Die selbstverschuldete Unmündigkeit der Geisteswissenschaften
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23. Okt 2006 22:17
Die Sueddeutsche beklagt sich zurecht über die Mißachtung der Geisteswissenschaften im Zusammenhang mit der Förderung nur so genannter “Eliteuniversitäten”. Sie stellt zurecht fest, daß Geld und ein bißchen Lametta keinen Weltrang begründen und die Kriterien für die Benennung im Grunde nur von Naturwissenschaften erfüllt werden können.
Was allerdings fehlt, ist der Hinweis auf die redliche Mühe, die die Geisteswissenschaften sich dabei geben, diese Behandlung genau so zu verdienen. Dabei findet sich der entlarvende Satz schon im Lamento: “Nahezu alle großen Leistungen der Geisteswissenschaft sind aber nun einmal aus der Individualforschung und nicht aus “cluster meetings” hervorgegangen.” Genau dieser Umstand weist nämlich auf eine Unfähigkeit zur Entwicklung hin, die hausgemacht ist. Die hierarchisch organisierte Ordinariatsuniversität kann in den Naturwissenschaften nur deshalb noch funktionieren, weil sie zur Vernetzung gezwungen ist, und zwar mit völlig divergenten Organisationsstrukturen. Einzig die preußische Geisteswissenschaft glaubt, es sich leisten zu können, eine Hand voll Professoren, die untereinander schon zu kaum einer Kooperation bereit sind, über ein Heer von Abhängigen nach belieben regieren zu lassen. Die hervorragendsten Eigenschaften, mit denen sich jemand in dieser Welt durchsetzt, sind Mißgunst, Duckmäusertum und Eifersucht. Innovation ist an den Philosophischen Fakultäten ein Unfall, der häufig nur begrenzte Wirkung zeitigt, weil man solche Vorkommnisse und ihre Urheber meist noch loswird, ehe sie einen relevanten Schaden anrichten können. Was übrig bleibt, ist eine sich selbst verwaltende Kaste von eitlen Langeweilern, deren Selbstwahrnehmung nur im äußersten Notfall noch durch Fremdwahrnehmung beeinflußt wird. Wer dagegen jetzt glorreiche Ausnahmen in Stellung bringt, sei daran erinnert, daß hier die Rede von der Organisation sogenannter Wissenschaften die Rede ist. Nein, es wäre an Torheit nicht zu überbieten, wenn irgend eine deutsche Hochschule für die Leistung ihrer Geisteswissenschaftler auch noch ausgezeichnet würde.