederum von der sogenannten ‘Finanzkrise’, und die nochmals von der Tatsache, dass wir uns in einer grundlegenden ‘Systemkrise der Arbeitsgesellschaft’ befinden, die diesen ganzen neoliberalen Kladderadatsch als untauglichen Antwortversuch erst hervorgebracht hat? Dabei verweist doch diese ‘Kontroverse’ zwischen Ackermann und Schäuble auf genau die grundlegenden inneren Widersprüche, die eben dieser Neoliberalismus auch nicht lösen, sondern höchstens noch weiter verschärfen kann.
Es hilft doch – sorry – nichts, wenn wir heute dies und morgen das kritisieren und bekämpfen, ohne uns um die inneren Zusammenhänge eines Systems zu kümmern, dessen Widersprüche schon immer nur durch Wachstum ‘um jeden Preis’, durch Kolonisation, Kriege und Ausbeutung von Mensch und Natur überdeckt werden konnten. Muss man denn nicht an die Wurzel gehen, um ‘radikale’ Kritik zu üben…? ;)
Dezember 3rd, 2009 at 11:02
@Peinhard: Natürlich kann man für den Moment die Propaganda von ihrem Kapitalismus trennen. Was ich meine, ist, daß es keinen Sinn macht, mir und anderen vorzuwerfen, daß der Fokus sich auf etwas anderes richtet als den Kapitalismus selbst. Hätte ich noch nie etwas zu Banken und dem System selbst geschreiben, träfe mich das, so aber eben nicht.
@Charlie: Es gibt Gründe, warum ich nie Papier-Journalist geworden bin. Es mag auch sein, daß es für die Opfer der Presse-Ökonomisierung nicht gerecht erscheint, sie als bezahlte Schmierfinken abzuhandeln. Aber ich kann es ihnen nicht ersparen, Mut einzufordern, denn es hängt an ihnen, ob eine Demokratie eine Chance hat. Es gibt auch andere Jobs, in denen man sein Überleben sichern kann. Dann sollen sie halt bloggen (und Kuchen essen).
Dezember 3rd, 2009 at 12:46
@flatter: Schon recht. Ich werd’ halt gern grundsätzlich. ;)
Dezember 3rd, 2009 at 17:45
Trickle Down ist das Prinzip dahinter. Das gibt dem Ganzen Ungemach seinen wissenschaftlich-ernsten Anstrich. Ebenso ein Hauch von politischem Liberalismus, Überbetonung von Freiheit, Aversion gegen Gleichheit. Nachteile für manche nur, wenn es zur Verbsserung ihrer Lage beiträgt. Der Gewinn der deutschen Bank vergrößert den Kuchen, der größere Kuchen hebt bei gleichen Verteilungsmechanismen den Standard der Armen. Mechanismen der Ausbeutung erhalten so legitmität, wenn sie nur helfen den Kuchen zu vergrößern. Im Grunde ist ein Monarch legitim, wenn er hilft, den Kuchen zu multiplizieren. Das ist Trickle Down. Moralisch legitimiert durch politischen Liberalismus (wenngleich der in der Theorie freilich sehr präzise ist und so was nicht akzeptieren könnte, aber die Präzision im Denken ist nicht Sache unserer Ausbeuter).
Und ein Trick an Verteilungsmechanismen nicht arbeiten zu müssen. Man kann die besthende Ungleichverteilung im Verborgenen halten. Wenn ihr uns helft noch reicher zu werden, werdet ihr ein bisschen weniger arm. Das Naturprinzip steht. Die Bittstellerei ist der Ort der Mehrheit in der heutigen Zeit. Wer dem Kuchen am meisten zuarbeitete, ist der Held. Gedauchtes Gehen, vorgehaltene Hand, Scham und Mutlosigkeit für die, die keine Millionenbeträge überweisen (könnten). Man schämt sich, kein Ausbeuter zu sein. Man macht den eigenen Status im Kosmos mit Gehorsam gut.
Dezember 3rd, 2009 at 23:17
Ackermann hat aber eine Menge nicht gepeilt: Ziel und Zweck von Banken ist es nicht, wettbewerbsfähig zu sein und zu wachsen, denn das funktioniert auch durch heiße Luft und vollkommen nutzlose, überteuerte feindliche Übernahmen, sondern Geld-aufbewahrung und -verleih zu organisieren.
Und anscheinend machen die das gerade nicht, denn die Banken müssen von der Regierung unter Druck gesetzt werden, die billigen Gelder von Notenbanken auch tatsächlich in Form von Krediten weiterzureichen.
Da sind doch wohl ein paar Bankster ganz realistisch über die Wachstumschancen der Weltwirtschaft der nächsten 2 Jahre (nicht vorhanden) und stecken sich daher billiges Geld lieber in die eigenen Taschen denn in die Wirtschaft. Schließlich müssen sie ja weder für Finanzkrisen noch für Bankzusammenbrüche haften, gelle!
Dezember 4th, 2009 at 05:39
@flatter (22):
Das ist eine armselige Replik, tut mir leid. Wenn Du einen Ausweg aus diesem Dilemma weißt, der mir bisher unbekannt ist und der nicht Hartz IV heißt, lass mich das doch bitte wissen. Was sollen Journalisten Deiner Meinung nach denn heute tun? Hast Du eine Ahnung davon, was da jeden Tag aufs Neue in den Redaktionskonferenzen geschieht?
Wahrscheinlich nicht. Es ist bigott, einem angestellten Journalisten vorzuwerfen, dass er nicht konsequent ist, während man Angestellten anderer Branchen zugesteht, dass sie “kuschen”, wenn der Chef poltert.
Die Angst vor dem sozialen Absturz sitzt allen gleich im Nacken. Die Kritik müsste doch viel umfassender sein. Wenn der Polizist damit rechnen müsste, dass er seinen Job verliert, wenn er einen Wirtschaftsboss verhaftet, würde er das wohl nicht tun! Der Journalist muss aber genau diese Konsequenzen fürchten. Und er bekommt sie auch jeden Tag aufs Brot geschmiert.
“Kuchen essen” können andere Arbeitnehmer. Die sich schön auf ihre Unbeteiligung zurückziehen können und anderen Leuten die existenzielle Schmutzarbeit überlassen. Vielen Dank dafür!
Der Niedergang des Journalismus und das Versagen der sogenannten “vierten Gewalt” ist nicht auf die abhängig Beschäftigten zurückzuführen. Das solltest auch Du einmal einsehen.
Dezember 4th, 2009 at 09:30
@Asterix
Da muss ich doch noch widersprechen. Das, was euphemistisch als ‘Unternehmenszweck’ angegeben und anzugeben ist, ist nur das Mittel, aber gerade nicht der Zweck. Der banale Zweck eines kapitalistischen Unternehmens ist immer, aus Geld mehr Geld zu machen, und zwar mehr und schneller als die Konkurrenz. Dabei ist es letztlich egal, ob man Lebensmittel herstellt oder vertreibt, Bomben und Tretminen baut, oder eben anderer Leute Geld aufbewahrt und gewinnbringend anlegt.
@Charlie
Wer ohne Sünde ist… Wir alle stützen dieses System, täglich und notgedrungen, nicht nur mit unserer Arbeit, sondern auch durch unseren Konsum. Man kann nebenbei noch etwas anderes machen, wenn man noch die Kraft hat, aber zunächst mal ist, mit W.Busch, die Sorge nicht ganz unbegründet, wie man Nahrung findet. Und dazu muss man sich in dieses Schema pressen – wäre dem nicht so und Weisung und Ausbeutung nur eine freiwillige Veranstaltung, wir könnten milder sein mit unserer Kritik…
Dezember 4th, 2009 at 11:28
@Charlie: Tut mir leid, wenn es mir an Geistesreichtum von deiner Art mangelt.
Wie hätten sie’s denn gern? Jeder schreibt, was ihm befohlen wird und soll dafür nicht einmal kritisiert werden dürfen? Die Altenpflegerin schlägt ihre Klienten, weil sie überlastet ist, und wir haben Verständnis?
Nee. Ich verlange tatsächlich von Journalisten mehr Mut und mehr Meinung als von anderen. Sonst haben sie ihren Job verfehlt. Was hat den Spiegel denn zu einem Boulevardblatt gemacht? Wurden die Autoren dort mit Erschießung bedroht, wenn sie kritisch geschrieben haben? Alles nur der Aust schuld? Oder sitzt da eine schleimige Mischpoke von neoliberalen Kriechern, die gar nichts anderes kennt als überangepasstes Blabla?
Und warum leistet sich die Frankfurter Rundschau eine geniale Aufklärungskampagne gegen den Koch-Sumpf, während die anderen schweigen?
Worauf willst du hinaus? Generalpardon für Mitmacher und Radfahrer? Den gibt es von mir ganz sicher nicht.