Die Beamtenseele der Journalisten
Posted by flatter under KulturKommentare deaktiviert
13. Jan 2008 2:01
Ich habe mich eben durch die ersten 20 Minuten einer “Diskussion” gequält, bei der Journalisten demonstrieren durften, daß sie zwar keine Ahnung von Blogs haben, aber genau wissen, warum sie immer alles richtig machen. Die Veranstaltung unterscheidet sich nur in Nuancen von Konferenzen, die ich als Vertreter einer Jugendhilfeeinrichtung mit Lehrern und der Schulverwaltung erleben durfte. Man “diskutiert nicht”. Man dekretiert, tut “kund und zu wissen”, belehrt und fordert. Keinen Milimeter bewegen sich die Vertreter der Journaille wie der unsägliche Jörges aus dem System “Journalismus” heraus. Was sie an “Blogs” interessiert, ist “zwischen Print und Rundfunk”, ist the same procedure. Und wenn Massenkommunikation der überkommenen Art längst gestorben ist, wenn Leitmedien so relevant geworden sind wie Tempobegrenzungen auf Autobahnen, wenn jeder, der wirklich schreiben kann, lieber ein Blog aufmacht als sich von Verlegern gängeln zu lassen, wissen sie immer noch, was einzig gut und richtig wäre.
So wie Lehrer einem wirklich pädagogisch gut gebildeten und an der Front erprobten Menschen begegnen, der etwas zu sagen hat, begegnen Journalisten Bloggern: Sie allein sind die Hüter des Systems, nur sie haben die Eintrittskarte, sie allein entscheiden, was zählt.
Beschränkter als Lehrer, verkennen sie allerdings auf groteske Weise ihre Lage: Eine Schule zu gründen, ist extrem schwierig. Menschen mit Nachrichten, Zusammenhängen und Meinungen zu versorgen, ist ein Leichtes. Deshalb ist der neue Treppenwitz längst der Schenkelklopfer im Netz: Arroganz und Inkompetenz werden ohne Verzögerung zum Geschoß, das genau dort einschlägt, wo es den Richtigen wehtut. Sie üben sich zwar noch im schmerzfreien “weiter so”, aber Anfang 1945 war der Krieg ja auch noch nicht verloren.
Journalisten sehen Blogs als fantastische (hier bitte Begeisterung empfinden) Möglichkeit, ihre Angebote auf einer neuen Plattform zu realisieren. Neue Rezipientengruppen in Echtzeit topaktuell ansprechen und dabei revolutionäre Technik nutzen! Web 2.0 als userbasiertes Newsspreading, Contentmanagement als hyperspace-cashflow-opportunity, das Lady Hesketh-Fortescue ebenso involvt wie den Fußballclub von Middlethrism. *WECKERKLINGELN* Schon eingeschlafen? Ich bitte um Vergebung!
Was ihnen objektiv das Recht gibt, so bemitleidenswert aufzutreten, ist die Macht der Resonanz, die sie noch haben. Es erklärt vor allem ihre Blindheit. Blogger werden sich noch lange daran abarbeiten, auf die miserable Qualität journalistischer Produkte hinzuweisen. Das Schöne ist: Es macht uns Spaß, und wir sind Überzeugungstäter. Mehr als genug haben das Talent, die Motivation und den Langmut, um eine Alternative zur Nachrichtenverwaltung der klassischen Medien zu etablieren. Unterhaltsamer ist das Netz und sind die Freaks, die es beleben, ohnehin schon. Was fällt den Torhütern des längst nur noch behaupteten Qualitätsjournalismus dazu ein? Sie wollen “Qualitätsstandards” einrichten, damit nicht jeder schreiben kann, was er will. Das ist lustig. Verkennt es doch nicht nur in grandioser Inkompetenz die Struktur des Internets, sondern richtet den Granatwerfer tragikomisch gegen die eigenen Stellungen.
Wenn Don Alphonso in einem überraschend milden Beitrag zum Ereignis schreibt,
“Solange sie es nicht mit verbindlichen Regeln durchsetzen können, sollen sie es ruhig fordern, und Blogs schlechtreden“, muß ich widersprechen: Sollen sie doch Regeln durchsetzen! Sollen sie Standards festlegen! Sie werden das Netz nicht ändern, wo Schäuble schon keinen Erfolg haben wird. Und sie werden die ersten sein, die an wirklichen Qualitätskriterien scheitern.
[edit:] Siehe dazu auch diesen Artikel
Januar 13th, 2008 at 09:27
Ich habe in meinem blog ja auch etwas dazu geschrieben – aber eben auch zum letzten mal für lange Zeit. Dieses Video von der Podiumsdiskussion jedoch sollte so vielen menschen wie nur möglich bekannt gemacht werden, weil da selbst der Dümmste begreift, wie unsere “Qualitätsjournalisten” wirklich drauf sind.
Januar 13th, 2008 at 09:27
Ich habe in meinem blog ja auch etwas dazu geschrieben – aber eben auch zum letzten mal für lange Zeit. Dieses Video von der Podiumsdiskussion jedoch sollte so vielen menschen wie nur möglich bekannt gemacht werden, weil da selbst der Dümmste begreift, wie unsere “Qualitätsjournalisten” wirklich drauf sind.