2007
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PolitikKommentare deaktiviert 18. Nov 2007 0:28
Unser allseits hochgeschätzter Bundesinnenminister hat bei ZEIT online versucht, Argumente zu finden für seine Attacken auf den Rechtsstaat. Es ist zum größten Teil ein waberndes Blabla, in dem die einzelnen Maßnahmen zur Einschränkung der Bürgerrechte keine Erwähnung finden. Das ist übrigens bezeichnend für die Reden der Befürworter dieser Maßnahmen: Sie versuchen, möglichst nichts Konkretes zu erwähnen, zumindest zu bagatellisieren und dafür zu sorgen, das man keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Maßnahmen herstellt.
Einige Aussagen Schäubles verdienen dennoch eine Antwort:
“Wer ist unfreier: der Bürger, der sich aufgrund einer Sorge vor Kriminalität zu bestimmten Zeiten nicht mehr an bestimmte Orte traut, oder derjenige, der bestimmte Räume meidet, weil sie videoüberwacht sind?”
Perfide und schon beinahe genial. Schäuble malt ein Schreckensszenario nach dem anderen und läßt die Leute überwachen. Dann fragt er, was schlimmer ist. Angst und Überwachung sind aber gleichermaßen sein Werk und das seiner Ko-Paranoiker. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Es gibt keinen Grund, das Volk zu überwachen.
“Ich weiß, dass diese Debatte sensibel ist. Ich verstehe aber nicht, warum wir sie deswegen gar nicht führen sollen. Wir müssen unsere Antworten auf die sich verändernde Realität in der öffentlichen Debatte finden. Tabuisierung ist die falsche Antwort.”
Wer tabuisiert etwas? Nur: Während die einen debattieren, schaffen die anderen Fakten. Das Tabu ist die Zerstörung der Freiheitsrechte. Allerdings: Tabu!
“Wir dürfen aber vom Staat auch nicht das Unmögliche verlangen: Auf der einen Seite soll er Unrecht und Gewalt möglichst ausnahmslos unterbinden und zugleich in freiheitlicher Distanz und Diskretion nichts sehen, nichts hören und nichts fragen. Deswegen ist mein Verständnis von Datenschutz nicht, dass sich der Staat selbst blind und dumm macht.”
“Unrecht und Gewalt möglichst ausnahmslos unterbinden”! Diesen Eifer legen nicht einmal Diktatoren an den Tag. Die Alternative sei “Blindheit” und “Dummheit”. Schärfer kann man nicht polarisieren, und es ist klar, wo Schäuble dabei steht. Von diesem Ort aus kann man von der Demokratie nur noch den Rauch sehen. Ist das blind, dumm oder bösartig?
“Bei der akustischen Wohnraumüberwachung hat etwa die Kernbereichslehre dazu geführt, dass ein in der Verfassung abgesichertes Ermittlungsinstrument weitgehend ins Leere läuft. Dem Gesetzgeber muss aber der notwendige Spielraum verbleiben, um seine rechtsstaatlichen Aufgaben wahrzunehmen. Dafür ist er – und nur er – demokratisch legitimiert.”
Dies sagt Schäuble zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Und so ein Demokrat ist er: Gewaltenteilung und Kontrolle der Obrigkeit ist für ihn “nicht (demokratisch) legitimiert”. Der Gesetzgeber ist die Verfassung. Er hat immer recht. Es gelingt Schäuble nicht, mit seiner zutiefst rechtsstaatsfeindlichen Gesinnung hinterm Berg zu halten, und das, obwohl er gern von Seifenblase zu Seifenblase schwebt. Es ist nicht mehr nötig, daß er sich erklärt. Wir wissen längst, mit wem wir es zu tun haben.
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PolitikKommentare deaktiviert 16. Nov 2007 11:45
Eigentlich steht in diesem Beitrag schon alles zum Thema. “Herrmann für Härte” überschreibt die Sueddeutsche die erquickende Nachricht, daß Becksteins Nachfolger im bayrischen Innenministerium genau so eine Jammergestalt ist wie die meisten seiner Kollegen. Er hält eine Jugendstrafe von 15 Jahren für “Abschreckung” und palavert:
“wer für sich im Alter von 18 Jahren alle Rechte in Anspruch nehme, wie Wahlrecht, Führerschein und volle Geschäftsfähigkeit, müsse sich auch im Strafrecht voll zur Rechenschaft ziehen lassen“.
Wie ahnungslos muß ein Mensch sein, um einer Regierung angehören zu dürfen? Sehen wir ihm nach, daß “voll zur Rechenschaft ziehen” ja hieße, daß “lebenslänglich” verhängt werden dürfte. Vielleicht ist das ja sein Ziel. Dann wäre da noch das bedauerliche Mißverständnis, hohe Strafen hätten eine stärker abschreckende Wirkung. Ein Jugendlicher kalkuliert sicher so: “Ich bekäme im Höchstfall zehn Jahre, da bringe ich doch jetzt mal fix Oma um die Ecke!” 15 Jahre wären natürlich etwas anderes. Da würde der Junge sich das aber zweimal überlegen!
Von “Resozialisation” hat der harte Herrmann auch noch nie etwas gehört. Wenn man einen 15-Jährigen für 15 Jahre einsperrt, kann man sich nämlich schon den Gedanken an Resozialisation sparen.
Im sadomasochistischen Umfeld der Analfixierten heimsen solche Experten gern ihren Applaus ein. Hart muß er sein! Gnadenlos! Durchgreifend! Intelligente Menschen fragen zumindest nach dem Erfolg dieser “Härte” und stellen fest, daß sie auf allen Ebenen kontraproduktiv ist. Das einzig Gute daran: Sie ist billig. Mehr Polizei, Jugendhilfe, Freizeitangebote, Lehrer, Kindertagesstätten – das wäre Prävention mit Erfolg. Aber wer soll das alles bezahlen? Die Bayern sicher nicht, die lassen eher ihre Beamten verhungern.
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PolitikKommentare deaktiviert 15. Nov 2007 23:30
Wie die Süddeutsche berichtet, ist Aust die längste Zeit Chef des SPIEGEL gewesen. Über Tote soll man nicht schlecht reden, aber unter seiner Ägide erlitt das einstmalige Nachrichtenmagazin einen beispiellosen Niedergang. Es ist wohl kaum damit zu rechnen, daß Gabor Steingart, der noch vor einigen Wochen als Nachfolger im Gespräch war, noch infrage kommt. Man “sucht”, wie es heißt. Na dann alles Gute, es ist höchste Zeit!
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PolitikKommentare deaktiviert 15. Nov 2007 11:56
Es sind ja genügend gute Spieler im Kader. Ich erteile das Wort dem Kollegen Jan Schejbal.
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PolitikKommentare deaktiviert 15. Nov 2007 11:50
Schon lange hatte ich keine Blogpause von vier Tagen mehr. Der Grund? Keine Motivation. Während in diesem Land Menschen unter Zuhilfenahme von Stasi-Ermittlungen verfolgt werden, schweigt der Qualitätsjournalismus. Und mehr noch: Selbst der Sueddeutschen ist es nicht zu blöd, unter dem Banner “Bundestag verlängert Antiterrorkampf” den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan zu bewerben. Keinerlei kritsiche Distanz zu einem Slogan, der vorn und hinten nicht zu einer komplexen militärischen Operation paßt. Eine Operation, die noch vor einigen Jahren unter deutscher Beteiligung undenkbar gewesen wäre. Die Frage aufzuwerfen, inwieweit solche Operationen Terror eher fördern denn verhindern, wird nicht gestellt.
Sehr müde macht mich das: Die Erkenntnis, daß Politik sich zunehmend der Öffentlichkeit entzieht, daß in Zeiten brisanter politischer Entwicklungen in den Medien “Business as usual” stattfindet. Es werden Häppchen serviert. “Guten Abend, das Wetter”.
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Politik[2] Comments 11. Nov 2007 15:30
Noch einmal ist mir das “Lexikon” (ein Etikettenschwindel, handelt es sich doch vielmehr um ein Gebetbuch) der INSM Quell der Inspiration gewesen, nachdem ich dort bereits das hohe Grundrecht auf Privateigentum vorfand. Die INSM und der von ihr gepriesene “Liberalismus” zeichnen sich aus durch eine Verschmelzung der Grundrechte, insbesondere der “Freiheit”, mit dem Privateigentum:
Eine unabdingbare Voraussetzung der Freiheit ist das Vorhandensein von persönlichem Eigentum.
Dies muß man wohl so hinnehmen, allerdings leitet sich diese Überzeugung von nichts ab. Sie ist das Axiom dieser Form von “Liberalismus”. Historisch betrachtet ist das natürlich Unsinn. Im Gegenteil wurde Unfreiheit als asymmetrische Verteilung von Macht durch Aneignung enorm forciert. Daß der “Absolutismus”, von dem die INSM ihren Freiheitsgedanken abgrenzt, Produkt des durch Aneignung entstandenen Feudalismus ist, wird geflissentlich verschwiegen. Überhaupt erscheint die Fundierung eines Freiheitsbegriffs gegen den Absolutismus nicht gerade modern.
Die Freiheit des INSM kann aber noch mehr, obwohl sie sich offenbar auf Eigentumsfragen reduziert:
“Dank der Umsetzung des Prinzips der Freiheit im ökonomischen Bereich (Wettbewerb) hat sich der Wohlstand der Menschen in vielen Ländern der Erde ständig erhöht“. Freiheit aus Eigentum, Wohlstand aus Freiheit, Eigentum aus Wohlstand? Ein Perpetuum Mobile, wie es scheint. “Wohlstand der Menschen” ist ein weites Feld. Die Frage ist doch immer, welcher Menschen. Diese Frage wird in Rhetorik erstickt:
“Davon unberührt bleibt zunächst die Art der Verteilung des Eigentums, auch wenn die konkrete Eigentumsverteilung in einer Gesellschaft häufig Gegenstand von Kritik und Diskussionen ist.”
Gegenstand der Diskussion? Gerade, wenn Freiheit sich vom Vorhandensein persönlichen Eigentums ableitet, ist hier der entscheidende Punkt. Hierin unterscheiden sich demnach nämlich die Freien von den Unfreien. Jeder zweite Deutsche ist demnach unfrei. Das wiederum liegt nicht zuletzt daran, daß es nicht die “Freiheit” ist, die für “Wohlstand” sorgt im Sinne einer höheren Produktivität, sondern der vor allem technische Fortschritt. Von diesem profititieren aber nur wenige, diejenigen nämlich, die Produktionsanlagen zu ihrem “Eigentum” zählen.
Recht spannend wird es aber, wenn man die Freiheit unterhalb des Eigentums betrachtet. Die Möglichkeit zu leben, ohne sich unmittelbarem Zwang ausgesetzt zu fühlen. Hier sind die Neoliberalen äußerst empfindlich und betrachten jeden Eingriff des Staates in die Geschäftssphäre als Zwang. Weniger empfindlich sind sie hingegen, wenn es um die wirtschaftlich ohnehin Unfreien geht. Ihnen sei es zuzumuten, um ihre nackte Existenz zu sichern, jede Arbeit aufzunehmen, die sie erledigen können. Hier ist der Schlagbaum dieser Form von “Marktwirtschaft”: Die Beschäftigungsverhältnisse sollen nicht frei ausgehandelt werden, weil man den Unfreien nicht zubilligt, ein Angebot abzulehnen. Hier ist keine Nachfrage erwünscht, sondern Rekrutierung auf Anfrage. Daß das so bleibt, dafür sorgt die fehlende Durchlässigkeit von unten nach oben. Wer kein Eigentum hat, hat kaum Chancen, welches zu erwerben. Derweil können die Freien immer besser von ihren Zinsen leben.
Warum also fordert die INSM als Kämpferin für die Freiheit nicht mehr Eigentum für die Unfreien?
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PolitikKommentare deaktiviert 11. Nov 2007 0:40
Während der Bundestag das unsägliche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet hat, wird im Hintergrund weiter der Hammer geschwungen. Heribert Prantl weist auf die Folgen des Gesetzes für die Pressefreiheit hin.
Kai Raven berichtet über Schäubles Pläne einer Abhörzentrale beim Bundesverwaltungsgericht. In der zu erwartenden Praxis bedeutet dieser Plan, daß eine richterliche Genehmigung für Abhöraktionen jedweder Art keine Hürde mehr wäre, sondern routiniertes Abnicken im Minutentakt.
Jan Schejbal berichtet vom heimlichen Austausch von Briefen an eine Redaktion. Ein Horrorszenario. Nicht nur, daß man dadurch Journalisten gezielt von Informationen abschneiden oder ihnen Fehlinformationen unterjubeln kann, schlimmer noch: Derart können beliebig Beweismittel gefälscht werden.
Der Staat rüstet auf gegen seine Bürger und hat eines damit bereits geschafft: Kritische Menschen haben jedes Vertrauen in die Sicherheitsorgane verloren. Kein Terrornetzwerk hätte einen solchen Erfolg je für sich verbuchen können.
Dazu paßt das unfaßbare dumme Wort von Siegfried Kauder (nicht zu verwechseln mit dem gleichermaßen schmerzfreien Volker Kauder) im Deutschen Bundestag: “Wir wollen den gläsernen Verbrecher“. Dies nämlich verstößt selbst dann gegen die Verfassung, wenn man es ohne Kollateralschäden bewerkstelligen könnte. Das Zeugnisverweigerungsrecht verbietet es dem Staat, selbst Kriminelle beliebig abzuschöpfen. Ganz abgesehen davon, daß dieser schreckliche Jurist wie seine Gesinnungsgenossen permanent auf die Unterscheidung zwischen Verdächtigen, Angeklagten und Verurteilten verzichtet. In ihrer Terrorhysterie sehen diese Verfolgungswahnsinnigen tatsächlich nicht, daß sie, ohne es zu wollen, eine Diktatur vorbereiten.
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PolitikKommentare deaktiviert 09. Nov 2007 12:54
Die TAZ zitiert den Amokminister im Innenressort:
Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten
Bislang hielt ich Schäuble für einen Kriminellen, der als Verfassungsfeind höchst effektiv gegen die Grundrechte operiert. Wenn er allerdings schon solche Worte gebraucht, muß man mutmaßen, daß er den Verstand verloren hat.
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WirtschaftKommentare deaktiviert 09. Nov 2007 12:29

Der Streik der GdL und die Reaktion der BahnAG nehmen Züge an, die keiner mehr bestreiken muß, um die Vernunft lahmzulegen. Ich habe mich lange nicht zur GdL geäußert, auch, weil ich es unterstützenswert finde, daß sich eine Gewerkschaft endlich nicht mehr mit Almosen abspeisen läßt. Was sich aber immer deutlicher zeigt, ist das unsolidarische, unprofessionelle und kontraproduktive Gestümper einer Riege planloser Angeber.
GdL-Lautsprecher Schell, von dem ich bis heute nichts als Plattitüden gehört habe, spielt der Bahn vortrefflich in die Karten. Wenn Mehdorn jetzt die Einrichtung einer “Lokführer-Servicegesellschaft” ankündigt, ist damit das Ende der GdL schon beinahe besiegelt. Es muß ein irrsinniges Gefühl sein, mit einer kleinen Gruppe mittlerer Angestellter die Republik auf den Kopf zu stellen. Mit solchen Aktionen kann man einiges bewegen, aber einiges war den Lokführern nicht genug. Sie haben alles falsch gemacht: Keine Absprache mit der Transnet und der GDBA, kein Konzept für Gespräche mit Mehdorn, keine realistischen Forderungen und schließlich die völlige Fehleinschätzung des Kräfteverhältnisses. Hat Schell denn nicht eine Minute darüber nachgedacht, warum andere, echte Gewerkschafter so auf den Flächentarif pochen? Hat er geglaubt, es wäre wirklich eine Alternative, eigene Verträge für einzelne Berufsgruppen mit solchen Mitteln zu erstreiten? Hat er geglaubt, die Lokführer könnten die Bahn AG ganz allein umkrempeln?
Das “naiv” zu nennen, ist die freundliche Variante.
Wenn jetzt die Transnet an der GdL vorbei streikt, können wir passend zur Jahreszeit die Narrenkappen aufsetzen. Jeder gegen jeden, und alle gegen die Kunden.
Das ist vor allem ein Verdienst des kongenialen Bahnchefs Mehdorn, der von Anfang an kein Interesse gezeigt hat, sich mit der GdL zu einigen. Daß auch ein Arbeitgeber nichts davon hat, wenn er die Gewerkschaften entzweit, muß er experimentell lernen. Ein klügerer Mann an seiner Stelle hätte das vorher gewußt und Schlimmeres verhindert. Aber scheinbar ist die Verachtung gegen Arbeitnehmer Bedingung für die Mitgliedschaft im Vorstand. Sollte Mehdorn kein heimlicher Gegner des Börsengangs sein, ist er die denkbar peinlichste Witzfigur, die man in ein solches Rennen schicken kann.
Der einzige Ausgang aus dem selbstverschuldeten Desaster bei der Bahn wäre ein Rücktritt der Protagonisten. Geht nach Hause und überlaßt den Job Leuten, die es können!
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PolitikKommentare deaktiviert 09. Nov 2007 0:18
Nachdem die Vorzeigedemokratie USA den Verbündeten in Pakistan aufgefordert hat, “dass er die Demokratie wiederherstellt“, hat Musharraf das gleich eingesehen und Wahlen angekündigt. Aus erfahrenen Kreisen heißt es, Jeb Bush habe ihn angerufen und deutlich machen können, daß man durchaus demokratisch regieren kann, ohne eine Wahl zu gewinnen. Sein Bruder George legte überzeugend dar, daß es druchaus demokratsich sein kann, auf die Anwendung von Grundrechten zu verzichten. Zu einer solchen Demokratie konnte sich der General sofort bekennen.
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