Die Deutschen haben Angst. Diese Angst hat einen Namen: Oskar Lafontaine. So jedenfalls sieht die “Welt” die Welt, womit sie gut im Mainstream der Journaille surft. Und so sieht das heute aus:

weltwahr

Der Opener ist ein Beitrag über “zu Hohe Hartz IV-Kosten“, in dem unter anderem die Forderung seitens eines RCDS-Funktionärs erwähnt wird, ein Zwei-Klassen-Wahlrecht einzuführen. Ich habe dies in den vergangenen Tagen nicht kommentiert, da ich dachte, diese verfassungsfeindliche Schweinerei würde auf breiter Bühne abgekanzelt. Pustekuchen. Die “Welt” kokettiert gar mit der Idee, Rentern und Arbeitslosen das Wahlrecht zu nehmen, eher als daß sie dagegen aufbegehrt. Der Versuchsballon kommt gut voran: Die rechte Presse hat nichts einzuwenden gegen die Machtübernahme durch den Geldadel.
Flankiert wird dieser neuerliche Angriff auf die Unterschicht durch zwei weitere Artikel, einer von Wolfgang Clement, der andere ist der besagte zu Lafontaine. Clement vollstreckt das, was ich bereits vor zwei Wochen ankündigte, er stilisiert die Wahl einer SPD-Kandidatin zur Machtübernahme durch die Kommunisten. Daß Clement so “denkt”, ist bekannt. Daß ihm an dieser Stelle Raum gegeben wird für seine wirren Ansichten, ist die große Leistung politischen Journalismus’ á la “Welt”.
Komplettiert wird das reaktionäre Geschwafel durch einen weiteren überflüssigen “Artikel” über den Dämon Lafontaine. Daß die Deutschen Angst vor ihm haben, schließen Springers knallhart recherchierende Aufdecker aus einer “Emnid-Umfrage für die Zeitung „Bild am Sonntag“. Danach “halten 39 Prozent der Deutschen Lafontaine und seine politischen Ziele für „eher gefährlich“. 47 Prozent sagten, der frühere SPD-Chef sei „eher ungefährlich“, 14 Prozent wollten sich nicht festlegen.
Darüberhinaus verbreitet die “Welt” die publizitsiche Einheitsansicht, die Wahl zum Vorsitzenden, bei der Lafontaine “nur” 78,5 % der Stimmen bekam, sei ein “Dämpfer” und beten ihm die politische Bedeutungslosigkeit an den Hals. Niemand scheint auf die Idee zu kommen, daß eine Partei, die ihren Vorsitzenden nicht nur abnickt, erfreulich demokratisch sein könnte. Daß ausgerechnet die “SED-Nachfolgepartei” diejenige ist, in der noch Opposition zur Prominenz erlaubt ist, paßt nicht ins Weltbild.
Die Konstruktion einer politischen “Wahrheit” nach diesem Muster ist selten so anschaulich. “Durchschaubar”, könnte man auch sagen. Daß das nicht mehr funktioniert, die Menschen die Nase voll haben von diesem Schauspiel und sie sich derart erst recht von denen abwenden, die ihnen solche Lügen auftischen, macht allerdings Angst. Den einen um ihre Macht, weswegen sie auch die Demokratie offensiv und unverblümt bekämpfen. Den anderen um diese. CDU und die Rechten in der SPD versuchen tatsächlich im Schulterschluß mit ihnen genehmen Schreiberlingen, eine andere Republik zu installieren. Sollte ihnen das gelingen, werden sie zuerst eine Mauer bauen müssen, denn in diesem Deutschland will niemand mehr leben.