Die Süddeutsche hat in ihrer gestrigen Ausgabe einige sophistische Phrasen von Herrn Ratzinger nachgebetet. Dem unbedarften Leser kann schwindlig werden von den verzopften Thesen um Religion und Vernunft, die da aufgereiht werden. Der Schreiber läßt seine Leser damit allein.
Es ist ärgerlich, denn so einen spätmittelalterlichen Unfug zu sezieren macht keinen Spaß, und es ist eine Widerlegung von “Thesen” umso schwieriger, je wirrer diese sind. Soweit es um die Aufhebung von Religion in Vernunft geht, empfehle ich dem Herrm Papst Webers “Wirtschaft und Gesellschaft”, wenn er’s hart braucht, auch “Dialektik der Aufklärung”. Die monotheistische Religion ist eine Phase der Kulturentwicklung, nicht mehr und nicht weniger. Es ist also blanker Unsinn, darüber zu fabulieren, wie Vernunft ohne Religion aussähe oder umgekehrt.
Der Passus über Religion und Ethos läßt mich vermuten, daß der Autor bei seiner Zusammenfassung sich selbst nicht mehr folgen kann. Sei’s drum, die zentrale Aussage: “Was an ethischen Versuchen von den Regeln der Evolution oder von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht nicht aus” trifft de Kern der Sache. Althergebrachtes Ommomm kann dem nämlich noch weniger abhelfen, und es ist übrigens eine Dummheit, die großen asiatischen Religionen zu unterschlagen, die sich nicht auf den einen Gott berufen.
Die Frage ist also: Wie kann eine postmoderne Ethik entstehen, die fest auf dem Boden der Wirklichkeit(en) steht? Ist eine Form tätiger Fürsorge denkbar, die verbindende ethische Prozesse ermöglicht? Im Mittelpunkt einer solchen Religiosität steht dann kein jenseitiges Wesen mehr, sondern der Mensch in all seinen Facetten. Ziemlich dumm, daß die großen monotheistischen Religionsgemeinschaften kein Interesse an einer solchen Entwicklung haben, denn es würde ihr Ende bedeuten.