Wirtschaft


Die FTD und das Fachmagazin “Werben & Verkaufen” haben sich etwas Tolles ausgedacht: Eine supi Kreativattacke gegen die Schwarzmaler! Wer nur die Erbsenhirne der Elite im Blick hat, die unsere Bananerepublik führen, sieht nämlich nicht die “99%” weißen Schafe. Daß die nix zu blöken haben, muß ja die bekoksten Werber nicht stören. Schon 99% der Deutschen waren keine Nazis, und sind heute 99% ehrlich. Wie man da jetzt die ganzen Sozialschmarotzer rausrechnet, wird leider nicht erklärt, aber Mathematik ist halt nicht Jedermanns Sache. Immerhin: Wenn es dem Image der Großen dient, sind auch die faulen Arbeitslosen plötzlich “sauber”.
Ein Ruck geht durch die Republik, wenn Werber und Wirtschaft sich zusammentun. Korruption, Ausbeutung, Rechtsbeugung, Klüngel, Ignoranz, Diskriminierung und Bereicherung sind eigentlich kein Problem. Es gibt halt nur ein paar schwarze Schafe, die furchtbar unmoralisch handeln. Unter dem Druck der Kampgane der Ehrlichen werden diese aber ganz schnell geläutert werden, und man wird wieder sehen, daß das Gemeinwohl allen am Herzen liegt. Von Springer über Bertelsmann und der INSM bis hin zur Deutschen Bank und Siemens stehen die Bataillone der Aufrichtigkeit parat, um Tag und Nacht für unser aller Wohlergehen zu kämpfen.
Der Ruck ist da! Selbst der stets so ungerecht geschmähte Jo Ackermann wird nicht müde, für Moral einzutreten:
Wir sind entschlossen, unser Haus selbst sauber zu machen und es nicht den Regulierern zu überlassen, das für uns zu tun.
Banken wollen Aufsicht zuvorkommen” ist die Überschrift der FTD. Ich bin gerührt, und doch schüttelt’s mich. Eine peinliche Panne, die Moraloffensive so zu annoncieren. Da könnten den 99% doch schnell der Verdacht kommen, hier wolle jemand unbeaufisichtigt, quasi im Dunkeln, operieren. Aber alles wird gut, denn:
Bis zu 20 Manager und Experten der Finanzindustrie sollen die Branche auf Schwachstellen und Entwicklungen hinweisen, die das System gefährden können.
Noch so ein Fauxpas: “Bis zu 20″ könnte doch auch einer sein. “Manager” ist eine Bezeichnung, die Mißtrauen erwecken könnte, und “Experten” ist nicht wirklich ein geschützter Beruf, selbst wenn “Terrorismusexperten” wie Udo Ulfkotte uns in unsicheren Zeiten großes Vertrauen einflößen. Es werden sicher mindestens 20 sein, da bin ich zuversichtlich. 20 Experten und Manager sind mehr als genug, um die Korruption in Finanzsystem und Politik in den Griff zu kriegen.
Wenn “das System” gefährdet ist, muß natürlich etwas getan werden. “Das System” meint übrigens nicht die Bundesrepublik, sondern “die Branche”. Böse Zungen aus der Fraktion der 99% Weißen weisen darauf hin, daß Demokratie sich systemgefährend auswirken könnte. Darin sind sie sich mit dem übrigen Prozent auch völlig einig. Ergo: Deutschland ist weiß, sauber und gut. Endlich sagt es uns auch jemand, wo doch die Massenmedien ständig in hysterische Systemkritik verfallen.
Sobald meine Zweifel bezüglich dieses Umstandes endlich beseitigt sind, werde ich mein lästerliches Blog schließen. Ich sehe es schon vor meinem geistigen Auge, wie meine Hände von der Tastatur abgleiten, höherer Einsicht folgend. My cold, dead hands.

Wie soll man Gewerkschaften kaufen, wenn die Beschäftigten genug in der Tasche haben? Das könnte doch kein Betrieb mehr bezahlen!

“Vollbeschäftigung” verspricht uns der Glos Michel dieser Tage. Der Arbeitgeber-Hundt assistiert ihm und stellt fest: Immer brav auf Agenda-Kurs bleiben, dann wird das schon. Bernd Rürup, Merkels treuer Hausökonom, findet das auch alles gut und klatscht ebenfalls Beifall. Am liebsten hätten sie es mit niedrigen Löhnen und Steuern.
Beim WDR hat heute Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Bremen, seine Meinung zu Michels Glaubensbekenntnis kundgetan. Leider ist sie nicht auffindbar dokumentiert. Hickel stellte zunächst einmal frech die Frage, was denn “Vollbeschäftigung” sei. Wenn damit gemeint sei, daß jeder irgend einen Job machen solle, von dem er dann aber nicht unbedingt leben kann, dann sei das möglich. Genau dies scheint Herr Rürup zu meinen, wenn er von der “Weiterentwicklung des Arbeitslosengelds II zu einem wirksamen Kombilohnmodell” spricht. Ohne das Faß aufzumachen, was ein solches Model für den “ersten” Arbeitsmarkt” bedeutet, darf man ja schon mal fragen, was denn erstrebenswert ist an dieser “Vollbeschäftigung”. Es gibt schon heute Millionen Jobs, die zum Leben nicht ausreichen. Das heißt: Menschen gehen arbeiten, zum Teil sogar in Vollzeit, und der Staat muß dennoch einen beträchtlichen Teil ihres Lebensunterhaltes finanzieren. Sie stehen also als Niedrigststlohnkräfte ihren Arbeitgebern zur Verfügung, und damit das funktioniert, zahlt der Staat. Derselbe Staat, der möglichst wenig Steuern erheben soll. Interessanter Ansatz.
Hickel erklärte weiterhin, daß die andere Variante der “Vollbeschäftigung” völlig unrealistisch sei. Vollbeschäftigung sei daher überhaupt nicht erstrebenswert, es komme vielmehr darauf an, möglichst viele Stellen zu schaffen, deren Bezahlung zur selbständigen Finanzierung des Lebenunterhalts reicht. So weit die Rekonstruktion seiner Ausführungen aus meinem Gedächtnis.
Im Kern der ökonomischen Auseinandersetzung steht die Frage der Beteiligung von Beschäftigten an den Früchten ihrer Arbeit. Hickel warnt schon seit langem vor der “endgültige(n) Abkopplung der Arbeitnehmer von der Produktivitätsentwicklung” und den äußerst schädlichen Folgen für die Volkswirtschaft. Bis heute kann niemand seiner Gegner auch nur ansatzweise nachweisen, daß möglichst niedrige Löhne sich ökonomisch rechnen. Die Nachteile liegen aber auf der Hand: Totale Abhängigkeit von irrwitzigen Exportüberschüssen, schwache Binnenachfrage selbst bei hohem Wachstum und ein eklatanter Mangel an Fachkräften bei ausgelasteter Produktion. An Innovation darf man gar nicht denken in einem Arbeitsmarkt, der nur nach der Statistik schielt und Scharen subventionierter Hungerlöhner bejubelt, anstatt für ausreichend motivierte und ausgebildete Kräfte zu sorgen.
Völlig außen vor sind bei den Vollbeschäftigungsträumern die Interessen der Arbeitnehmer, sprich: Bürger. Soziale Gerechtigkeit wäre das Gegenteil solcher Vollbeschäftigung, und mir fehlt allmählich jede Erklärung dafür, was die Rürups, Sinns und Hundts an menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen so furchtbar finden.
Was Großökonom Glos antreibt, ist hingegen leicht zu erkennen. Ich erinnere an den Namensgeber des Agenda-Elends und die eigentliche Ursache für Hartz I-IV, die seltsamerweise kaum je erwähnt wird. Es ging damals ja nicht um Reformen, geschweige denn sinnvolle Investitionen. Es ging um ein legendäres Wahlversprechen, das die Moralisten der Anti-Linken so gern vergessen würden: Die “Halbierung der Arbeitslosigkeit” innerhalb von drei Jahren, die Hartz im Auftrag von Schröder versprach. Was daraus wurde: Ein Wahlsieg für den einen. Was es dem anderen brachte, weiß ich nicht. Vielleicht ein Schweigegelübde in bezug auf gewisse Vorgänge?
Glos wird es freilich gar nichts bringen außer dem üblichen milden Kopfschütteln der Wissenden. Aber es klingt halt so schön, “Vollbeschäftigung”.

Gleich zwei davon bringt Sueddeutsche.de heute auf der Frontseite:

“Die Deutsche Bank wird durch die weltweite Finanzmarktkrise stärker belastet als angekündigt.”

“Die Schweizer Großbank UBS ist weit schlimmer von der Finanzkrise betroffen als bislang bekannt.”

Die Banken sind von Bankgeschäften stärker betroffen, als die Banken je zugegeben haben. Das ist doch eine Meldung wert. Oder zwei.

sind die Unternehmer.
In einem lesenswerten Streitgespräch der FTD werden wilde Argumente getauscht, von denen ich mir einige zu kommentieren erlaube.
Was viele nicht wissen: Wir müssen”in Zukunft mit zehn Millionen Arbeitslosen mehr leben, weil deutsche Unternehmer hinschmeißen oder ins Ausland ziehen“. Diese geächtete Minderheit muß dringend besser geschützt werden, zum Beispiel vor der FTD, die in einem Artikel feststellt, daß im Ausland kein Hahn nach deutschen Managern kräht. Sollte nun jemand besserwissen, daß Unternehmer keine Manager seien, schnappt die Falle zu: Es geht nicht darum, daß jemand investiert, sondern wie er Unternehmen und Markt gestaltet, also das Management.
Prompt sagt’s einer: “Die Politik sollte stärker differenzieren zwischen Managern und Unternehmern“. Doppelt falsch: “Die” Politik äußerst sich sehr unterschiedlich, die Mietmedien haben auf die Debatte einen größeren Einfluß als “die Politiker”, und im Fokus der Kritiker stehen Managergehälter, Steuerhinterzieher und soziale Ungerechtigkeit. Es gibt keine relevante Diskriminierung von Unternehmern. Diese Behauptung schützt lediglich die Profiteure. Ein ehrlicher Unternehmer kann sich über diesen Tinnef nur ärgern und müßte sich scharf von solchem “Schutz” distanzieren.
Gerade der Mittelstand leistet enorm viel – hier bloße Profitgier zu unterstellen, zeugt von großem Unverständnis.”
Gerade vom Mittelstand ist in diesem Zusammenhang nie die Rede.
Bei Neugründungen verdient der Unternehmer oft den geringsten Lohn und trägt das gesamte Risiko.”
Ja nee, ist klar. Die ganze böse Politik schlägt ständig auf Neugründer ein. “Ich-AGs” und ihre Luxemburger Konten sind das große Thema hier draußen. Noch irgendwer zuhause?
Es ist zu loben, daß die FTD argumentieren läßt. Zum Steinerweichen ist allerdings die redaktionelle Eingangsbehauptung: “Die Anfeindungen gegen Unternehmer reißen nicht ab. Mal werden sie als gierige Einkommensmillionäre dargestellt, dann wieder als Subventionsheuschrecken“.
Eine “Wirtschaftszeitung” muß nicht unterscheiden können zwischen Finanzinvestoren, Managern und Unternehmern. Sie muß Behauptungen auch nicht belegen. So etwas lernen Q-Journalisten heute nicht mehr. Sie wissen auch nicht, was “Klassenkampf” bedeutet. Sie führen ihn einfach.

Diese Vokabel gilt “der Wirtschaft” als rotes Tuch. Umverteilen wollen nach der Ideologie “liberaler” Ökonomen nur Sozialisten, die nicht wissen, daß man das Geld “verdienen” muß, das man ausgibt. Wenn also Politiker meinen, es sei ihre Aufgabe, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen, indem sie den Ärmeren mehr zukommen lassen wollen, ist das “Umverteilung”. Man müßte den Leistungsträgern etwas wegnehmen. Dadurch würde Leistung unattraktiv. Das wiederum würde die Wirtschaft lähmen bzw. sie würde abwandern. Das ist dann “Globalisierung”.
Das Wort “Umverteilung” deutet aber bereits auf eine Art negativen Etikettenschwindel hin. Wo etwas Um-verteilt wird, muß ja zuvor etwas verteilt worden sein. Es geht also, und nichts anderes ist Wirtschaft, um Verteilung. Daß Marktwirtschaft durch den Anreiz persönlicher Bereicherung (bitte wertfrei vestehen!) eine Dynamik entwickelt, die anderen Formen des Wirtschaftens fehlt, ist unbestritten. Darin liegt ihre große Stärke: Wo jeder durch Arbeit und Einsatz anderer Ressourcen etwas erreichen kann, ist stetig ein Motiv vorhanden, zum Erfolg des Systems beizutragen. Und dieses Prinzip hat in Europa, vor allem in der BRD, lange gut funktioniert. Es hat funktioniert, obwohl die Ressourcen schon immer ungerecht verteilt waren. Es hat funktioniert, obwohl wenige von Anfang an viel mehr vom System profitiert haben als andere. Und es hat hat so gut funktioniert, daß es einen breiten gesellschaftlichen Konsens gab dahingehend, daß die politische und wirtschaftliche Ordnung bejaht wurde. Zwar gab es auch immer radikale Kritiker des Systems, einige weniger helle, andere womöglich visionär. Aber es gab es den großen Konens, und die Deutschen glaubten an ihre Aufstiegschancen. Motto: “unsere Kinder sollen es einmal besser haben”.
Dieses Bild hat sich gewandelt. Obwohl die wirtschaftliche Situation in Produktion und Außenhandel nahezu perfekt ist, herrscht die nackte Angst. Angst, keine Rente zu bekommen, Angst, arbeitslos zu werden oder zu bleiben, Angst, sich keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mehr leisten zu können. Deutsche Betriebe legen Jahr für Jahr neue Exportrekorde hin, die Gewinne sind mehr als stattlich, Manager und Unternehmen verdienen sich zeitweise dumm und dämlich.
Derweil wird nach einer chancenlosen Unterschicht, die mangels Bildung und Fähigkeit an keine Zukunft mehr glaubt, inzwischen auch die Mittelschicht abgehängt. Der Konsens ist zerbrochen, das Vertrauen in Aufstiegschancen und wirtschaftliche Gerechtigkeit ist zerstört.
Dieses Problem ist nur zu einem kleinen Teil erkannt. Im öffentlichen Diskurs finden Debatten statt, die nicht im mindesten der aktuellen Situation gerecht werden. Auf der einen Seite stehen neoliberale Marktanbeter, die keine Lösungen für die Verteilungsproblematik anbieten. Nach dem “Weiter so!” kennen sie nur noch ein “shut up!”, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. Sie machen sich und anderen weis, die Wirtschaft werde es schon richten. Man bräuchte nur genug Wachstum, dann gehe es allen gut. Daß selbst bei annähernd optimalen Wachstumsbedingungen die Schere weiter auseinander klappt, ignorieren sie. Eingriffe (des Staates), die die Fehltentwicklung korrigieren könnten, gelten ihnen als “Staatssozialismus” und Wachstumsbremse. Anstatt sich intellektuell mit den Problemen auseinanderzusetzen, betreiben sie substanzlosen Lobbyismus und Propaganda.
Auf der anderen Seite stehen politische Kräfte, die eine gerechtere Verteilung fordern. Die dazu notwendigen Mittel sind zu einem beachtlichen Teil Klassiker. Sie sind Klassiker des Rheinischen Kapitalismus, aber auch Klassiker des Sozialismus. Ob diese Mittel tauglich sind, wird nicht diskutiert. Entweder sie werden in Bausch und Bogen abgelehnt, weil sie eben “sozialistisch” seien, oder es wird behauptet, sie seien in einer globaliserten Wirtschaft nicht mehr zeitgemäß.
Man darf allerdings davon ausgehen, daß es so einfach nicht sein wird, Geld von oben nach unten zu verteilen. Es wäre angesichts des groben Ungleichgewichts zweifellos gerecht, aber es würde sich daraus nicht unbedingt ein stabiles System ergeben, das auf die Dauer besser wäre als das herrschende. Die Linke wird nicht ganz zu unrecht argumentieren, daß man das Experiment wagen solle. Schließlich kann es so nicht weitergehen. Bis heute muß man allerdings feststellen, daß auch auf dieser Seite mehr gefordert als nachgedacht wird. Dazu werden die Linken aber quasi gezwungen, denn über konkrete Schritte und Maßnahmen darf ja nicht diskutiert werden. Ernsthaft ist dann die Rede von einer “neuen DDR”. Man könnte mit noch viel mehr Recht vom neuen “Manchester” reden, aber das bringt uns auch nicht weiter.
Die Frage ist offen: Wie kann man ein Wirtschaftssystem erhalten, das eine ausreichende Produktion und ausreichend freien Handel bietet, so daß es stabil wachsen kann? Und wie kann man gleichzeitig dafür sorgen, daß die Verteilung der Ressourcen weniger ungerecht zugeht, damit die Staatsbürger nicht des Ganzen überdrüssig werden? Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, den inneren Frieden durch Sicherheitspolitik und Propaganda herzustellen, sondern um eine annähernd gerechte Verteilung.
Zu diesem Problem höre und sehe ich nichts von den hohgelobten Wirtschaftswissenschaftlern und den politischen Akteuren der sogenannten “Mitte”. Vielleicht fangen sie endlich damit an, wenn die Linke zur stärksten politischen Kraft geworden ist? Aber selbst dann würden die Genies, die sich heute als “Weise” präsentieren, nur den Untergang des Abendlandes beweinen, anstatt ihre Hausaufgaben zu machen.
Von der Linken sollte man erwarten, daß sie wirklich zukunftsfähige Konzepte erarbeitet, die sich der Wirklichkeit anpassen. Anders herum klappt das schon prima. Sie sollte sich nicht davon beeindrucken lassen, daß auf der Brücke der Titanic ein anderer Kurs bevorzugt wird. Zumindest die Rettungsboote könnte man schon mal in Schuß bringen. Wenn der Dollarcrash und die nächste Wirtschaftskrise einsetzen, sind weder hämisches Besserwissen noch alte Glaubensbekenntnisse gefragt. Ein radikal neuer Gesellschaftsvertrag ist vonnöten.

ausbeut
Der “Mindestlohn” ist jetzt auch bei Arbeitgebern beliebt. Den Unterschied zwischen Lohn und Hohn wird man dem einen oder anderen allerdings noch erklären müssen. So meint etwa Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Wach- und Sicherheitsunternehmen, ein Mindestlohn von “vier bis fünf Euro” sichere “faire Wettbewerbsbedingungen“. Das wären bei einer 40-Stunden-Woche maximal 800 Euro brutto! Dafür soll eine Vollzeitkraft auf das Geld der besserverdienenden aufpassen oder seinen Kopf für die Sicherheit anderer hinhalten. Das findet der Herr Olschok “fair”. Wie tief muß der Riß im Hirn klaffen, wenn man solche Figuren mit sicherheitsrelevanten Aufgaben betraut? Für das Geld kriegt man den tumben Nazi, der sich als Türsteher einen kleinen Euro und seine Meriten als Schläger verdienen will. Einen moderaten und seriösen Mitarbeiter muß man schon bezahlen.
Damit sind wir bei einem großen Manko im Verbraucherschutz: Man erfährt nichts über die Arbeitsbedingungen, die hinter einem Produkt stehen. Über alles wird man belehrt: die richtige Handhabung, Farb-und Inhaltsstoffe, Haltbarkeit, Oberflächenbehandlung und Herkunft. Ob die Leute anständig bezahlt oder hemmungslos ausgebeutet werden, sagt einem aber keiner. Transparenz ist nach wie vor eine echte Marktlücke, und viele Unternehmen scheuen sie wie der Teufel das Weihwassser. Dabei würde sich so manches Produkt ein Gütesiegel (siehe oben) verdienen.

Der gemeine Hartzer muß sich dafür beschimpfen lassen, daß er lebt, und man macht ihm Beine, auf daß er sich das Atmen wieder “verdient”. Die Asozialen, die dauerhaft zu Hause bleiben und trotzdem essen, werden von Politik und Wirtschaft nur ungern im Volkskörper geduldet.
Hoch angesehen sind hingegen die Leistungsträger. Diejenigen, die für die Rendite zuständig sind und die gern von solcher Rendite leben. Bei BMW haben diese nun festgestellt, daß sie ein wenig mehr brauchen. So fünf bis zehn Prozentchen. Als Lohnzuwachs wäre so etwas eine Katastrophe. Als Renditeewartung ist das solide Planung. Das sagen die Wirtschaftsexperten der Leistungsträger.
Damit das auch klappt, hat man sich etwas Kluges ausgedacht: Man entläßt 8000 Mitarbeiter. Und damit die Leute, die entlassen werden, danach nicht auf dem Markt herumlungern, hat man noch eine schlaue Idee: So viele wie möglich sollen in die “Altersteilzeit” entlassen werden. Die Rentenkassen fangen dann auf, was BMW wegwirft. Und wenn die Kasse nichts mehr hergibt, tritt der Steuerzahler ein. Hauptsache, es entstehen keine neuen Parasiten.
Ganz schön schlau, diese Leistungsträger!

Heute Morgen war ich wieder müde wie ein halbtot Gefolteter. Dennoch schleppte ich mich ins Bad, um mein von jahrzehntelangem Martyrium durch Rauchen und Saufen gezeichnet Gesicht so gut wie möglich zu ignorieren, um eine Depression zu vermeiden. Es hat schon genug grauenhafte Selbstmorde gegeben, da muß ich nicht auch noch unvorstellbar verstümmelt in der Diele herumliegen. Nach einem Frühstück, das nur die Hunger-Agonie hineintreibt, setze ich mich also in mein Auto, um mich in den täglichen Verkehrsholocaust zu begeben. Zum Völkermord entschlossene Piledriver überall, die mir beinahe die Laune verderben, versuchen sich gegenseitig auszuradieren. Wenn sie könnten, würden sie die ganze Welt in den Schlund ihres Terrors ziehen, aber ihr gnadenloser Hass reicht heute nur dafür, den Blinker nicht zu setzen und ein paar km/h zu schnell zu fahren.
Womit wir schon lange beim Thema sind:
Einen “Vernichtungskrieg” gegen die deutschen Autobauer wirft Michel Glos der EU vor. Damit hat er wieder einmal bewiesen, daß er sich in Sachen Doof von niemandem übertrumpfen läßt. Zwar sind die Pläne der EU-Kommission schon bemerkenswert hirntaub, aber mit seinem rhetorisch souveränen Griff ins Klo stellt der Michel sie locker in den Schatten.
Und die deutsche Autoindustrie? Die kann sich bedanken, daß ihre Modellpalette nicht die Würdigung erhält, die sie verdient. Mit einem vernünftigen Vorschlag zur CO²-Reduzierung hätte sie nämlich dieselben Probleme – und kein Argument mehr dagegen. Wie schon vor der Einführung des Katalysators reagieren sie nur, anstatt sich rechtzeitig umzuorientieren. Wie wäre es, einmal mit gutem Beispiel voranzugehen? Undeutsch vermutlich.

In einem Interview mit der rheinland-pfälzischen Arbeitsministerin Malu Dreyer zum Mindestlohn versucht die FAZ, alle dazu bekannten Klischees in Anschlag zu bringen, aber sie werden souverän abgewehrt. So kommt sogar die FAZ zur der Überschrift: “Es gibt kaum Hinweise auf negative Beschäftigungseffekte“.
Zu demselben Ergebnis kam schon im Jahr 2004 eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Mindestlohn in Großbritannien:
Es gibt keine Hinweise auf eine nachhaltige negative Beeinträchtigung des Beschäftigungsniveaus. Die Anhebungen des NMW hatten nur geringe Auswirkungen auf das generelle Lohnniveau des Landes. Der NMW hat sich als effektiveres Mittel der Umverteilung erwiesen als einige Kritiker vorhergesehen haben.” und
Insgesamt war der NMW [Mindestlohn] eine der größten Leistungen der gegenwärtigen Regierung. Er hat einen effektiven Lohnsockel geschaffen, die Einkommen der am niedrigsten bezahlten Beschäftigten angehoben und einen Konsens zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften darüber hergestellt, dass die Festlegung eines Mindestlohns legitim ist“.
Großbritannien gilt wahrlich nicht als die Heimat des romantischen Sozialismus’, vielmehr hatten sogar viele in der Labour-Party anfangs große Befürchtungen, insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigungslage. Aber dort hat sich, wie es hier auch sein wird, gezeigt: Es macht Sinn, nicht zwanghaft mit Niedrigstlohnländern zu konkurrieren. In vielen Sektoren wie dem Handwerk und der Gastronomie spielt internationale Konkurrenz ohnehin kaum eine Rolle, und die Effekte des Mindestlohnes sind durchweg positiv. Die Auswirkungen auf den Binnenmarkt sind nur zu erahnen, aber ich kenne niemanden, der die Wirkung höherer Löhne in diesem Kontext für schädlich hält.
Es spricht vieles für den allgemeinen Mindestlohn: Größere Kaufkraft, weniger Lohnsubvention durch HartzIV, zufriedenere Arbeitnehmer, mehr Geld für Frauen und Familien und vor allem die Möglichkeit, von seinem Job zu leben. Diese ist vielen heute nicht gegeben.
Was angeblich dagegen spricht, sind meist schlechte Argumente, vor allem dieses:
Es seien Arbeitsplätze gefährdet.
Das ist in den meisten Branchen nicht der Fall, weil die Arbeit halt gemacht werden muß. Hier sinken die Margen, und die Leistung wird teurer. Beides ist verkraftbar. In Produktionsbetrieben, die im internationalen Wettbewerb stehen, mag die Gefahr bestehen, daß es im Ausland billiger ist. Wie sich aber längst zeigt, sind die Risiken solcher Verlagerungen und ebenso die Kollateralkosten oft zu hoch. Für chinesiches Spielzeug ist jeder Cent zu viel investiert. Hier ist es an der Zeit, noch mehr auf Qualität zu setzen. Höhere Preise sind für Deutschland der bessere Weg, und wer sich einmal die Preisunterschiede diverser Produkte anschaut, sieht, daß es beinahe in allen Zweigen unterschiedliche Preiskategorien gibt. Billig können wir eben nicht, na und?
Der Zug ist in Bewegung, und diejenigen, die ihn partout verpassen wollen, machen einen großen Fehler. Sollte sich nämlich endlich ein Trend hin zu anständiger Bezahlung und höherer Qualität (von Produkten und Service) durchsetzen, entsteht eine Dynamik, die die Billigheimer abhängen könnte. Wer nicht den billigsten Ramsch kaufen muß und sich ungern von unmotiviertem Personal anranzen läßt, geht woanders hin. Das ist die Perspektive, die der Mindestlohn bietet. Höhere Preise und kleinere Margen ermöglichen eine andere Kultur des Marktes. Das gefällt allerdings denen überhaupt nicht, die möglichst hohe Margen anpeilen. Sie sind die letzten, die nicht wahrhaben wollen, daß “die Festlegung eines Mindestlohns legitim ist“. Sie beschreien die totale Verelendung Deutschlands und machen den Leuten weis, es ginge uns am besten, wenn es ihren Auftraggebern gut geht. Diese Lüge glaubt ihnen aber bald niemand mehr.

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