Kultur


Nichts wirklich Neues ergeben neuere Untersuchungen zum deutschen Schulunterricht, aber sie bestätigen, inzwischen nachhaltig, daß eine Kultur verknöcherten Paukens Lernerfolge verhindert. Ein Typus Lehrer bestimmt nach wie vor das Bild, der das Recht gepachtet hat, selbst nichts lernen muß und auch dann noch auftrumpft, wenn er nachgewiesenermaßen keine Ahnung hat. Dann “ist das halt so”, qua Amt, kraft ihrer gottgleichen Macht, weil der da vorn eben das Sagen hat und die anderen das Nachsehen. Dieser wichtige Baustein des hiesigen Bildungsdesasters, die Arroganz gerade der unfähigsten Lehrer, birgt das Potenzial für echte Katastrophen. Daß man von ihnen schlecht bis gar nicht lernt, ist oft nur der Kollateralschaden. Der Autoritätsverlust, der mit diesem Gebaren einhergeht, koppelt zuerst diejenigen ab, die man am dringendsten erreichen müßte. Weil sie sich sonst aufgeben oder “zurückschlagen”. Diesen Zusammenhang stellen die betreffenden Klassenkämpfer allerdings zuallerletzt her.

Der als investigativ und ausgewogen bekannte Journalismus einer Zeitung mit 4 Buchstaben hat einen Stein ins Rollen gebracht. Die Reflexe der üblichen Verdächtigen wurden ausgelöst, es fallen Vokabeln wie “Entsetzen” und “schockiert”, was die Restjournaille wiederum artig zitiert. Ein Hauch von Abu-Ghuraib weht über dem Land, vielleicht schaffen wir es ja endlich, irgendwie, doch noch, Ziel der Terrormuslime zu werden.
Mal ehrlich: Die Geschmacklosigleit der Bundeswehrsoldaten in allen Ehren, aber eine Leichenschändung stelle ich mir anders vor. Das Klientel, das da um eine empörte Reaktion angebettelt wird, die Empörmuslime und Aufregaraber, kennen andere Dimensionen der Leichenschändung. Da macht es nur richtig Spaß, wenn die Leichen frisch sind, die Gesichter noch erkennbar, und dann schleift man sie durch die Straßen, bis man sie eben nicht mehr erkennt. Der Pöbel, der das beklatscht, wird der erste sein, der sich über die Nummer mit dem Schädel wirklich echauffiert. Ist es akzeptabler Journalismus, mit diesen Reflexen zu spielen und Auflage zu machen?
Die pietätlosen Kameraden müssen zurechtgewiesen werden, sicher. Es muß den Soldaten in den noch lebenden Schädel gehämmert werden, daß so etwas nicht geht, weil es immer Geier geben wird wie die mit den vier Buchstaben, die einen Staatsakt daraus machen.
Sollte der Vorgang als solcher aber derart verwerflich sein wie die Trommelschläger das dieser Tage verkaufen, muß sofort der Hamlet von allen Bühnen dieser Welt verschwinden.

Die Sueddeutsche beklagt sich zurecht über die Mißachtung der Geisteswissenschaften im Zusammenhang mit der Förderung nur so genannter “Eliteuniversitäten”. Sie stellt zurecht fest, daß Geld und ein bißchen Lametta keinen Weltrang begründen und die Kriterien für die Benennung im Grunde nur von Naturwissenschaften erfüllt werden können.
Was allerdings fehlt, ist der Hinweis auf die redliche Mühe, die die Geisteswissenschaften sich dabei geben, diese Behandlung genau so zu verdienen. Dabei findet sich der entlarvende Satz schon im Lamento: “Nahezu alle großen Leistungen der Geisteswissenschaft sind aber nun einmal aus der Individualforschung und nicht aus “cluster meetings” hervorgegangen.” Genau dieser Umstand weist nämlich auf eine Unfähigkeit zur Entwicklung hin, die hausgemacht ist. Die hierarchisch organisierte Ordinariatsuniversität kann in den Naturwissenschaften nur deshalb noch funktionieren, weil sie zur Vernetzung gezwungen ist, und zwar mit völlig divergenten Organisationsstrukturen. Einzig die preußische Geisteswissenschaft glaubt, es sich leisten zu können, eine Hand voll Professoren, die untereinander schon zu kaum einer Kooperation bereit sind, über ein Heer von Abhängigen nach belieben regieren zu lassen. Die hervorragendsten Eigenschaften, mit denen sich jemand in dieser Welt durchsetzt, sind Mißgunst, Duckmäusertum und Eifersucht. Innovation ist an den Philosophischen Fakultäten ein Unfall, der häufig nur begrenzte Wirkung zeitigt, weil man solche Vorkommnisse und ihre Urheber meist noch loswird, ehe sie einen relevanten Schaden anrichten können. Was übrig bleibt, ist eine sich selbst verwaltende Kaste von eitlen Langeweilern, deren Selbstwahrnehmung nur im äußersten Notfall noch durch Fremdwahrnehmung beeinflußt wird. Wer dagegen jetzt glorreiche Ausnahmen in Stellung bringt, sei daran erinnert, daß hier die Rede von der Organisation sogenannter Wissenschaften die Rede ist. Nein, es wäre an Torheit nicht zu überbieten, wenn irgend eine deutsche Hochschule für die Leistung ihrer Geisteswissenschaftler auch noch ausgezeichnet würde.

“Intelligenten” und “innnovativen” Journalismus bescheinigen sich Financial Times Deutschland und der Verlag Gruner+Jahr selbst. Es geht aber nicht etwa um investigativen oder visionären Wirtschaftsjournalismus, sondern um Strategien zur Lösung eines der wichtigsten Probleme der Menschheit: Wie die Leute, die vor Geld nicht mehr laufen können, ihre Kohle loswerden sollen. “How to spend it” heißt das “Luxus-Magazin” der FTD, und es biedert sich den Geldsäcken an, daß man ohne Anlauf mitgleiten kann. Betont wird in der Eigenwerbung vor allem, daß HTSI mit (großformatigen) “Hochglanzseiten” aufwartet. Innovativ! Wie haarsträubend intelligent der Journalismus ist, erkennt man schon an den knallhart recherchierten Hintergrundinformationen über die Leserschaft, die “Top-Verdiener Deutschlands“: “Sie agieren international, haben einen erlesenen Geschmack und aufwendige Freizeitinteressen.” Aha. Sicher klettern sie, um ein Buch zu lesen, kopfüber die Wand hoch, treiben es nur in rotierenden Wasserbetten und gehen jeden Morgen mit einem Rudel Hyänen spazieren. Aufwendig! Ihr Geschmack ist ganz selbstverständlich “erlesen”, denn Geld kann Kultur kaufen, und wer viel davon hat, hat viel davon – Noblesse oblige!
Schwamm drüber – daß niemand so etwas braucht, daß es schon Jahre früher eine englische Ausgabe gab, daß das gedruckte Gesülze innovativ ist wie der Neoliberalismus und intelligent wie Paris Hilton. Denn es ist herrlich obszön. Am besten gefällt mir das Titelbild mit dem Kopf von der Schwarzafrikanerin und den Wahnsinnsbrillis. Diese wunderbare Allegorie der Vergänglichkeit! Während der Schmuck für die Ewigkeit geschaffen wurde, ist die Dame womöglich schön während des Shootings verhungert.

Die TAZ fragt, ob es Armut gäbe in Deutschland und kommt zu einigen interessanten Antworten, unter anderen der, daß “die große Mehrheit der Journalisten [...] ausschließlich Freunde [hat], die auch Journalisten sind“. Deshalb erfahren wir also von den Arbeitslosen nur, wie sie sind (faul, überflüssig, wertlos) und nicht, wie es ihnen geht.
Reichtum, so stellt die ZEIT fest, gibt es hingegen durchaus, zum Beispiel bei den Beckhams. Victoria, Gönnerin ihrerselbst, versuche, sich selbst zur Marke zu machen. Niemand weiß, wofür oder was die Dame überhaupt je geleistet hat, aber das will auch gar niemand wissen. Niemand neidet es den Beckhams, daß sie strunzdumm und meist unmotiviert sind und es trotzdem zu etwas gebracht haben. Im Gegenteil: “Die Beckhams sind die neue Königsfamilie der britischen working class“. Da sind die Briten wie die Deutschen: Die neue “working class”, eigentlich “unemployed class”, hat die soziale Ungerechtigkeit bereits derart verinnerlicht, daß sie psyschich davon lebt. Es ist geil, daß es pervers Reiche und abartig Arme gibt, denn nur so kann man davon träumen, die Seiten zu wechseln. Wenn einer aus dem White Trash, ungebildet, tölpelhaft und allseits desorientiert, die große Karriere macht, wenn eine magersüchtige Zippe nicht nur für ihren mittelmäßigen Gesang, sondern am Ende für jeden Furz, den sie läßt, die Millionen um die Ohren gehauen bekommt, das ist es, was das Leben lebenswert macht. Wenn die beiden dann noch kund und zu wissen geben, die Dame des Hauses wünsche sich “endlich ein Mädchen, zur Not adoptiert. Einen Namen
hat sie auch schon: Namulinda. Das heißt in einer afrikanischen Stammessprache Prinzessin
“, dann schließt sich der Kreis. Während die Neger aussterben, weil es kein Wasser gibt, lebt ihre schöne Sprache weiter – im Kinderzimmer der Beckhams. Und das Volk jubelt der Prinzessin zu.

Verantwortlicher Journalismus berichtet – und produziert die Nachrichten nicht selbst. Im Fall Ratzinger gegen die Muslime heißt das: Ratzinger ist real, “die Muslime” sind es nicht, und es gibt schon gar keine Reaktionen “der Muslime” auf den Vortrag des Papstes. Was da gequatscht wird, bezieht sich auf die Kameras und die Mikrophone, die dem Pöbel gereicht werden und hat nichts zu tun mit einem Beitrag zum innerchristlichen Diskurs. Es steht dabei auch nicht zur Debatte, ob jemand Schriften aus dem Spätmittelalter zitieren darf. Es steht auch nicht zur Debatte, ob jemand “beleidigt” ist. Die da krakelen, sind eh immer beleidigt, das darf uns aber nicht interessieren. So lange die christlich geprägten Kulturen noch meilenweit von dem Nihilismus gerade derjenigen enfernt sind, die Menschen anderer Kulturen als so minderwertig betrachten, daß man sie töten darf, will ich das Wort “beleidigt” nicht lesen. Ich will keinen Pöbel im Fernsehen sehen. Ich will keine aufgeregten Kommentare und Relativierungen lesen. Dieser Schwachsinn ist keiner Reaktion Wert, geschweige denn der ewigen Anstachelung durch westliche “Journalisten”. Gebt Ruhe!

Die Süddeutsche hat in ihrer gestrigen Ausgabe einige sophistische Phrasen von Herrn Ratzinger nachgebetet. Dem unbedarften Leser kann schwindlig werden von den verzopften Thesen um Religion und Vernunft, die da aufgereiht werden. Der Schreiber läßt seine Leser damit allein.
Es ist ärgerlich, denn so einen spätmittelalterlichen Unfug zu sezieren macht keinen Spaß, und es ist eine Widerlegung von “Thesen” umso schwieriger, je wirrer diese sind. Soweit es um die Aufhebung von Religion in Vernunft geht, empfehle ich dem Herrm Papst Webers “Wirtschaft und Gesellschaft”, wenn er’s hart braucht, auch “Dialektik der Aufklärung”. Die monotheistische Religion ist eine Phase der Kulturentwicklung, nicht mehr und nicht weniger. Es ist also blanker Unsinn, darüber zu fabulieren, wie Vernunft ohne Religion aussähe oder umgekehrt.
Der Passus über Religion und Ethos läßt mich vermuten, daß der Autor bei seiner Zusammenfassung sich selbst nicht mehr folgen kann. Sei’s drum, die zentrale Aussage: “Was an ethischen Versuchen von den Regeln der Evolution oder von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht nicht aus” trifft de Kern der Sache. Althergebrachtes Ommomm kann dem nämlich noch weniger abhelfen, und es ist übrigens eine Dummheit, die großen asiatischen Religionen zu unterschlagen, die sich nicht auf den einen Gott berufen.
Die Frage ist also: Wie kann eine postmoderne Ethik entstehen, die fest auf dem Boden der Wirklichkeit(en) steht? Ist eine Form tätiger Fürsorge denkbar, die verbindende ethische Prozesse ermöglicht? Im Mittelpunkt einer solchen Religiosität steht dann kein jenseitiges Wesen mehr, sondern der Mensch in all seinen Facetten. Ziemlich dumm, daß die großen monotheistischen Religionsgemeinschaften kein Interesse an einer solchen Entwicklung haben, denn es würde ihr Ende bedeuten.

Einen “Flatterflink” gibt es gar nicht! Fast ein Jahr lang konnte ein Blogger die Gemeinde hinters Licht führen. Jetzt aber hat er sich selbt enttarnt, als er nach einem Gang zur Meldebehörde in seinen neuen Ausweis schaute und seinen wahren Namen las.
So ungefähr liest sich die Story vom lonelygirl15, die einmal mehr die Frage aufkommen läßt, ob das ganze Getue vom “Web 2.0″ und dem Drumherum irgendeine Substanz hat. Es ist ein großes kommunikatives Bällchenbad, und die sich darin lümmeln, haben in der Regel nicht einmal etwas zu brabbeln. Das liegt in der Natur der Sache, heißt es doch nicht zufällig: “Vox populi, vox Rindvieh”. Wenn dann, wie in diesen Zeiten üblich, der sinnfreie Personenkult allgemeiner Selbstzweck ist, darf es eigentlich niemanden wundern, wenn die Stars der öffentlichen Privatsphäre aus der Retorte kommen – Profis können das eben besser.
Nachdem also eine dicke Seifenblase geplatzt ist und die enttäuschte Web-Gemeinde sich das Pril aus den Augen gewischt hat, könnte sie ja zu einer Erkenntnis kommen: Daß nämlich relevante Inhalte der einzige Schutz gegen die Okupation durch PR-Agenten ist. Dafür allerdings müßte man etwas zu sagen haben.

Was will er denn noch? Gleichgültigkeit gegenüber Gott moniert der Papst. Gibt es noch nicht genug Irre, die mordend und brandstiftend durch die Weltgeschichte marschieren und sich dabei auf den großen Ommomm in irgendeinem Himmel berufen? Oder meint er vielleicht den katholischen Gott?
Aber im ernst: Ist es Aufgabe eines Nachrichtenmagazins, das Gequatsche losgelassener Mystiker unkommentiert zu verbreiten? Oder ist es nicht vielmehr Aufgabe der Journalisten, dazu beizutragen, daß die fatale Spekulation “Gott” dahin zurückgewiesen wird, woher sie kommt?
Hui Buh!

Ich kann es nicht hören. Da gerät man glatt in die Gefahr, Altrocker wie Grönemeier und Westernhagen in Schutz zu nehmen. Was der gut deutsche Schlager noch nicht in Gel ersäuft hat, wird dieser Tage von deutschen Mädchen beiderlei Geschlechts in die Mikrophone gehaucht, umspült von 98% abbaubaren Gitarrenriffs in Lenor, durchsetzt vom Odem erbrochener Metaphern und Freßdichlyrik kaum gebändigter Psychotiker. Dieser Sentimentbrei wird nur noch überboten vom Primatensprechgesang junger Teutonen, die sich national und aggressiv geben, geläutert sicher, denn gestern ist ja nicht heute, von daher alles im Grünen Bereich.
Exportschlager sind das alles nicht, wenn auch damit gerechnet werden muß, daß der Bundeswehrsoldat demnächst vor Haifa liegt und die Anlage aufdreht. Dann muß man darauf hoffen, daß wenigstens nur die Borderliner von “Rosenstolz” zu Gehör gebracht werden und nicht die Kreatur, die sich “Fler” nennt und mit den Zeilen “Das ist Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz“ sein Schwänzchen und starke deutsche Männer besingt.

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