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August 2006


RP-Online berichtet über seltene Käfer und ihre seltsamen Namen:
Der augenlose Hitlerkäfer gehört zu den Laufkäfern. Er frisst kleines Höhlengetier, das ihm vor die kräftigen Kieferzangen läuft.

Kostensenkungsministser Peer Steinbrück hat wieder eine tolle Idee gehabt, wie man das Vaterland retten kann: Einfach mal auf eine Urlaubsreise verzichten, dann klappts auch mit der privat finazierten Rente. Hätte ich das nur früher gewußt, ich hätte eine meiner ausschweifenden Weltreisen ausgelassen und stattdessen eine Lebensversicherung abgeschlossen. Peer will ja nur, daß wir “stärker an unser Land und weniger an unsere Einzelinteressen denken“. Immerhin weiß der ehemalige Sozialdemokrat, daß solche Äußerungen “unpopulär” sind. Was er nicht weiß, ist, wie weltfremd dieser Quatsch ist und was sich die Leute überhaupt noch leisten (können). Was er nicht kapiert, ist, daß für eine Besserung der Verhältnisse nicht weniger, sondern dringend mehr konsumiert werden muß. Gerade zeichnet sich ein wenig Entspannung in der Konjunktur ab, da empfiehlt er zur Mehrwertsteuererhöhung noch freiwilligen Konsumverzicht. Was ist das? Fanatische protestantische Askese? Glühender Haß auf Lebensfreude? Brutalst mögliche Inkompetenz?
Was es auch sein mag, ich fürchte, es ist etwas sehr Unsympathisches.

TELEPOLIS thematisiert die Frage, welchen Hintergrund denn denn die angeblichen Anschlagsversuche auf englische Airlines hätten. Zwar ist TP bekannt für eine gewisse Nähe zu Verschwörungstheorien, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, daß ein krasses Mißverhältnis besteht zwischen der Rhetorik, mit der das Ereignis verkauft wurde und den Informationen, die dazu geliefert werden. Wenn von “Massenmord” “unvorstellbaren Aumaßes” die Rede ist, sollte doch etwas dahinter stecken?
Daß Deutsche sich Massenmord nicht vorstellen können, hat ja seine Gründe, daß aber die angloamerikanische Presse “Faschismus” inzwischen stets bei Islamisten sucht, nimmt wunder. Ist Verdrängung ansteckend?
Die Lehre, die es zu ziehen gilt, ist jedenfalls: Der Faschist ist fremd, geheim und unsichtbar, stets gefährlich, und in seinen Händen wird alles zur Waffe. Der Westmensch hingegen hat nichts zu verbergen, macht alles mit, und in seinem Kopf findet jeder Schwachsinn ein kuscheliges Plätzchen.

“Gotteslästerung” schreit die Kirche und ruft nach dem Staatsanwalt , weil eine kreuzöde Megadiva sich öffentlich nageln lassen will – ans nämliche, und natürlich nur im Spaß. Daß § 166 StGB die Störung des öffentlichen Friedens voraussetzt, damit ein Straftatbestand vorliegt, wird nicht erwähnt, auch nicht von dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, der posaunt: “Sollte das Konzert so ablaufen, wie bereits andere Konzerte, werden wir zu prüfen haben, ob eine Straftat in Betracht kommt“. Was er wohl damit meint? Will er vielleicht eine begehen?
Meinen Segen hätte er, wenn auch nicht aus religiösen Gründen. Für eine Attacke auf Madonna bekäme er allemal mildernde Umstände, wäre es doch ein Akt ästhetischer Notwehr.

Das Kabinett Rüttgers in NRW hat ein Ladenschlußgesetz verabschiedet, das die Öffnungszeiten beinahe vollständig freigibt. Einzig der Sonntag bleibt geschützt, wenngleich ebenfalls mit Einschränkungen. So darf es nur vier verkaufsoffene Sonn- und Feiertage im Jahr geben, die von den Kommunen bestimmt werden können. Interessant ist die Einschränkung: “Dabei ist auch auf die Zeit der Hauptgottesdienste Rücksicht zu nehmen“.
Was im rechtlichen Sinne ein Hauptgottesdienst ist, wird vielleicht noch zu klären sein. Jedenfalls handelt sich bei diesem Passus um eine wirklich rührende Aussrucksform des christlichen Fundamentalismus’. Es gäbe eine Reihe guter Gründe, die Liberalisierung einzuschränken, aber ausgerechnet die fünf Leute, die auf ihren Hauptgottesdienst in einer christlichen Kirche abonniert sind, müssen vor den sonntäglichen Schnäppchenjägern geschützt werden. Das ist in etwa so, als hätte eine SPD-geführte Regierung vorgeschrieben, daß sonntags in den Supermärkten nur Arbeiterlieder gespielt werden dürfen.

Die Idee, für Computer demnächst GEZ-Gebühren zu kassieren, ist zwar genial, aber sie geht nicht weit genug. Man kann nämlich mithilfe der Rundfunkgebühren nicht nur Sendemasten vergolden lassen und millionenschwere Sportler kaufen, sondern gleich die Staatsfinanzen retten, ohne über Reformen auch nur zu diskutieren.
Das geht nämlich so: Bei der GEZ käme niemand auf die Idee, Bürokratie abzubauen, denn genausogut könnte man versuchen, den pazifischen Ozean trockenzulegen. Übereifrige Reformer werden hier also niemandem im Wege stehen, der die Ründfunkgebührenabwicklungskonten nutzt, um etwa
- Steuern zu erheben
- Krankenkassenbeiträge durch die Hintertür zu erhöhen oder
- einfach so mal ein paar Kohlen abzuziehen, denn brauchen kann man’s ja immer.
Hier liegen 1000 Möglichkeiten, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, so daß die Defizitkriterien kein Thema mehr sein werden. Die Begründungen für Gebührenerhöhungen kann man sich in Zukunft auch schenken, denn blöder als heute geht es eh nicht mehr. Wer weiß, ob nicht ein internetfähiger Microchip im Toaster sitzt? Beweisen Sie mal das Gegenteil!

Etwas ist ans Licht gekommen. Sofort tauchen Journalisten massenhaft ins Dunkel und suchen Stimmen. “Intellektuelle” sind gefragt, moralische Instanzen, Experten. Während die öfentliche Debatte über Holocaust, Nationalsozialismus und die Emanzipation der Bundesrepublik längst viel weiter ist und man sich über gewisse grundsätzliche Differenzierungen längst geinigt hat, watet die Yellowpress des deutschen Feuilletons noch immer durch den Sumpf von Moral und Heiligenverehrung. Man holt “Meinungen” ein und wertet sie hernach, als handele es sich um Sachbeiträge. Das muß auch so sein, denn sonst wird aus dem Skandal sehr schnell eine Lappalie. Nur im Dunst der Moral funktioniert noch, was im Diskurs sofort untergeht: Der einfache Satz, das große Wort, die simple Wahrheit. Für derlei Vereinfachungen braucht man Prominente, die man zu “Instanzen” verklärt. Dumm nur, daß einzig die katholische Kirche erkannt hat, daß ein solches System ohne Unfehlbarkeitsdogma nicht funktioniert.
Menschen, die Lesen können, werden Herrn Grass dankbar sein, der mit seiner Offenbarung belegt, daß Schriftsteller Keine Moral- und Zitatmaschinen für jeden Anlaß sind. Für die anderen gilt es zu erkennen, daß die einfache Moral immer Doppelmoral ist. Sie dürfen sich entscheiden, ob sie auch eimal zu differenzieren versuchen oder Grass einfach ein Nazi ist.

Ich jedenfalls nicht. Eine geplante Anschlagsserie wird wieder einmal genutzt, um Freiheit einzuschränken. In den U.S.A. kennen sie das schon. Terrorwarnstufen werden ausgerufen, mal gelb, mal rot, eine lächerliche Prozedur, die seit Jahren die Gehirngewaschenen bei der Stange halten soll und noch niemanden geholfen hat. “Sicherheitsvorkehrungen” werden “verschärft”, als ob das einen Einfluß auf die Planung von Anschlägen hätte, und der US-Bush ist wie immer “im Krieg”.
Wenn deutsche Zeitungen aber von der “Rückkehr der Terror-Angst” schwadronieren, können sie nur die Hoffnung meinen, daß sich ihre Prophezeiung selbst erfüllt. Wenn der schwarze Mann, sei es Schäuble, Bosbach oder sonst ein Marktschreier der Überwachungstechnologie, behauptet, jetzt müsse man aber endlich den Datenschutz einschränken und die Persönlichkeitsrechte gleich mit, dann muß dem widersprochen werden. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Er gibt nicht mehr Terror als schon je, und wer den Leuten jetzt Angst macht, spielt genau denen in die Hände, die dafür woanders wirklich Bomben legen müssen. Der Rechtsstaat ist ein hohes Gut. Er hat die Freiheit zu verteidigen und nicht einzuschränken. Das (bislang nur behauptete) Risiko von Anschlägen ist hinzunehmen, wenn die Alternative der Abbau von Freiheitsrechten ist. Das alte Europa darf sich nicht nehmen lassen, was es nach Jahrhunderten von Krieg und Terror aufgebaut hat. Wir haben keine Angst!

Die Deutsche Telekom erfreut ihre Anleger heute mit einer Gewinnwarnung. Darauf reagiert sie mit altbekannten Strategien. Ganz toll marktwirtschaftlich einereits, indem sie “sparen” will. Sie heißt “Deutsche” Telekom, und darum ist das ganz logisch. Sparen hilft nämlich immer. Seit Jahrzehnten wird in den Konzernen Geld verschwendet, zahlt man brutal hohe Löhne an irsinnig viele Arbeiter. Deshalb können sie auch seit zwanzig Jahren ständig Leute rausschmeißen, wenn die Bilanzen nicht so rosig ausfallen. Weiter so!
Auf der anderen Seite kennen wir die “Telekom” aber auch als einen Ex-Monopolisten, der dementsprechend auftritt. So will man auch an dieser Front kämpfen und den Ausbau des VDSL-Netzes stoppen, was für viele Menschen bedeutet, weiter in der telekommunikativen Steinzeit zu leben. Das Argument ist klar: Die Investitionen sind hoch, und wenn es ganz dicke kommt, könnte die Konkurrenz auch davon profitieren.
Furchtbar, diese Konkurrenz: Wer einmal die Preise für Festnetzanschlüsse und Telefonkosten, DSL, Flatrates, Anschlußgebühren und spezielle Angebote vergleicht, wundert sich nicht, daß andere Anbieter mächtig aufholen. Wer vom Service der Telekom abhängig ist und sich etwa einen Monteur leistet, braucht ein starkes Herz, wenn die Rechnung kommt.
Daß die Konkurrenz im Bereich Service alles andere als gut ist, weiß, wer einmal die Hotline seines Festnetzproviders angerufen hat. Aber das nimmt man in Kauf, wenn der Preis stimmt. Hier wäre die Chance für die Männer in Magenta: Würde die Telekom ihre Infrastruktur für besseren und bezahlbaren Service nutzen und wäre sie nicht wesentlich teurer als mancher Konkurrent, könnte sie glänzend dastehen. Aber das wäre eine Verbesserung auf der Angebotsseite, und derlei haben deutsche Manager in ihren Kostensenkungsstudiengängen leider nicht gelernt.

Soweit es einer Karikatur des Mutes zur Ungerechtigleit bedarf, hat feynsinn sein Soll einmal erfüllt. Sigmar Gabriel hat doch mehr Ahnung, als ihm hier unterstellt wurde. Bleibt zu hoffen, daß die von ihm angekündigten weiteren Überprüfungen tatsächlich stattfinden und er bei den Restlaufzeiten wirklich standhaft bleibt. Wir werden das beobachten.

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