Vordergründig handelt der Artikel der SZ von bayrischen Beamten. Beeidruckend ist allerdings nur die Beschreibung der Nöte vor allem junger Polizisten. Lehrern geht es nicht nur ungleich besser, es ist auch ein Witz, daß sie noch immer verbeamtet werden. Was ein Polizeibeamter verdient, reicht oft nicht einmal zum Leben. Was ihm abverlangt wird, ist hingegen oft mehr als in anderen Berufen, und außerdem muß man von Polizisten erwarten, daß sie in besonderem Maße dienstbeflissen sind. Was tun gerade diejenigen dafür, die in puncto “Sicherheit” so gern die Hose anschwellen lassen? Der zuständige Innenminister und bald zuständige Ministerpräsident Beckstein etwa, der gern alles verbieten und verfolgen läßt, läßt seine Verfolger elend im Regen stehen. Der Staatshaushalt soll schlank bleiben, und da spart man an allem, also auch am Sold der Polizisten. Dieser Widerspruch zwischen Ideologie und politischer Praxis ist für sich bereits skandalös. Es wird noch schlimmer, wenn man die Folgen bedenkt:
Wer strebt einen Job an, der so mies bezahlt wird und derart fordert? Was bietet der Beruf an Gewinn? Welche Mentalität entwickeln Menschen unter solchen Umständen? Talent und hohe Qualifikation zieht man so nicht an. Die Gefahr, daß der Reiz der Macht, den die Uniform verleiht, viele anlockt, ist immens. Und schließlich wird die Gemeinschaft der Frustrierten, Harten und Uniformächtigen nachgerade zum Corpsgeist provoziert. Überdies ist die Bezahlung eine Aufforderung zur Korruption.
Aber nicht nur die Verlogenheit konservativer Ideologie wird hier sichtbar, sondern ebenso die des neoliberalen Zeitgeists, der gern unheilige Koalitionen damit eingeht. So sieht ein schlanker Staat aus. Dieselben Sparfüchse aber, die solche Zustände prickelnd finden, weil sie Steuern sparen, haben andererseits kein Problem damit, diese Beamten für ihre Sicherheitsbedürfnisse auszubeuten. Sei es die Villa, der Castor oder der Kongreß, man kann den Bullenpleb meist gratis bestellen, damit er sich draußen die Nacht um die Ohren haut, während drinnen Party ist.
Schließlich, und das macht es wahrlich nicht besser, ist die Alternative zur Polizei, die so langfristig nicht zuverlässig genug sein dürfte, der private Sicherheitsdienst. In manchen Städten der Welt haben solche längst die Gewalt übernommen. Vor allen dort, wo der Staat besonders schlank oder besonders korrupt ist – oder eben beides. Mit einem demokratischen Rechtssystem haben weder reaktionäre Sicherheitspolitik noch neoliberales Staatsverständnis etwas zu tun. Die Kombination aus beidem ist eine Katastrophe.