Kultur


Ich habe mich eben durch die ersten 20 Minuten einer “Diskussion” gequält, bei der Journalisten demonstrieren durften, daß sie zwar keine Ahnung von Blogs haben, aber genau wissen, warum sie immer alles richtig machen. Die Veranstaltung unterscheidet sich nur in Nuancen von Konferenzen, die ich als Vertreter einer Jugendhilfeeinrichtung mit Lehrern und der Schulverwaltung erleben durfte. Man “diskutiert nicht”. Man dekretiert, tut “kund und zu wissen”, belehrt und fordert. Keinen Milimeter bewegen sich die Vertreter der Journaille wie der unsägliche Jörges aus dem System “Journalismus” heraus. Was sie an “Blogs” interessiert, ist “zwischen Print und Rundfunk”, ist the same procedure. Und wenn Massenkommunikation der überkommenen Art längst gestorben ist, wenn Leitmedien so relevant geworden sind wie Tempobegrenzungen auf Autobahnen, wenn jeder, der wirklich schreiben kann, lieber ein Blog aufmacht als sich von Verlegern gängeln zu lassen, wissen sie immer noch, was einzig gut und richtig wäre.
So wie Lehrer einem wirklich pädagogisch gut gebildeten und an der Front erprobten Menschen begegnen, der etwas zu sagen hat, begegnen Journalisten Bloggern: Sie allein sind die Hüter des Systems, nur sie haben die Eintrittskarte, sie allein entscheiden, was zählt.
Beschränkter als Lehrer, verkennen sie allerdings auf groteske Weise ihre Lage: Eine Schule zu gründen, ist extrem schwierig. Menschen mit Nachrichten, Zusammenhängen und Meinungen zu versorgen, ist ein Leichtes. Deshalb ist der neue Treppenwitz längst der Schenkelklopfer im Netz: Arroganz und Inkompetenz werden ohne Verzögerung zum Geschoß, das genau dort einschlägt, wo es den Richtigen wehtut. Sie üben sich zwar noch im schmerzfreien “weiter so”, aber Anfang 1945 war der Krieg ja auch noch nicht verloren.
Journalisten sehen Blogs als fantastische (hier bitte Begeisterung empfinden) Möglichkeit, ihre Angebote auf einer neuen Plattform zu realisieren. Neue Rezipientengruppen in Echtzeit topaktuell ansprechen und dabei revolutionäre Technik nutzen! Web 2.0 als userbasiertes Newsspreading, Contentmanagement als hyperspace-cashflow-opportunity, das Lady Hesketh-Fortescue ebenso involvt wie den Fußballclub von Middlethrism. *WECKERKLINGELN* Schon eingeschlafen? Ich bitte um Vergebung!
Was ihnen objektiv das Recht gibt, so bemitleidenswert aufzutreten, ist die Macht der Resonanz, die sie noch haben. Es erklärt vor allem ihre Blindheit. Blogger werden sich noch lange daran abarbeiten, auf die miserable Qualität journalistischer Produkte hinzuweisen. Das Schöne ist: Es macht uns Spaß, und wir sind Überzeugungstäter. Mehr als genug haben das Talent, die Motivation und den Langmut, um eine Alternative zur Nachrichtenverwaltung der klassischen Medien zu etablieren. Unterhaltsamer ist das Netz und sind die Freaks, die es beleben, ohnehin schon. Was fällt den Torhütern des längst nur noch behaupteten Qualitätsjournalismus dazu ein? Sie wollen “Qualitätsstandards” einrichten, damit nicht jeder schreiben kann, was er will. Das ist lustig. Verkennt es doch nicht nur in grandioser Inkompetenz die Struktur des Internets, sondern richtet den Granatwerfer tragikomisch gegen die eigenen Stellungen.
Wenn Don Alphonso in einem überraschend milden Beitrag zum Ereignis schreibt,
Solange sie es nicht mit verbindlichen Regeln durchsetzen können, sollen sie es ruhig fordern, und Blogs schlechtreden“, muß ich widersprechen: Sollen sie doch Regeln durchsetzen! Sollen sie Standards festlegen! Sie werden das Netz nicht ändern, wo Schäuble schon keinen Erfolg haben wird. Und sie werden die ersten sein, die an wirklichen Qualitätskriterien scheitern.

[edit:] Siehe dazu auch diesen Artikel

spislam
Auch im letzten Jahr des Aust flaniert der Spiegel auf dem Boulevard, torkelt von rechts nach ganz rechts und illustriert das Böse, von der die Politik der Panik lebt. Alles, was Schäuble, Koch, Bosbach, Jung, Beckstein und sonstige Menschenfresser an die Wand malen, erscheint prompt als Hochglanzbroschüre unter der Flagge “Der Spiegel” am Kiosk. Im Neuen sind es “Junge Männer: Die gefährlichste Spezies der Welt”, die uns das Gruseln lehren, Resultat der “Migration der Gewalt”. Neben dem Aufmacher darf Schäuble selbst seine Paranoia ausleben und – Proporz, Proporz! – Brigitte Zypries ablassen, was sie dazu denkt. Das Gute an dieser Verschärfung des Qualitätsjournalismus’ ist das, was wir schon von denen mit den großen Buchstaben kennen: Man kann sich das Lesen sparen. Und sei es, daß im Blatt alles ganz anders steht: Wie tief muß man im eigenen Morast versunken sein, wenn man solche Titel für verantwortbar hält? Wie funktioniert der Trick, mit dem man den Leuten so etwas noch als “Nachrichtenmagazin” andreht?
Ich habe mich neulich nicht zu einem “Artikel” von R. Mohr geäußert, der stilistisch, handwerklich und inhaltlich verstörend miserabel ist. Hokey hat en passant darauf aufmerksam gemacht, daß die Schelte gegen Hagen Rether, die dort fulminant deplaziert wurde, vermutlich eine Retourkutsche ist. In seinem geschwurbelten Schwachschrieb bedient Mohr ohne Sinn und Zusammenhang Ressentiments, mehr muß dazu nicht gesagt werden. Und dann erlaubt er es sich, einen Kabarettisten anzupinkeln, weil der laue Kritik am Mülljournalismus Austscher Prägung übt. So weit ist das dort schon verinnerlicht: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
Chat Atkins hält auch noch tapfer dagegen und erklärt den Kamerakindern vom Hamburger Studio Bizarr, daß “weder Alter noch Geschlecht eine ‘Spezies’ sind.” Macht nix, denken sich die Kampfblatthunde, hauptsache gefährlich, denn “Danger sells” in der Terrorrepublik, und wenn man so brav mitbellt in der Meute, kommt auch gern der große Innenminister zu Besuch.
Wundert sich noch irgendwer, daß da niemand, dem etwas an seinem Ruf liegt, den Job des Chefredakteurs haben will?

Was geschieht, wenn ein Markt sich selbst regelt, kann man sich täglich auf 100 Kanälen oder auf tausenden DVDs anschauen: Der pure Horror. Guselig ist aber leider nicht die Handlung des Trashs, der vor allem in den USA massenhaft produziert wird, sondern die Qualität. Erschreckend ist die Ignoranz der Macher, denen ihre Kunden offenbar als Idioten gelten, die keiner Handlung folgen können und deshalb mit Effekten vollgeknallt werden, daß die Retina raucht. Ich hatte über die Feiertage das Mißvergnügen, einige Filme auf DVD anzuschauen. Daß einige kundenhassende Medienfirmen nicht die Möglichkeit bieten, die Vorschauen zu überspringen, ist eine Zumutung, für die man sein Geld zurück verlangen sollte.
Ich habe zehn Vorschauen über mich ergehen lassen, von denen neun Filme betrafen, die offenbar nichts anderes sind als möglichst monströse Aneinanderreihungen von Gewaltszenen. Solcher Szenen, die nicht pervers genug sein können. Das Blut muß eimerweise spritzen, es müssen alle Körperteile zerstört werden, die die Anatomie kennt. Es wird nicht einfach getötet, sondern in einen grauenhaften Tod gefoltert. Das Ganze mit den immergleichen Knallbumzischeffekten, effektverzerrten Schreien sowie anderen billigen Licht-und Toneffekten. Und es wird erst dadurch richtig geil, daß aus allen Einzelbildern dröhende Sinnlosigkeit pulsiert. Gewalt soll schließlich nicht dargestellt werden, sondern zelebriert.
Wer produziert so einen Dreck und wozu? Liegt es daran, daß das führende Filmvolk es für angebracht hält, in jedem Haushalt einen geladenen Revolver zu lagern? Ist es die Faszination des immer drohenden gewaltsamen Todes?
Das allein reicht nicht aus für den Trend zum Gewaltexzess. Eher wäre es schon eine mögliche Erklärung, daß Gewalt sich stets selbst neu erschafft, Effekte sich abnutzen, und also zu ihrer Steigerung zwingen.
Wo aber ist der Punkt erreicht, an dem eine Steigerung vollends sinnlos wird? Spätestens seit den 80er Jahren gibt es Filme, durchaus auch fürs Massenpublikum, deren gewaltanbetende Dummheit nicht mehr gesteigert werden kann. Niemand, der sie noch halbwegs beisammen hat, findet es amüsant, wenn Menschen sinnlos gefoltert oder brutal zu Tode gebracht werden. Kein solcher Film hat jemals Erfolg gehabt. Was also soll der Scheiß? Gibt es nur noch miserable Drehbücher? Gibt es nur noch ahnungslose Produzenten, die am Publikum vorbei einen Müll drehen lassen, bei dem einem der Kakao hochkommt?
Oder ist das die Rache für aktuelle deutsche “Kommödien”, deren Niveau man aufrecht unter der Tür von Georg Thomalla durchschieben kann? Dafür hätte ich noch einen Hauch von Verständnis.

Callactive sagt immer die Wahrheit. Callactive ist über jeden Verdacht erhaben. Callactive tut, sagt und sendet nie etwas “angeblich”, Callactive hat keine “verwirrten Anrufer”.
Zu dumm, daß die Kritiker von Callactive nur durch den puren Haß auf einen Anbieter motiviert sind, der “Partizipations TV” macht, das “Zuschauern [die Möglichkeit bietet], sich aktiv und live an der Programmgestaltung zu beteiligen, mitzuwirken und mitzuspielen”.
Nach Angaben von Callactive (merkt euch diese Phrase!) funktioniert das so: “Sobald ein Anrufer durchkommt und die richtige Lösung nennt, wird diese eingeblendet und das Spiel ist beendet.” So einfach ist das. Und das ist doch Grund genug, sich totzulachen.
So what, ihr Gutmenschen? Müßt ihr denn auch immer diejenigen beschützen, die sich aktiv und live an der Programmgestaltung beteiligen, mitwirken und mitspielen? Nur, weil ihr das Tempo nicht aufbringt, mit dem ihr vor den Schrank laufen müßtet, um dort anzurufen? Nur, weil ihr das Tempo nicht aufbringt, mit dem ihr vor den Schrank laufen müßtet, um diesen Schwachsinn ernst zu nehmen? Bloß, weil ihr “aktiv” “Gestaltung” und “Beteiligung” aus dem DUDEN kennt? Hey, das ist Demokratie! Wenn ihr euch unbedingt aktiv und live an der Meinungsbildung beteiligen wollt, dann versichert Euch! Und zwar gut, falls es Tatsachenbehauptungen sind, die ihr euch da leistet! Es findet sich nämlich für solche im Internet ganz fix ein Hamburger Gericht, das euch auf dem Boden der Tatsachen unter dem Grundgesetz einen runterholt. Und das ist teurer als jede Hure. Den Gang bis zum BVG könnt ihr euch nämlich garantiert nicht leisten. Der Artikel 5 des Grundgesetzes ist nicht dazu da, euch ohne weiteres vor den widerlichsten Auswüchsen des Kapitalismus’ zu schützen. Got me?

Klaus Kleber soll also Chefredakteur beim SPIEGEL werden? Muß ich mich jetzt freuen, daß nicht ein festgefressener Austist den Laden weiter herabwirschaftet? Eine Blitzrecherche über den Mann bestätigte mein nicht vorhandenes Bild von ihm: Er scheint nichts Relevantes gesagt zu haben, anhand dessen man ihn einschätzen könnte. Die einzig qualifizierbare Leistung, die ich fand, war eine peinliche Anmoderation zu einem schrecklich grauenhaft bösen Anschlag, der nicht stattgefunden hat. Thomas Knüwer sagt, was ich auch nicht denke, sondern mangels Profil nur vermuten kann:
Da hat sich die Belegschaft einen gesucht, der ihr nicht weh tut“.
Das ist verdammt nah am worst case. Wenn der SPIEGEL eines bräuchte, wäre das ein kritisches Profil, jemanden, der Meinungen fördert und nicht Mainstream-Blabla verwaltet. Hinzu kommt, daß Kleber als “Kenner” der USA, der er faktisch ist, nie eine nachvollziehbare Haltung zur Bush-Administration entwickelt hat. Er erklärt lieber alles so, daß es am Ende gut wird und scheint “Verständnis” zu haben. Vor allem für die, die halt die Geschicke der Welt maßgeblich beeinflussen, für das, was ist, wie es ist. Sensibel ist er, will heißen: Bloß niemandem wehtun, mit dem man es sich verderben könnte!
Kleber ist die journalistische Merkel: Er wirkt, als moderiere er und hält sich dabei aus allem raus, läßt andere Fakten schaffen und versucht, eine gute Figur abzugeben.
Wenn er den Job wirklich macht, besteht nur eine Hoffnung: Daß der Rest der Bande sich gegenseitig zerfleischt, bis auf den Trümmern einer Redaktion neuer Journalismus wächst.
Kann nicht mal jemand den Prantl fragen?

[edit: i.c.p. hat wohl recht (siehe Kommentar): Er wurde gefragt, wie die Taz berichtet.]

Ein T-Shirt mit dieser Aufschrift sollte jedem Lehrer zum Staatsexamen geschenkt werden. Keinen Satz höre ich in meinen häufigen Kontakten zu diesem Berufsstand so oft wie diesen. Berufsbedingt bin ich in der Sitaution, mit Lehrern kommunizieren zu müssen, wenn es Schwierigkeiten mit einem Schüler gibt. Manchmal ist es möglich, Absprachen zu treffen, die umgesetzt werden und für die nötige Ruhe sorgen. Aber wehe, wenn nicht!
Dann springt in Windeseile das ganze System in den Schützengraben und ballert aus allen Rohren. Klassenlehrer, Schulleiter, Schulräte, bis hoch zur Bezirksregierung schallt es unisono: An uns liegt es nicht, repariert den Schüler! Die Eltern, deren Meinung selten erfragt wird, werden dann gern zitiert, und zwar “die anderen”, die “sich beschweren”. Schuld ist immer der Schüler, der auffällt. Auf der Angebotsseite sieht es mithin äußerst mager aus. Der Schüler hat ein lösbares Problem, das sich in der Schule bemerkbar macht, auf das die Schule auch durchaus einen Einfluß hat. Darauf eingehen? Um Gottes Willen, ich habe 30 Schüler, das kann ich das nicht leisten. Den Spruch kenne ich im übrigen auch schon in der Variante mit “12 Schülern”, auf deren Probleme man nicht individuell eingehen könne. Aktuell habe ich einen Fall, der zeigt, wie schön es ist, zu viele Schüler zu haben: In einer Grundschulklasse mit 34 Schülern gibt es Zoff. Ich versuche u.a. zu erwirken, daß die Klasse geteilt werden kann, bemühe mich um mehr Personal für die Schule. Das trifft auf große Begeisterung: Mit Händen und Füßen wehren sich Schule und Behörden dagegen. Alles ist gut, wenn nur der störende Schüler erstmal weg ist. Selbstverständlich zu seinem Besten. Es gibt ja Sonderschulen. Daß die es oft auch “nicht leisten” können und Schüler, die durchaus Potential haben, ganz aus dem System kicken, ist der traurige Zustand ganz unten im deutschen Schuldesaster.
Da nimmt es nicht wunder, wenn jemand, der erklärt, daß es keinen Grund zum Jubel gibt angesichts neuer PISA-Statistiken, von der Meute gehetzt wird. Ist doch alles in Ordnung in Deutschland! Wenn Deutschland als Wirtschaftsmacht auf einen geschönten 13. Platz käme, hinter Estland, Liechtenstein und Südkorea, wäre der Jubel sicher nicht so groß. Aber “Wirtschaft” ist ja ein Wert. Der himmelschreinde Skandal, daß Kinder einkommensschwacher Eltern hier keine Chance haben, ist da noch gar nicht berücksichtigt. Dahinter steckt aber nicht nur soziale Selektion, sondern ein weiteres Armutszeugnis: Kinder lernen zunehmend nicht mehr in der Schule, sondern zu Hause. Der einzelne Lehrer muß sich nicht dafür schämen, daß die Zustände sind, wie sie sind. Aber jeder, der damit auch noch zufrieden ist, gehört öffentlich ausgepeitscht.
Und gleich ein Wort an diejenigen, die wieder hier und da “ganz tolle Arbeit” vorfinden: Setzt euch zwei Wochen in ein Kollegium und versucht dort, für Neuerungen und Verbesserungen zu sorgen. Wenn ihr damit nicht beim Psychiater landet, seid ihr reif für die Front.

jimi

Heute ist sein 65. Geburtstag, damit wäre er einer der letzten, die schon in diesem zarten Alter in Rente gehen dürfen. Jimi würde sicher drauf verzichten und noch heute allen den Arsch abspielen. Daran soll sich der Lokführer von heute mal ein Beispiel nehmen! Hear ma train a’comin’…

Zeitungen lesen kann jeder, oder? Auch mehrere oder sogar alle, die relevant sind und ein bestimmtes Sprektrum abdecken. Man muß nur die nötige Zeit dazu haben. Wer darüber hinaus noch Blogs liest, zumal politische, muß verdammt viel Zeit haben. Denn dort finden sich nur die Informationen, die es eh in den großen Zeitungen gibt, verquirlt mit einer gefärbten Weltsicht, unvollständig und tendenziös. Selten gelingt es einem Blogger, genuine Nachrichten zu ermitteln, zu servieren und so zu plazieren, daß man sie auch findet.
Der Anspruch, Zusammenhänge zu bilden, zu erläutern, zu analysieren und neu zu bilden, ist das Feigenblatt des Politbloggers. Dahinter verbirgt sich nur mühsam die schamlose Meinungsmache hybrider Freaks, die sich hier und da zu Konglomeraten vermeintlich besser Infomierter zusammenrotten. Eine dieser überflüssigen Gestalten flattert hier herum und verbreitet, was sie für “feynsinnig” hält. Wenn es eine Defnition von “entbehrlich” braucht, verweisen Sie auf diesen Webauftritt!
Im übrigen verlassen Sie sich darauf: Ich mache weiter!

Einen ganz wunderbar langatmigen, nichtssagenden und humorfreien Artikel über das deutsche Kabarett mutet Hilmar Klute in der Süddeutschen seinen Lesern zu. Quintessenz: Er kann Kabarett nicht leiden. Gut war es nur, als es noch lebensgefährlich war. “Sozialdemokratisches” Kabarett sei in jeder Variante schlecht und unwitzig. Ich halte mich nicht für jemanden, der über jede herausgequetschte Pointe lacht, im Gegenteil. Aber über mehrere der von Klute für berufsuntauglich befundenen Herren konnte ich schon mühelos lachen, und ich erkannte gar politische Botschaften in ihren Texten. Es mögen diese sein, die dem Herren nicht passen. So beklagt er ja auch die Ära der “Kohlwitze”. Womöglich ist er einer von jenen, die ein rechtes Kabarett vermissen, wofür auch sein Lob für Schmidts Polenwitze spricht. Das wäre dann schlicht reaktionär.
Vollkommen hybrid aber ist eine “Kritik”, die einen ganzen Berufsstand desavouiert. Ich schätze, der Mann ist einfach völlig humorlos und womöglich ein bißchen neidisch. Seine öde Schreibe ist ein deutliches Indiz dafür.

Peter Michalzik quatscht sich in Rage: In der FR vergleicht er den Fall Maxim Biller, der in einem Buch gegen seine Exfreundin nachkeilt und ihre Intimsphäre öffentlich macht, mit Klaus Mann und dem “Mephisto”. Ist ja beides Kunst und beides verboten:
Biller ist jetzt also end- und rechtsgültig Autor verbotener Literatur. Das Verbot von “Mephisto” ist übrigens bis heute nicht aufgehoben. Das Buch wird seit 1981 trotzdem verlegt. Auch für “Esra” besteht also Hoffnung.”
Dieser Vergleich liegt ganz auf der Ebene von Nazivergleichen, Äpfel- und Birnenschnaps und sonstiger Assoziationsrhetorik, sprich: Demagogie. Wenn es denn darum geht, das Recht auf Kunst oder das Recht der Kunst auf Äußerung gegen das Recht einer Person auf ihre Privatsphäre abzuwägen, wie Michalzik behauptet, warum bespricht er das dann nicht? Hat die Frau per se kein Recht auf ihre Intimsphäre? Oder ist die Frage schon deshalb geklärt, weil Biller das angeblich in der Veröffentlichung ihrer Privatsphäre leistet? Es hätte ja auch gefragt werden können, ob es nicht gerade in Zeiten der einfachen Massenveröffentlichung und gerade von Seiten eines “Künstlers” besonderer Rücksichtnahme in bezug auf die reale Intimität realer Personen bedürfte. Zumal es unter ebendiesen Bedingungen eine Anforderung an die Kunst wäre, dieses Dilemma mit medialer Weitsicht zu lösen. Ist es wirklich Kunst, die Privatheit zu zertrampeln, wie jeder Prolet, der einst intime Fotos ins Netz stellt, um seiner Ex eins auszuwischen? Ist es Aufgabe der Kunst, sich die gesellschaftlichen Tendenzen zur Rücksichtslosigkeit, zum Voyeurismus und zur Zerstörung des Vertrauens auf Privatheit zu eigen zu mchen? Wäre es nicht vielmehr Aufgabe der Kunst, hier am Versuch zu arbeiten, das Schweigen und das Geheimnis wenigstens rudimentär zu bewahren?
Oder darf jeder Fink, derzu 90% Arschloch ist und zu 10% Schriftsteller, sich auf die Freiheit der Kunst berufen, wenn er ungefragt das Innerste seiner angeblichen Freundin in ein Mikrophon kotzt?
Ausgerechnet einen Pfau wie Biller derart zum Märtyrer zu stilisieren, ist echter Qualitätsjournalismus. Von “Zensur” faselt der Mann da:
Es ist gut möglich, dass das Verbot von Maxim Billers Roman “Esra”, gestern vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, für die Geschichte der Zensur eine ähnliche Bedeutung bekommt wie das von Klaus Manns Gründgens-Roman “Mephisto”.”
Zensur! Michalzik, kauf dir ein Lexikon! Und fang hinten an!

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