Vollbeschäftigung bei voller Lohnenthaltung
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02. Apr 2008 0:38
“Vollbeschäftigung” verspricht uns der Glos Michel dieser Tage. Der Arbeitgeber-Hundt assistiert ihm und stellt fest: Immer brav auf Agenda-Kurs bleiben, dann wird das schon. Bernd Rürup, Merkels treuer Hausökonom, findet das auch alles gut und klatscht ebenfalls Beifall. Am liebsten hätten sie es mit niedrigen Löhnen und Steuern.
Beim WDR hat heute Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Bremen, seine Meinung zu Michels Glaubensbekenntnis kundgetan. Leider ist sie nicht auffindbar dokumentiert. Hickel stellte zunächst einmal frech die Frage, was denn “Vollbeschäftigung” sei. Wenn damit gemeint sei, daß jeder irgend einen Job machen solle, von dem er dann aber nicht unbedingt leben kann, dann sei das möglich. Genau dies scheint Herr Rürup zu meinen, wenn er von der “Weiterentwicklung des Arbeitslosengelds II zu einem wirksamen Kombilohnmodell” spricht. Ohne das Faß aufzumachen, was ein solches Model für den “ersten” Arbeitsmarkt” bedeutet, darf man ja schon mal fragen, was denn erstrebenswert ist an dieser “Vollbeschäftigung”. Es gibt schon heute Millionen Jobs, die zum Leben nicht ausreichen. Das heißt: Menschen gehen arbeiten, zum Teil sogar in Vollzeit, und der Staat muß dennoch einen beträchtlichen Teil ihres Lebensunterhaltes finanzieren. Sie stehen also als Niedrigststlohnkräfte ihren Arbeitgebern zur Verfügung, und damit das funktioniert, zahlt der Staat. Derselbe Staat, der möglichst wenig Steuern erheben soll. Interessanter Ansatz.
Hickel erklärte weiterhin, daß die andere Variante der “Vollbeschäftigung” völlig unrealistisch sei. Vollbeschäftigung sei daher überhaupt nicht erstrebenswert, es komme vielmehr darauf an, möglichst viele Stellen zu schaffen, deren Bezahlung zur selbständigen Finanzierung des Lebenunterhalts reicht. So weit die Rekonstruktion seiner Ausführungen aus meinem Gedächtnis.
Im Kern der ökonomischen Auseinandersetzung steht die Frage der Beteiligung von Beschäftigten an den Früchten ihrer Arbeit. Hickel warnt schon seit langem vor der “endgültige(n) Abkopplung der Arbeitnehmer von der Produktivitätsentwicklung” und den äußerst schädlichen Folgen für die Volkswirtschaft. Bis heute kann niemand seiner Gegner auch nur ansatzweise nachweisen, daß möglichst niedrige Löhne sich ökonomisch rechnen. Die Nachteile liegen aber auf der Hand: Totale Abhängigkeit von irrwitzigen Exportüberschüssen, schwache Binnenachfrage selbst bei hohem Wachstum und ein eklatanter Mangel an Fachkräften bei ausgelasteter Produktion. An Innovation darf man gar nicht denken in einem Arbeitsmarkt, der nur nach der Statistik schielt und Scharen subventionierter Hungerlöhner bejubelt, anstatt für ausreichend motivierte und ausgebildete Kräfte zu sorgen.
Völlig außen vor sind bei den Vollbeschäftigungsträumern die Interessen der Arbeitnehmer, sprich: Bürger. Soziale Gerechtigkeit wäre das Gegenteil solcher Vollbeschäftigung, und mir fehlt allmählich jede Erklärung dafür, was die Rürups, Sinns und Hundts an menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen so furchtbar finden.
Was Großökonom Glos antreibt, ist hingegen leicht zu erkennen. Ich erinnere an den Namensgeber des Agenda-Elends und die eigentliche Ursache für Hartz I-IV, die seltsamerweise kaum je erwähnt wird. Es ging damals ja nicht um Reformen, geschweige denn sinnvolle Investitionen. Es ging um ein legendäres Wahlversprechen, das die Moralisten der Anti-Linken so gern vergessen würden: Die “Halbierung der Arbeitslosigkeit” innerhalb von drei Jahren, die Hartz im Auftrag von Schröder versprach. Was daraus wurde: Ein Wahlsieg für den einen. Was es dem anderen brachte, weiß ich nicht. Vielleicht ein Schweigegelübde in bezug auf gewisse Vorgänge?
Glos wird es freilich gar nichts bringen außer dem üblichen milden Kopfschütteln der Wissenden. Aber es klingt halt so schön, “Vollbeschäftigung”.
April 2nd, 2008 at 09:38
[...] von der Vollbeschäftigung. Bei Feynsinn steht Lesenswertes zum instrumentalisierten Mythos Vollbeschäftigung. Geschrieben von Hanjo in Politik um 09:35 Kommentare (0) | Trackbacks (0) Tags für diesen [...]
April 2nd, 2008 at 09:38
[...] von der Vollbeschäftigung. Bei Feynsinn steht Lesenswertes zum instrumentalisierten Mythos Vollbeschäftigung. Geschrieben von Hanjo in Politik um 09:35 Kommentare (0) | Trackbacks (0) Tags für diesen [...]
April 2nd, 2008 at 16:00
Man darf halt einfach nicht müde werden, den gleichgeschalteten Medien da gegen das Wort zu reden. Außerdem sind die Menschen draußen im Lande schon lange nicht mehr so blöde und glauben denen noch irgendwas. Dazu gibt es zu viele, die zu viele kennen, die unter Hartz IV leiden – und diese Wirklichkeit kann weder durch Sonntagsreden, noch durch TV-Lügen oder Wirtschaftsmietmäuler weggeredet werden. ich bin da recht zuversichtlich, daß die das bei Wahlen noch heftiger spüren werden in Zukunft, wenn die so weitermachen.
April 2nd, 2008 at 16:00
Man darf halt einfach nicht müde werden, den gleichgeschalteten Medien da gegen das Wort zu reden. Außerdem sind die Menschen draußen im Lande schon lange nicht mehr so blöde und glauben denen noch irgendwas. Dazu gibt es zu viele, die zu viele kennen, die unter Hartz IV leiden – und diese Wirklichkeit kann weder durch Sonntagsreden, noch durch TV-Lügen oder Wirtschaftsmietmäuler weggeredet werden. ich bin da recht zuversichtlich, daß die das bei Wahlen noch heftiger spüren werden in Zukunft, wenn die so weitermachen.
Februar 17th, 2009 at 10:30
[...] auch, was Feynsinn dazu schreibt: Völlig außen vor sind bei den Vollbeschäftigungsträumern die Interessen der [...]
Februar 17th, 2009 at 10:30
[...] auch, was Feynsinn dazu schreibt: Völlig außen vor sind bei den Vollbeschäftigungsträumern die Interessen der [...]